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  • 13.08.2014 · IWW-Abrufnummer 142370

    Verwaltungsgericht Düsseldorf: Urteil vom 09.12.2013 – 23 K 3209/12

    1. Ein Beamter, der sich auf dem Weg vom Dienst nach Hause befindet und feststellt, dass im Dienst etwas vergessen wurde, was aus dienstlichen Gründen noch zu erledigen ist, "darf" in den Dienst auf dem direkten und üblichen Weg zurückkehren, steht dabei also unter Dienstunfallschutz. Maßstab dafür ist der mutmaßliche Wille des Dienstherrn. Wenn der Beamte bei ordnungsgemäßer Würdigung der Umstände davon ausgehen kann, dass der Dienstherr die Rückkehr zur Dienststelle im Interesse dienstlicher Interessen befürworten würde, steht er bei der Rückkehr auf dem Dienstweg unter Dienstunfallschutz. Dies ist dann der Fall, wenn die Rückkehr zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen zur ordnungsgemäßen Dienstausübung erforderlich war.

    2. Einzelfall, in dem eine Beamtin vortrug, sie habe auf der Rückfahrt vom Dienst nach Hause gemerkt, dass sie personenbezogene Unterlagen auf dem Schreibtisch habe liegen gelassen, und sei deshalb umgekehrt, bevor es in Fahrtrichtung der Dienststelle zum Unfall kam.


    Verwaltungsgericht Düsseldorf

    23 K 3209/12

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

    Tatbestand:
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    Die 1956 geborene Klägerin stand bis zu ihrer vorzeitigen Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des Monats September 2012 im gehobenen Verwaltungsdienst der Beklagten. Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern, in Bezug auf die sie sich für längere Zeiträume in Erziehungsurlaub befand. Nachfolgend befand sie sich teilweise in Teilzeitbeschäftigung. Sie war zuletzt bei der Beklagten als Gemeindeamtfrau (Besoldungsgruppe A 11 Bundesbesoldungsordnung) beschäftigt und nahm zugleich das Amt der Gleichstellungsbeauftragten wahr.
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    Am 23. April 2010, einem Freitag, erlitt die Klägerin mit ihrem Auto nach Beendigung des Dienstes in der Mittagszeit beim Linksabbiegen von der B 221 auf die K 9 in Richtung O. -F. einen Verkehrsunfall mit einem auf der B 221 von Norden entgegenkommenden Fahrzeug. Bei ihrem Auto führte dies zu einem wirtschaftlichen Totalschaden; sie selbst zog sich nicht unerhebliche Verletzungen zu. Nach dem Unfall war die Klägerin zur ambulanten Untersuchung im I. -K. -Krankenhaus in F1. . Nachfolgend war sie arbeitsunfähig und nahm ihren Dienst bei der Beklagten bis zu ihrer Zurruhesetzung nicht mehr auf.
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    Mit ihrer am 21. Juli 2010 unterzeichneten Unfallmeldung zeigte sie den Verkehrsunfall vom 23. April 2010 als Wegeunfall an, der zu den Unfallfolgen „Brust-, Rippen- und Bauchprellungen; rechter Nacken-, Schulter-, Hüft- und Rückenbereich gestaucht; leichte Verbrennungen an der rechten Hand, am Fuß und Knie leichte Schürfwunden; Unkonzentriertheit“ geführt habe. Die Meldung enthielt die Unfallschilderung: „Nach Dienstschluss fuhr ich um ca. 13.00 Uhr nach Hause von F. Richtung B 221 und stellte fest, dass ich im Büro noch etwas erledigen musste, bog an der Folgekreuzung B 221/An G. anstatt Richtung Nachhause nach links ab, um zum Büro zurück zu kehren. An der folgenden Kreuzung B 221/I1.---straße wollte ich Richtung F. links abbiegen, nahm den entgegenkommenden Pkw nicht wahr und stieß mit ihm zusammen.“In der von der Klägerin unterzeichneten Anlage zur Unfallmeldung „Zusatzfragen bei Wegeunfall“ gab die Klägerin an, sie habe sich auf der Strecke befunden, die sie auch gewöhnlich immer zur Arbeit fahre, sie habe keine Besorgungen auf dem Weg gemacht und dies nicht beabsichtigt und habe auch keine Gastwirtschaften, Dienststellen etc. aus privatem Anlass auf dem Weg besucht bzw. dies beabsichtigt.
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    Bei der Beklagten traten nachfolgend Zweifel an der Einordnung als Wegeunfall ein, die der Bürgermeister der Beklagten in einem Vermerk vom 3. September 2010 niederlegte: Die Klägerin sei nach Beendigung des Dienstes zu ihrer Kollegin, Frau D. , nach P. gefahren, um ihr einen Blumenstrauß zum Geburtstag zu schenken. Nach Übergabe des Blumenstraußes an der Tür habe sich die Klägerin sinngemäß mit den Worten verabschiedet: „Ich bin spät dran, ich muss noch zur Physio“. Die Klägerin sei seit Jahren, unter anderem auch am Freitag, in der Praxis für Krankengymnastik in O. -E. , H.------ring 33, in Behandlung. Der von der Klägerin genommene Fahrweg habe auch zu dieser Praxis für Krankengymnastik geführt. Die Aussage der Klägerin, sie habe den genommenen Weg in Richtung Rathaus fahren wollen, um dort noch etwas zu erledigen, sei nach den gesamten Umständen nicht nachvollziehbar. Es seien auch keine Gründe erkennbar, warum die Klägerin gerade an diesem Freitag noch nach Dienstschluss in das Rathaus zurückkehren sollte.
