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  • · Fachbeitrag · Strategie

    Der niedergelassene Arzt wird im Krankenhaus tätig (Teil 3): Prüfen Sie Ihren Chefarzt-Vertrag!

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de 

    | Der ökonomische Druck veranlasst Klinikleiter, immer öfter niedergelassene Ärzte ins Haus zu holen, um sie als Einweiser zu binden oder das Leistungsangebot der Klinik zu erweitern. Dies ist nicht immer im Interesse der Chefärzte. Der dritte und letzte Teil dieser Beitragsserie klärt, welche Klausel in seinem Dienstvertrag es dem Chefarzt ermöglicht, sich gegen allzu forsche Akquisitionsbemühungen der Klinikleitung zu wehren. |

    Anpassungs- und Entwicklungsklausel im Chefarzt-Vertrag

    Nahezu jeder Chefarzt-Vertrag enthält eine sogenannte Anpassungs- und Entwicklungsklausel - sie soll dem Krankenhausträger ermöglichen, in den vertraglichen Inhalt einzugreifen und dessen Rahmenbedingungen zum Nachteil des Chefarztes abzuändern, ohne den Vertrag insgesamt zu kündigen. Solche Anpassungs- und Entwicklungsklauseln gelten juristisch als „allgemeine Geschäftsbedingungen“, deren Wirksamkeit sich nach den §§ 307, 308 Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bemisst.

     

    Klausel muss transparent sein

    Zunächst muss die Anpassungs- und Entwicklungsklausel transparent sein. Dies bedeutet, dass der Chefarzt der Klausel entnehmen können muss, unter welchen Voraussetzungen der Krankenhausträger einseitig in seine Rechte eingreifen kann. Dabei sind vor allem solche Klauseln problematisch, die dem Klinikträger das Recht zur Vornahme von Änderungen geben, die in der Anpassungs- und Entwicklungsklausel nicht näher bestimmt sind.

     

    Klausel unwirksam bei Verstoß gegen Transparenzgebot

    Derartige Klauseln dürften im Regelfall wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB unwirksam sein, wie zum Beispiel die Arbeitsgerichte Paderborn (siehe Zeitschrift „Gesundheitsrecht“ 2007, S. 86) und Heilbronn („Medizinrecht“ 2009, S. 99) entschieden haben. Problematisch sind auch solche Klauseln, die dem Krankenhausträger die Befugnis zu einer gewichtigen Veränderung des Aufgabengebiets des Chefarztes gegenüber dem vertraglich vereinbarten Inhalt einräumen. Diese bedürfen im Konfliktfall einer genauen Prüfung.

     

    Einstellung Niedergelassener als „strukturelle Änderung“?

    Bei der Anpassungs- und Entwicklungsklausel ist es entscheidend, ob und in welcher Form sie dem Krankenhausträger erlauben soll, dem Chefarzt einseitig - per Direktionsrecht - einen niedergelassenen Arzt zur Seite zu stellen. Üblicherweise sehen diese Klauseln vor, dass der Krankenhausträger strukturelle und organisatorische Änderungen in der Klinik des Chefarztes vornehmen kann, die möglichst genau definiert werden sollten. Zu solchen strukturellen Änderungen wird man auch die Einbindung von niedergelassenen Ärzten zählen können. Solche weitreichenden Änderungen in der Klinik des Chefarztes müssen jedoch sachlich geboten sein und in der jeweiligen Klausel näher konkretisiert werden. Hier könnte es sich für den Chefarzt lohnen zu prüfen, ob die Einbindung von niedergelassenen Ärzten in seine Klinik zu sachlich gebotenen strukturellen Änderungen gehört, die nach der Anpassungs- und Entwicklungsklausel vorgenommen werden darf. Dabei dürfte es jeweils auf den Einzelfall ankommen.

    DKG-Musterklauseln jetzt offenbar rechtssicher

    Nachdem sich das Bundesarbeitsgericht in den Jahren 2005 und 2006 mehrfach mit der Wirksamkeit besagter Klauseln befasst hat, hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ihre verwendete Entwicklungsklausel grundlegend umformuliert. Die seitdem von ihr empfohlene Klausel haben die Gerichte bislang nicht beanstandet. Die aktuelle Musterklausel können Sie auf cb.iww.de unter der Rubrik „Musterverträge“ herunterladen.

     

    PRAXISHINWEIS |  Sofern die Anpassungs- und Entwicklungsklausel in Ihrem Chefarzt-Vertrag älteren Datums ist (vor 2005), könnte sie wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot insgesamt unwirksam sein. In diesem Falle hätte der Krankenhausträger keine Möglichkeit mehr, Sie als Chefarzt mithilfe dieser Klausel zu zwingen, niedergelassene Ärzte in Ihrer Klinik zu dulden.

