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  • · Nachricht · Rückforderung von Kindergeld

    Uneingeschränkter Erlassanspruch wegen sachlicher Unbilligkeit in den Fällen der Anrechnung von Kindergeld auf SGB II-Leistungen

    | Haben Eltern für ihr Kind zu Unrecht Kindergeld bezogen und erlangt die Familienkasse später Kenntnis hiervon, kommt es zur rückwirkenden Aufhebung der Festsetzung und Rückforderung des Kindergeldes. Dadurch kann es in Fällen der Anrechnung von Kindergeld auf SGB-II Leistungen zu einer Doppelbelastung kommen, denn nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung scheidet eine nachträgliche Erhöhung der Sozialleistungen regelmäßig aus (vgl. BSG 18.2.10, B 14 AS 86/08 R ; LSG Nordrhein-Westfalen 5.12.13, L 6 AS 926/13 B). Das FG Thüringen hat aktuell entschieden, dass den Betroffenen ein uneingeschränkter Erlass der Rückforderung aus sachlichen Billigkeitsgründen zu gewähren ist, und zwar unabhängig von einer etwaigen Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 68 EStG (FG Thüringen 27.3.18, 2 K 507/17; Rev. BFH III R 28/18, Einspruchsmuster ). |

     

    Bislang wird ein Erlass von den Finanzgerichten, der Literatur und der Verwaltung dann verneint, wenn die Überzahlung des Kindergeldes auf das Verhalten des Berechtigten durch Verletzung der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 EStG zurückzuführen ist (vgl. FG Düsseldorf 7.4.16, 16 K 377/16 AO; 24.2.11, 16 K 2050/09 Kg, EFG 11, 1489; 6.3.14, 16 K 3046/13 AO, EFG 14, 977; FG Bremen 28.8.14, 3 K 9/14 [1], EFG 14, 1944; Dienstanweisung Kindergeld V 25.2 Abs. 2 S. 3). Dies wird u. a. mit der Erwägung begründet, dass ansonsten Empfänger von Leistungen nach dem SGB II ihren Mitwirkungspflichten gegenüber der Familienkasse nicht nachkommen und ein Anreiz für vom Gesetzgeber nicht gewollte Verhaltensweisen bestünde. Demgegenüber bejaht das FG Thüringen ‒ wie bereits das FG Sachsen (7.11.17, 3 K 69/17; Rev. BFH III R 31/17) ‒ unter Hinweis auf das ansonsten verletzte Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG in den Anrechnungsfällen einen uneingeschränkten Erlassanspruch aus sachlicher Billigkeit. Ob der Kindergeldberechtigte die Umstände, die zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung geführt haben, rechtzeitig angezeigt habe, sei für die Erlassentscheidung unerheblich. Denn ansonsten erspare sich der Staat durch die Rückforderung jegliche Leistung, trotz der im Rückforderungszeitraum erwiesenen Bedürftigkeit des betroffenen Kindes.

     

    PRAXISTIPP | Man darf gespannt sein, wie sich BFH in dieser für viele Betroffene bedeutenden Rechtsfrage positioniert. Bisher hat der BFH regelmäßig, allerdings außerhalb der tragenden Urteilsgründe, einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen erwogen (etwa BFH 22.9.11, III R 78/08, BFH/NV 12, 204; BFH 27.12.11, III B 35/11, BFH/NV 12, 696). Ob ein uneingeschränkter Erlassanspruch wegen sachlicher Unbilligkeit besteht, hat er jedoch immer offen gelassen. Bis zur höchstrichterlichen Klärung sollten weiterhin in vergleichbaren Fällen Erlassanträge gestellt und bei zu erwartender Ablehnung die Bescheide bis zur höchstrichterlichen Klärung offen gehalten werden.

     
    Quelle: ID 45601629