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    Nachdem die Beklagte die Klägerin zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts und zur Abgabe einer Eidesstattlichen Erklärung eingeladen hatte, gab die Klägerin dort ihre Eidesstattliche Erklärung vom 1. Oktober 2010 zur Ergänzung ihrer Unfallmeldung ab. Hierin führte sie im Wesentlichen aus: Sie habe tatsächlich auf dem Heimweg bei T. D. in P. anlässlich deren Geburtstags ein Geschenk übergeben. Da sie sich nicht wohl gefühlt habe und deshalb keinesfalls der Einladung zum Kaffee folgen wollte, habe sie geäußert, dass sie noch zur Physiotherapie müsse. Dies habe sie gemacht, da sie nicht mit den Worten „Mir gehen die Unruhe und die Menschen auf die Nerven, ich kann es nicht ertragen“ ablehnen wollte. Der Besuch der Physiotherapie sei eine unverfängliche, durchaus überzeugende Entschuldigung gewesen, zumal sie meistens freitags nachmittags zur Physiotherapie gehe und dies Frau D. auch bekannt sei. Nachdem sie bei Frau D. weggefahren sei, sei ihr eingefallen, dass sie im Büro noch etwas erledigen musste. Sie habe auf ihrem Schreibtisch personenbezogene Unterlagen zur Anfertigung von Zeugnissen liegen gelassen, die sie aus Datenschutzgründen gewöhnlicherweise zum Feierabend weg räume. Aus diesem Grunde sei sie zurück zum Büro gefahren. Auf diesem Weg habe sich der Unfall ereignet.
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    Mit Bescheid vom 22. August 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Verkehrsunfalls vom 23. April 2010 als Dienstunfall ab und begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Das Gratulieren bei der Kollegin D. zum Geburtstag sei eine längere Unterbrechung des Weges von der Dienststelle nach Hause aus persönlichen Gründen, die den Zusammenhang des Weges mit dem Dienst ab diesem Zeitpunkt endgültig aufgelöst hätte. Zudem sei die Rückkehr zum Arbeitsplatz, um personenbezogene Unterlagen weg zu räumen, nicht als „unbedingt erforderlich“ im Sinne der Ziffer 31.2.1 der Verwaltungsvorschriften anzusehen. Im Übrigen seien auf ihrem Schreibtisch auch keine Akten gefunden worden, die es erfordert hätten, den Dienst noch einmal anzutreten. Zuletzt weise ihre Aussage gegenüber Frau D. darauf hin, dass sie vielmehr einen Termin bei der Physiotherapie habe wahrnehmen wollen. Der gewählte Weg sei auch nicht der kürzeste Weg zum Rathaus gewesen.
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    Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin begründeten ihre Bevollmächtigten unter dem 21. Dezember 2011 im Wesentlichen damit, dass es sehr wohl ein Wegeunfall gewesen sei, weil die Klägerin tatsächlich den Weg zurück zur Dienststelle genommen habe, da sie personenbezogene Unterlagen, die sie aus Datenschutzgründen gewöhnlicherweise zum Feierabend weg räume, auf ihrem Schreibtisch habe liegen gelassen. Sie habe die auf dem Schreibtisch befindlichen Unterlagen später telefonisch mit ihrer Kollegin, Frau K1. , durchgesprochen und es habe sich bestätigt, dass es sich um datenschutzrechtlich relevante personenbezogene Unterlagen handelte. Es sei auch erforderlich gewesen, persönlich zur Dienststelle zu fahren, da normalerweise freitags nach 13.00 Uhr kein Mitarbeiter mehr telefonisch an seinem Arbeitsplatz zu erreichen sei. Der Dienstweg sei auch nicht durch die Gratulation bei Frau D. endgültig unterbrochen worden, da dies maximal 5 Minuten gedauert habe. Die von ihr dann gewählte Fahrstrecke habe sich angeboten, da der Wagen der Klägerin nach dem Besuch bei Frau D. in der entsprechenden Fahrtrichtung stand und diese Strecke der schnellere Weg sei. Der Umweg betrage zudem im Übrigen maximal 200 m. Der Unfall selbst habe auf einem Streckenabschnitt stattgefunden, den die Klägerin üblicherweise von der Wohnung zur Dienststelle nehme. Einen Termin zur Physiotherapie habe sie tatsächlich nicht gehabt. Dies sei nur eine unverfängliche Entschuldigung gegenüber Frau D. gewesen.
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    Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2012 zurück, in dem sie die Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid wiederholte und vertiefte: Die Kollegin K1. habe die Angaben der Klägerin zu einem Telefonat nach dem Unfall über wichtige personenbezogene Unterlagen, die vom Schreibtisch weg zu räumen wären, nicht bestätigt. Solche Unterlagen seien dort auch tatsächlich nicht gefunden worden. Zudem seien auch am Freitagmittag im Rathaus der Beklagten noch Bedienstete telefonisch erreichbar, weshalb eine Rückkehr der Klägerin objektiv nicht erforderlich gewesen sei.
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    Die Klägerin hat am 7. April 2012 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt, vertieft und ergänzt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Unter anderem führt sie aus: Auf ihrem Schreibtisch hätten sich Zeugnisse und Zeugnisentwürfe befunden. Zudem habe sich dort ein kariertes Blatt Papier befunden, das ihr als Bearbeitungshilfe gedient habe und welches unter anderem eine Liste enthielt mit den Namen der Personen, die in der Vergangenheit bereits ein Zeugnis erhalten hätten, und den Namen der Personen, für die noch ein Zeugnis entworfen werden sollte. Da sie sich nach der Beendigung des Dienstes am Unfalltag nicht wohlgefühlt habe, habe sie Sorge gehabt, in der darauffolgenden Woche möglicherweise dienstunfähig zu sein, und habe daher die personenbezogenen Unterlagen unbedingt noch am Freitag wegräumen wollen. Schon der Zeitablauf zwischen der Beendigung des Dienstes um 12.55 Uhr und dem Unfallzeitpunkt um 13.10 Uhr verdeutliche, dass die Übergabe des Geschenkes an Frau D. höchstens 2 bis 3 Minuten gedauert haben könne.
