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Anforderungen an die Erkennbarkeit des Sachverhalts für den Betroffenen
| Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft bekanntlich die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 170 Abs. 5 S. 1 AO). Das FG Münster (23.1.25, 12 K 19/14 E; Rev. BFH X R 8/25, Einspruchsmuster ) hat in diesem Zusammenhang zu den Anforderungen an die Erkennbarkeit der Ermittlungsmaßnahmen für den betroffenen Steuerpflichtigen Stellung genommen. |
Danach erfordert der Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 S. 1 AO, dass für den Betroffenen erkennbar ist, auf welchen Sachverhaltskomplex sich die Ermittlungen der Steuerfahndung beziehen. Zumindest in groben Zügen müsse der objektive Umfang des Hemmungstatbestands auch in tatsächlicher Hinsicht erkennbar werden bzw. der Sachverhalt, im Sinne eines Ausschnitts aus der Lebenswirklichkeit, beim Steuerpflichtigen bekannt sein. Die Voraussetzungen einer rechtzeitigen Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 S. 1 AO waren im Streitfall nicht gegeben, da nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin überhaupt erkennen konnte, in welchen Angelegenheiten gegen sie ermittelt wurde.
PRAXISTIPP | Die streitentscheidende Rechtsfrage ‒ rechtlichen Anforderungen an die erforderliche Erkennbarkeit im Rahmen von § 171 Abs. 5 S. 1 AO ‒ ist für eine Vielzahl von Anwendungsfällen von Bedeutung und bedarf der abschließenden höchstrichterlichen Klärung, die im anhängigen Revisionsverfahren zu erwarten ist. Insbesondere für die Abwehrberatung in Steuerfahndungsfällen dürfte der Ausgang des Revisionsverfahrens von größtem Interesse sein. Bis dahin sollte sich die steuerliche Beratung in vergleichbaren Fällen auf das Besprechungsurteil berufen und die fehlende Erkennbarkeit der steuerstrafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen bzw. dessen Umfangs anführen. Im Konfliktfall bleiben dann nur der Einspruch und die Hoffnung auf eine günstige BFH-Rechtsprechung. |