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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Erbauseinandersetzung: Vorsicht auch bei kleineren Erbschaften

    | Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass bei kleinen Erbschaften unter nahen Angehörigen aufgrund der erbschaftsteuerlichen Freibeträge keine steuerlichen Risiken lauern. Die wichtigsten steuerlichen Pflichten, Gefahren und Gestaltungsmöglichkeiten zeigt der folgende praktische Fall. |

    1. Sachverhalt

    Der verwitwete Hans Meise ist am 15.12.19 verstorben. Seine drei Söhne erben zu gleichen Teilen. Ein Sohn des Erblassers, Theo Meise, sucht Anfang 2020 seinen Steuerberater auf und möchte wissen, was er bei der Erbschaft steuerlich zu beachten hat. Der verstorbene Hans Meise verfügte zum Todestag über folgendes Vermögen:

     

    • Vermögen des Erblassers
    Wert am 15.12.19
    Anteil Theo Meise (1/3)

    Eigentumswohnung (selbstgenutzt)

    120.000 EUR

    40.000 EUR

    Eigentumswohnung (vermietet)

    90.000 EUR

    30.000 EUR

    Ackerland (verpachtet)

    60.000 EUR

    20.000 EUR

    Bank- und Bausparguthaben

    30.000 EUR

    10.000 EUR

    Summe

    300.000 EUR

    100.000 EUR

     

    Das zur Finanzierung der vermieteten Eigentumswohnung aufgenommene Darlehen hat am Todestag noch eine Restschuld von 30.000 EUR. Die von den Brüdern gemeinsam getragenen Beerdigungskosten betrugen 15.000 EUR. Bei der selbstgenutzten Eigentumswohnung kommt die Steuerbefreiung für ein Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) nicht in Betracht.

    2. Lösung

    Der Steuerberater geht zunächst auf die erbschaftsteuerlichen Auswirkungen ein und erläutert anschließend die wichtigsten ertragsteuerlichen Konsequenzen. Abschließend stellt er Theo Meise die Folgen einer Erbauseinandersetzung vor.

     

    2.1 Erbschaftsteuerliche Auswirkungen

    Nach § 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Die Steuer entsteht am Todestag (§ 9 ErbStG), d. h. am 15.12.19. Dieser Zeitpunkt ist auch entscheidend für die Wertermittlung (§ 11 ErbStG). Sind mehrere Erben vorhanden, schreibt § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO vor, dass die Miterben so zu besteuern sind, als wenn sie Bruchteile an den einzelnen Nachlassgegenständen geerbt hätten.

     

    Der steuerpflichtige Erwerb des Theo Meise wird ermittelt, indem von seiner Bereicherung (100 TEUR) die anteiligen Nachlassverbindlichkeiten (Darlehen i. H. von 10 TEUR und Beerdigungskosten i. H. von 5 TEUR) abgezogen werden. Von dem verbleibenden Betrag (85 TEUR) ist dann der persönliche Freibetrag abzuziehen, der vorliegend 400.000 EUR beträgt (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Somit fällt für Theo Meise keine Erbschaftsteuer an.

     

    Beachten Sie | Ungeachtet des hohen persönlichen Freibetrags muss geprüft werden, ob eventuell hinzuzurechnende Vorerwerbe vorliegen (§ 14 ErbStG) und sich hierdurch ggf. eine Erbschaftsteuerpflicht ergibt.

     

    Die Erbschaft muss innerhalb von drei Monaten beim FA schriftlich angezeigt werden (§ 30 Abs. 1 ErbStG). Die Anzeige kann zwar formlos erfolgen, soll aber zumindest die in § 30 Abs. 4 ErbStG genannten Angaben (wie Name, Steueridentifikationsnummer etc.) enthalten. Das FA kann von jedem an einem Erbfall Beteiligten die Abgabe einer Steuererklärung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen. Die Frist muss mindestens einen Monat betragen (§ 31 Abs. 1 ErbStG).

     

    2.2 Ertragsteuerliche Auswirkungen

    Mit dem Erbfall tritt Theo Meise grundsätzlich auch ertragsteuerlich in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Hinterlässt der Erblasser aber sein Vermögen nicht nur einem, sondern mehreren Erben, so bilden diese eine Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB). Der Nachlass wird in diesem Fall als gemeinschaftliches Vermögen von allen Miterben verwaltet. Da Hans Meise die erwirtschafteten Einkünfte bis zu seinem Todestag zugerechnet werden, sind die Erben auch verpflichtet, für ihn letztmalig eine ESt-Erklärung abzugeben.

     

    MERKE | Einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG kann der Erbe nicht bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen (BFH 17.12.07, GrS 2/04).

     

    Ab dem Todestag sind die erwirtschafteten Einkünfte nicht mehr dem Erblasser, sondern der Erbengemeinschaft zuzurechnen ‒ und zwar mittels gesonderter Feststellung. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung erlischt erst mit Auflösung der Erbengemeinschaft durch Erbauseinandersetzung (§ 2042 BGB). Der folgende Zeitstrahl fasst die ertragsteuerlichen Auswirkungen für Theo Meise zeitraumbezogen zusammen:

     

     

    Der Erbfall ist grundsätzlich ein unentgeltlicher privater Vorgang. Die Vermögenswerte gehen damit als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen über (Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB). In „Sonderfällen“ (z. B. bei Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen oder im Zusammenhang mit Sonderbetriebsvermögen und Betriebsaufspaltungen) können aber bereits durch den Erbfall ungewollt stille Reserven aufgedeckt werden. Große Bedeutung können die stillen Reserven auch bei einer Erbauseinandersetzung haben.

     

    2.2.1 Überblick zur Erbauseinandersetzung

    Bei der Erbauseinandersetzung sollten möglichst eine Verfahrenserleichterung und eine steuerneutrale Aufteilung des Vermögens angestrebt werden. Die rechtliche Grundlage hierfür bietet ein Schreiben der Finanzverwaltung (BMF 14.3.06, IV B 2 - S 2242 - 7/06).

     

    • Steuerliche Aspekte bei einer Erbauseinandersetzung
    Verfahrenserleichterung
    Aufteilung des Vermögens
    • Rückwirkende Zurechnung der laufenden Einkünfte
    • (BMF a. a. O., Tz. 8)
    • Auseinandersetzung bei Betriebsvermögen
    • (BMF a. a. O., Tz. 10 - 21)

     

    • Auseinandersetzung bei Privatvermögen
    • (BMF a. a. O., Tz. 22 ‒ 31)

     

    • Auseinandersetzung bei einem Mischnachlass
    • (BMF a. a. O., Tz. 32 ‒ 36)
     

    2.2.2 Verfahrenserleichterung mittels Rückwirkung

    Der Erbfall und die anschließende Erbauseinandersetzung sind zwei selbstständige Vorgänge. Da die Erbengemeinschaft jedoch eine auf Teilung angelegte gesetzliche Zufallsgemeinschaft ist, wird eine steuerlich unschädliche Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls in engen Grenzen anerkannt. In der Regel wird eine rückwirkende Zurechnung laufender Einkünfte für sechs Monate anerkannt (BMF a. a. O., Tz. 8).

     

    2.2.3 Aufteilung des Vermögens

    Da im Nachlass des Hans Meise kein Betriebsvermögen enthalten ist, sind die Regelungen des BMF zur „Erbauseinandersetzung über Privatvermögen“ anzuwenden. Demnach kann die Erbauseinandersetzung grundsätzlich steuerneutral, d. h. ohne Aufdeckung von stillen Reserven erfolgen („Teilung ohne Abfindungszahlungen“).

     

    PRAXISTIPP | Eine Schuldübernahme führt auch insoweit nicht zu Anschaffungskosten, als sie die Erbquote übersteigt. Dies bedeutet, dass Nachlassverbindlichkeiten einen wertmäßigen Ausgleich unter den Miterben bei einer Teilung und damit einen unentgeltlichen Rechtsvorgang ermöglichen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die übernommenen Verbindlichkeiten in einem Finanzierungszusammenhang mit zugeteilten Nachlassgegenständen stehen (BMF a. a. O., Tz. 23).

     

    Eine steuerneutrale Aufteilung des Vermögens könnte wie folgt aussehen:

     

    • Steuerneutrale Erbauseinandersetzung
    Bruder 1 (1/3)
    Bruder 2 (1/3)
    Theo Meise (1/3)

    Eigentumswohnung (selbstgenutzt)

    120.000 EUR

    Eigentumswohnung (vermietet)

    90.000 EUR

    Ackerland (verpachtet)

    60.000 EUR

    Bank- und Bausparguthaben

    30.000 EUR

    Nachlassverbindlichkeit

    ‒ 30.000 EUR

     

    Wird ein Nachlass durch Erbauseinandersetzung hingegen real geteilt und erhält ein Miterbe wertmäßig mehr, als ihm nach seiner Erbquote zusteht, und zahlt er für dieses „Mehr“ an seine Miterben eine Abfindung, liegt insoweit ein Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang vor. In Höhe der Abfindungszahlung entstehen Anschaffungskosten (BMF a. a. O., Tz. 26).

     

    Beachten Sie | Der Veräußerungsgewinn ist steuerpflichtig, wenn die Voraussetzungen der §§ 17, 23 EStG oder des § 21 UmwStG vorliegen (BMF a. a. O., Tz. 27).

     

    MERKE | Ist bei einer Erbschaft Privatvermögen in Form von Grundstücken vorhanden, sind nach § 23 EStG u. a. folgende Szenarien denkbar (nachfolgend aus Vereinfachungsgründen dargestellt an dem Beispiel: Erblasser = Vater (V); Erben = Sohn (S) und Tochter (T)):

     

    • Überträgt die T im Zuge einer Erbauseinandersetzung ihren Anteil am Grundstück auf S gegen Barausgleich, führt dies zu einem privaten Veräußerungsgeschäft der T, wenn zwischen der Anschaffung des V und der Übertragung des Eigentumsanteils nicht mehr als zehn Jahre vergangen sind.

     

    • Veräußert S das Grundstück später (nach der Erbauseinandersetzung), ist wie folgt zu unterscheiden:

     

      • Bei dem Grundstücksanteil, den S direkt von V erhalten hat, tritt er als Gesamtrechtsnachfolger in seine Fußstapfen, sodass er auch den Anschaffungszeitpunkt des V übernimmt.

     

      • Hinsichtlich der von T erworbenen Hälfte (Erbauseinandersetzung) erfolgte eine entgeltliche Anschaffung, sodass eine separate 10-Jahresfrist i. S. des § 23 EStG beginnt.
     

     

    Besondere Vorsicht ist auch bei landwirtschaftlichen Flächen geboten. Denn „nur“ weil die Pachterträge als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung deklariert und versteuert wurden, heißt dies nicht, dass es sich bei dem Ackerland tatsächlich um Privatvermögen handelt. Somit ist vor der Erbauseinandersetzung zu prüfen, ob es sich in der Vergangenheit um LuF-Vermögen gehandelt hat und (falls ja), ob eine Betriebsaufgabe erklärt wurde (vgl. hierzu auch MBP 20, 61).

    Quelle: Ausgabe 06 / 2020 | Seite 98 | ID 46400161

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