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  • · Fachbeitrag · Geringfügige Beschäftigung

    So organisieren Arbeitgeber die Arbeit auf Abruf bei Minijobs rechtssicher

    von Rechtsanwältin Dr. Viktoria Winstel, Osborne Clarke, Köln

    | Der Beitrag „Minijobs ohne geregelte Arbeitszeiten werden seit 01.01.2019 sozialversicherungspflichtig“ in LGP 2/2019 hat hohe Wellen geschlagen. LGP stellt die neue Rechtslage dar und gibt Tipps wie Arbeitgeber die Arbeit auf Abruf bei Minijobs rechtssicher durchführen. |

    Neue Rechtslage seit 01.01.2019

    Arbeit auf Abruf liegt nur vor, wenn nicht nur die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden schwankt, sondern auch das dem Arbeitnehmer zu zahlende Entgelt. Ein solches Modell ist z. B. in der Gastronomie weit verbreitet.

     

    Zum 01.01.2019 hat sich die Rechtslage der Arbeit auf Abruf im Rahmen von Minijobs geändert. Minijobber gelten rechtlich als Teilzeitbeschäftigte, sodass sich die geänderte Rechtslage überwiegend in § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) niederschlägt. Die Neufassung des § 12 TzBfG enthält drei wichtige Neuerungen:

     

    1. Fingiertes Stundenkontingent auf 20 Stunden pro Woche erhöht

    Zunächst wurde das fingierte Stundenkontingent von zehn Stunden pro Woche auf 20 Stunden pro Woche angehoben (§ 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG). Diese gesetzliche Fiktion greift, wenn eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Anzahl der auf Abruf zu leistenden Arbeitsstunden fehlt. Dann gilt laut Gesetz nun eine Zahl von 20 Wochenstunden als vereinbart.

     

    Dies ist brisant, weil es wegen der Pflicht zur Einhaltung des Mindestlohns (seit 01.01.2019: 9,19 Euro pro Stunde) zum Verlust der sozialversicherungsrechtlichen Privilegien der 450-Euro-Jobs kommt.

     

    • Beispiel

    Ein Restaurant hat die wöchentliche Arbeitszeit bei einer geringfügig beschäftigten Servicekraft nicht festgelegt. Seit 01.01.2019 gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden je Woche als vereinbart. Legt man eine 20-Stunden-Woche und den seit 01.01.2019 geltenden Mindestlohn von 9,19 Euro zugrunde, müssen bei einem Wochenfaktor von 4,33 Wochen pro Monat 796,47 Euro vergütet werden. Die Geringverdienergrenze von 450,00 Euro wird überschritten.

     

    Daher ist es wichtig, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Stundenzahl vereinbaren ‒ denn die sozialversicherungsrechtliche Privilegierung bei Minijobs (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) liegt in beiderlei Interesse.

     

    2. Abweichen von Mindest- bzw. Höchststundenzahl

    Die bisherige Rechtsprechung des BAG zum Abweichen von einer Mindest- bzw. Höchststundenzahl wurde gesetzlich festgeschrieben. Es gilt:

     

    • Ist eine wöchentliche Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen (§ 12 Abs. 2 S. 1 TzBfG). Das bedeutet: Der Arbeitnehmer ist vertraglich nicht verpflichtet, die zusätzlichen Stunden zu leisten. Häufig wird er dies jedoch im Interesse einer höheren Vergütung tun.

     

    • Ist eine Höchstarbeitszeit vereinbart, so darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der Stunden weniger abrufen (§ 12 Abs. 2 S. 2 TzBfG).

     

    3. Entgeltfortzahlung

    Schließlich wurde geregelt, was im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen gilt (§ 12 Abs. 4 und 5 TzBfG). Zur Berechnung der Entgeltfortzahlung ist nun als maßgebliche Arbeitszeit für den betreffenden Tag die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor der Arbeitsunfähigkeit bzw. dem Feiertag zugrunde zu legen.

    Tipps zur rechtssicheren Durchführung

    Eines vorweg: Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einerseits und die tatsächliche Durchführung andererseits müssen den rechtlichen Vorgaben entsprechen.

     

    Tipps zur Vertragsgestaltung

    Wird Arbeit auf Abruf vereinbart, so ist es wichtig, dass entweder Mindest- oder Höchstarbeitszeit geregelt wird. Denn wie gezeigt, führt eine fehlende Regelung wegen der gesetzlichen Fiktion von 20 vereinbarten Stunden pro Woche zum Verlust des Minijob-Privilegs in der Sozialversicherung. Allerdings kann durch Tarifvertrag abweichend vereinbart sein, dass die gesetzliche Fiktion nicht gelten soll.

