Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Umgang mit dem Finanzamt

    Einspruch, Änderungsantrag, Stundung ‒ mit dem richtigen Mittel gegen das Finanzamt

    von Steuerberater Björn Ziegler, LZS Steuerberater, www.lzs.de

    | Regelmäßig kommt es vor, dass das Finanzamt im Steuerbescheid von der eingereichten Erklärung abweicht. Eine Erläuterung dazu suchen Sie im Bescheid meist vergebens. Das Gesetz sieht verschiedene Möglichkeiten vor, wie Sie sich gegen Steuerfestsetzungen wehren können. Der nachstehende Beitrag zeigt Ihnen im Frage-Antwort-Stil, was Sie wissen müssen, um erfolgreich gegen das Finanzamt vorzugehen. |

    Welche Rechtsmittel habe ich?

    Möchten Sie gegen einen Bescheid vom Finanzamt vorgehen, stehen Ihnen hierfür grundsätzlich der Einspruch oder der Änderungsantrag offen.

     

    1. Einspruch

    Mit einem Einspruch fechten Sie den Bescheid in vollem Umfang an. Das Finanzamt kann dann auch Punkte aufgreifen, die bisher erklärungsgemäß bearbeitet wurden. Legen Sie beispielsweise gegen Ihren Einkommensteuerbescheid Einspruch ein, weil beim Ehepartner Werbungskosten zur Angestelltentätigkeit teilweise fehlen, kann es sein, dass für Sie trotz Ihres begründeten Einspruchs am Ende nichts herauskommt. Grund: Das Finanzamt kann im Änderungsbescheid einige Monate später auch eine nachteilige Rechtsprechungsentwicklung aufgreifen und so Ihren Steuervorteil aus dem eigentlich erfolgreichen Einspruch zunichte machen.

     

     

    Eine sogenannte Verböserung, mit der das Finanzamt eine noch höhere Steuer festsetzt, ist ebenfalls denkbar. Sie muss aber vorab angedroht werden, damit Sie den Einspruch rechtzeitig zurücknehmen können.

     

    2. Änderungsantrag

    Mit einem Änderungsantrag greifen Sie Ihren Steuerbescheid im Unterschied zum Einspruch nur punktuell an. Der Rest des Bescheids wird in der Regel bestandskräftig und nur noch unter erschwerten Bedingungen änderbar ‒ im Guten wie im Bösen. Zwar dürfen andere Fehler vom Finanzamt zu Ihren Lasten auch beim Änderungsantrag mitberichtigt werden, eine Verböserung ist aber grundsätzlich ausgeschlossen.

    Wie lange kann ich einen Bescheid angreifen?

    Überschlägig können Sie sich merken, dass Sie einen Monat für den Einspruch oder Änderungsantrag Zeit haben. Genau ist es ein Monat ab Bekanntgabe. Orientieren Sie sich bei normalen Postlaufzeiten am Datum des Bescheids, dann sind Sie auf der sicheren Seite. Bei verspätetem Zugang beispielsweise wegen eines Poststreiks heben Sie das Kuvert mit dem Poststempel auf.

     

    PRAXISHINWEIS | Es macht einen erheblichen Unterschied, ob ein Bescheid verspätet oder gar nicht ankommt. Geht Ihnen der Bescheid zu spät zu und Ihr Einspruch oder Antrag erreicht das Finanzamt nach Ablauf der Monatsfrist, müssen Sie den verspäteten Zugang beweisen. Umgekehrt verhält es sich, wenn ein Bescheid gar nicht bei Ihnen ankommt. Dann muss das Finanzamt den Zugang beweisen, was es in der Regel nur selten kann. Das eröffnet in der Praxis im Falle einer Fristversäumnis manchem Steuerpflichtigen einen nicht ganz legalen Gestaltungsspielraum, um die versäumte Einspruchsfrist wiederzubeleben.

     

    Wer bearbeitet mein Schreiben?

    Der Einspruch und auch der Änderungsantrag gelangen zunächst in die Veranlagungsstelle, die den angefochtenen Steuerbescheid erlassen hat. Liegt der Fehler auf der Hand, ist in beiden Fällen eine unkomplizierte Korrektur durch einen geänderten Bescheid zu erwarten. Unterschiede ergeben sich erst, wenn das Finanzamt nicht nachgibt. Der Einspruch wird direkt an die Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle weitergegeben. Die bearbeiten ihn dann mit mehr oder weniger langer Verzögerung, denn dort richtet sich die Bearbeitung in der Regel nach der Eingangsreihenfolge. Bei einem Änderungsantrag erlässt der Veranlagungsbeamte einen Ablehnungsbescheid. Den müssen Sie gesondert mit Einspruch anfechten, um in die Rechtsbehelfsstelle zu gelangen.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Einzelfall kann das gestufte Vorgehen mit Änderungsantrag und Folgeeinspruch besser sein als der direkte Einspruch. Enthält die Steuerveranlagung andere diskutable Punkte, die Sie nicht mehr aufgegriffen wissen wollen, verwenden Sie den punktuellen Änderungsantrag. Wird der abgelehnt, geht es im Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid nur noch darum, ob die Ablehnung in Ordnung ist. Der Rest Ihres Steuerbescheids bleibt unangetastet. Eine Steuererhöhung im Einspruchsverfahren ist so ausgeschlossen.

