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  • · Fachbeitrag · BGH-Urteil

    Was ist bei Behandlungsmethoden außerhalb des allgemein anerkannten Standards zu beachten?

    von FA Medizinrecht Dr. Rainer Hellweg, Hannover

    | Eine nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode (hier: der Neurochirurgie) darf nur nach einer genauen medizinischen Abwägung mit der dem Standard entsprechenden Methode angewendet werden. Außerdem muss der Arzt den Patienten in besonderer Art und Weise darüber aufklären, dass die gewählte Methode nicht der Standard ist ‒ hierfür hat der Bundesgerichtshof ( BGH) in seinem Urteil vom 15.10.2019 (Az. VI ZR 105/18 ) konkrete Anforderungen festgelegt. |

    Der Fall

    Geklagt hatte eine Patientin, die nach zwei Verkehrsunfällen unter immer wieder auftretenden Nacken- und Schulterschmerzen mit Kribbelparästhesien in den Armen litt. Nach Durchführung einer Kernspintomografie wurde im April 2003 ein Bandscheibenvorfall im Segment C5/C6 diagnostiziert. In der Folgezeit wurde die Patientin ‒ auch in einer Schmerzklinik ‒ konservativ behandelt. Im November 2003 konsultierte sie erneut einen Orthopäden, der die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls im Segment C5/C6 bestätigte. Er riet für den Fall persistierender Beschwerden zu einer operativen Therapie. Die Patientin suchte einen Neurochirurgen auf. Dieser empfahl eine Operation zur Fixierung des Segmentes C5/C6.

     

    Im Dezember 2003 wandte sich die Klägerin dann an einen anderen ‒ im Krankenhaus tätigen ‒ Neurochirurgen. Dieser diagnostizierte ein Cervikalsyndrom und eine Cervikobrachialgie links, einen Bandscheibenschaden C4/C5 und einen Bandscheibenvorfall C5/C6. In seinem ärztlichen Bericht hieß es u. a.: „Aufgrund der chronischen, therapieresistenten Beschwerden empfehle ich eine HWS-Operation von ventral in Höhe C4/C5 und C5/C6. Über diese Möglichkeit habe ich mit der Patientin gesprochen. Es wird mit einer wesentlichen Besserung ihrer Beschwerden nach dieser OP gerechnet.“ Im Januar 2004 nahm er dann die Operation der Halswirbelsäule vor, wobei eine Fusion der Segmente C4/C5 und C5/C6 durch Plattenverschraubung erfolgte, was jedoch nicht von Erfolg gekrönt war. Die Patientin litt in der Folgezeit unter erheblichen Beschwerden ‒ letztlich kam es zur Erwerbsunfähigkeit. Diagnostiziert wurde ein Cervikobrachialsyndrom als Postdiskektomiesyndrom. Im Jahr 2007 stellte man einen Bruch dreier Schrauben im Halswirbel C4 beidseits und im Halswirbel C6 links fest. Aufgrund einer Gefügelockerung musste die Patientin im März 2011 erneut operiert werden.