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  • · Nachricht · Abgabenordnung

    Einwendungsausschluss bei Haftung des Geschäftsführers einer GmbH

    | Das FG Berlin-Brandenburg (27.2.25, 9 K 9146/21; Rev. BFH VII R 7/25, Einspruchsmuster ) hat entschieden, dass die widerspruchslose Eintragung einer Steuerforderung in die Insolvenztabelle auch für den Geschäftsführer einer insolventen GmbH als bindende, unanfechtbare Steuerfestsetzung i. S. v. § 166 AO gilt. |

     

    Wird eine für eine Lieferung geleistete Vorauszahlung später nicht durch eine tatsächliche Leistung erfüllt, besteht danach eine Pflicht zur Berichtigung des bereits vorgenommenen Vorsteuerabzugs; eine konkludente Aufrechnung von Alt- und Neuforderungen genügt als Rückgewähr der Anzahlung.

     

    Ein Geschäftsführer handelt nach Überzeugung des FG grob fahrlässig i. S. v. § 69 AO, wenn er trotz Kenntnis einer erforderlichen Vorsteuerberichtigung weder berichtigt noch das FA informiert, obwohl ihm die umsatzsteuerlichen Konsequenzen bewusst sind oder hätten bewusst sein müssen.

     

    PRAXISTIPP | Nach der Rechtsprechung des BFH, die der EuGH bestätigt hat (EuGH 31.5.18, Rs. C-660/16 und C-661/16 Kollroß und Wirtl, HFR 18, 588), setzt die Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 S. 2 UStG eine Rückzahlung voraus (BFH 17.7.19, V R 9/19 (V R 29/15), HFR 20, 72). Dies ist dann auch im Rahmen der Steuer- und Vorsteuerberichtigung bei Anzahlungen nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1 und 2 UStG zu beachten. Danach ist auch der Vorsteuerabzug des anzahlenden Unternehmers erst zu berichtigen, wenn er die Rückzahlung der Anzahlung erhalten hat. In einem solchen Fall kann das FA grundsätzlich verlangen, dass der Steuerpflichtige die abgezogene Mehrwertsteuer berichtigt. Ausnahmsweise kann aber eine Berichtigung der Vorsteuer dann nicht verlangt werden, wenn dieser anschließend die Erstattung der auf die Anzahlung entrichteten Steuer direkt von der Steuerbehörde einfordern könnte, weil die Rückerstattung der an den (vermeintlichen) Lieferer geleisteten Anzahlung angesichts dessen Zahlungsunfähigkeit unverhältnismäßig schwierig oder sogar unmöglich ist (BFH 5.12.18, XI R 44/14, HFR 19, 414). Wird bei einer nicht ausgeführten Leistung eine dieser zuzurechnende Voraus- oder Anzahlung nur z. T. zurückgezahlt, sind Steuer und Vorsteuer anteilig zu berichtigen.

     

    Soweit § 166 AO eingreift, soll das Haftungsverfahren von Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreit werden; die Vorschrift soll in dem in von § 166 AO erfassten Umfang verhindern, dass im Haftungsverfahren das Besteuerungsverfahren nochmals aufgerollt und dadurch das Haftungsverfahren unnötig verzögert wird, wenn der Haftungsschuldner als Vertreter des Steuerpflichtigen bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits erfolglos angefochten hat. Im Bereich des Steuerrechts wirkt die widerspruchslose Eintragung in die Insolvenztabelle wie die bestandskräftige Festsetzung der Forderung (vgl. BFH 16.4.13, VII R 44/12, BStBl. II 13, 778). So kann der Haftungsschuldner (z. B. der Geschäftsführer einer GmbH) nicht mehr vorbringen, die Steuer, für die er haftet (z. B. die Umsatzsteuer der GmbH), sei (nach Nichtabgabe der Erklärung) im Schätzungswege unrichtig festgesetzt worden (BFH 27.9.17, XI R 9/16, BStBl. II 18, 515). Die Abwehrberatung sollte beachten, dass durch § 166 AO insbesondere die Einwendungen nicht erfasst werden, die nicht an die Besteuerungsgrundlagen im bestandskräftig gewordenen Steuerbescheid anknüpfen. Dies sind eigenständige Einwendungen gegen die haftungsrechtlichen Voraussetzungen (zu weiteren Einzelheiten s. Anmerk. Büchter-Hole, EFG 25, 1206, 1215).

     

    Es ist ‒ soweit ersichtlich ‒ höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt, ob § 166 AO im Haftungsverfahren auch Einwendungen des Haftungsschuldners gegen das Vorliegen einer Pflichtverletzung ausschließt, wenn und soweit die gegenüber der juristischen Person unanfechtbar festgesetzte Steuer i. S. d. § 166 AO materiell-rechtlich auf der Annahme einer entsprechenden Pflicht beruht. Darüber hinaus wird der BFH zu klären haben, ob die Pflicht zur Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG i. V. m. § 17 Abs. 1 S. 2 UStG neben der Rückgewähr des Entgelts i. S. d. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG auch die Rückgewähr der im Voraus gezahlten Umsatzsteuer verlangt.

     

    Im Hinblick auf die ungeklärten Rechtsfragen sollten betroffene Haftungsbescheide unbedingt bis zur Entscheidung im Revisionsverfahren offengehalten werden.

    Quelle: ID 50611675