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  • · Fachbeitrag · Versicherungsrecht

    Kostenexplosion bei der Haftpflichtversicherung: Welche Auswirkungen hat dies auf den Chefarzt?

    von RA, FA für ArbR und StR Norbert H. Müller und RA, FA für MedR und ArbR Marc Rumpenhorst, Kanzlei Klostermann pp., Bochum, klostermann-rae.de 

    | Die Zunahme von Behandlungsfällen in Kliniken führt zu einer Häufung von Schadensfällen. Die Folge: Rasant steigende Ausgaben für die Arzt-Haftpflichtversicherung. Dabei schlagen vor allem die zwar wenigen, jedoch sehr hohen Großschadensfälle zu Buche - und lassen die Prämien steigen. Auf welche vertraglichen Absprachen sollte der Chefarzt jetzt achten, um nicht in unwägbare Haftungsfallen zu tappen? |

    Keine Versicherungspflicht des Krankenhauses

    Während jeder Arzt verpflichtet ist, „sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu versichern“ (§ 21 Muster-Berufsordnung für Ärzte, MBO-Ä), besteht für Klinikträger keine solche Versicherungspflicht. Weder Landesgesetze noch das Patientenrechtegesetz verpflichten die Träger, sich selbst, angestellte Ärzte sowie nicht-ärztliche Mitarbeiter gegen Schadenersatzansprüche von Patienten zu versichern.

     

    Nach Tarifverträgen wie dem TV-Ärzte/VKA hat der Krankenhausträger seine Ärzte von Schadenersatzansprüchen Dritter lediglich freizustellen - es besteht hingegen keine Verpflichtung, eine Versicherung abzuschließen.

     

    PRAXISHINWEIS |  In den Tarifverträgen gilt der Freistellungsanspruch nicht bei vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführten Schäden. Somit muss der (Chef-)Arzt in diesen Fällen selbst haften.

     

    Haftung des Chefarztes

    Der Chefarzt ist verantwortlich für sein Tun und haftet gegenüber seinen Patienten für etwaige Fehler. Neben dieser sogenannten deliktischen Haftung für „schuldhaftes“ Handeln haftet der Chefarzt als Wahlarzt gegenüber solchen Patienten, die seine wahlärztlichen Leistungen in Anspruch genommen haben. Diese Haftung folgt aus der Wahlarztvereinbarung bzw. dem hierdurch zustande kommenden Arzt-Zusatzvertrag.

     

    Im Rahmen dieser vertraglichen Haftung hat der Wahlarzt auch für etwaige Fehler seiner sogenannten Erfüllungsgehilfen einzustehen. Das sind diejenigen Mitarbeiter, derer er sich bei der Erbringung von wahlärztlichen Leistungen bedient. Damit geht die vertragliche Haftung des Chefarztes bzw. Wahlarztes über die sogenannte deliktische Haftung hinaus. Auch wenn der Chefarzt - im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit - als Privatarzt oder in der KV-Ambulanz tätig wird, läuft er Gefahr, sowohl deliktisch als auch vertraglich haften zu müssen.

    Versicherungsschutz durch das Krankenhaus

    Krankenhausträger verpflichten sich zumeist vertraglich gegenüber dem Chefarzt, „für alle ärztlichen Tätigkeiten im Krankenhaus, für Gutachter- und Konsiliartätigkeiten sowie für Hilfeleistungen in Notfällen eine Haftpflichtversicherung gegen Schadenersatzansprüche Dritter abzuschließen.“ Bislang sind von diesem - durch den Klinikträger gewährten - Versicherungsschutz üblicherweise auch grob fahrlässig verursachte Schadensersatzansprüche umfasst und abgesichert - bis zur vereinbarten Deckungssumme.

     

    Wird dem Chefarzt die Führung einer Privat- und KV-Ambulanz als Nebentätigkeit genehmigt, ist diese Tätigkeit nach den bisherigen Versicherungsbedingungen regelmäßig mitversichert. Teilweise finden sich jedoch Regelungen, wonach sich der Chefarzt im Bereich der Nebentätigkeiten selbst zu versichern hat oder dem Träger - bei Versicherung durch diesen - die entsprechenden Kosten anteilig erstatten muss.

     

    PRAXISHINWEIS |  Die Höhe der Deckungssumme sollte der Chefarzt regelmäßig erfragen. Dafür sollte er sein etwaig dienstvertraglich vereinbartes Recht auf Einsichtnahme in den Versicherungsschein bzw. in die Versicherungsbedingungen nutzen, um die Angemessenheit des Deckungsschutzes zu prüfen.

     

    Wann sind Änderungen im Chefarzt-Vertrag erforderlich?

