Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Erfindungen

    So behandeln Arbeitgeber Diensterfindungen arbeits- und lohnsteuerrechtlich richtig

    von Alexander Schlicht, Rechtsanwalt, und Max Wächter LL.M. (University of Bristol), Rechtsanwalt, beide Osborne Clarke, Köln

    | Erfindungen von Arbeitnehmern stellen oft wesentliche Assets eines Unternehmens dar. Damit verbunden ist aber auch die Frage, ob und wie der Arbeitgeber sie vergüten muss. Nachfolgend erfahren Sie, wie Sie mit Diensterfindungen arbeitsrechtlich umgehen. Außerdem erläutert LGP die richtige Behandlung in der Lohnabrechnung. |

    Was ist eine Diensterfindung?

    Diensterfindungen sind vom „Gesetz über Arbeitnehmererfindungen“ (ArbnErfG) geschützt. Doch nicht jede Erfindung eines Arbeitnehmers ist eine Diensterfindung im klassischen Sinne. Vielmehr ist zu unterscheiden:

     

    • Abgrenzung verschiedener Arbeitnehmererfindungen

    Diensterfindung

    Eine Diensterfindung ist eine patentfähige oder gebrauchsmusterfähige Erfindung (§ 2 ArbnErfG), die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Dienstpflicht gemacht hat § 4 Abs. 2 ArbnErfG).

    • Beides ist eine neue technische Erfindung, die auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und gewerblich anwendbar ist. Während das Patentamt die Voraussetzungen beim Patent streng prüft, handelt es sich beim Gebrauchsmuster eher um ein „ungeprüftes Schutzrecht“, bei dem die Neuheit der Erfindung, das Vorliegen eines erfinderischen Schrittes sowie die gewerbliche Anwendbarkeit nicht geprüft werden. Das Gebrauchsmuster ist damit einfacher zu bekommen, der Schutz läuft aber nicht so lange (10 statt 20 Jahre) und bezieht sich nicht auf Verfahren.
    • Die Erfindung ist vom Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses erfunden und betrieblich veranlasst, wenn sie aus der Tätigkeit entstanden ist, die dem Arbeitnehmer im Betrieb obliegt oder maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs beruht.
    Freie Erfindung
    • Freie Erfindungen werden vom Arbeitnehmer zwar in der Regel auch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses gemacht, sind aber weder aus dem Aufgabengebiet des Arbeitnehmers im Betrieb entstanden, noch beruhen sie maßgeblich auf betrieblichen Erfahrungen oder Arbeiten (§ 4 Abs. 3 ArbnErfG).
    Technischer Verbesserungsvorschlag
    • Ein Arbeitnehmer präsentiert eine Lösungsmöglichkeit, die nicht schutzrechtfähig ist, aber den internen Stand der Technik des Betriebs verbessert (§ 3 ArbnErfG).
     

     

    PRAXISHINWEIS | Das ArbnErfG ist nur auf Arbeitnehmer ‒ einschließlich leitende Angestellte anwendbar. Es gilt nicht für freie Mitarbeiter. Ohne konkrete vertragliche Regelung gilt es auch nicht für angestellte Geschäftsführer. Der Schutz greift aber, wenn das Arbeitsverhältnis ruht, z. B. bei einer Freistellung. Selbst eine Erfindung nach Ausspruch der Kündigung gilt in der Regel als Diensterfindung, solange das Arbeitsverhältnis noch (bedingt) fortbesteht.

