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  • · Fachbeitrag · Sektorenübergreifende Versorgung

    Ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach § 116b SGB V - Teil 1: Alles bleibt anders?

    von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz wurde § 116b SGB V neu gestaltet, um einen neuen sektorenübergreifenden Versorgungsbereich ins Leben zu rufen. Mit der Ausgestaltung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) beauftragt. Dieser hat nach zähem Ringen am 21. März eine allgemeine Richtlinie („Paragraphenteil“) veröffentlicht, die am 20. Juli 2013 in Kraft getreten ist (Abruf-Nr. 133312 ). In einer zweiteiligen Beitragsserie zeigen wir, welche Weichen Sie schon jetzt stellen sollten, wenn Sie an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) teilnehmen wollen. |

    Was gehört zur ASV?

    Die ASV umfasst einen weiten Katalog von Erkrankungen, die entweder aufgrund ihrer schweren bzw. besonderen Verlaufsform oder wegen ihrer Seltenheit einer spezialfachärztlichen Betreuung in der ASV bedürfen. Darüber hinaus fallen auch hochspezialisierte Leistungen in den Katalog. Konkret beinhaltet der Katalog, der durch den GBA ergänzt werden kann, bislang folgendes Spektrum:

     

    1. Schwere bzw. besondere Verlaufsformen von Erkrankungen

    Zu diesem Gebiet zählt der Katalog

    • onkologische Erkrankungen,
    • HIV/AIDS,
    • rheumatologische Erkrankungen,
    • Herzinsuffizienz (NYHA Stadium 3-4),
    • Multiple Sklerose,
    • zerebrale Anfallsleiden (Epilepsie),
    • komplexe Erkrankungen im Rahmen der pädiatrischen Kardiologie,
    • Versorgung von Frühgeborenen mit Folgeschäden sowie
    • Querschnittslähmung bei Komplikationen, die eine interdisziplinäre Versorgung erforderlich machen.

     

    2. Seltene Erkrankungen und Erkrankungen mit geringen Fallzahlen

    Zu dieser Gruppe gehören

    • Tuberkulose,
    • Mukoviszidose,
    • Hämophilie,
    • Fehlbildungen, angeborene Skelettsystemfehlbildungen und neuromuskuläre Erkrankungen,
    • schwerwiegende immunologische Erkrankungen,
    • biliäre Zirrhose,
    • primär sklerosierende Cholangitis,
    • Morbus Wilson,
    • Transsexualismus,
    • Versorgung von Kindern mit angeborenen Stoffwechselstörungen,
    • Marfan-Syndrom,
    • pulmonale Hypertonie,
    • Kurzdarmsyndrom und die
    • Versorgung von Patienten vor oder nach Organtransplantation und von lebenden Spendern.

     

    3. Hochspezialisierte Leistungen

    Hierzu zählen

    • CT/MRT-gestützte interventionelle schmerztherapeutische Leistungen und
    • die Brachytherapie.

    Wer darf an der ASV teilnehmen?

    An der ASV können Vertragsärzte und zugelassene Krankenhäuser teilnehmen, soweit sie die Voraussetzungen nach den Richtlinien und Konkretisierungen des GBA erfüllen und dies gegenüber dem erweiterten Landesausschuss unter Beifügung entsprechender Belege anzeigen. Der (um Vertreter der Krankenhäuser) erweiterte Landesausschuss ist in den meisten Bundesländern bereits gegründet oder befindet sich in Gründung; die Kontaktdaten sind meist über die Homepages der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung abrufbar - so etwa in Berlin-Brandenburg.

     

    Welche Grundvoraussetzungen sind personell zu erfüllen?

    Welche konkreten Anforderungen für die einzelnen Krankheitsbilder, etwa im Bereich der gastrointestinalen Tumore, erfüllt werden müssen, bleibt den jeweiligen Konkretisierungen durch den GBA vorbehalten. Auf Basis des Paragraphenteils sowie des § 116b SGB V lassen sich jedoch schon jetzt einige Rückschlüsse ziehen zu den Grundvoraussetzungen der Teilnahme: So wird regelmäßig ein interdisziplinäres Team zu gründen sein, das auch durch vertragliche (ggf. sektorenübergreifende) Kooperationen etabliert werden kann und sich aus einem Teamleiter, dem Kernteam sowie bei medizinischer Notwendigkeit zeitnah hinzuzuziehenden Fachärzten zusammensetzt.