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    Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung eingehend zum Ablauf am Unfalltag und in der Zeit danach geäußert. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf das Protokoll Bezug genommen.
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    Die Klägerin beantragt,
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    die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22. August 2011 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 28. März 2012 zu verpflichten, den Verkehrsunfall am 23. April 2010 als Dienstunfall mit den in der Unfallmeldung aufgeführten Körperschäden (Unfallakte Blatt 1) anzuerkennen.
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    Die Beklagte beantragt,
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    die Klage abzuweisen.
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    Zur Begründung wiederholt und vertieft sie die Ausführungen aus den angegriffenen Bescheiden.
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    Das Gericht hat eine Auskunft der Praxis Physiotherapie O. (M. / C. ) eingeholt, wonach die Klägerin am 23. April 2010 keinen Behandlungstermin dort in der Praxis hatte. Zudem ist eine Auflistung der wahrgenommenen Termine in der Zeit vom 15. Mai 2009 bis 28. Mai 2010 übermittelt worden.
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    In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen D1. K1. und I. -K. Bonus. Wegen ihrer Aussagen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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    Der Einzelrichter hat die folgenden Beiakten beigezogen:
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     Beiakte 1: Unfallakte der Beklagten;
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     Beiakte 2: Personalakte, Unterordner A;
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     Beiakte 3: Personalakte, Unterordner B, Band 1;
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     Beiakte 4: Personalakte, Unterordner B, Band 2;
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     Beiakte 5: Personalakte, Unterordner C;
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     Beiakte 6: Beihilfeakte ab Januar 2010.
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    Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und die beigezogene Unfallakte der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
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    Entscheidungsgründe:
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    Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 14. Oktober 2013 gemäß § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.
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    Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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    Der Bescheid der Beklagten vom 22. August 2011 und deren Widerspruchsbescheid vom 28. März 2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf Anerkennung ihres Verkehrsunfalls vom 23. April 2010 als Dienstunfall mit den in ihrer Unfallmeldung angegebenen Körperschäden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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    Dieser Anspruch könnte sich allein aus § 31 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) ergeben. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften können jedoch nicht festgestellt werden.
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    Anwendbar sind zunächst die Vorschriften des BeamtVG (des Bundes) in der gemäß § 108 BeamtVG für das Land NRW im Jahr 2010 fortgeltenden Fassung vom 31. August 2006, auch wenn mittlerweile das Beamtenversorgungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LBeamtVG) in Kraft getreten ist. Denn für die Unfallfürsorge ist das Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst,
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    Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 24. Oktober 1963 - BVerwG 2 C 10.62 -, BVerwGE 17, 59 <60>, vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 2 C 41.11 -, NVwZ-RR 2013, 320 Rn. 8, und vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 2 C 51.11 -, NVwZ-RR 2013, 522 Rn. 8.
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    Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i. d. F. vom 31. August 2006 ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Abs. 2 erweitert den Schutzbereich des „Dienstes“ auf die sog. Wegeunfälle, indem dort in Satz 1, 1. Halbsatz geregelt ist: Als Dienst gilt auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle.
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    Nach diesen Vorschriften hat die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung des Verkehrsunfalls als Wegeunfall. Alle Voraussetzungen der Anerkennung eines Dienstunfalles liegen vor, mit Ausnahme von „Dienst“ oder dem dies ersetzenden „Dienstweg“. Der Einzelrichter kann nicht feststellen, dass die Klägerin sich – wie sie vorträgt – im Moment des Zusammenstoßes mit einem entgegenkommenden Auto beim Linksabbiegen von der B 221 auf die K 9 in Richtung O. -F. bzw. -E. auf dem Weg zu ihrer Dienststelle im Rathaus der Beklagten in O. -F. im Zusammenhang mit ihrem Dienst befand.
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    Für den Dienstunfallschutz auf dem Weg zum Dienst bzw. von dort zurück zur Wohnung, der Familienwohnung oder der Unterkunft am Dienstort im Zusammenhang mit dem Dienst („Dienstweg“) gilt Folgendes: Geschützt ist der zweckmäßigste, nicht notwendig kürzeste Weg zwischen Wohnung und Dienststelle, der zum Zweck der Dienstausübung in Richtung der Dienststelle und nach Beendigung der Dienstausübung zurück zur Wohnung unternommen wird. Je nach den Gegebenheiten des Dienstes kann dieser Weg auch mehrmals täglich unternommen werden, wie z. B. bei der zuhause verbrachten Mittagspause. Bei mehr als nur geringfügigen Unterbrechungen oder Umwegen aus nicht dienstlichen Gründen, die den Unfallschutz aufheben, lebt der Dienstunfallschutz wieder auf, sobald die Unterbrechung oder der Umweg beendet ist und der Beamte sich wieder auf dem geschützten Weg mit dem geschützten Ziel (Dienstausübung oder Wohnung usw.) befindet.
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    Vgl. zu allem grundlegend Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Kommentar, Hauptband I, § 31 Erl. 11; ausführlich auch BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2004 – 2 C 29/03 –, Juris.
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    Hiernach geht das Gericht – ohne dass es hierauf im Ergebnis ankommt – davon aus, dass der Weg, den die Klägerin am 23. April 2010 vom Rathaus in F. über die C1.---straße nach P. nahm, ein von der Klägerin regelmäßig – wenn auch nach ihren Angaben nicht immer – genommener Dienstweg nach dem Dienst und auf dem Weg nach Hause in X. -E1. war, welcher zweckmäßig und nur geringfügig länger war als der Weg, den sie nach ihren Angaben immer auf dem Hinweg zum Rathaus fährt (nämlich derjenige über die B 221 und die K 9, ohne über die C1.---straße durch P. zu fahren). Der kurze Stopp bei der Kollegin D. war vom Weg ein minimaler Umweg (und kein „Abweg“), insbesondere war dieser Kurz-Besuch mit Übergabe von Geschenk oder Blumenstrauß an der Haustür, welcher nur wenige Minuten gedauert haben kann (Ausstempeln um 12.55 Uhr im Rathaus, Verkehrsunfall um 13.10 Uhr) keine so lange Unterbrechung des Dienstweges, dass hierdurch der Dienstweg endgültig beendet wurde,
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    anders als im Fall von BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2004, a. a. O. (Aufenthalt von 3 – 4 Stunden an einem Strand, der nicht auf dem direkten Weg zwischen Wohnung und Dienststelle lag).