     

    Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer

    Hat der Arbeitnehmer eine Diensterfindung gemacht ‒ egal ob in seiner Dienstzeit oder Freizeit ‒, sieht das übliche Prozedere wie folgt aus:

     

    • Wesentliche Rechte und Pflichten bei Diensterfindungen

    Arbeitnehmer (AN)

    Arbeitgeber (AG)

    • AN muss die Erfindung unverzüglich nach Fertigstellung in Textform (z. B. per E-Mail, Fax oder Brief) melden (§ 5 ArbnErfG).
    • In der Erfindungsmeldung muss AN die technische Aufgabe, ihre Lösung und das Zustandekommen der Diensterfindung beschreiben.
    • Auch freie Erfindungen muss der AN dem AG melden (§ 18 ArbnErfG). Dabei muss er so viel mitteilen, dass der Arbeitgeber beurteilen kann, ob es sich tatsächlich um eine freie Erfindung handelt. Fällt eine freie Erfindung in den Arbeitsbereich des AG, muss er diesem während der Dauer des Arbeitsverhältnisses die Benutzung zu angemessenen Bedingungen anbieten (§ 19 ArbnErfG).
    • AN verbleibt das Erfinderpersönlichkeitsrecht. Insbesondere hat er das Recht, als Erfinder namentlich genannt zu werden.
    • Als Gegenleistung für die Verwertung durch den AG hat AN gegen diesen einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung (§ 9 ArbnErfG).
    • AG muss dem AN den Eingangszeitpunkt der Erfindungsmeldung unverzüglich in Textform bestätigen.
    • Eine Meldung, die den Anforderungen nicht entspricht, gilt als ordnungsgemäß, wenn AG sie nicht innerhalb von zwei Monaten beanstandet, indem er erklärt, dass und in welcher Hinsicht die Meldung einer Ergänzung bedarf.
    • Ab Eingang der ordnungsgemäßen Erfindermeldung hat AG vier Monate Zeit zu prüfen, ob er die Diensterfindung in Anspruch nehmen oder freigeben will. Will er die Diensterfindung nicht nutzen, muss er dem AN gegenüber in Textform die Freigabe erklären. Tut er das nicht in den vier Monaten, gilt die Diensterfindung als in Anspruch genommen (§ 6 Abs. 2 ArbnErfG).
    • Mit Inanspruchnahme der Diensterfindung gehen alle vermögenswerten Rechte an der Erfindung auf AG über. Er ist insbesondere allein berechtigt ‒ und verpflichtet (§ 13 ArbnErfG) ‒, Patente beim Deutschen Patent- und Markenamt anzumelden und zu verwerten. Für ausländische Staaten, in denen er keine Schutzrechte erwerben will, muss er die Diensterfindung dem Arbeitnehmer gegenüber freigeben (§ 14 ArbnErfG).
     

    Höhe der Vergütung abhängig von Verwertbarkeit

    Der Arbeitnehmer erhält grundsätzlich eine laufende Vergütung, deren Höhe sich nach der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Diensterfindung richtet. Die Bestimmung der angemessenen Vergütung ist sehr komplex und stellt in der Praxis eine große Herausforderung für Arbeitgeber dar. Einzelheiten finden sich in den „Vergütungsrichtlinien“ (§ 11 ArbnErfG, BMAS, Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst vom 20.07.1959, Abruf-Nr. 194995). Einfach „ablesen“ lassen sich die passenden Werte daraus jedoch nicht. Für die Bemessung der Vergütung ergibt sich folgende Formel:

     

    • Vergütungsformel für Diensterfindung

    Vergütung (V)

    =

    Erfindungswert (E) (=L x B)

    x

    Anteilsfaktor (A)

    Erläuterung der Formel

    • E = Wert der wirtschaftlichen Verwertbarkeit (üblicherweise bestimmt nach der so genannten Lizenzanalogie):
      • Welcher prozentuale Wert ist für freie Erfindungen in der Praxis üblich (Lizenzsatz L)?
      • Welcher Umsatz ist mit der Erfindung erzielbar (Bezugsgröße B)? Bestimmung der Bezugsgröße ist im Einzelfall ‒ etwa wenn die Erfindung einen Teil eines Produktes betrifft ‒ oft schwierig.
    • A = prozentualer Abzug vom Erfindungswert.
    • A trägt dem Umstand Rechnung, dass dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Unternehmen auch Vorteile zukamen, die die Erfindung erst ermöglicht haben.
     