     

    Wie kann ich ein anhängiges Musterverfahren nutzen?

    Ist ein Musterverfahren beim Bundesfinanzhof anhängig, müssen Sie sich bis zum Einspruch vorarbeiten. Nur im Einspruchsverfahren sieht das Gesetz vor, dass ein Verfahren ruhen muss, wenn vor einem obersten Gericht über die Streitfrage verhandelt wird. Einen Änderungsantrag stellen die Veranlagungsbeamten selten zurück, denn sie wollen das Thema an die Rechtsbehelfsstelle abgeben.

     

    PRAXISHINWEIS | Zwangsruhe gibt es nur, wenn Sie sich auf ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Bundesfinanzhof oder dem EuGH berufen. Liegt Ihr Musterprozess erst vor einem unteren Finanzgericht, sind Sie auf das Wohlwollen des Sachbearbeiters angewiesen. Er kann das Verfahren aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen lassen, muss es aber nicht. Hier hilft dann nur Verzögerungstaktik durch Fristverlängerungsanträge, Ankündigung weiterer Belege und Einspruchserweiterung auf ggf. andere Musterverfahren.

     

    Muss ich trotz Einspruch bzw. Antrag Steuern zahlen?

    Grundsätzlich bleibt eine Steuer auch fällig, wenn Sie den Bescheid anfechten. Wollen Sie das nicht, müssen Sie ausdrücklich „Aussetzung der Vollziehung“ (zum Einspruch) oder „Stundung“ (zum Änderungsantrag) beantragen. Aber Vorsicht: Hat Ihr Antrag oder Einspruch keinen Erfolg, kostet die verspätete Zahlung ein halbes Prozent Zins pro Monat. Zu diesem Mittel sollten Sie daher nur greifen, wenn Sie ernsthaft mit einer Stattgabe rechnen oder alternativ das Girokonto ins Minus führen müssten, denn ein Kontokorrentkredit ist erfahrungsgemäß noch teurer als das Finanzamt.

     

    PRAXISHINWEIS | Waren Sie mit der Abgabe Ihrer Steuererklärung spät dran und enthält der Steuerbescheid einen Fehler zu Ihren Ungunsten, können Sie das Finanzamt durch eine gezielte Einspruchsstrategie sogar als Geldanlage nutzen. Denn ab dem 1. April des übernächsten Jahres nach dem Steuerjahr beginnt ein sechsprozentiger Zinslauf auf die Einkommensteuer auch zu Ihren Gunsten. Beispiel: Dr. Z hat seine Steuererklärung 2014 erst Ende Februar 2016 beim Finanzamt eingereicht. Der Einkommensteuerbescheid kommt im März 2016. Die Steuern sind um 3.000 Euro zu hoch angesetzt, weil dem Finanzamt ein Zahlendreher unterlaufen ist. Z kann sich für einen Einspruch außerdem noch auf ein frisches Musterverfahren vor dem Bundesfinanzhof berufen, das voraussichtlich erst Ende 2017 entschieden wird. Er legt nun gegen den Steuerbescheid Einspruch ein und veranlasst Ruhen des Verfahrens. Seine Steuer zahlt er. Im Mai 2017 erweitert er seinen Einspruch dann und beanstandet den Zahlendreher. Kurz darauf erhält er einen geänderten Steuerbescheid, mit dem er seine 3.000 Euro Steuer und 6 Prozent Zins auf die Einkommensteuer gutgeschrieben bekommt.

     

    Wie lange dauert die Bearbeitung?

    Die Bearbeitung erfolgt nur bei Änderungsanträgen in der Regel zügig. Wenn Sie es besonders eilig haben, können Sie vorab beim Finanzamt anrufen und Ihr Schreiben ankündigen. Das hilft dem Sachbearbeiter beim Einstieg.

     

    PRAXISHINWEIS | In klaren Fällen genügt es manchmal, dass Sie die Änderung telefonisch beim Sachbearbeiter beantragen. Die Antwort sollte dann aber zeitnah eingehen. Lässt der Änderungsbescheid länger auf sich warten, legen Sie gegen Ende der Rechtsbehelfsfrist einen fristwahrenden Einspruch ein. Ein kurzes Fax, in dem Sie mitteilen, dass Sie gegen den Bescheid Einspruch einlegen, genügt. Wichtig sind die Angabe des Bescheids und Ihre Unterschrift! Orientieren Sie sich bei der Bescheidbezeichnung an der Überschrift des Bescheids, wie beispielsweise „Bescheid für 2015 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag“, machen Sie sicher alles richtig.

     

    Wann kommt es zum Finanzgerichtsprozess?

    Einen Finanzgerichtsprozess werden Sie nur veranlassen, wenn es um nennenswerte Beträge geht, beispielsweise beim Streit um die Steuervergünstigungen beim Praxisverkauf oder bei der Aberkennung von Mietverlusten, die mehrere Jahre betreffen. Der Finanzgerichtsprozess schließt sich an einen von der Rechtsbehelfsstelle abgelehnten Einspruch an.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2016 | Seite 5 | ID 44162137