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    Die Klägerin befand sich, sobald sie wieder auf ihrem üblichen Heimweg (weiter durch P. in Richtung der B 221 und von dort – beabsichtigt – weiter nach E1. ) fuhr, wieder auf dem geschützten Dienstweg nach Hause. Wenn die Klägerin an der Ampelkreuzung der von P. kommenden Straße (wohl C1.---straße ) mit der B 221, wo sie auf dem Heimweg eigentlich rechts abbiegen müsste, entscheidet, zurück zum Rathaus nach F. zu fahren und dafür nach links abbiegt, um etwas weiter nördlich von der B 221 nach links auf die K 9 abzubiegen (wo der Unfall sich ereignete), so hat die Klägerin objektiv eine Fahrstrecke genommen, die als Dienstweg „zum Dienst“ angesehen werden kann: Zum einen ist dies die Strecke, die die Klägerin als immer von ihr auf dem Weg zum Dienst gewählte Strecke bezeichnet hat; ihre Aussage in der mündlichen Verhandlung stimmt insofern mit ihrer Angabe in der Anlage zur Dienstunfallmeldung bei Wegeunfall (Beiakte 1, Bl. 4/5; dort nicht ganz eindeutig von der Formulierung) überein. Zum anderen ist diese Strecke der kürzeste Weg von der Kreuzung C1.---straße /B 221 zum Rathaus der Beklagten, zugleich auch aufgrund des Ausbauzustandes der B 221 und der K 9 der zeitlich schnellste Weg. Hinzu kommt, dass regelmäßig ein Wenden an einer Ampel bei einer „T-Kreuzung“ nicht einfach, teils durch Verkehrszeichen ausgeschlossen, und (jenseits der Ampel) auf einer Bundesstraße eventuell auch nicht ordnungsmäßig durchführbar ist. Objektiv befand sich die Klägerin damit auf dem (erneuten) Dienstweg zum Rathaus.
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    Da der Weg aber immer dem Dienst dienen bzw. durch diesen veranlasst sein muss - mithin durch den vom Beamten mit dem Zurücklegen des Weges verfolgten Zweck den Unfallschutz erlangt – ist entscheidend für den Unfallschutz auf dem nach objektiven Kriterien in Betracht kommenden und regelmäßig vom Beamten gewählten Dienstweg die Handlungsintention des Beamten, wie sie sich im äußeren Erscheinungsbild manifestiert,
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    vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2004, a. a. O., Rn. 11.
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    Das Gericht kann jedoch nicht feststellen, dass die Klägerin beim Linksabbiegen von der B 221 auf die K 9 in Fahrtrichtung O. -F. bzw. -E. die Absicht hatte, zum Rathaus der Beklagten zu fahren, um dort auf ihrem Schreibtisch vergessene personenbezogene Unterlagen wegzuräumen.
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    Das Gericht geht insofern davon aus, dass ein Beamter, der sich auf dem Weg vom Dienst nach Hause befindet und feststellt, dass im Dienst etwas vergessen wurde, was aus dienstlichen Gründen noch zu erledigen ist, in den Dienst auf dem direkten und üblichen Weg zurückkehren „darf“, also dabei unter Dienstunfallschutz steht. Maßstab dafür ist der mutmaßliche Wille des Dienstherrn. Wenn der Beamte bei ordnungsgemäßer Würdigung der Umstände davon ausgehen kann, dass der Dienstherr die Rückkehr zur Dienststelle im dienstlichen Interesse befürworten würde, steht er bei der Rückkehr auf dem Dienstweg unter Dienstunfallschutz. Dies ist dann der Fall, wenn die Rückkehr zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen zur ordnungsgemäßen Dienstausübung erforderlich war. Dies ergibt sich bei einer an Sinn und Zweck des § 31 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG orientierten Auslegung, die berücksichtigt, dass der Sinn der Einbeziehung von Wegen „zum und vom“ Dienst nur erreicht wird, wenn Beamte auch dann geschützt werden, wenn sie, nachdem sie ihren Dienst eigentlich beendet haben und sich auf dem Heimweg befinden, nicht an einer dienstlich erforderlichen Rückkehr gehindert werden, weil sie davon ausgehen müssen, dass die Rückkehr „auf eigenes Risiko“ erfolgt. Beamte sollen zu verantwortungsbewusstem und eigenständigem Handeln im Interesse der wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn vielmehr ermutigt werden. Dies steht auch mit der in Ziff. 31.2.1 der Verwaltungsvorschriften zum BeamtVG (VV-BeamtVG) enthaltenen Wertung im Einklang, wonach ein zusätzlicher Weg nach und von der Wohnung zum geschützten Weg gehört, wenn eine dienstliche Veranlassung besteht, z. B. dann wenn ein in der Wohnung vergessenes, zur Dienstausübung unbedingt erforderliches Arbeitsmittel geholt werden muss. Insofern ist eine Rückkehr in den Dienst, obwohl der Beamte sich schon auf dem Heimweg befand, dann vom Dienstunfallschutz erfasst, wenn die Rückkehr rechtlich geboten oder dienstlich erforderlich ist.
