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  • · Fachbeitrag · Rentenversicherung

    Antworten auf viele offene Fragen zur Rentenversicherungspflicht von Syndikusanwälten

    | Das Bundessozialgericht (BSG) lehnte mit seinen drei Urteilen vom 3. April 2014 jede Befreiungsmöglichkeit von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für angestellte Anwälte in Unternehmen und Verbänden ab. Vieles ist aktuell ungeklärt. Rechtsanwalt Martin W. Huff, Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln, Vertreter vieler Syndikusanwälte und einer der Verfahrensbevollmächtigten beim BSG, gibt praxisgerechte Antworten auf die Frage: Was müssen Arbeitgeber jetzt veranlassen? |

     

    Redaktion: Was müssen Arbeitgeber, die jetzt Rechtsanwälte einstellen, die Mitglied einer Kammer und eines Versorgungswerks sind, beachten?

    MARTIN HUFF: Arbeitgeber müssen nun jeden neu eingestellten Anwalt mit Tätigkeitsbeginn bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) anmelden. Eine Ausnahme wäre nur möglich, wenn der Anwalt einen aktuell gültigen Befreiungsbescheid für die konkrete Tätigkeit bei diesem Arbeitgeber vorlegen könnte. Das ist aber derzeit so gut wie ausgeschlossen, da die DRV keine Befreiungsbescheide für angestellte Rechtsanwälte mehr erteilt bzw. diese - auch bereits vor längerem gestellte Anträge - zunehmend ablehnt. Ohne Befreiungsbescheid muss der Arbeitgeber jede Neueinstellung über die Einzugsstelle der Krankenkassen bei der DRV anmelden. Unterlässt er die Anmeldung zur DRV, riskiert er einen Verstoß gegen § 266a Strafgesetzbuch . Sollte dem neu angestellten Anwalt später doch noch eine Befreiung erteilt werden, kommt es über die Einzugstelle zu einer Rückabwicklung.

     

    Redaktion: Müssen Arbeitgeber ihre angestellten Rechtsanwälte auf ein Tätigwerden hinweisen oder selbst etwas im Befreiungsverfahren unternehmen?

    MARTIN HUFF: Die Antragspflicht nach § 6 SGB VI trifft nur den Arbeitnehmer. In der Regel unterstützt die Personalabteilung aber dieses Verfahren. Empfehlenswert ist ein Widerspruch gegen Ablehnungsbescheide der DRV. Dazu kann ein Verweis genügen, dass derzeit weder die schriftlichen Begründungen für die drei Entscheidungen (BSG, Urteile vom 3.4.2014, Az. B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 und B 5 RE 3/14; Abruf-Nrn. 141249 , 141250 , 141251 ) noch verbindliche Äußerungen der DRV vorliegen. Die DRV begrüßt sogar die Widersprüche, damit sie viele Fallkonstellationen identifizieren und in die aktuellen Gespräche zu weiterführenden Vertrauensschutzregelungen einbringen kann. Alle Verfahren sollten soweit möglich offen gehalten werden, da es zu einer Verfassungsbeschwerde kommen wird. Die derzeitigen Unsicherheiten werden noch viel Bewegung in das Befreiungsrecht bringen.

     

    Redaktion: Was gilt für Syndikusanwälte, die der Arbeitgeber schon länger beschäftigt und Versorgungswerkbeiträge zahlen?

    Martin Huff: Hier ist zu unterscheiden:

    • Liegt für die Tätigkeit bei diesem Arbeitgeber bereits ein Befreiungsbescheid vor, besteht dafür Bestands- und Vertrauensschutz (DRV, Rundschreiben vom 10.1.2014; Abruf-Nr. 142209). In diesen Fällen können die Bei-träge nach § 172a SGB VI wie bisher an das Versorgungswerk oder den Arbeitnehmer gezahlt werden. Für solche Bestandsfälle sollten die Beiträge nicht einfach an die DRV abgeführt werden, da sich der Arbeitgeber damit dem Arbeitnehmer gegenüber schadensersatzpflichtig machen könnte.
    • Befindet sich für den bereits beschäftigten Rechtsanwalt kein Befreiungsbescheid in den Lohnunterlagen, existiert er aber, muss er vom Arbeitnehmer angefordert und aufbewahrt werden. Dann gilt das eben Gesagte.
    • Gibt es noch keinen Befreiungsbescheid, wurde dieser aber vom Arbeitnehmer beantragt, sollte der Arbeitgeber eine Kopie des Antrags zusammen mit der Stellenbeschreibung zu den Lohnunterlagen nehmen. Kommt ein ablehnender Bescheid, muss eine Anmeldung zur DRV erfolgen. Ein Widerspruch des Arbeitnehmers hat keine aufschiebende Wirkung.
    • Hatte der Arbeitnehmer keine Befreiung beantragt, muss der Arbeitgeber eine Ummeldung zur DRV veranlassen. Den Arbeitnehmer sollte er auf die Möglichkeit eines Befreiungsantrags hinweisen. Aus dem Versorgungswerk könnte er nur durch Rückgabe der Zulassung herauskommen. Behält er die Zulassung und ist Pflichtmitglied in der DRV, kann er einen reduzierten Beitrag beim Versorgungswerk beantragen. 

     

    Redaktion: Wie ist mit Befreiungsbescheiden umzugehen, die ein Anwalt von einem vorherigen Arbeitgeber mitgebracht hat?

