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  • · Fachbeitrag · Altersversorgung

    Pensionskassen in Liquidation ‒ das sind die Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

    von Dr. Claudia Veh, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München

    | Seit einiger Zeit stehen mehrere Pensionskassen unter besonderer Beobachtung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), andere befinden sich schon in Liquidation. Erfahren Sie, ob bzw. was Arbeitgeber und Arbeitnehmer veranlassen sollten, deren Pensionskasse liquidiert wird. |

    Pensionskassen unter Druck

    Pensionskassen, die in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder des klassischen Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG) geführt werden, befinden sich seit geraumer Zeit in einem sehr anspruchsvollen Marktumfeld. Vor allem die anhaltende Niedrigzinsphase und eine höhere Lebenserwartung setzen die Pensionskassen unter Druck.

     

    Der Kalkulation regulierter Pensionskassen liegt häufig ein höherer Rechnungszins zugrunde als der amtlich festgelegte Höchstrechnungszins gemäß § 2 Deckungsrückstellungsverordnung (DeckRV). Deregulierte Pensionskassen hingegen fallen zwar unter die Vorschriften der Deckungsrückstellungsverordnung. Auch sie haben aber in der Vergangenheit die Rahmenbedingungen und Risiken sowie die aktuelle Niedrigzinsphase häufig nicht ausreichend berücksichtigt. Mehrere Pensionskassen stehen daher unter besonderer Beobachtung der BaFin.

    Langfristiges Aus für zwei Pensionskassen

    Die BaFin hatte gemäß § 304 Abs. 1 Nr. 2 VAG bereits mit Bescheiden aus September bzw. Oktober 2018 der Kölner Pensionskasse VVaG und der Caritas Pensionskasse VVaG mitgeteilt, dass sie ihren Geschäftsbetrieb einstellen müssen. Beide Versorgungsträger konnten die erforderlichen Mindestkapitalanforderungen nicht mehr erfüllen. Sie waren bereits 2018 für das Neugeschäft geschlossen worden und mussten im Rahmen ihrer Sanierungsbemühungen Leistungen kürzen.

     

    Die Bescheide zur Einstellung des Geschäftsbetriebs sind mit Ablauf des 31.12.2020 bestandskräftig geworden. Die Kassen befinden sich damit in Liquidation, sie werden final abgewickelt. Was bedeutet die Liquidation nun für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die ihre betriebliche Altersversorgung (bAV) bei diesen Pensionskassen eingerichtet haben?

    Die Folgen für Arbeitgeber

    Für Arbeitgeber hat die Liquidation der beiden Pensionskassen die folgenden Auswirkungen:

     

    Kein Handlungsbedarf bei bestehenden Verträgen

    Zunächst ist zu betonen, dass bestehende Verträge planmäßig weiterlaufen. Die vereinbarten Beiträge können weiter an die Kassen geleistet werden. Im Leistungsfall werden die vereinbarten Leistungen von den Pensionskassen erbracht. Betroffene Arbeitgeber haben also keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.

     

    Anpassungen bei bestehenden Verträgen

    Allerdings dürfen die betroffenen Pensionskassen gemäß § 304 Abs. 5 VAG keine neuen Versicherungsverträge abschließen.

     

    Vertragserhöhungen sind nur noch eingeschränkt möglich. Hierzu muss der Grund der Erhöhung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag bzw. Arbeitsverhältnis stehen. Darunter fallen

    • vertraglich vereinbarte dynamische Erhöhungen und
    • gehaltsabhängige Beitragserhöhungen.

     

    Andernfalls müsste der Arbeitgeber für die Erhöhung einen anderen Versorgungsträger wählen.

     

    Versorgung neu eintretender Arbeitnehmer neu regeln

    Fest steht, dass für neu in das Unternehmen eintretende bzw. neu in die Versorgung aufzunehmende Arbeitnehmer ein neuer Versorgungsträger gewählt werden muss. Zu beachten ist, dass die Tarife des neuen Versorgungsträgers nicht in allen Details identisch sein werden mit denen der bisherigen Pensionskasse. Dies muss im Hinblick auf eine bestehende Versorgungsordnung beachtet werden. Es bietet sich an, die bestehende Versorgungsordnung offiziell für Neueintritte zu schließen und für diese dann einen neuen Plan mit einem neuen Versorgungsträger einzuführen.