    45

    Problematisch ist jedoch die Feststellung dieser Situation. Allein die Behauptung einer solchen Absicht zur Rückkehr in den Dienst aus dienstlichen und ausreichenden Gründen reicht nicht aus, wenn andere subjektive Gründe für diesen Weg in Betracht kommen. Der über die Dienstunfallanerkennung entscheidende Dienstvorgesetzte (bzw. das Verwaltungsgericht) hat zu entscheiden, ob es die subjektive Zielrichtung des Beamten in Richtung der Dienststelle glaubt. Dies ist bei Vorliegen objektiver Indizien einfacher. Die Beweislast für die subjektive Zielrichtung des Weges „zurück zur Dienststelle aus dienstlich erforderlichen Gründen“ trägt der Beamte, der die Voraussetzungen seines Anspruchs im Zweifel beweisen muss. Bei der Frage, wie die subjektive Zielrichtung zu ermitteln ist und was dafür ausreicht, ist die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen zu berücksichtigen.
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    Das Vorbringen der Klägerin trägt im Grunde eine – dienstunfallrechtlich – zulässige Rückkehr in den Dienst. Die Klägerin hat begründet, dass sie Unterlagen mit personenbezogenen Daten (Zeugnisse, Zeugnisentwürfe, vorbereitende Notizen, Personalakten) zum Dienstschluss üblicherweise verschließt, weil sie dies auch für rechtlich geboten hält und es dementsprechend so „in der Ausbildung“ gelernt habe. Die Beklagte ist dem grundsätzlich nicht entgegengetreten. Die Zeugin K1. hat auch bestätigt, dass bei ihnen beispielsweise Personalakten grundsätzlich weggeschlossen würden. Auch das Gericht hält diese Einschätzung im Grundsatz für zutreffend. Dass solchermaßen zu verschließende Unterlagen beim Beenden des Dienstes unverschlossen im Büro zurückblieben, erfordert eine Rückkehr dann besonders, wenn der Beamte damit rechnet, am nächsten Diensttag nicht in der Lage zu sein, diese umgehend mit dem Beginn des Tagesdienstes verschließen zu können. Insofern hat die Klägerin berichtet, sie habe sich am Mittag des Unfalltages schlecht gefühlt, als ob sie krank würde. Sie habe deshalb damit gerechnet, dass sie am Montag eventuell wegen Erkrankung nicht im Dienst sein könne.Wenn dieses Geschehen und diese subjektive Zielrichtung ihrer Fahrt unmittelbar vor dem Unfall zur Überzeugung des Einzelrichters feststünden, hätte die Klägerin den Anspruch auf Anerkennung als Wegeunfall.
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    Der Einzelrichter konnte diese Überzeugung aufgrund des Inbegriffs der mündlichen Verhandlung einschließlich des gesamten Akteninhalts und des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten nicht gewinnen. Weder kann festgestellt werden, dass die Klägerin die von ihr geschilderte Absicht hatte, noch kann festgestellt werden, dass sie diese Vorstellung nicht hatte (weil sie etwas ganz anderes vorhatte bzw. sich auf der Fahrt zu einem anderen Ziel befand). Weitere Aufklärungsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich. Die Unaufklärbarkeit geht zulasten der Klägerin.
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    Zunächst lassen sich objektive Hinweise darauf, dass die Klägerin im Moment des Unfalles die Absicht hatte, wegen der vergessenen personenbezogenen Unterlagen zurück zum Rathaus zu fahren, nicht feststellen. Der beste objektive Hinweis hierzu wäre es, wenn bewiesen wäre, das die von der Klägerin benannten Unterlagen sich auf ihrem Schreibtisch befanden. Dies wäre nur ein Hinweis und kein Beweis, weil dies nur ein Anlass für die Klägerin wäre, zum Rathaus umzukehren; ob sie es tatsächlich aus diesem Grund tat, wäre dadurch nicht bewiesen; in Kenntnis solcher Unterlagen auf dem Schreibtisch könnte ein Beamter die Rückkehr auch missbräuchlich nach einem privat veranlassten Unfall, der sich zufällig auf dem Weg zur Dienststelle ereignete, mit diesen Unterlagen begründen.Die Existenz solcher Unterlagen auf dem Schreibtisch der Klägerin konnte jedoch schon nicht festgestellt werden. Die Zeugen haben nicht bestätigt, dass die von der Klägerin benannten Unterlagen (Personalakten, Zeugnisse, Zeugnisentwürfe, vorbereitende Unterlagen für die Erstellung von Zeugnissen, „kariertes Blatt“ mit Namen) oder sonstige personenbezogene und zu verschließende Unterlagen auf dem Schreibtisch der Klägerin in der Zeit nach ihrem Unfall vorgefunden wurden.Der Zeuge C2. hat insofern nichts ergiebiges ausgesagt. Nach seiner Einlassung hat er keine Erinnerung daran, auf dem Schreibtisch der Klägerin personenbezogene Unterlagen gefunden zu haben; er will diesen aber auch gar nicht näher daraufhin untersucht haben, weil er hierzu keinen Anlass hatte; gehört habe er über solche Unterlagen nichts; er sei auch nicht von der Klägerin auf solche Unterlagen angesprochen worden. Er habe tatsächlich die zur Zuständigkeit der Klägerin gehörenden Zeugnisse in der Zeit nach ihrem Unfall übernommen, habe darüber aber keinen Kontakt mit der Klägerin gehabt, mit ihr insbesondere hierüber nicht telefoniert; er habe hierzu nach seinen Erinnerungen nicht auf Unterlagen auf ihrem Schreibtisch zurückgegriffen, sondern sie hätten wohl Entwürfe oder Vorlagen auf ihrem Rechner gefunden, die er habe verwenden können.Die Aussage der Zeugin K1. ist teilweise ergiebig, spricht jedoch gegen die Klägerin: Sie habe den Schreibtisch nicht gezielt nach personenbezogenen Unterlagen o.