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· Schichtarbeit zu Nachtzeiten

EuGH verschärft Schutz für Schwangere, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen

| Wenn Sie schwangere Mitarbeiterinnen, Wöchnerinnen und stillende Frauen auch nur teilweise nachts beschäftigen, so fallen diese Arbeitnehmerinnen bereits unter den besonderen Schutz für Nachtarbeiter, den Sie beachten müssen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bei der Urteilsfindung neben dem Gesundheitsschutz auch den Schutz gegen Diskriminierung herangezogen ( EuGH-Urteil vom 19.09.2018, Az. C-41/17 ) |

Die maßgeblichen Richtlinien

Zu dem Urteil zieht der EuGH zwei Richtlinien heran, die Sie sich am Besten gleich ausdrucken sollten. Denn neben dem konkreten Fall haben diese Richtlinien grundsätzlich wichtigen Charakter für den Mutterschutz:

 

  • 1. Richtlinie 92/85/EWG (9 Seiten ‒ unbedingt herunterladen!) befasst sich mit der Sicherheit und den Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen. Darin ist sehr detailliert beschrieben, dass die betroffenen Mitarbeiterinnen während ihrer Schwangerschaft und auch nach der Entbindung nicht zu Nachtarbeit verpflichtet werden dürfen. Allerdings ist dann immer auch ein ärztliches Attest erforderlich, das die entsprechende Notwendigkeit im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz bestätigt.
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  • 2. Richtlinie 2006/54/EG (14 Seiten) ist noch etwas umfangreicher. Darin geht es um den Grundsatz der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Berufsalltag. Wichtigste Botschaft des EuGH dazu: Wenn Sie bereits gegen die Richtlinie (siehe Punkt 1) verstoßen, kann Ihnen die Arbeitnehmerin deswegen eine Diskriminierung nach dieser Gleichbehandlungs-Richtlinie unterstellen.

 

PRAXISTIPP | Ein Verstoß gegen die Richtlinie 92/85 kann dazu führen, dass auch Richtlinie 2006/54 greift. Dann haben Sie doppelt schlechte Karten. Denn mit der zweiten Richtlinie geht eine Beweislastumkehr einher. Das heißt: Sie müssen dann im Falle eines Rechtsstreits beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat ‒ und damit auch Richtlinie 92/85 erfüllt ist. Kümmern Sie sich deshalb zunächst um die Erfüllung aller Mutterschutz-Erfordernisse ‒ und damit auch um die Richtlinie 92/85!

 

Die aktuellen Regelungen zum Mutterschutz finden im Beitrag Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts Stichtag 01.01.2018: Das Mutterschutzgesetz ändert sich erneut

Der Fall in Kürze

Eine schwangere Sicherheitsbedienstete war in Wechselschichten (teilweise nachts) in einem Einkaufszentrum (Spanien) beschäftigt. Sie wollte erreichen, dass ihr Arbeitsverhältnis ruht und ihr das nach spanischem Recht beanspruchbare Geld zufließt (wegen Risiken während der Stillzeit). Der Antrag wurde abgelehnt. Es folgte Widerspruch und erneute Zurückweisung. Fraglich war nun vor dem Gericht, ob die Richtlinie 92/85 bereits bei teilweiser Nachtarbeit greift. Der EuGH sagt: Ja. Das Gericht geht noch weiter und sagt: Weil offenbar keine Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes erfolgt ist, kann die Arbeitnehmerin Beweislastumkehr wegen Diskriminierung einfordern (Richtlinie 2006/54) ‒ weswegen der Arbeitgeber dann die Beweise für sein rechtskonformes Verhalten vorbringen muss.

 

Hinweis | Die Entscheidung des EuGH bindet andere nationale Gerichte, sich in ähnlichen Fällen nach diesem Urteil zu richten.

 

Weiterführende Links

  • CE-Download: Richtlinie 92/85: Sicherheit und Gesundheitsschutz von Schwangeren, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen → Abruf-Nr. 45603567
  • CE-Download: Richtlinie 2006/54: Chancengleichheit und Gleichbehandlung für Frauen → Abruf-Nr. 45603565
  • CE-Download: Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts → Abruf-Nr. 194173

(JT)

Quelle: ID 45602885