     

    Wechsel des Versorgungsträgers auch für aktive Arbeitnehmer?

    Der Arbeitgeber kann aufgrund der Tatsache, dass er für neu eingestellte Arbeitnehmer einen anderen Weg für die bAV beschreiten muss, den Wunsch haben, auch die bestehenden Versorgungen auf einen anderen Versorgungsträger zu übertragen. Dass dies für aktive Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen lohnsteuerfrei möglich ist, regelt der § 3 Nr. 55 Buchst. c S. 2 a) EStG.

     

    Die Übertragung führt gemäß BMF-Schreiben vom 06.12.2017 (Az. IV C 5 ‒ S 2333/17/10002, Abruf-Nr. 198275, Rz. 63) zu keiner Novation (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Vorausgesetzt, es ändern sich im Zusammenhang mit der Übertragung nicht die vertraglichen Hauptpflichten (insbesondere die Versicherungslaufzeit, die Versicherungssumme, der Versicherungsbeitrag, die Beitragszahlungsdauer oder die abgesicherten biometrischen Risiken). Das wird in der Praxis eine Herausforderung sein. Sofern bei einer in der Anwartschaft nach § 40b EStG pauschal besteuerten Pensionskassenversorgung die Leistungsform Rente gewählt wird, ist dies ohne Relevanz. Kommt allerdings eine Kapitalleistung zur Auszahlung, kann die Novation zu steuerlichen Nachteilen für den Versorgungsberechtigten führen (komplette Besteuerung der Erträge, vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der aktuellen Fassung).

     

    Wichtig | Ein solches Vorhaben müsste genau mit dem abgebenden und dem aufnehmenden Versorgungsträger abgestimmt werden. Es spielt ‒ wohl auch aufgrund der skizzierten steuerlichen sowie arbeitsrechtlichen Hürden ‒ generell derzeit am Markt (noch) keine nennenswerte Rolle.

     

    Einfacher dürfte es sein, den aktiven Mitarbeitern mit einer laufenden Versorgung anzubieten, künftige Beiträge ebenfalls in den „neuen“ Versorgungsträger einzuzahlen. Die Verträge in der Kölner Pensionskasse bzw. der Caritas Pensionskasse würden in diesem Fall beitragsfrei gestellt werden. Ein solches Unterfangen müsste ebenfalls in der Versorgungsordnung bzw. in den Versorgungszusagen abgebildet werden.

     

    Da eine vorzeitige Beitragsfreistellung von Verträgen jedoch für die Arbeitnehmer in der Regel nachteilig ist, vor allem wenn sie einen attraktiveren Rechnungszins haben als er bei heutigen Neuabschlüssen zugrunde gelegt wird, erscheint folgender Weg grundsätzlich als geeigneter:

     

    • Bislang über die jeweilige Pensionskasse versorgte Mitarbeiter verbleiben mit den bestehenden Verträgen in der jeweiligen Pensionskasse, die dortigen Verträge laufen planmäßig weiter.
    • Für sämtliche neu eintretenden Mitarbeiter wird ein anderer Versorgungsträger gewählt.

     

    Wechsel des Durchführungswegs

    Ein Wechsel des Durchführungswegs wird in der Praxis in der Regel allein aus steuerlichen und bilanztechnischen Gründen ausscheiden. So käme es z. B. beim Ziel-Durchführungsweg Direktzusage zu Pensionsrückstellungen, was in der Regel unerwünscht ist.

     

    Und der Wechsel zur Unterstützungskasse scheitert regelmäßig an dem Erfordernis der laufenden und mindestens gleichbleibenden Beiträge für Aktive, was einen Einmalbeitrag in Höhe des Rückkaufswerts der Pensionskasse ausscheiden lässt.