Ä. durch- bzw. untersucht; deshalb könne sie nicht genau sagen, ob dort solche Unterlagen vorhanden waren. Jedoch hat sie einen zentralen Punkt des Vorbringens der Klägerin verneint. Die Klägerin hat angegeben, es habe eine gewisse Zeit nach ihrem Unfall ein zentrales Telefonat mit der Zeugin K1. gegeben, die sich in ihrer Arbeitsunfähigkeit um viele ihrer Angelegenheiten bei der Beklagten gekümmert habe; in diesem Telefonat seien sie den Schreibtisch der Klägerin von links nach rechts durchgegangen und hätten jeden Vorgang oder jedes Blatt besprochen und sie habe der Zeugin K1. gesagt, was das sei und wie damit zu verfahren sei. Ganz rechts auf dem Schreibtisch seien sie dann bei den auf die Zeugnisse bezogenen Unterlagen angekommen, die für sie Anlass der beabsichtigten Rückkehr in den Dienst gewesen seien.Die Zeugin K1. konnte sich an dieses Telefonat nicht erinnern. Sie hat dies nicht als vages „keine Erinnerung“ formuliert, sondern hat betont, sie könne sich ja an vieles nicht so genau erinnern, aber dass es ein solches Gespräch nicht gab, könne sie sicher sagen. Damit hat sie auch sicher ausgesagt, dass sie nicht während dieses Telefonats die zeugnisbezogenen Unterlagen gefunden hat. Nach ihren Angaben hat sie nach und nach immer einzelne Vorgänge dort gesucht, wegen einzelner Fragen mit der Klägerin telefoniert und ihre Fragen mit der Klägerin geklärt; nach und nach seien immer weniger Sachen auf dem Schreibtisch der Klägerin verblieben.Die Aussage der Zeugin K1. zu dieser Frage ist glaubhaft. Es liegen keine Lügensignale vor, vielmehr vermittelte sie den Eindruck von wahrheitsgemäßer Aussage. Sie hat persönlich soweit ersichtlich kein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens, sondern saß als Zeugin, die bei der Beklagten beschäftigt, zugleich auch mit der Klägerin befreundet ist (wie beide angaben), in fast unangenehmer Weise „zwischen den Stühlen“. In einer solchen Situation ist wahrheitsgemäße Aussage die naheliegendste Reaktion, soweit man sich nicht auf die mangelnde Erinnerung zurückzieht, was Zeugen häufig machen, wenn sie aus ihrer Sicht für ihnen nahestehende Personen vermeintlich Nachteiliges aussagen. Die Zeugin K1. hingegen wusste recht genau, dass das von der Klägerin geschilderte „zentrale“ Telefonat nach ihrer Erinnerung nicht stattgefunden hat und sie nicht während dieses langen Telefonats zeugnisbezogene Unterlagen rechts auf dem Schreibtisch der Klägerin vorfand. Nach dem Eindruck des Gerichts von der Zeugin K1. ist davon auszugehen, dass diese aufrichtig und wahrheitsgemäß ausgesagt hat, ohne ihre Aussage auf die Interessen der Klägerin auszurichten.
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    Zugleich ist auch kein objektiver Hinweis für einen anderen Zweck der Fahrt beim Unfall, als von der Klägerin angegeben, vorhanden. Die Beklagte hat hier einen möglichen Termin der Klägerin in der Praxis für Physiotherapie M. / van C. in O. -E. , H1.------ring 33, als wahren Zweck benannt. Dies geht wohl darauf zurück, dass in der überschaubaren Gemeinde die Beschäftigten einander gut kennen. So gelangte wohl die Information zur Beklagten, dass die Klägerin zu ihrer Kollegin D. nach der Übergabe ihres Geburtstagsgeschenks zu deren 40. Geburtstag an deren Haustür auf die Einladung, doch hereinzukommen, sinngemäß sagte, sie müsse noch zur Physiotherapie. Auch wenn die Erklärung der Klägerin hierzu, dies sei eine gesellschaftlich akzeptable Notlüge für die Ablehnung der Einladung gewesen, genauso zutreffend wie auch eine schwer zu widerlegende Schutzbehauptung sein kann, so ist dies doch gut nachvollziehbar und passt zu dem angegebenen Unwohlsein der Klägerin. Es spricht im Ergebnis Überwiegendes dafür, dass die Klägerin an diesem Freitag nicht zur Physiotherapie-Praxis in E. fahren wollte. Nach den Ermittlungen des Gerichts hatte sie dort keinen Termin. Es ist keine Behandlung abgerechnet worden und es sind auch keine Hinweise mehr im elektronisch geführten Praxiskalender erkennbar, dass die Klägerin einen Termin hatte, den sie nicht wahrgenommen hat. In der Zeit zwischen Mai 2009 und Mai 2010 hatte die Klägerin dabei regelmäßig am Freitag Mittag einen Termin zur Physiotherapie, immer wieder ist jedoch ausnahmsweise an einzelnen Freitagen kein Termin verzeichnet. In der Zeit zwischen dem 12. April 2010 und dem 17. Mai 2010 hatte die Klägerin ihre erkennbaren Termine auch stets um 13.00 Uhr, weshalb sie einen Termin am 23. April 2010 um diese Uhrzeit bei Ausstempeln um 12.55 Uhr im Rathaus in F. , Gratulation bei der Kollegin D. und Rückfahrt nach E. verpasst hätte, wie der Unfall um 13.10 Uhr verdeutlicht. Für die Vermutung der Beklagten, dass die Klägerin über ein Abo 50plus in der Physiotherapie-Praxis verfügte, worauf die Beklagte unter Heranziehung der Erinnerung ihres Bürgermeisters hingewiesen hat, spricht angesichts der wöchentlich regelmäßig zwei Physiotherapie-Termine „auf Rezept“ und der klaren Aussage der Klägerin, nie ein solches Abo gehabt zu haben, wenig.
