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· Kabinettsbeschluss / Corona-Krise

Insolvenz-Verschonung bis 31.12.2020 nur bei Überschuldung ‒ sind Ihre Forderungen sicher?

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| Die Pflicht für Unternehmen, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen, ist aufgrund der Corona-Krise bereits im März ausgesetzt worden. Die Regelung gilt zunächst bis zum 30.09.2020, doch das Kabinett hat eine Verlängerung beschlossen. Allerdings dauert diese Verlängerung demnach nicht ‒ wie zunächst angedacht - bis zum 31.03.2021, sondern nur bis zum 31.12.2020. Zudem soll die Erleichterung für Unternehmen im Zeitraum Oktober bis Dezember 2020 nur noch für Fälle gelten, bei denen es sich um Überschuldung handelt. Das bedeutet, dass möglicherweise mehr Firmen ausscheiden werden. Behalten Sie Ihre Forderungen im Auge. |

Keine Pflicht zur Insolvenzanmeldung bei Überschuldung

Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, soll nach dem Willen der Bundesregierung bis zum Jahresende ausgesetzt bleiben, sofern ein Unternehmen als Folge der Corona-Krise überschuldet ist. Die Unternehmen müssen demnach wegen der Coronavirus-Pandemie überschuldet sein, ohne zahlungsunfähig zu sein. Anders als bei zahlungsunfähigen Unternehmen bestehe bei überschuldeten Unternehmen die Chance, die Insolvenz dauerhaft abzuwenden, so die Begründung. Unternehmen, die zahlungsunfähig sind, könnten hingegen fällige Verbindlichkeiten bereits nicht mehr bezahlen.

Verlängerung „nur“ bis Ende 2020

Im Rahmen der Diskussion zu dieser Verlängerung hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zunächst eine Verlängerung bis zum 31.03.2021 vorgeschlagen, ist mit dieser Forderung aber offenbar an der Unionsfraktion gescheitert. CDU und CSU hatten von Beginn an nur eine Verlängerung bis zum Jahresende befürwortet. Der Formulierungsvorschlag der Bundesregierung für die Verlängerung der Sonderregelungen zum Insolvenzrecht ist online hier zu finden.

 

Durch die Verlängerung „nur“ bis zum 31.12.2020 und die Beschränkung auf die Fälle der Überschuldung könnte es also ab Oktober sowie insbesondere ab dem kommenden Jahr zu mehr Insolvenzanträgen kommen. Diese Einschätzung teilt auch Frank Liebold, der das deutsche Kreditversicherungsgeschäft von Altradius verantwortet, in einem Interview. Er erklärte mit Blick auf den Herbst 2020: „Sicher ist, dass die Insolvenzzahlen all das übertreffen werden, was wir aus der Vergangenheit kennen.“ Zwischen einer Welle und einem Tsunami sei alles möglich, so der Fachmann. Das kann für Geschäftspartner und Lieferanten Zahlungsausfälle bedeuten. Auch bereits erhaltene Zahlungen von Kunden vor deren Insolvenz sind nicht in jedem Fall sicher.

 

 

Risiko einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter

Bei der Insolvenz eines Kunden droht den Geschäftspartnern ein kompletter Forderungsausfall, was sich insbesondere bei Großkunden nachhaltig auswirken kann. Ein erhebliches Risiko ist in diesem Zusammenhang eine Anfechtung durch den Insolvenzverwalter.

 

  • Beispiel: Anfechtung durch den Insolvenzverwalter

Ihr Kunde meldet Insolvenz an. Unter bestimmten Umständen kann der Insolvenzverwalter Zahlungen anfechten, die der Kunde bereits an Sie geleistet hat. Der Insolvenzverwalter fordert diese Zahlungen zurück, um Sie in die Insolvenzmasse einfließen zu lassen. Die Chance, dass der Insolvenzverwalter bei diesem Ansinnen erfolgreich ist, steigt, wenn er nachweisen kann, dass Sie bereits vor der Insolvenz Ihres Kunden von dessen Zahlungsschwierigkeiten wussten.

 

Die maßgeblichen Regelungen aus der Insolvenzordnung wurden im Jahr 2017 reformiert. Dabei wurden unter anderem Fristen, innerhalb derer Zahlungen des Schuldners an den Gläubiger vom Insolvenzverwalter angefochten werden können, teilweise verkürzt. Grundsätzlich besteht die Gefahr einer Anfechtung weiter. Folgende Aspekte, die Sie kennen und im Blick haben sollten, spielen eine Rolle.

 

  • Im Fokus steht immer die Überlegung, ob ein Gläubiger über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldner Kenntnis hatte. Vor diesem Hintergrund sollten alle Verabredungen in „kritischen Fällen“ beleuchtet werden.

 

  • Vereinbarungen über Zahlungserleichterungen oder Ratenzahlungen sind Hinweise auf mögliche Zahlungsprobleme des Kunden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollten Sie als Gläubiger ‒ auch bei der Formulierung derartiger Vereinbarungen ‒ Vorsicht walten lassen und sich ggf. beraten lassen.

 

  • Bestätigt ein Dritter, dass keine Zahlungsunfähigkeit für einen Schuldner oder Geschäftspartner vorliegt oder droht, so besteht die Möglichkeit, dass der Gläubiger sich im Fall einer Insolvenzanfechtung darauf beruft. Das kann zur Absicherung der Zahlungen beitragen

 

  • Barzahlungen sind grundsätzlich nicht anfechtbar, es sei denn, der Schuldner handelt unlauter, z. B. er „verschleudert“ in Anbetracht drohender Zahlungsschwierigkeiten verfügbare Mittel z. B. für Luxusgüter.

 

  • Im Falle einer Zwangsvollstreckung sind Zahlungen außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums vor dem Insolvenzantrag nicht anfechtbar, innerhalb Drei-Monats-Zeitraums hingegen schon.

 

FAZIT | Für den Fall, dass es in Ihrem Kundenkreis zu Insolvenzen kommen sollte, sollten Sie das Risiko von Anfechtungen durch den Insolvenzverwalter frühzeitig auf Ihren Radarschirm nehmen. Möglicherweise ist es sinnvoll, bereits bei ersten Anzeichen von Zahlungsschwierigkeiten Maßnahmen zu ergreifen. Neben einer möglichen Rechtsberatung bieten zahlreiche Dienstleister auch spezielle Anfechtungsversicherungen an.

 

(BK mit VE)

Quelle: ID 46845090