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  • · Fachbeitrag · Sozialabgaben

    BSG: Eigener sozialrechtlicher Verschuldensmaßstab ‒ Säumniszuschläge zurückholen!

    | Die Rentenversicherungsträger setzen bei Betriebsprüfungen neben Beitragsforderungen oft auch Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV fest. Den Arbeitgeber rettet nur die „Unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht“. Wo diese beginnt, hat das BSG klargestellt und einen eigenen sozialrechtlichen Verschuldensmaßstab zugrunde gelegt. Arbeitgeber, bei denen in den letzten Jahren eine Betriebsprüfung stattgefunden hat, können unter bestimmten Voraussetzungen Säumniszuschläge zurückholen. |

    Säumniszuschläge in der Sozialversicherung

    Der Arbeitgeber muss für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die er nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag in Höhe von ein Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrags zahlen (§ 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Lediglich bei einem rückständigen Betrag unter 100 Euro ist der Säumniszuschlag nicht zu erheben, wenn dieser gesondert schriftlich anzufordern wäre (§ 24 Abs. 1 S. 2 SGB IV).

    Rückwirkende Erhebung ‒ unverschuldete Unkenntnis

    Insbesondere wenn Sozialversicherungsbeiträge nach Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger nacherhoben werden, können die Säumniszuschläge erheblich sein.

     

    Unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht

    Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nur nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV).

     

    BSG: Eigener sozialrechtlicher Verschuldensmaßstab

    Wann unverschuldete Unkenntnis vorliegt, war bislang umstritten. Um unverschuldete Unkenntnis auszuschließen, sollte beim Beitragsschuldner

    • nach einer Ansicht wenigstens bedingter Vorsatz erforderlich sein,
    • nach anderer Ansicht sollte Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit (Verschuldensmaßstab, § 276 BGB) bzw.
    • nach Ansicht der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung wenigstens grobe Fahrlässigkeit genügen.

     

    Wichtig | Das BSG hat diesen Meinungsstreit jetzt beendet. Es hat klargestellt, dass der Verschuldensmaßstab des § 24 Abs. 2 SGB IV ein eigener sozialrechtlicher Verschuldensmaßstab ist, und nicht der des § 276 BGB. Das BSG hat damit den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung widersprochen (BSG, Urteil vom 12.12.2018, Az. B 12 R 15/18 R, Abruf-Nr. 206520).

     

    Dem Urteil zugrunde lag ein Streit um die Sozialversicherungspflicht von Tourbegleitern eines Busunternehmens.

     

    • Streit um Sozialversicherungspflicht in der Betriebsprüfung

    Das Busunternehmen hatte speziell für einen 24-stündigen Aufenthalt ausgestattete Reisebusse. Es beschäftigte eigene Fahrer und zog regelmäßig weitere Fahrer („Tourbegleiter“) heran, die es als selbstständig behandelte und nicht zur Sozialversicherung anmeldete. Anlässlich einer Betriebsprüfung forderte der Rentenversicherungsträger Sozialversicherungsbeiträge für die Tourbegleiter und Säumniszuschläge nach. Das Busunternehmen habe bezüglich der Tourbegleiter kein Verfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht eingeleitet. Damit habe es jedenfalls fahrlässig gehandelt. Es gelte der Verschuldensmaßstab des § 276 BGB ‒ die Haftung des Arbeitgebers für Vorsatz- und Fahrlässigkeit: Das Busunternehmen hafte für die Nichtzahlung der Beiträge.

     

    Das BSG hat der Ansicht des Rentenversicherungsträgers eine Abfuhr erteilt:

     

    • Verschulden nach § 24 Abs. 2 SGB IV setzt aus systematischen Gründen wenigstens bedingten Vorsatz für die Beitragspflicht voraus.
    • Einfache Fahrlässigkeit und selbst grobe Fahrlässigkeit genügen nicht.

     

    Bedingter Vorsatz

    Von einem bedingten Vorsatz ist auszugehen, wenn ein Arbeitgeber seine Zahlungspflicht für möglich hält, die Nichtzahlung der Beiträge aber zumindest billigend in Kauf nimmt und sich mit diesem Risiko abfindet.

     

    Wichtig | Das LSG Nordrhein-Westfalen (Vorinstanz) muss den Fall des Busunternehmens weiter aufklären. Dabei kommt es auf den Wissensstand des Geschäftsführers bzw. der Personen an, die für die Beurteilung der Zahlungspflicht der Beiträge im Busunternehmen mitverantwortlich waren.

    Wichtige Bedeutung des BSG-Urteils für die Praxis

    Bescheide können, auch wenn sie unanfechtbar geworden sind, zurückgenommen werden. Voraussetzung ist, dass bei Erlass des Bescheids das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben wurden (§ 44 Abs. 1 SGB X). Nicht rücknehmbar ist der Bescheid, wenn der betroffene Arbeitgeber vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat ‒ was in der Praxis kaum vorkommt.

     

    PRAXISTIPP | Arbeitgeber, in deren Betrieb in den letzten Jahren eine Betriebsprüfung stattgefunden hat und bei denen Säumniszuschläge nachgefordert wurden, sollten reagieren. Sie sollten beim Rentenversicherungsträger unverzüglich eine Überprüfung nach § 44 SGB SGB X beantragen. Zur Begründung sollten sie auf das BSG-Urteil vom 12.12.2018 (Az. B 12 R 15/18 R, Abruf-Nr. 206520) verweisen. Die Zuschläge werden längstens für vierJahre zurück erstattet. Bei Antragstellung 2019 kommen Erstattungen für die Zeiten ab 2015 in Betracht.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2019 | Seite 53 | ID 45687596

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