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    Letztlich kommt es damit auf eine Wertung an, ob den Angaben der Klägerin so großes Gewicht und solche Überzeugungskraft zukommt, dass ihr geglaubt werden kann, dass sie tatsächlich nach der Abfahrt bei der Kollegin D. in P. bemerkte, dass sie wegzuschließende Unterlagen auf ihrem Schreibtisch vergessen hatte und deshalb an der Kreuzung C1.---straße / B 221 nach links statt nach rechts abbog, um dann an der nächsten Kreuzung B 221/ K 9 wiederum links in Richtung Rathaus in F. abzubiegen mit dem Ziel, im Rathaus die Akten bzw. Unterlagen noch wegzuschließen.
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    Diese Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Angaben zu ihren inneren Vorstellungen als Grundlage ihres äußeren Handelns hat der Einzelrichter nicht gewonnen. Weitere Aufklärungsmöglichkeiten zugunsten der Klägerin stehen nicht zur Verfügung. Im Einzelnen:
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    Die innere Tatsache, die festzustellen ist, ist nicht durch irgendeine Verknüpfung mit objektiven Umständen als Hinweistatsachen plausibilisiert. Insofern spricht es gegen die Klägerin, dass die Zeugin K1. das Vorhandensein der von der Klägerin benannten auf die Zeugnisse bezogenen Unterlagen auf der rechten Seite ihres Schreibtischs nicht bestätigen konnte; umso mehr geht es zu ihren Lasten, dass die Zeugin K1. auch das von der Klägerin detailliert beschriebene Telefonat in Abrede gestellt hat. Bei allem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin – anders als die Zeugin K1. – ein äußerst hohes Eigeninteresse daran hat, das Gericht von ihrem Vorbringen zu überzeugen: Es stehen umfangreiche Ansprüche aus der Dienstunfallfürsorge im Raum, die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben. Nicht nur kann die gesamte Behandlung der Beschwerden der Klägerin seit April 2010 als Heilbehandlung nach § 33 BeamtVG geltend gemacht werden; hinzu kommt möglicher Unfallausgleich gemäß § 35 BeamtVG in von einer noch festzustellenden unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) abhängigen Höhe. Die größte Bedeutung auf Dauer dürfte die Frage eines Unfallruhegehalts gemäß § 36 BeamtVG haben, welches der Klägerin auf Dauer erhöhtes Ruhegehalt im Vergleich zum derzeit in Höhe der Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG gewährten Altersruhegehalt bescheren würde (Mindest-Unfallruhegehalt i. H. v. 66 2/3 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, kein Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 BeamtVG wegen vorzeitiger Zurruhesetzung ...).
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    Zugleich spricht die Entwicklung der Angaben der Klägerin eher gegen als für sie: Es wäre glaubhafter gewesen, wenn die Klägerin den vollständigen Sachverhalt, den sie jetzt vorträgt, von Anfang an angegeben hätte. Stattdessen hat sie zunächst in ihrer Dienstunfallmeldung vom 21. Juli 2010 (Unterschriftsdatum) den Umstand der Visite bei der Kollegin D. weggelassen; zugleich hat sie wenig konkret nur davon gesprochen, sie habe festgestellt, dass sie im Büro „noch etwas erledigen musste“. Die Konkretisierung, um was es sich genau handelte, erfolgte dann in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 1. Oktober 2010 („personenbezogene Unterlagen zur Anfertigung von Zeugnissen“). Die Konkretisierung bzw. Ergänzung zu diesen Umständen erfolgte erst auf das an sie gerichtete Schreiben vom 15. September 2010. Ob es danach zu dem Termin im Rathaus in F. am 21. September 2010 gekommen ist, ist nicht bekannt. Wenn dezidiert klar war, dass es um die Unterlagen in Bezug auf die Zeugnisse gegangen wäre, hätte sie dies auch ohne weiteres von Anfang an so angeben können. Jedenfalls bewirkt ein Vorbringen mit nachträglichen Ergänzungen und Konkretisierungen („Salami-Taktik“) keinen überzeugenden Eindruck, auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass der so Handelnde die Wahrheit sagt. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Formulierung der formularmäßigen Dienstunfallmeldung der Klägerin, die diese am 21. Juli 2010 unterschrieben hat, auf ihre eigenen Textbeiträge zurückgeht, obwohl als Bearbeiter der (an die Rheinischen Versorgungskassen – RhVKn – gerichteten) Unfallmeldung der Zeuge C2. angegeben ist. Dies wird durch den von der Klägerin im Termin vorgelegten Zettel nachvollziehbar, der vom Ehemann der Klägerin geschrieben worden sein soll. Dem lässt sich entnehmen, dass der Ehemann der Klägerin wohl mit dem Zeugen C2. („H.J.“ = I. -K. C2. ) am 15. Juni 2010 gesprochen (wohl telefoniert) hat mit dem Ergebnis, dass der Zeuge C2. eine Unfallmeldung an die RhVKn fertigen wolle; am 28. Juni wurde „H.J.“ erinnert, worauf hin dieser „D1. “ (also wohl der Zeugin K1. ) einen entsprechenden Auftrag geben wollte; am 30. Juni dann „Antrag von mir geschrieben“ (also wohl vom Ehemann der Klägerin, vermutlich nach deren Angaben, weil von Seiten des Zeugen C2. oder der Zeugin K1. nichts kam); 9. Juli „Antrag geschrieben von D1. “; 20. Juli „erhalten“ und 21. Juli „unterschrieben + abgegeben“. Dies verdeutlicht, dass alles dafür spricht, dass die Unfallmeldung in Bezug auf die Unfallschilderung textlich auf die Formulierungen der Klägerin zurückgeht. Das Weglassen des „Schlenkers“ zur Frau D. hat zwar unmittelbar nichts mit der Rückkehr zum Rathaus aus dem behaupteten Grund zu tun, es verdeutlicht jedoch ein unvollständiges Aussageverhalten, bei dem es naheliegt, dass dieser Umstand bewusst weggelassen wurde, um eine mögliche argumentative Anknüpfung an diesen Ablauf zur Begründung einer Ablehnung eines Wegeunfalls (wie tatsächlich von der Beklagten erfolgt) zu vermeiden.