     

    • Der Teamleiter hat die Aufgabe, die ASV fachlich und organisatorisch zu koordinieren. Er gehört zwingend dem Kernteam an.

     

    • Die Mitglieder des Kernteams sind Fachärzte, deren Kenntnisse und Erfahrungen zur Behandlung im Rahmen der ASV in der Regel eingebunden werden müssen. Sie müssen die ASV-Leistungen am Tätigkeitsort des Teamleiters zumindest an einem Tag in der Woche erbringen, es sei denn, es handelt sich um „immobile Leistungen“ beziehungsweise die Untersuchung von entnommenen Untersuchungsmaterialien. Diese Leistungen müssen in der Regel in 30 Minuten vom Teamleiterstandort erreichbar sein, soweit eine direkte Leistung am Patienten zu erbringen ist.

     

    • Die hinzuzuziehenden Fachärzte sind solche, deren Fähigkeiten und Kenntnisse in Abhängigkeit vom Krankheitsbild typischerweise bei einem Teil der Patienten benötigt wird. Auch hier gilt die 30-Minuten-Regel.

     

    Die jeweils erforderlichen Qualifikationen für die einzelnen Teammitglieder werden in den noch ausstehenden Konkretisierungen festgelegt und richten sich nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung. Der Paragraphenteil sieht insoweit Facharztstatus (nicht Facharztstandard!) vor. Eine Vertretung des jeweiligen ASV-Arztes ist ebenfalls nur durch einen Facharzt möglich, der sämtliche erforderliche Qualifikationen innehat.

     

    Assistenzärzte können entsprechend dem Stand ihrer Weiterbildung unter Verantwortung eines zur Weiterbildung befugten Mitglieds des interdisziplinären Teams in die ASV zur Durchführung ärztlicher Tätigkeiten einbezogen werden. In diesem Fall gilt der Facharztstandard. Diagnosestellung und leitende Therapieentscheidungen dürfen diese Ärzte nicht erbringen.

    Welche infrastrukturellen Maßnahmen sind zwingend?

    Soweit in den Konkretisierungen nicht noch weitergehende Anforderungen gestellt werden, müssen jedenfalls die Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V eingehalten werden. Zudem müssen behindertengerechte Räumlichkeiten vorgehalten werden, Barrierefreiheit ist anzustreben.

     

    Zudem lässt sich schlussfolgern, dass die Leistung nicht zwingend in einem Krankenhaus erbracht werden muss - es kommt in Betracht, dass ein Vertragsarzt als Teamleiter fungiert und somit die Leistungen schwerpunktmäßig in der vertragsärztlichen Praxis erbracht werden. Die angeführte 30-Minuten-Regel wird dann jedoch zu beachten sein, soweit begleitende Leistungen wie Notfalllabor oder Intensivstation belegt werden müssen.

    Welche Behandlungen können durchgeführt werden?

    Der Behandlungsumfang der ASV ergibt sich krankheits- und anlassbezogen aus den noch ausstehenden Konkretisierungen des GBA. Krankenhäuser, die an der ASV teilnehmen, dürfen darüber hinaus fachärztliche Leistungen erbringen und abrechnen, sofern diese im unmittelbaren Zusammenhang zur Katalogerkrankung stehen, die Leistung im Krankenhaus erfolgt und dem Patienten eine Überweisung zu einem niedergelassenen Vertragsarzt nicht zumutbar ist. Diese eingeschränkte „Öffnungsklausel“ bietet Krankenhäusern aufgrund der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe ein Einfallstor für weitergehende Leistungen im Rahmen der ambulanten Versorgung.

     

    Weiter können im Rahmen der ASV sämtliche Untersuchungs- und Behandlungsleistungen erbracht werden, soweit der GBA keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Es gilt somit anders als im Bereich der sonstigen vertragsärztlichen ambulanten Versorgung der aus der stationären Versorgung bekannte sog. „Verbotsvorbehalt“. Dies dürfte gerade für niedergelassene Vertragsärzte ein Anreiz sein, sich im Rahmen der ASV zu engagieren.

     

    Im Übrigen können in der ASV auch Arznei-, Heil- und Hilfsmittelverordnungen ausgestellt werden, Rehabilitation oder Krankenhausbehandlung oder häusliche Krankenpflege verordnet werden. Es ist indes - wie im § 116b SGB V a. F. auch - ein gesondertes Kennzeichnungsverfahren zu beachten.

     

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 16 | ID 42359805