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  • 01.02.2004 | Nachträglicher Rechnungseingang

    Zeitpunkt für die Ausübung des Vorsteuerabzugs

    von Dipl.-Finw. Udo Moecker, Mönchengladbach

    Ein besonderes Ärgernis in der Praxis ist der Zeitpunkt für die Ausübung des Vorsteuerabzugs bei nachträglichem Rechnungseingang nach berechtigten Rechnungsbeanstandungen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzte schon immer die Vorlage einer Rechnung mit offenem Steuerausweis voraus. Seit dem 1.1.04 – unter Berücksichtigung einer verwaltungsseitig eingeräumten Übergangsregelung, jedoch spätestens seit dem 1.7.04 – ist Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugs, dass der leistungsempfangende Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt, in der die für die Ordnungsmäßigkeit einer Rechnung notwendigen „Pflichtangaben“ gemäß § 14 Abs. 4 UStG vollständig und richtig sind. 

    Beanstandung der Eingangsrechnung

    In der Praxis häufen sich die Fälle, in denen die Eingangsrechnung beanstandet werden muss, weil eine Pflichtangabe fehlt bzw. offensichtlich unzutreffend ist. Oftmals wird eine ordnungsgemäße Rechnung durch den Rechnungsaussteller erst mit erheblicher Zeitverzögerung an den Rechnungsempfänger übermittelt. In diesen Fällen fallen Empfang der Leistung – z.B. der Wareneinkauf im November des laufenden Jahres – und der Empfang der zum Vorsteuerabzug berechtigenden ordnungsgemäßen Rechnung – z.B. im Januar des Folgejahres – zeitlich erheblich auseinander. Das Finanzamt hält in diesem Fall gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Abschn. 192 Abs. 2 S. 4 UStR den Vorsteuerabzug in dem Besteuerungszeitraum für zulässig, in dem erstmalig beide Voraussetzungen (Leistungsbezug und ordnungsgemäße Rechnung) erfüllt sind, somit im Januar des Folgejahres. 

     

    In der finanziellen und arbeitszeitlichen Auswirkung dramatischer sind die häufig vorkommenden Fälle – mit steigender Tendenz – der Rechnungsbeanstandungen im Rahmen einer Betriebsprüfung oder Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Hier wird das „praktische Ärgernis“ besonders deutlich. Für den Prüfungszeitraum, der regelmäßig bereits abgelaufene Veranlagungszeiträume betrifft, wird der Vorsteuerabzug mit Hinweis auf die fehlende ordnungsgemäße Rechnung versagt und es ergeht ein auf § 164 Abs. 2 AO gestützter Änderungsbescheid mit einer Steuernachforderung. Zusätzlich garniert wird die Steuernachforderung ggf. mit einer Zinsfestsetzung nach § 233a AO (so genannte Vollverzinsung). Vorausgesetzt, der ursprüngliche Rechnungsaussteller ist überhaupt noch greifbar, sind meist arbeits- und kostenintensive Maßnahmen erforderlich, um in den Besitz einer – erstmaligen – ordnungsgemäßen Rechnung zu gelangen. Auch in diesen Fällen fallen Empfang der Leistung und der Empfang der zum Vorsteuerabzug berechtigenden ordnungsgemäßen Rechnung zeitlich erheblich auseinander. Das Finanzamt wird auch hier den Vorsteuerabzug nur in dem Besteuerungszeitraum zulassen, in dem erstmalig beide Voraussetzungen (Leistungsbezug und ordnungsgemäße Rechnung) erfüllt sind. 

    Zweifel am Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht

    In Fachliteratur und Rechtsprechung wurde die Frage aufgeworfen, ob die Handhabung durch die Finanzverwaltung, den tatsächlichen Vorsteuerabzug erst im Besteuerungszeitraum des Empfangs einer ordnungsgemäßen Rechnung zuzulassen, gemeinschaftsrechtlich überhaupt zulässig ist. Denn das Gemeinschaftsrecht unterscheidet zwischen der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug (Anspruch auf Vorsteuerabzug) und der Ausübung des Vorsteuerabzugs (tatsächlicher Vorsteuerabzug). Nach Art. 17 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Dies ist nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie der Zeitpunkt, in dem die Eingangsleistung durch den leistenden Unternehmer bewirkt wird (Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer). Damit entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug unabhängig von dem Erhalt einer Rechnung. Der Erhalt der ordnungsgemäßen Rechnung ist jedoch Voraussetzung für die Ausübung des bereits entstandenen Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie). Aus dieser Systematik könnte abgeleitet werden, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug bei Erhalt der Rechnung auf den Besteuerungszeitraum der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug zurückwirkt. Damit wäre das Ärgernis der Änderungsbescheide mit Steuernachforderungen und der zusätzlich – belastenden – Zinsfestsetzungen faktisch vom Tisch.  

     

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