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  • · Fachbeitrag · Prozesstaktik

    „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ - auch für den Chefarzt im Kündigungsschutzprozess!

    von RA und FA für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de 

    | Im Zeitalter des Internets gilt: Die Welt ist ein Dorf. Das musste kürzlich auch ein Chefarzt erfahren, der vor Gericht mit dem Klinikträger um seinen Job stritt. Die Vorwürfe der Klinik gelangten über die Lokalpresse ins Internet - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Versuche des Arztes, in einer anderen Klinik unterzukommen. Doch auch für den Krankenhausträger hatte es unschöne Folgen, dass der Streit öffentlich ausgetragen wurde: In einem Vergleich musste er dem Chefarzt eine deutlich erhöhte Abfindung zahlen. |

    Chefarzt zog gegen Kündigung vor Gericht

    Der gerichtlichen Auseinandersetzung war eine Kündigung des Chefarztes durch den Klinikträger vorausgegangen, gegen die sich der Arzt vor Gericht wandte. Der Streit führte schließlich bis zum Bundesarbeitsgericht, das aber nicht mehr entscheiden musste: In einem Vergleich einigten sich die Parteien zuvor auf eine exorbitant hohe Abfindung für den Chefarzt.

    Lokalpresse berichtete ausführlich

    Das Gerichtsverfahren zwischen dem Chefarzt und dem Krankenhausträger war durch die Lokalpresse ausführlich begleitet worden; über alle Verhandlungstermine wurde breit berichtet. Dabei zitierten die Journalisten besonders diejenigen Vorwürfe gegenüber dem Chefarzt, mit dem der Klinikträger die Kündigung begründet hatte: Dem Chefarzt habe es an der sozialen Kompetenz für seine Position gefehlt, zudem habe er nachgeordnete Mitarbeiter sowie die Geschäftsführung in übler Weise beschimpft und beleidigt. Die Vorwürfe stellten sich am Ende des Gerichtsverfahrens als völlig haltlos heraus.

    Internet verbreitete Presseberichte

    Die gesamte Berichterstattung der Lokalpresse wurde in deren Internetangebot übernommen - mit der Folge, dass der Chefarzt, der sich während des Kündigungsschutzprozesses um eine andere Beschäftigung bemühte, regelmäßig von Dritten auf die Presseberichte angesprochen wurde.

     

    Auch nach Abschluss des Prozesses wurde der Chefarzt immer wieder auf die Vorgänge angesprochen. Der Chefarzt musste hierbei insbesondere die Erfahrung machen, dass Bewerber auf Chefarzt-Positionen offensichtlich von den Personalabteilungen der Krankenhäuser „gegoogelt“ werden, um sich ein Bild von den Bewerbern zu machen.

     

    So wurde dem Chefarzt mehrfach signalisiert, dass er aufgrund der Presseberichterstattung für die angestrebte Position nicht vermittelbar sei.

     

    Wie wirkt die (ungebetene) Öffentlichkeit?

    Nachdem es im Fall nicht gelungen war, die Presse herauszuhalten, hat dies in den Abfindungsverhandlungen zu einer erheblichen Erhöhung der Abfindungssumme geführt. Grund: Die Anwälte des Chefarztes konnten mit den aus der negativen Presseberichterstattung resultierenden Erschwernissen des künftigen beruflichen Fortkommens ihres Mandanten argumentieren.

     

    Klinik zahlte an Chefarzt für die Löschung der Veröffentlichungen

    In dem Vergleich zwischen dem Chefarzt und dem Krankenhausträger wurde zudem die Zahlung eines Pauschalbetrags aufgenommen, der zur Abgeltung der Kosten des Chefarztes für die Löschung negativer Internet-Veröffentlichungen nach dem Kündigungsschutzprozess dienen sollte. Der Chefarzt wollte diese Löschung nicht dem Klinikträger überlassen, auch wenn dieser primär für die (negativen) Berichte über ihn verantwortlich war.

     

    Löschung schwierig: Presse beruft sich auf Meinungsfreiheit

    Ein Rechtsanspruch auf Löschung einer negativen Berichterstattung im Internet ist nicht einfach durchzusetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Presse nur Äußerungen einer Prozesspartei zitiert. Das jeweils betroffene Presseorgan kann sich hier auf die Meinungsfreiheit berufen.

     

    PRAXISHINWEIS | Vor einem Rechtsstreit mit der Presse sollte sich der betroffene Chefarzt jedoch gut überlegen, dass eine solcher Auseinandersetzung gerade zu dem führen kann, was er eigentlich unbedingt vermeiden wollte: zusätzliche (negative) Öffentlichkeit, bei der die zuvor von den Arbeitsgerichten als haltlos eingestuften Vorwürfe wieder erneut aufs Tapet gebracht werden.

     

    Wann besteht ein Anspruch auf Löschung?

    Nach einem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts kann eine Pflicht zur Löschung eines nicht mehr aktuellen Internetbeitrags bestehen, wenn von ihm eine Persönlichkeitsrechtsverletzung desjenigen ausgeht, der die Löschung verlangt (Urteil vom 29. November 2011, Az. 7 U 80/11, Abruf-Nr. 142190). Somit sollte versucht werden, sich in ähnlichen Fällen geräuschlos mit dem betroffenen Verlag zu einigen. Inzwischen kann sich der Chefarzt auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Mai 2014 berufen, in dem die Richter ein „Recht auf Vergessen“ anerkannten (Az. C 131/12, Abruf-Nr. 142191). Daraus ergibt sich unter Umständen ein Löschungsanspruch, wenn die Inhalte der Eintragung im Internet veraltet sind.

     

    FAZIT | Chefärzte und Klinikträger sollten die Presse aus gerichtlichen Auseinandersetzungen heraushalten, weil die Konsequenzen einer negativen Berichterstattung insbesondere für den Chefarzt lange „nachwirken“ können. Lässt sich dies nicht erreichen, sollte der Chefarzt versuchen, die negative Presse - insbesondere wenn sie für sein weiteres berufliches Fortkommen nachteilig sein könnte - im Rahmen von Vergleichsverhandlungen zu thematisieren, damit sie bei einer Einigung in den zu zahlenden Abfindungsbetrag Eingang finden.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 14 | ID 42662051