     

    Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

    Die Einstellung niedergelassener Ärzte in der Klinik des Chefarztes ist mitbestimmungspflichtig, wie in § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt wird. Sie bedarf somit der Zustimmung des Betriebsrates.

     

    Mitbestimmungsrecht bei Anstellung

    Der Betriebsrat kann nach § 99 BetrVG die Zustimmung zu der Einstellung des niedergelassenen Arztes verweigern, wenn diese personelle Maßnahme gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung verstößt. Eine Verweigerung der Zustimmung ist dem Betriebsrat ebenfalls möglich, wenn Tatsachen die Sorge begründen, dass durch die Einstellung des niedergelassenen Arztes andere in der Klinik beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.

     

    Freiberufliche Tätigkeit oft attraktiver als Anstellung

    Grundsätzlich wird man davon ausgehen können, dass die nachgeordneten Fachärzte in der Klinik des Chefarztes nach dem in dem jeweiligen Krankenhaus geltenden Tarifvertrag vergütet werden, entweder weil sie Gewerkschaftsmitglieder sind oder die Geltung des Tarifvertrages in ihrem jeweiligen Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Niedergelassene Ärzte werden jedoch im Zweifel eher als freiberufliche Honorarärzte denn als angestellter Arzt in der Klinik arbeiten wollen - das Einkommen ist dann nämlich frei verhandelbar und im Zweifel höher im Vergleich zum Salär eines angestellten Arztes.

     

    Kein Mitbestimmungsrecht bei freiberuflich tätigen Ärzten

    Im Falle des freiberuflichen Tätigwerdens des niedergelassenen Arztes verliert der Betriebsrat jedoch sein Mitbestimmungsrecht: Wie sich aus § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes ergibt, gilt die Mitsprache nur bei der „Einstellung“ von Mitarbeitern, also gerade nicht für freiberuflich tätige Mitarbeiter.

     

    In einem solchen Fall kann allerdings von Seiten des Betriebsrates die Frage gestellt werden, ob tatsächlich eine freiberufliche Tätigkeit vereinbart worden ist oder ob es sich um einen Fall der Scheinselbstständigkeit handelt. Diese ist dann gegeben, wenn der niedergelassene Arzt zwar Honorararzt genannt wird, tatsächlich aber abhängig beschäftigt ist - bei einer solchen Scheinselbstständigkeit wird in die Rechte des Betriebsrates eingegriffen und ihm die Mitbestimmung nach § 99 BetrVG verwehrt.

     

    PRAXISHINWEIS |  Der Betriebsrat hat in einem solchen Fall die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht in einem sogenannten Beschlussverfahren zu klären, ob seine Mitbestimmungsrechte verletzt sind, und zugleich den Status des niedergelassenen Arztes - Honorararzt oder angestellter Arzt - feststellen zu lassen.

     

    Folgen für Weiterbildungsbefugnis und Rufdienst

    In Chefarzt-Verträgen wird regelmäßig vereinbart, dass der Arzt im Rahmen seines Fachgebiets die ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeiter der Klinik aus-, weiter- und fortzubilden hat. Insbesondere für die Ausbildung bzw. Weiterbildung der nachgeordneten Ärzte benötigt der Chefarzt eine entsprechende Weiterbildungsbefugnis der zuständigen Landesärztekammer.

     

    Wenn nun aber niedergelassene Ärzte Tätigkeiten von Chef- oder Oberärzten übernehmen sollen - zum Beispiel bestimmte elektive Eingriffe -, können diese ihre Weiterbildungsbefugnis insoweit verlieren. Sie ist dann für die Klinik im Zweifel ganz verloren, da freiberuflich tätige niedergelassene Ärzte durch den Krankenhausträger grundsätzlich nicht verpflichtet werden können, sich um eine Weiterbildungsermächtigung zu bemühen.

     

    Schließlich ist der Chefarzt nach dem Chefarzt-Vertrag zumeist auch für den geordneten Dienstbetrieb und die medizinische Versorgung der Patienten in seiner Abteilung verantwortlich - er muss daher auch den Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft organisieren. In der Klinik in Teilzeit tätige niedergelassene Ärzte können hier eingebunden werden, Honorarärzte dagegen nicht - hier entstehen nämlich weder von Seiten des Chefarztes noch durch den Krankenhausträger Weisungsmöglichkeiten.

     

    FAZIT |  Chefärzte haben somit arbeitsrechtlich eine Reihe von Möglichkeiten, unliebsame Konsequenzen durch die Einbeziehung niedergelassener Ärzte in die Patientenversorgung ihrer Klinik zu verhindern. In Bezug auf Honorarärzte sollte der Klinikträger Folgendes bedenken: Er ist gesetzlich verpflichtet, jederzeit verfügbares ärztliches Personal zur Versorgung der Patienten vorzuhalten - freiberufliche Honorarärzte stehen jedoch gerade nicht jederzeit zur Verfügung.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 12 | ID 40028920