     

    Finanzierungsrisiken

    Sofern es zu Leistungskürzungen bei bestehenden Pensionskassenverträgen kommt, ist der Arbeitgeber aus seiner Subsidiärhaftung des § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG heraus verpflichtet, die Kürzungen aus eigenen Mitteln zu schließen. Die Liquidation der beiden Pensionskassen führt jedoch nicht zu zusätzlichen Finanzierungsrisiken für den Arbeitgeber.

     

    Handelsbilanzielle Konsequenzen

    Aus der Liquidation der Kassen heraus ergeben sich grundsätzlich keine bilanziellen Konsequenzen. Es gelten die „normalen“ Rechnungslegungsstandards für mittelbare Versorgungsverpflichtungen:

     

    • Sollten sich Unterdeckungen ergeben (haben), d. h. dass das dem Arbeitgeber zuzurechnende Vermögen der Kasse nicht mehr für die Erfüllung der zugesagten Leistungen ausreicht, haben die Arbeitgeber im Anhang zur Handelsbilanz eine Unterdeckung auszuweisen.

     

    • Werden sie dann tatsächlich aus ihrer Subsidiärhaftung des § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG in Anspruch genommen und müssen die Lücken schließen, ist die Zahlungsverpflichtung direkt in der Bilanz zu zeigen (vgl. IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung: Handelsbilanzielle Bilanzierung von Altersversorgungsverpflichtungen; IDW RS HFA30 n.F., Rz. 37).

     

    Wichtig | Die beiden Pensionskassen sind ab dem Jahr 2021 mit in die Beitragspflicht für die gesetzliche Insolvenzsicherung über den Pensions-Sicherungs-Verein einbezogen. Damit ergeben sich für den Arbeitgeber zusätzliche Kosten.

    Folgen für Arbeitnehmer

    Arbeitnehmer, die in einer der betroffenen Pensionskassen versorgt sind, erleiden aus deren Liquidisierung grundsätzlich keine Nachteile.

     

    • Die Verträge laufen weiter, d. h. die Verträge werden weiter mit den vereinbarten Beiträgen bespart. Beitragsanpassungen und Vertragsverlängerungen sind im Rahmen des oben Skizzierten und damit de facto in den in der Praxis relevanten Fällen möglich.

     

    • Auch können beitragsfrei gestellte Verträge wieder in Kraft gesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer z. B. seinen vor einigen Monaten aufgrund Elternzeit oder längerer Krankheit beitragsfrei gestellten ‒ über Entgeltumwandlung finanzierten ‒ Vertrag nach Rückkehr ins aktive Arbeitsleben wieder mit den vereinbarten Beiträgen bedienen will. Das gilt auch bei einer befristeten Beitragsfreistellung von bis zu drei Jahren aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten bei vorheriger Vereinbarung zwischen der Kasse und dem Versicherten.

     

    • Natürlich werden auch laufende Renten weiter ausgezahlt. Die Subsidiärhaftung des Arbeitgebers schützt die Arbeitnehmer vor etwaigen Leistungskürzungen.

     

    Wichtig | Einschränkungen ergeben sich, wenn der Arbeitnehmer seine bisherige Entgeltumwandlung, ohne vorherige arbeitsvertragliche Vereinbarung, aufstocken oder überhaupt erstmalig mit Entgeltumwandlung beginnen will. Dann muss ein anderer Versorgungsträger gewählt werden.

     

    FAZIT | Grundsätzlich ergibt sich für bestehende Verträge in der Kölner und Caritas Pensionskasse kein Handlungsbedarf. Das betrifft Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die vereinbarten Beiträge können weiter eingezahlt werden. Laufende Leistungen werden von den Pensionskassen ausgezahlt. Damit wird es noch Jahrzehnte dauern, bis die Pensionskassen final abgewickelt sind. Das ist nämlich erst der Fall, wenn die Leistungen für die jetzt jungen ‒ über die Kassen versorgten ‒ Arbeitnehmer erfüllt sind. Für Neueintritte oder komplette Neuabschlüsse muss der Arbeitgeber allerdings einen anderen Versorgungsträger oder einen anderen Durchführungsweg der bAV wählen.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 78 | ID 47122257

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