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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Entfernungspauschale: Das lässt sich bei Fahrgemeinschaften absetzen

    von Dipl.-Finw. Marvin Gummels, Hage

    | Gerade bei größeren Entfernungen zur ersten Tätigkeitsstätte kann eine Fahrgemeinschaft für Arbeitnehmer vorteilhaft sein. So können nicht nur die Fahrzeugkosten gesenkt werden, sondern es ergeben sich auch interessante Gespräche, z. B. über die Auswirkungen der Fahrgemeinschaft auf die abzugsfähige Entfernungspauschale. |

    1. Sachverhalt

    Adam Meise fährt bisher jährlich an 220 Tagen zu seiner 65,5 Kilometer entfernt liegenden ersten Tätigkeitsstätte. Für diese Fahrten benutzt er sein eigenes Auto. Um die erheblichen Benzinkosten zu reduzieren, plant Meise, mit seinen Kollegen Müller und Schulze eine Fahrgemeinschaft zu gründen. Das Problem: Die drei wohnen nicht in derselben Straße und Müller hat keinen Führerschein. Also müssen Meise und Schulze die Fahrten übernehmen und Umwege in Kauf nehmen. Dafür beteiligt sich Müller an den Benzinkosten.

     

    Nun stellt sich die Frage, wie sich die Fahrgemeinschaft auf die abzugsfähige Entfernungspauschale auswirkt und ob das Benzingeld versteuert werden muss. Der Steuerberater erläutert zunächst, welche Beträge sie bisher absetzen können. Dann geht er auf die Fahrgemeinschaft ein und stellt dar, wie sich nun die Werbungskosten ermitteln und die Fahrtkosten zu behandeln sind.

    2. Lösung

    2.1 Entfernungspauschale bei Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte

    Die Entfernungspauschale beträgt nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG für die auf volle Kilometer abgerundete kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte 0,30 EUR je Kilometer. Maximal können 4.500 EUR pro Jahr als Entfernungspauschale abgesetzt werden. Ein höherer Betrag kann nur geltend gemacht werden, wenn für die Fahrten ein eigener oder zur Nutzung überlassener Pkw verwendet wird.

     

    Für die Jahre 2022 bis 2026 erhöht sich die Pauschale ab dem 21. Kilometer auf 0,38 EUR (für 2021 auf 0,35 EUR). Mit der Entfernungspauschale sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind. Werden die Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, lässt sich die Pauschale ebenfalls absetzen. Hier gibt es aber ein Wahlrecht. Übersteigen die tatsächlichen Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel die für das komplette Jahr berechnete Entfernungspauschale, lassen sich die höheren Ticketkosten absetzen (§ 9 Abs. 2 EStG).

     

    Beachten Sie | Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn sie offensichtlich verkehrsgünstiger ist und regelmäßig für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 S. 4 EStG).

     

    • Beispiel

    Adam Meise fuhr 2024 an 220 Tagen zu seiner 65,5 Kilometer entfernt liegenden ersten Tätigkeitsstätte mit seinem eigenen Pkw.

     

    Lösung: Der Höchstbetrag findet keine Anwendung, da für die Fahrten ein eigener Pkw genutzt wurde. Adam Meise kann 5.082 EUR absetzen:

     

    220 Tage × 20 km × 0,30 EUR = 1.320 EUR

    220 Tage × 45 km × 0,38 EUR = 3.762 EUR

     

    2.2 Das gilt bei einer Fahrgemeinschaft

    Unabhängig von der Art der Fahrgemeinschaft ist bei jedem Teilnehmer der Fahrgemeinschaft die Entfernungspauschale entsprechend der für ihn maßgebenden Entfernung zur ersten Tätigkeitsstätte anzusetzen. Dies gilt auch für eine aus Ehegatten bestehende Fahrgemeinschaft ‒ selbst wenn die Fahrten zum selben Arbeitgeber führen. Das bedeutet auch, dass sich Umwege zum Abholen der Mitfahrer nicht auf die Entfernungspauschale auswirken und sie nicht erhöhen. Die zusätzlichen Kilometer sind nicht abzugsfähig, da sie nicht in Kauf genommen werden, um die erste Tätigkeitsstätte schneller und pünktlicher zu erreichen. Zudem ist auch bei einer Fahrgemeinschaft der Höchstbetrag von 4.500 EUR zu beachten. Dieser gilt jedoch nur für die Tage, an denen die Mitfahrer keinen eigenen oder zur Nutzung überlassenen Pkw benutzt haben (BMF 18.11.21, IV C 5 - S 2351/20/10001 :002, Rz. 17). Auch gilt der Höchstbetrag für jeden Mitfahrer isoliert und nicht insgesamt für die Fahrgemeinschaft.

     

    Bei einer Fahrgemeinschaft wechseln sich typischerweise alle Teilnehmer mit den Fahrten ab. Es wird also zeitweise der eigene Pkw eingesetzt und zeitweise nur bei den anderen mitgefahren. Fraglich ist daher, welche Fahrten vorrangig mit dem Höchstbetrag verrechnet werden. Das BMF hat hierzu eine praktikable Lösung gefunden (18.11.21, Rz. 18). Der Höchstbetrag wird zunächst durch die Arbeitstage ausgeschöpft, an denen der Arbeitnehmer mitgenommen wurde. Deshalb ist zunächst die Entfernungspauschale für die Tage als Mitfahrer zu berechnen und auf 4.500 EUR zu begrenzen. Erst im Anschluss ist die unbegrenzt abzugsfähige Entfernungspauschale für die Tage zu ermitteln, an denen ein eigener Pkw genutzt wurde. Beide Beträge zusammen ergeben dann den abzugsfähigen Betrag.

     

    • Beispiel: Planung im praktischen Fall

    Der Steuerberater möchte die Auswirkungen auf die Fahrgemeinschaft zwischen Meise, Müller und Schulze darstellen. Die Kollegen nennen ihm folgende Planung:

    Meise
    Müller
    Schulze

    Einfache Entfernung Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte (in km)

    65,5

    70

    60

    Verteilung der 220 Fahrten

    120

    0

    100

    Umwege zum Abholen der Mitfahrer (in km)

    5

    0

    8

     

    2.2.1 Auswirkung für Meise

    Für Meise sind zunächst die der Höhe nach begrenzten Aufwendungen aufgrund der Mitnahme durch die Fahrgemeinschaft zu ermitteln:

     

    • 100 Tage × 20 km × 0,30 EUR = 600 EUR
    • 100 Tage × 45 km × 0,38 EUR = 1.710 EUR
    • Summe = 2.310 EUR (< Höchstbetrag)

     

    Hinzu kommen die Fahrten mit dem eigenen Pkw:

    • 120 Tage × 20 km × 0,30 EUR = 720 EUR
    • 120 Tage × 45 km × 0,38 EUR = 2.052 EUR
    • Summe = 2.772 EUR (ohne Höchstbetrag)

     

    Insgesamt kann Meise somit 5.082 EUR absetzen. Dies entspricht dem Betrag, den Meise auch vor der Fahrgemeinschaft absetzen konnte.

     

    2.2.2 Auswirkung für Müller

    Für Müller sind nur der Höhe nach begrenzte Aufwendungen zu berücksichtigen, weil er keinen eigenen oder überlassenen Pkw einsetzt:

     

    • 220 Tage × 20 km × 0,30 EUR = 1.320 EUR
    • 220 Tage × 50 km × 0,38 EUR = 4.180 EUR
    • Summe = 5.500 EUR (> Höchstbetrag)

     

    Es greift der Höchstbetrag von 4.500 EUR. Mehr kann Müller nicht absetzen.

     

    2.2.3 Auswirkung für Schulze

    Auch für Schulze sind zunächst die der Höhe nach begrenzten Aufwendungen aufgrund der Mitnahme durch die Fahrgemeinschaft zu ermitteln:

     

    • 120 Tage × 20 km × 0,30 EUR = 720 EUR
    • 120 Tage × 40 km × 0,38 EUR = 1.824 EUR
    • Summe = 2.544 EUR (< Höchstbetrag)

     

    Hinzu kommen die Fahrten mit dem eigenen Pkw:

    • 100 Tage × 20 km × 0,30 EUR = 600 EUR
    • 100 Tage × 40 km × 0,38 EUR = 1.520 EUR
    • Summe = 2.120 EUR (ohne Höchstbetrag)

     

    Insgesamt kann Schulze 4.664 EUR absetzen.

     

    2.3 Das gilt für die Mitfahrerentschädigung

    Müller wird, da er keine Fahrten übernimmt, einen finanziellen Ausgleich an Meise und Schulze leisten. Diesen kann er nicht gesondert geltend machen, es bleibt beim Abzug der Entfernungspauschale.

     

    Bei Meise und Schulze stellt der Ausgleich sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 3 EStG) dar. Von den Einnahmen ist aber der Mehraufwand für die Mitnahme von Müller abzuziehen: Dies sind die zusätzlichen Kilometer für die Umwege zum Abholen und Wegbringen von Müller mit 0,30 EUR je Kilometer sowie der Mehraufwand durch den höheren Kraftstoffverbrauch und Verschleiß des Pkw. Dieser Mehraufwand lässt sich in Anlehnung an die frühere Reisekostenentschädigung bei Mitfahrern mit 0,02 EUR je Kilometer schätzen (BFH 15.3.94, X R 58/91). Nur wenn der verbleibende Betrag die Freigrenze von jährlich 255,99 EUR übersteigt, ergeben sich für Meise und Schulze steuerpflichtige sonstige Einkünfte.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2025 | Seite 101 | ID 50376827