    Martin Huff: Oft akzeptierten Arbeitgeber den Befreiungsbescheid eines vorherigen Arbeitgebers. Nach den neuen Urteilen des BSG und dem Rundschreiben der DRV vom 10.1.2014 ist das nun sehr problematisch. Übt der Arbeitnehmer keine anwaltliche Tätigkeit mehr aus, wird grundsätzlich eine Ummeldung zur DRV erforderlich. Wird noch eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt, kann meiner Ansicht nach mit einer Ummeldung bis zum Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe gewartet werden. Diese Auffassung ist aber umstritten. Einige raten zur sofortigen Ummeldung.

     

    Redaktion: Das BSG verlangt einen neuen Antrag bei einem „wesentlichen Tätigkeitswechsel“. Was ist darunter zu verstehen?

    Martin Huff: Wesentliche Änderungen im Beschäftigungsverhältnis, die die Intensität der anwaltlichen Tätigkeit stark verändern, muss der Arbeitnehmer seiner Rechtsanwaltskammer anzeigen. Diese prüft dann, ob die Tätigkeit mit der Eigenschaft als Anwalt vereinbar ist. Zu einem Wegfall der Befreiung würde es beispielsweise kommen, wenn ein Anwalt von der Rechtsabteilung in den Vertrieb wechselt und dort nicht mehr anwaltlich tätig wird.

     

    REDAKTION: Und wie ist die Rechtslage bei einer Neuorganisation?

    Martin HUFF: Kein wesentlicher Tätigkeitswechsel liegt vor bei

    • einer Neuorganisation, wenn zum Beispiel der Bereich Arbeitsrecht von der Personalabteilung in die Rechtsabteilung verlagert wird,
    • einem Betriebsübergang nach § 613a BGB, einer Umwandlung oder einer Umfirmierung des Arbeitsgebers,
    • einem Wechsel des Arbeitsgebiets, zum Beispiel vom Arbeits- zum Gesellschaftsrecht und
    • einer Beförderung oder Degradierung, wenn weiterhin eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt wird.

    Noch nicht geklärt ist, inwieweit Änderungen bei gemischten Tätigkeiten zu einem Tätigkeitswechsel mit neuer Antragspflicht führen.

    Redaktion: Führt der konzerninterne Wechsel zu einer Antragspflicht?

    Martin Huff: Wechselt ein Syndikusanwalt etwa von der Holding zu einer Tochtergesellschaft, ändert sich der Vertragspartner, das erfordert grundsätzlich einen neuen Antrag (BSG, Urteil vom 31.10.2012, Az. B 12 R 3/11 R; Abruf-Nr. 132218 ). Allerdings gibt es auch hier laufende Diskussionen, wenn beispielsweise der Syndikus mit dem Wechsel auch befördert wird.

     

    Redaktion: Können sich befreite Arbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI für einen zeitlich begrenzten Raum in eine fachfremde Tätigkeit oder ins Ausland versetzen lassen, ohne die Rentenversicherungsfreiheit zu gefährden?

    Martin HUFF: Für Arbeitnehmer mit aktuellem Befreiungsbescheid dürfte die Vorschrift weiterhin anwendbar sein, sodass diese Tätigkeit rentenversicherungsbefreit bleibt. Ungeklärt ist allerdings, ob der Arbeitnehmer bei Wiedereintritt in seine alte Tätigkeit einen neuen Antrag stellen muss.

     

    Redaktion: Wie wirkt sich eine bisherige Betriebsprüfung der DRV aus?

    Martin Huff: Vertrauensschutz tritt ein, wenn ein Befreiungsbescheid konkreter Gegenstand der Prüfung war und es keine Beanstandung gab. Blieb die Prüfung ohne Beanstandung, wurden die Syndikusanwälte aber nicht geprüft, führt dies zu keinem Bestandsschutz.

     

    Redaktion: Können Arbeitgeber nach einer Betriebsprüfung und Feststellung der DRV, dass keine Befreiungen vorlagen, vom Syndikusanwalt die Nachzahlung der vom Arbeitgeber verlangten Beiträge verlangen?

    Martin Huff: Das ist eine der umstrittensten Fragen. Die DRV kann von Arbeitgebern für vier Jahre die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge nachfordern ( § 25 SGB IV ). Die Rückgriffsmöglichkeiten des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer sind allerdings sehr eingeschränkt, zumindest dann, wenn den Arbeitgeber ein Verschulden an der Nichtabführung trifft. Auf jeden Fall muss der Arbeitgeber erst einmal alle Rechtsmittel ausschöpfen, bevor er vom Arbeitnehmer Rückforderungen verlangen kann. Er sollte mit zu raschen Rückforderungsschreiben sehr vorsichtig sein.

     

    Redaktion: Was können Sie Arbeitgebern grundsätzlich empfehlen?

    Martin Huff: Arbeitgeber sollten folgende Prüfungen vornehmen und alle Dokumente und Ergebnisse in einem Ordner für die DRV ablegen:

    • Sind alle befreiten Arbeitnehmer bekannt? Daran mangelt es oft.
    • Für welche Tätigkeit wurde die Befreiung erteilt?
    • Gibt es einen aktuellen Befreiungsbescheid?
    • Ist eine zeitgemäße Stellen- und Funktionsbeschreibung vorhanden?
    • Gibt es Arbeitnehmer, die keine befreiungsfähige Tätigkeit mehr ausüben?

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Keine Befreiung für abhängig beschäftigte Anwälte“, LGP 5/2014, Seite 75.
    • Beitrag „Neue Befreiungsmöglichkeit für Freiberufler mit berufsständischer Versorgung“, LGP 8/2013, Seite 138 - Hinweis: Für neu eingestellte Syndikusanwälte ist keine Befreiungsmöglichkeit mehr möglich, allerdings eventuell für andere freiberuflich tätige Arbeitnehmer. Dies wird demnächst in einem weiteren Beitrag in LGP vertieft.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 136 | ID 42841090

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