     

    Erfolgt eine Diensterfindung ‒ wie in der Praxis üblich ‒ durch mehr als einen Erfinder, muss berücksichtigt werden, wie hoch der Miterfinderanteil eines Erfinders gewesen ist. Die jeweilige Vergütung ist entsprechend zu mindern.

     

    Wichtig | Auch für einen technischen Verbesserungsvorschlag hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung. Das gilt allerdings nur, wenn der Arbeitgeber den Vorschlag tatsächlich verwertet (§ 20 ArbnErfG). Das ist anders als bei Schutzrechten, für die ein Vergütungsanspruch bereits aufgrund der möglichen Verwertbarkeit entsteht. Details in Bezug auf alle Aspekte ‒ mit Ausnahme der Vergütung ‒ sollten per Betriebsvereinbarung festgelegt werden.

     

    • Verfahren zur Festlegung der Vergütung

    1. Schritt

    Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich auf die Vergütung innerhalb einer angemessenen Frist nach Inanspruchnahme der Diensterfindung (§ 12 Abs. 1 ArbnErfG).

    2. Schritt

    Erst wenn eine Einigung unterbleibt, kann und muss der Arbeitgeber die angemessene Vergütung einseitig schriftlich festsetzen und entsprechend begründen. Dafür gilt eine Frist von drei Monaten nach Erteilung des Schutzrechts (§ 12 Abs. 4 ArbnErfG).

    3. Schritt

    Im Falle eines Widerspruchs des Arbeitnehmers ist zunächst ein nicht öffentliches Schiedsverfahren durchzuführen (§ 28 ArbnErfG). Für Streitigkeiten aus dem ArbnErfG wurde die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt eingerichtet (§ 29 ArbnErfG).

    4. Schritt

    Scheitert das Schiedsverfahren, sind grundsätzlich die Patentstreitkammern der Landgerichte zuständig (§ 39 ArbnErfG). Für Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Erfindung sind allerdings die Arbeitsgerichte zuständig.

     

     

    Pauschalvergütung

    In der Regel empfiehlt es sich, Arbeitnehmern für Diensterfindungen eine pauschale Vergütung anzubieten. Die Höhe hängt von der Möglichkeit besserer Alternativlösungen, der Produktionsreife sowie dem Stand des Schutzrechtserteilungsverfahrens ab. Eine Pauschalvergütung hat folgende Vorteile:

     

    • Auch wenn der Arbeitnehmer dieses Angebot nicht annehmen muss, wird er es oftmals tun. Denn eine pauschale Vergütung erhält er unabhängig von der tatsächlichen Verwertung.

     

    • Beide Parteien haben frühzeitig Gewissheit über die konkrete Vergütung, aufwendige Kalkulationen erübrigen sich.

     

    • Oftmals bestehen Produkte aus vielen verschiedenen Diensterfindungen von verschiedenen Erfindern. Die konkrete Berechnung des Erfindungswerts und des Anteilsfaktors ist dann kaum möglich.

     

    • Arbeitgeber können nach Inanspruchnahme der Diensterfindung bestimmte administrative Pflichten abkaufen, die sie gegenüber ihrem Arbeitnehmer haben. Insbesondere können Arbeitgeber ihre Pflicht zur Schutzrechtsanmeldung durch Zahlung eines Pauschalbetrags umgehen. Üblicherweise verzichtet der Arbeitnehmer auf die Anmeldung eines Schutzrechts, wenn der Arbeitgeber ihm zwischen 150 Euro und 600 Euro zahlt.