    Da Versicherungsverträge der Krankenhäuser durch die Versicherer oft auf ein Jahr befristet werden, sind Änderungen der Versicherungsbedingungen sowie der Versicherungsprämien quasi jederzeit möglich. Der Chefarzt muss eine „Anpassung“ durch den Träger ihm gegenüber rein rechtlich nicht hinnehmen, wenn eine entsprechende Regelung im Chefarzt-Vertrag fehlt - was die Regel ist. Unabhängig hiervon hat die Klinik einen Versicherungsschutz zu gewähren, welcher der Regelung im Chefarzt-Vertrag entspricht. Eine einseitige Verringerung des Versicherungsschutzes - insbesondere der vereinbarten Mindest-Deckungssummen - darf der Träger nicht vornehmen.

     

    PRAXISHINWEIS |  Falls sich der Klinikträger gegenüber dem Chefarzt vertraglich verpflichtet hat, lediglich eine Versicherung mit „angemessenen“ Deckungssummen abzuschließen, dürfte - in Anbetracht steigender Schadens- und Schmerzensgeldbeträge in Haftungsprozessen - eine Reduzierung der bisher als angemessen angesehenen Deckungssumme wohl unzulässig sein.

     

    Versicherungspflicht des Arztes

    Bei Änderungen des Versicherungsschutzes sind die Vorgaben der MBO-Ä zu beachten, nach denen der Arzt - im Gegensatz zum Krankenhaus - verpflichtet ist, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche zu versichern (§ 21 =
MBO-Ä). Nach der Bundesärzteordnung (BÄO) kann ein Verstoß gegen die standesrechtliche Versicherungspflicht mit der Anordnung des Ruhens der Approbation geahndet werden (§ 6 Abs. 1 Ziff. 5 BÄO).

    Worauf ist beim Abschluss von Neuverträgen zu achten?

    In neuen Chefarzt-Verträgen behalten sich Krankenhausträger zunehmend vor, dem Arzt eine „vergleichbare Absicherung“ wie durch eine Versicherung zu gewähren oder aber ihn von etwaigen Schadensersatzansprüchen freizustellen - mithin: keine Haftpflichtversicherung mehr abzuschließen.

     

    Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft sind häufig über den sogenannten Kommunalen Schadenausgleich (KSA) „versichert“. Hierbei handelt es sich nicht um eine Haftpflichtversicherung im eigentlichen Sinne, sondern um einen Zusammenschluss der teilnehmenden Kommunen, der für Schadensfälle seiner Mitglieder nach dem Solidarprinzip aufkommt. Mit der Absicherung über den KSA wird der Chefarzt wohl regelmäßig seinen berufsrechtlichen Standespflichten und den Forderungen der BÄO Genüge tun.

     

    PRAXISHINWEIS |  Der Chefarzt sollte prüfen, ob auch Nebentätigkeiten und ihm als Dienstaufgabe obliegende ambulante Leistungen von der Absicherung umfasst sind. In manchen Fällen ist eine ergänzende Haftpflichtversicherung erforderlich, die mit dem Krankenhausträger zu vereinbaren ist.

     

    Stellt der Klinikträger seine Ärzte lediglich von der Haftung frei, ist dieser Schutz für den Chefarzt nur ausreichend, soweit der Träger finanziell zur Schadensbegleichung in der Lage ist. Kann der Krankenhausträger den Schaden nicht ausgleichen, bleibt der Chefarzt gegenüber dem Patienten in der Haftung - und muss den Schaden möglicherweise aus eigener Tasche zahlen. Das kann existenzbedrohend sein, sodass der Freistellungsanspruch kein akzeptables Surrogat gegenüber einer Haftpflichtversicherung ist.

    Vorsicht bei privaten Klinikketten!

    Bei privaten Klinikketten wirkt ein Freistellungsanspruch nur gegenüber der einzelnen Krankenhaus-GmbH, nicht aber gegenüber dem gesamten Konzern. Mithin kommt es im Ernstfall auf die Liquidität des einzelnen Hauses und nicht der gesamten Kette an. Daher ist jede „vergleichbare Absicherung“, die im Chefarzt-Vertrag nicht konkret benannt wird, mit Vorsicht zu genießen.

     

    Im Zweifel muss der Chefarzt eine eigene Versicherung abschließen, deren Kosten - mitsamt den kaum absehbaren künftigen Kostensteigerungen - bei seiner Vergütung berücksichtigt werden sollten. Um steigende Prämien und eine Reduzierung des Versicherungsschutzes auszuschließen, empfiehlt sich die Aufnahme der folgenden Klausel in den Chefarzt-Vertrag:

     

    • Empfohlene Klausel im Chefarzt-Vertrag

    „Das Krankenhaus schließt für alle ärztlichen Tätigkeiten im Krankenhaus, für Gutachter- und Konsiliarleistungen sowie Hilfeleistungen in Notfällen eine Haftpflichtversicherung ab gegen - auch grob fahrlässig verursachte - Schadenersatzansprüche Dritter. Diesbezügliche Regressansprüche des Krankenhauses gegen den Arzt sind ausgeschlossen.“

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 1 | ID 42453210