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  • · Fachbeitrag · Weiterbildungsrecht

    Neue Urteile zum Weiterbildungsrecht

    von Rechtsanwalt Stephan Peters, Kanzlei am Ärztehaus, Münster, www. kanzlei-am-aerztehaus.de 

    | Eine nichtärztliche Nebentätigkeit ist mit der Weiterbildungsbefugnis vereinbar, entschied der Verwaltungsgerichtshof ( VGH) Baden-Württemberg mit Urteil vom 24. Juni 2014 (Az. 9 K 1348/13 Abruf-Nr. 142844 ). Die Frage, wann ein Bewerber zur Facharztprüfung zugelassen werden muss, haben die Verwaltungsgerichte Bremen ( Urteil vom 26. Juni 2014, Az. 5 K 649/10, Abruf-Nr. 142845 ) und Hannover ( Urteil vom 26. März 2014, Az. 5 A 824/13, Abruf-Nr. 142846 ) geprüft: Eine Zulassung zur Prüfung kann verweigert werden, wenn die Mindestzahl von OP-Leistungen unterschritten und eine unvollständige Weiterbildungszeit nachgewiesen wurde. |

    Der Fall des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

    Der VGH Baden-Württemberg hatte zu prüfen, ob einer Ärztin die Weiterbildungserlaubnis wegen Aufnahme einer geschäftsführenden Tätigkeit in einer gemeinnützigen GmbH entzogen werden durfte, weil sie fortan nicht mehr zu 100 Prozent an der Weiterbildungsstätte ärztlich tätig war. Die Ärztin hatte vorgetragen, dass ihre Geschäftsführungstätigkeit in die ärztliche Tätigkeit übergehe, sie insoweit parallel Vertretungen übernehme, Supervisionen führe und monatlich zur Diskussion schwieriger Fälle zur Verfügung stehe. Nach Bewertung der Ärztekammer lag damit der Umfang der ärztlichen Tätigkeit aber unter 25 Prozent, sodass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis nicht (mehr) gegeben seien.

     

    Dies sah der VGH anders und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz. Eine ganztätige Anwesenheit der weiterbildungsbefugten Ärztin sei nicht zu verlangen. Es genüge, wenn die Weiterbildung unter verantwortlicher Leitung der Ärztin durchgeführt werde. Sachliche Gründe, aus denen sich eine hundertprozentige Anwesenheitspflicht der Ärztin ergeben könnte, die einer nichtärztlichen Tätigkeit entgegenstünden, seien auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit nicht ersichtlich.

    Der Fall des Verwaltungsgerichts Bremen

    Das Gericht hatte sich hier mit der Frage zu befassen, ob die Nichtzulassung einer Ärztin zur Facharztprüfung wegen unzureichender Anzahl selbstständig durchgeführter OPs rechtmäßig war. Aus den von der Kammer angeforderten Operationskatalogen ergab sich, dass die Ärztin bei 982 Operationen als Assistentin eingeteilt war, jedoch nur 189 als Operateurin selbstständig durchgeführt hatte. Da damit die nach der anzuwendenden Richtlinie als Mindestvorgabe zu interpretierende Eingriffszahl (insgesamt 265) nicht erreicht sei, komme eine Zulassung zur Facharztprüfung nicht in Betracht. Dieser Bewertung schloss sich das Gericht an. Ein bloßes Mitwirken genüge nur in den ausdrücklich aus den Richtlinien hervorgehenden Ausnahmefällen.

    Der Fall des Verwaltungsgerichts Hannover

    Nicht mit den inhaltlichen, sondern mit den zeitlichen Vorgaben der Richtlinien zur Weiterbildungsordnung (WBO) hatte sich das VG Hannover zu befassen. Das Gericht erachtete die Erfüllung der in der WBO hinterlegten Mindestzeiten im Ergebnis für zwingend.

     

    Die Klägerin wurde seitens der Ärztekammern Niedersachsen nicht zur Facharztprüfung zugelassen, da sie die letzten 6,5 Monate des als Weiterbildungszeit benannten Zeitraums in einem Pharmaunternehmen in Bayern absolviert hatte. Damit seien, so die Kammer, entgegen der Bewertung des Ausbilders der Ärztin die Voraussetzungen zur Prüfungszulassung nicht erfüllt, da die Tätigkeit in Bayern nicht anerkennungsfähig sei.

     

    Diese Bewertung teilte das VG Hannover. Der Weiterbilder sei zur Ausbildung in Bayern nicht ermächtigt und das Pharmaunternehmen keine Weiterbildungsstätte. Zudem sei keine Verbundweiterbildung etabliert worden. Einflussmöglichkeiten des Ausbilders hätten ebenfalls nicht bestanden.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Entscheidungen verdeutlichen, dass die Ärztekammern die Vorgaben der jeweiligen WBO intensiv prüfen. Im Fokus stehen dabei längst nicht mehr nur die weiterzubildenden Ärzte, sondern auch die weiterbildungsbefugten Ärzte, wie etwa die Entscheidung des VGH verdeutlicht.

     

    Die dargestellten Sachverhalte belegen zudem, dass die von einigen Ärztekammern praktizierte starre Anwendung der durch die Richtlinien konkretisierten Vorgaben der WBO mit den tatsächlichen Verhältnissen in Weiterbildungsstätten immer häufiger in Konflikt tritt. Dies gilt in besonderem Maß, wenn die Weiterbildung in unterschiedlichen Kammerbezirken absolviert wird. Beispielhaft kann auf die Vorgabe von „Richt-“ oder „Anhaltszahlen“ verwiesen werden, wie es in den Weiterbildungsordnungen bzw. den jeweiligen Konkretisierungen für die einzelnen Weiterbildungen heißt.

     

    Die unterschiedliche Verwaltungspraxis der einzelnen Ärztekammern führen bei den Ärzten in Weiterbildung sowie den weiterbildungsbefugten Ärzten zur Ungewissheit, ob die Zahlen als Mindestvorgaben zu verstehen sind oder nur der Orientierung dienen sollen. Immer wieder wird insoweit berichtet, dass „vorsorglich“ Leistungen bescheinigt bzw. wohlwollende Zeugnisformulierungen benutzt werden, um die Prüfungszulassung nicht zu gefährden. Ein solches Vorgehen ist weder tatsächlich noch rechtlich erstrebenswert.

     

    FAZIT | Eine weniger starre Handhabung der Vorgaben seitens der Ärztekammern könnte einen faktisch bestehenden Graubereich bei der Erstellung von Weiterbildungszeugnissen beseitigen und somit einen Beitrag zur Qualitätssicherung der Facharztweiterbildung leisten. Die Prüfungsgremien hätten im Rahmen des Prüfungsgesprächs Gelegenheit, praktische Defizite durch gezielte Fragen verstärkt zu kontrollieren. Vor allem sollte eine einheitlichere Handhabung der Weiterbildungsvorgaben im Rahmen der anstehenden Novellierung erarbeitet werden, um die regionalen Verwaltungspraxen zu vereinheitlichen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 11 | ID 43019198