     

    Wichtig | Um zu vermeiden, dass eine der Parteien nach Zahlung der Pauschale eine andere Regelung der Vergütung verlangt (§ 12 Abs. 6 ArbnErfG), sollte wechselseitig auf dieses Recht verzichtet werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber können betriebsinterne Leitlinien aufstellen, die den administrativen Ablauf von Diensterfindungen harmonisieren und Grundlagen für die Vergütung festlegen. Derartige Leitlinien dürfen nicht dazu führen, dass Rechte des Arbeitnehmers vor Erfindungsmeldung beschnitten werden (§ 22 ArbnErfG). Ebenso dürfen sie auch nicht unbillig i. S. d. § 23 ArbnErfG sein.

     

    Auswirkungen auf die Lohnversteuerung

    Im Bereich der Gehaltsabrechnung gilt Folgendes:

     

    • Lohnsteuer: Vergütungen für Diensterfindungen stellen Arbeitslohn dar und sind grundsätzlich nach den Regeln für sonstige Bezüge unter Anwendung der Jahreslohnsteuertabelle zu versteuern (§ 39b Abs. 3 EStG). Das gilt auch dann, wenn die Vergütung nach Ausscheiden aus dem Betrieb gezahlt wird (FG München, Urteil vom 21.05.2015, Az. 10 K 2195/12, Abruf-Nr. 145331). In der Regel scheidet daher die ermäßigte Besteuerung als Arbeitslohn für mehrere Jahre nach der Fünftel-Regelung aus.

     

      • In einem Ausnahmefall sah der BFH eine ermäßigt zu besteuernde Entschädigung: Jährlich zu zahlende Vergütungen wurden durch eine einmalige Abfindung abgegolten, und dies geschah aus Arbeitnehmersicht unfreiwillig, d. h. unter einem nicht unerheblichen tatsächlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Druck (BFH, Urteil vom 29.02.2012, Az. IX R 28/11, Abruf-Nr. 121747). So einen „nicht unerheblichen Druck“ kann es darstellen, wenn ein Arbeitnehmer aus Gründen der Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber und zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten auf Anraten des Patentanwalts einen Vergleich abschließt.

     

      • Ist der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausgeschieden und ins Ausland gezogen, gelten unter Umständen die Besonderheiten von Doppelbesteuerungsabkommen. Ohne Freistellungsbescheinigung des Betriebsstättenfinanzamts dürfen Arbeitgeber aber nicht vom Steuereinbehalt absehen. Arbeitgeber sollten die Lohnsteuer regulär einbehalten und den ehemaligen Arbeitnehmer auf die Möglichkeit hinweisen, einen Erstattungsantrag beim Betriebsstättenfinanzamt zu stellen.

     

    • Sozialversicherung: Einkünfte aus Arbeitnehmererfindungen stellen in der Regel beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar (§ 14 SGB IV), da die Vergütung als im „einheitlichen Beschäftigungsverhältnis“ erzielt gilt. Erfindungsvergütungen wirken sich demnach bis zum Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze auf die Beitragserhebung aus.

     

    • Wichtig | Zahlen Arbeitgeber die Vergütung erst nach dem Ende der Beschäftigung, richtet sich die beitragsrechtliche Zuordnung nach den grundsätzlichen Vorgaben für Einmalzahlungen. Demnach ist einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das nach Beendigung oder bei Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt wird, dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum des laufenden Kalenderjahres zuzuordnen, auch wenn dieser nicht mit Arbeitsentgelt belegt ist (§ 23a Abs. 2 SGB IV).

     

    FAZIT | Knackpunkt beim Thema Diensterfindung ist meistens die Bestimmung der angemessenen Vergütung, da diese im Einzelfall von einer Vielzahl an Variablen abhängt. Gerade wenn mehrere Arbeitnehmer ein komplexes Produkt erfinden, empfiehlt sich die Einholung von Rechtsrat. Die Behandlung der einmal gefundenen Vergütung in der Gehaltsabrechnung lässt sich mit Hilfe der gängigen Abrechnungsprogramme meist problemloser bewerkstelligen.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 159 | ID 44737491

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents