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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Das ist bei der Verschmelzung einer Vertriebs-KG unbedingt zu beachten!

    | Eine separate Vertriebsgesellschaft kann insbesondere zur Risikoabschottung sinnvoll sein. Da der „laufende Unterhalt“ (Buchhaltung, Jahresabschlussprüfung, Steuererklärungen etc.) jedoch arbeits- und kostenintensiv ist, sollte regelmäßig überprüft werden, ob die separate Gesellschaft überhaupt noch erforderlich ist. Der folgende praktische Fall zeigt, wie eine solche Vertriebsstruktur aufgelöst werden kann und welche Fallstricke hierbei lauern. |

    1. Sachverhalt

    Die mittelständische Müller-Gruppe hatte zur Abschottung ihrer Vertriebsaktivitäten in 2015 eine separate Vertriebs-GmbH & Co. KG gegründet. Im Zuge einer aktualisierten Risikobewertung hat sich die Geschäftsleitung nun dazu entschieden, dass eine derartige Abschottung nicht mehr erforderlich ist. Darüber hinaus möchte sie die bestehenden gewerbesteuerlichen Verlustvorträge der Vertriebsgesellschaft in der Produktionsgesellschaft nutzen.

     

    Die Geschäftsleitung fragt daher ihren Bilanzbuchhalter, ob die Vertriebsgesellschaft auf die Produktionsgesellschaft verschmolzen werden kann und was es hierbei zu beachten gibt. Die Müller-Gruppe hat ein kalendergleiches Geschäfts- bzw. Wirtschaftsjahr. Eine etwaige Verschmelzung soll (wenn möglich) Ende 2022 erfolgen.

     

    Die folgende grafische Darstellung zeigt die Konzernstruktur und die gewünschte Verschmelzung:

     

     

    Beachten Sie | Um keine Grunderwerbsteuer auszulösen, hat die Peter Müller GmbH bei der Schaffung der aktuellen Holdingstruktur im Jahr 2015 eine Minderheitsbeteiligung von 5,1 % zurückgehalten.

    2. Lösung

    Der Bilanzbuchhalter erläutert der Geschäftsleitung zunächst die Möglichkeit einer Verschmelzung zu Buchwerten nach § 24 UmwStG. Danach stellt er die Voraussetzungen für die Nutzung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags vor, geht auf die grunderwerbsteuerlichen Fallstricke ein und gibt Hinweise zur zeitlichen Umsetzung.

     

    2.1 Verschmelzung ohne Versteuerung der stillen Reserven

    Eine Verschmelzung ist eigentlich nichts anderes als ein Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang. Dieser führt grundsätzlich zur Aufdeckung und Besteuerung der im übertragenen Vermögen enthaltenen stillen Reserven. Um jedoch wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen nicht zu verhindern, ermöglicht das UmwStG unter bestimmten Voraussetzungen steuerneutrale Verschmelzungen.

     

    Im praktischen Fall sollen zwei GmbH & Co. KGs verschmolzen werden. Für eine steuerneutrale Verschmelzung sind daher die Voraussetzungen gemäß § 24 UmwStG „Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft“ zu prüfen. Die Anwendung des § 24 UmwStG und somit die Übertragung zu Buchwerten ist nur möglich, wenn

    • neue Mitunternehmeranteile gewährt und
    • alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen werden.

     

    Die Gewährung von Mitunternehmeranteilen lässt sich vergleichsweise problemlos im notariell zu beurkundenden Verschmelzungsvertrag umsetzen. Dass die Müller Holding bereits an der Müller Produktions-GmbH & Co. KG beteiligt ist und ihre Beteiligung durch die Verschmelzung erhöht wird, ist unschädlich. Buchhalterisch muss das Kommanditkapital der Müller Holding GmbH erhöht werden.

     

    Grundsätzlich müssten auch der Komplementärin der Müller Vertriebs-GmbH & Co. KG neue Mitunternehmeranteile gewährt werden. Diese Anforderung kann erfüllt werden, indem die beiden Komplementär-GmbHs parallel fusionieren. Auch diese Verschmelzung kann auf Grundlage des UmwStG zu Buchwerten und somit steuerneutral erfolgen.

     

    MERKE | Die Sicherstellung, dass alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des Gesamthands- und des Sonderbetriebsvermögens übertragen werden, bereitet in der Praxis häufig mehr „Kopfzerbrechen“ als die Einräumung neuer Mitunternehmeranteile. Werden jedoch keine Vermögenswerte (z. B. Lizenzen, Grundstücke etc.) zurückbehalten, ist auch dieses Kriterium unkritisch.

     

    Die Beteiligung der Müller Holding GmbH an der Komplementärin der Vertriebs-GmbH & Co. KG stellt Sonderbetriebsvermögen bei der Vertriebsgesellschaft dar. Um Diskussionen mit der Finanzverwaltung zu vermeiden, ob es sich hierbei um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt, die übertragen werden muss, sollte vor der Durchführung der Verschmelzung der MV Beteiligungs-GmbH auch die Komplementärstellung bei der Müller Produktions-GmbH & Co. KG eingeräumt werden.

     

    ZWISCHENFAZIT | Die Voraussetzungen des § 24 UmwStG können erfüllt werden. Demzufolge kann die angedachte Umstrukturierung grundsätzlich ohne Aufdeckung von stillen Reserven (Buchwertfortführung) durchgeführt werden.

     

    2.2 Gewerbesteuerliche Verlustnutzung

    Der gewerbesteuerliche Verlustvortrag der Müller Vertriebs-GmbH & Co. KG kann nach der Verschmelzung von der Müller Produktions-GmbH & Co. KG genutzt werden, wenn Unternehmens- und Unternehmeridentität besteht.

     

    Unternehmeridentität bedeutet, dass der Gewerbetreibende, der den Verlustabzug in Anspruch nehmen will, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss (R 10a.3 Abs. 1 GewStR). Da die Müller Holding GmbH sowohl bei der Müller Vertriebs-GmbH & Co. KG als auch bei der Müller Produktions-GmbH & Co. KG Gesellschafter ist, kann der gewerbesteuerliche Verlustvortrag von ihr vollständig genutzt werden.

     

    Beachten Sie | Unschädlich ist, dass die Müller Holding GmbH an der Produktionsgesellschaft nur zu 94,9 % beteiligt ist. Dies kann jedoch die Nutzung zeitlich verzögern, da der Verlustvortrag nur mit dem 94,9%igen Gewinnanteil der Müller Holding GmbH verrechnet werden kann.

     

    Unternehmensidentität bedeutet, dass der Gewerbebetrieb im Jahr der Verlustentstehung identisch sein muss mit dem Betrieb im Jahr der Verlustnutzung. Entscheidend ist das Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale. Dies sind insbesondere die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten sowie die Zusammensetzung des Aktivvermögens (R 10a.2 GewStR).

     

    Im praktischen Fall lassen sich die Merkmale gut dokumentieren, sodass die Chancen gut stehen, dass auch die Unternehmensidentität erfüllt wird:

     

    • Auch nach der Verschmelzung werden unverändert die Produkte der Müller Produktions-GmbH & Co. KG vertrieben.
    • Änderungen im Kunden- und Lieferantenkreis sowie in der Arbeitnehmerschaft (Vertriebsmitarbeiter) sind nicht geplant.
    • Vorteilhaft wäre, wenn die Geschäftsleitung der Vertriebsgesellschaft in die Geschäftsleitung der Produktionsgesellschaft integriert werden könnte. Da aber eine Gesamtschau der Merkmale vorgenommen werden muss, ist eine Personenidentität in der Geschäftsleitung nicht zwingend herzustellen.
    • Die Betriebsstättenidentität ist ebenfalls gegeben, da die Vertriebsgesellschaft am Ort der Produktionsgesellschaft angesiedelt ist.
    • Da eine Vertriebsgesellschaft in der Regel über kein nennenswertes Anlagevermögen verfügt, ist auch dieses Merkmal gut zu dokumentieren.

     

    2.3 Grunderwerbsteuerliche Fallstricke und zeitliche Umsetzung

    Bei jeder Verschmelzung muss darauf geachtet werden, dass nicht „versehentlich“ Grunderwerbsteuer ausgelöst wird! Im obigen Fall müssen zwei Risikofelder betrachtet werden: Grundvermögen der verschmolzenen Gesellschaft und Grundvermögen der aufnehmenden Gesellschaft.

     

    Die wichtigste Funktion einer Vertriebsgesellschaft ist die Haftungsabschottung. Daher verfügen die wenigsten Vertriebsgesellschaften über eigenes Grundvermögen. Da auch die Müller Vertriebs-GmbH & Co. KG kein Grundvermögen besitzt, können weitere Prüfungen entfallen (zum Beispiel gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).

     

    Wichtig ist, dass man auch die Auswirkungen auf das Grundvermögen der aufnehmenden Gesellschaft, d. h., der Müller Produktions-GmbH & Co. KG, im Blick behält. Wenn die Müller Holding GmbH 100 % ihrer Anteile an der Vertriebsgesellschaft gegen die Gewährung von neuen Gesellschaftsrechten einbringt, käme es zu einer Anteilsverschiebung bei der Müller Produktions-GmbH & Co. KG. Steigt der Anteil der Müller Holding GmbH von 94,9 % über 95 %, fällt für das gesamte Grundvermögen Grunderwerbsteuer an (§ 1 Abs. 3a GrEStG).

     

    MERKE | Im Zuge der Grunderwerbsteuerreform 2021 wurde die maßgebliche Anteilsgrenze zwar von 95 % auf 90 % reduziert. Aber wegen der Übergangsregelung (vgl. § 23 GrEStG) ist für die obige Verschmelzung weiterhin die 95 %-Grenze ausschlaggebend!

     

    Die Anteilsverschiebung und die damit verbundene Grunderwerbsteuer kann ggf. vermieden werden, indem die Peter Müller GmbH parallel zur Verschmelzung eine entsprechende Ausgleichszahlung (Bareinlage) vornimmt. Um die Höhe der Bareinlage zu bestimmen, ist die Vertriebsgesellschaft zu bewerten.

     

    Die Verschmelzung kann handels- und steuerrechtlich mit Rückwirkung von bis zu acht Monaten durchgeführt werden (§ 17 Abs. 2 UmwG und § 24 Abs. 4 2. HS i. V. mit § 20 Abs. 6 UmwStG). Da die Müller-Gruppe ein kalendergleiches Geschäfts- bzw. Wirtschaftsjahr hat, kann eine Verschmelzung zum 31.12.22 noch bis zum 31.8.23 umgesetzt werden.

     

    Beachten Sie | Grunderwerbsteuerlich ist keine Rückwirkung vorgesehen. Für die Prüfung, ob eine Anteilsverschiebung stattfindet, kommt es somit auf die Einreichung des Verschmelzungsvertrags beim Handelsregister an.

     

    FAZIT | Die von der Geschäftsleitung gewünschte Verschmelzung ist durchaus umsetzbar. Aufgrund der möglichen Risiken sollte der Bilanzbuchhalter aber zwingend einen Steuerberater hinzuziehen und ggf. eine verbindliche Auskunft beim FA einholen. Die hierdurch verursachten Kosten werden aber durch die Ersparnis beim laufenden Unterhalt und der möglichen Nutzung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags mehr als kompensiert.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2023 | Seite 29 | ID 48801654

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