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    Der zeitliche Ablauf spricht auch eher gegen als für die Klägerin. Unter Berücksichtigung des dem Notizzettel des Ehemannes der Klägerin zu entnehmenden, oben dargestellten vermutlichen Ablaufs hat die Klägerin (bzw. ihr Ehemann in ihrem Interesse) erstmals knapp acht Wochen nach dem Unfall am 23. April 2010 mit der Beklagten im Hinblick auf einen möglichen Wegeunfall und dessen Anerkennung Kontakt aufgenommen. Dies ist zwar im Hinblick auf die Melde- und Anzeigefristen gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 2 BeamtVG unproblematisch; es hätte jedoch in der von der Klägerin vorgetragenen Konstellation nahe gelegen, sich möglichst umgehend mit der Dienstherrin in Verbindung zu setzen: Zum einen geht ihr Vortrag dahin, dass sie in gewissenhafter Pflichterfüllung wegen vergessener personenbezogener Unterlagen zulasten ihrer Freizeit, als sie sich sogar körperlich unwohl und „kränkelnd“ fühlte, noch einmal zurück zur Dienststelle fahren wollte, um Unterlagen wegzuschließen. Wenn dies zutrifft, hätte es nahe gelegen, nach dem Unfall bzw. am nächsten Werktag nach der unmittelbaren Versorgung der erlittenen (körperlichen) Verletzungen mit der Dienststelle Kontakt aufzunehmen, um dort mitzuteilen, dass (eventuell, falls man sich nicht sicher ist) personenbezogene Unterlagen auf dem Schreibtisch liegen, die wegzuschließen/ -zuräumen sind. Ebenfalls wäre es in ihrem eigenen Interesse gewesen, in einem in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Fall eines möglichen Wegeunfalls bei beabsichtigter Rückkehr zur Dienststelle wegen vergessener Unterlagen den Unfall und die besonderen Umstände möglichst umgehend mitzuteilen, damit diese besonderen Umstände möglichst zügig dort „aktenkundig“ werden, gegebenenfalls ein „Vorgang“ entsteht – und zugleich auch der Dienstherr die Gelegenheit bekommt, die Angelegenheit im Sinne von § 45 Abs. 3 BeamtVG zu untersuchen, eventuell festzustellen, ob personenbezogene Unterlagen auf dem Schreibtisch der Klägerin lagen usw.
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    Dies hat die Klägerin überhaupt nicht gemacht. Sie hat sich bei ihrer Dienstherrin, insbesondere ihren Kollegen oder ihrem direkten Vorgesetzten, dem Zeugen C2. , nicht gemeldet, nichts vom Unfall und seinen besonderen Umständen berichtet. Sie hat dies zwar damit erklärt, dass ihr im Krankenhaus in F1. gesagt worden sei, wegen des Besuchs bei der Kollegin D. sei es kein Wegeunfall mehr, und sie habe erst später von anderen Kommunalbediensteten gehört, dass dies nicht so klar sei. Dies mag so sein. Genau so gut ist es hingegen denkbar, dass nach dem Zeitablauf eine verunfallte Beamtin in gehörigem Abstand zum erlittenen Verkehrsunfall bemerkt, dass der Unfall sich in örtlicher Hinsicht auf dem Weg zur Arbeit ereignete, und sich entscheidet, einen Wegeunfall zu „konstruieren“. Allein der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um eine Beamtin handelt, die schon dienstrechtlich einer Wahrheitspflicht unterliegt, kann nicht dazu führen, dass alles, was sie erklärt, geglaubt werden muss. Auch Beamte sind fehlsam.Zugleich ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich die Klägerin in dem von ihr in der mündlichen Verhandlung angegebenen psychisch erheblich angeschlagenen Zustand befand, der dazu führte, dass sie sich weder mit den Kollegen oder Vorgesetzten im Dienst, noch mit Familienangehörigen oder Freunden in Verbindung setzte. Ihr Vorbringen zu allem bleibt jedoch derart im Unbestimmten, dass dies zwar kaum zu widerlegen, jedoch auch nicht besonders überzeugend ist.
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    Es besteht auch kein Grund, der Klägerin allein deshalb zu glauben, weil – nachdem das Aufsuchen der Physiotherapie-Praxis in O. -E. aus Sicht des Einzelrichters eher unwahrscheinlich ist – kein anderer Anlass dafür ersichtlich wäre, dass die Klägerin den gewählten Fahrweg eingeschlagen hat. Schon aus dem Inhalt der Akten und der mündlichen Verhandlung wird ersichtlich, dass die Klägerin in O. sozial gut vernetzt ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie noch einen anderen Ort in O. -E. oder -F. aufsuchen, andere Personen besuchen oder an anderer Stelle Erledigungen irgendwelcher Art machen wollte. Spekulationen hierzu im Einzelnen sind müßig.
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    Nach alledem lassen sich die von der Klägerin vorgebrachten inneren Tatsachen nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellen. Die Unaufklärbarkeit geht zu Lasten der Klägerin. Ein Wegeunfall kann nicht angenommen werden.
    58

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
    59

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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    Beschluss:
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    Der Streitwert wird auf 5000,00 Euro festgesetzt.
    62

    Gründe:
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    Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.

    RechtsgebietBeamtVGVorschriftenBeamtVG § 31 Abs 1 S 1; BeamtVG § 31 Abs 2 S 1

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