     

    Der Arbeitgeber kann dabei zwischen zwei Modellen wählen: Er kann

    • eine Mindestarbeitszeit vereinbaren und ggf. bis zu 25 Prozent mehr abrufen. Er muss in jedem Falle die Mindestarbeitsstunden vergüten.
    • eine Höchstarbeitszeit vereinbaren und bis zu 20 Prozent weniger abrufen.

     

    Unzulässig ist die Kombination von Mindest- und Höchstarbeitszeit, weil das Gesetz nunmehr nur die Vereinbarung einer Mindest- oder einer Höchstarbeitszeit ermöglicht.

     

    • Beispiel

    Ein Mann wird als geringfügig beschäftigte Aushilfe in einem Freizeitpark eingestellt. Bei großem Besucheraufkommen steht er am Wochenende auf Abruf bereit. Arbeitgeber A hat zwei Möglichkeiten, Abrufarbeit zu vereinbaren:

    • A vereinbart eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von acht Stunden zu einem Stundenlohn von 10 Euro und, dass er pro Woche zwei Stunden zusätzlich abrufen kann. A muss bei einem Wochenfaktor von 4,33 Wochen pro Monat 346,40 Euro auf jeden Fall vergüten, höchstens jedoch 433 Euro pro Monat.
    • A vereinbart eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden zu einem Stundenlohn von 10 Euro und, dass er pro Woche zwei Stunden weniger abrufen kann. A muss bei einem Wochenfaktor von 4,33 Wochen pro Monat wenigstens 346,40 Euro vergüten, höchstens jedoch 433 Euro pro Monat.
     

    PRAXISTIPPS |

    • Der Arbeitgeber bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Flexibilität und Vergütungspflicht. In jedem Falle ist es wichtig, die entsprechende Arbeitsvertragsklausel transparent zu halten. Die Überschrift könnte beispielsweise „Arbeitszeit, Arbeit entsprechend dem Arbeitsanfall“ heißen.
    • Darüber hinaus empfiehlt es sich auch, die Dauer der täglichen Arbeitszeit festzulegen. Denn fehlt eine solche Abrede, muss der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden in Anspruch nehmen (§ 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG).
     

    Tipps zur tatsächlichen Durchführung

    Zu beachten ist hier insbesondere, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Lage seiner Arbeitszeit vier Tage im Voraus mitteilen muss (§ 12 Abs. 3 TzBfG). Sonst ist der Arbeitnehmer berechtigt, seine Arbeitsleistung zu verweigern.

     

    Unterschreitet der Arbeitgeber die vier Tage, kann der Arbeitnehmer trotzdem zur Arbeit antreten. Sofern er Interesse an der zu zahlenden Vergütung hat, wird er auch bei Unterschreiten der vier Tage zur Arbeit erscheinen. Tut er dies jedoch nicht, hat der Arbeitgeber keine Handhabe gegen ihn.

     

    Musterformulierung

    Nachfolgend finden Sie ein Muster für eine Vertragsklausel, mit der Arbeitgeber in einem Arbeitsvertrag die Arbeit auf Abruf regeln. Die Klausel finden Sie auch zum Download auf lgp.iww.de → Abruf-Nr. 45859568

     

    Vertragsmuster / ARBEITSVERTRAGLICHE KLAUSEL ARBEIT AUF ABRUF

    § ... Arbeitszeit, Arbeit entsprechend dem Arbeitsanfall
    • 1) Der Arbeitnehmer erbringt seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall. Die Erbringung der Arbeitsleistung erfolgt auf Abruf des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber entscheidet darüber, wann und in welchem Umfang der Arbeitsanfall den Einsatz des Arbeitnehmers erforderlich macht.
    • 2) Die Mindestarbeitszeit beträgt wöchentlich … Stunden. Der Arbeitgeber behält sich vor, 25 Prozent mehr abzurufen.
    • Alternativ: Die Höchstarbeitszeit beträgt wöchentlich … Stunden. Der Arbeitgeber behält sich vor, 20 Prozent weniger abzurufen.
    • 3) Die Arbeitsleistung erfolgt an ... (Zahl der Tage) Tagen in der Woche. Ruft der Arbeitgeber die Arbeitsleistung ab, beträgt die Einsatzdauer jeweils mindestens ... aufeinanderfolgende Stunden (Dauer festlegen, sonst sind mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden in Anspruch zu nehmen).
    • 4) Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer seinen Arbeitseinsatz, d. h. dessen Beginn und voraussichtliche Dauer, jeweils mindestens vier Tage im Voraus mit.
     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2019 | Seite 85 | ID 45835569

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