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  • · Fachbeitrag · Rentenrecht

    70 Jahre und noch Chefarzt? - Das ist möglich ...

    von RA und FA für Medizinrecht und Arbeitsrecht Marc Rumpenhorst, Kanzlei Klostermann pp., Bochum, klostermann-rae.de 

    | 70 Jahr, weißes Haar: Nicht nur die Weisheit des Alters, sondern vor allem die hervorragende Kompetenz älterer Chefärzte - häufig die Aushängeschilder des Hauses - lassen Klinikträger die Überlegung anstellen, ob der Chefarzt auch über die Rentenregelaltersgrenze hinaus vertraglich gebunden werden kann. Die Antwort vorweg: Das ist möglich! Welche rechtlichen Kautelen dabei zu beachten sind, zeigt der nachfolgende Beitrag. |

    Hintergrund: Die Befristung des Arbeitsverhältnisses

    Die meisten Arbeitsverhältnisse sind befristet, wobei der befristende Grund die Vollendung des Rentenregelalters ist. Doch Obacht: Arbeitsverträge enden keineswegs „automatisch“, also von Gesetzes wegen, mit der Vollendung des Rentenregelalters - sondern nur, wenn der Vertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich regelt!

     

    Doch selbst wenn eine solche Klausel im Arbeitsvertrag nicht enthalten ist, kann das Arbeitsverhältnis trotzdem enden - nämlich in dem Fall, in dem im Arbeitsvertrag auf eine tarifliche Regelung Bezug genommen wird, die eine solche Altersgrenze vorsieht.

     

    PRAXISHINWEIS | Da Chefärzte regelmäßig außertariflich beschäftigt werden, erfordert die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des Rentenregelalters in der Regel eine entsprechende Vertragsklausel. Möglich ist - wie geschildert - auch eine Bezugnahme auf eine entsprechende tarifvertragliche Regelung. Ohne eine Beendigungsklausel oder Bezugnahme wird das Arbeitsverhältnis des Chefarztes erst mit seinem Tod beendet - sofern es nicht zuvor einvernehmlich aufgelöst oder wirksam gekündigt worden ist.

     

    Wie lange darf der Chefarzt weiterbeschäftigt werden?

    Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund ist nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nicht erlaubt, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Chefarzt könnte demnach nicht mehr bei der selben Klinik beschäftigt werden, bei der er bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze gearbeitet hat.

     

    Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht anerkannt, dass es einen sachlichen Grund im Sinne des TzBfG darstellt, wenn das Arbeitsverhältnis nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bestehen soll. Wenn dies bereits einen wirksamen Sachgrund im Sinne des TzBfG darstellt, muss dies nach Ansicht des Verfassers erst recht für Fälle gelten, in denen der Arbeitnehmer über die Regelaltersgrenze hinaus (befristet) beschäftigt werden möchte.

     

    Dieser Argumentation folgte auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg und übertrug sie auf eine Vereinbarung zur befristeten Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Vollendung des Rentenregelalters hinaus: Die Befristung der „Vertragsverlängerung“ wurde als gerechtfertigt und damit als zulässig angesehen (Urteil vom 20. November 2012, Az. 12 Sa 1303/12, Abruf-Nr. 143343, nicht rechtskräftig, Az. der Revision: BAG 7 AZR 17/13).

    Neue gesetzliche Regelung im Sozialgesetzbuch

    Der Gesetzgeber hat offensichtlich erkannt, dass einerseits der Wunsch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern besteht, über die Vollendung des Regelalters hinaus zusammenzuarbeiten, andererseits eine klare gesetzliche Regelung fehlt. Er hat sich bemüht, diese Lücke durch eine Ergänzung des die Altersrente regelnden § 41 Sozialgesetzbuch (SGB) VI zu schließen.

     

    „Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, ggf. auch mehrfach, hinausschieben.“

     

    Mit der Neuregelung soll dem Wortlaut der Gesetzesbegründung (Bundestag-Drucksache 18/1489, S. 25) nach den zunehmenden Wünschen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Rechnung getragen werden, auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze und einer darauf bezogenen Beendigungsvereinbarung einvernehmlich das Arbeitsverhältnis für einen von vornherein bestimmten Zeitraum rechtssicher fortsetzen zu können.

     

    Mehr Rechtssicherheit wäre allerdings erreicht worden, wenn nicht nur das SGB VI, sondern auch das TzBfG überarbeitet worden wäre. Vielleicht wäre dann aufgefallen, dass die Neufassung des § 41 SGB VI, wonach eine mehrfache Befristung - sogenannte Kettenverträge - möglich ist, der Europäischen Befristungsrichtlinie widerspricht mit der Folge, dass die gesamte Neuregelung europarechtswidrig sein könnte. Vor diesem Hintergrund ist die Revision des Bundesarbeitsgerichts zur genannten Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg keinesfalls obsolet, sondern mit Spannung zu erwarten.

    Bezug von Altersrente

    Vereinbart der Chefarzt mit der Klinikleitung eine Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus, ist im Einzelfall vor der Vertragsunterzeichnung zu prüfen, ob er

    • die Inanspruchnahme der Altersrente hinausschieben und
    • ggf. sogar weiterhin Beiträge zur Altersvorsorge entrichten oder
    • parallel Altersrente in Anspruch nehmen kann bzw. muss.

     

    Maßgeblich sind hier die unterschiedlichen Satzungen der jeweiligen Ärzteversorgungswerke, sodass sich eine frühzeitige Prüfung zur individuell optimalen Gestaltung empfiehlt.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 5 | ID 43055950