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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Betrugsstraftaten rechtfertigen den Entzug der ärztlichen Approbation

    von RA Dr. Matthias Losert, Berlin, matthias-losert.de

    | Eine Ärztin hat ihre Approbation aufgrund eines Versicherungsbetrugs verloren, weil sie trotz des Bezugs von Krankentagegeld gearbeitet hat (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 31.07.2019, Az. 3 B 7/18). |

    Der Fall

    Eine Ärztin hatte eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen. In diesem Vertrag vereinbarte sie mit dem Versicherungsunternehmen, dass das Krankentagegeld ausgezahlt wird, wenn sie

    • arbeitsunfähig ist,
    • sich am Wohnort aufhält und
    • während ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht arbeitet.

     

    Sie erklärte zwischen den Jahren 2007 bis 2011 der Versicherung gegenüber in 22 Fällen wahrheitswidrig, dass sie arbeitsunfähig war. Tatsächlich arbeitete sie während der angeblichen Arbeitsunfähigkeit in ihrer Praxis und sogar dreißig Tage als Schiffsärztin. Die Ärztin erhielt durch diesen Betrug zu Unrecht 65.000 Euro von der Versicherung. Daraufhin wurde sie vom Amtsgericht Passau im Jahr 2014 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.

     

    Neben dieser strafrechtlichen Verurteilung wurde der Ärztin von der Regierung von Oberbayern im April 2015 die Approbation widerrufen. Nach Ansicht der Behörde wäre sie aus berufsrechtlicher Sicht unwürdig, den Beruf der Ärztin weiter auszuüben. Unwürdig im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO ist, wer durch sein Verhalten das zur Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Ansehen und Vertrauen bei der Bevölkerung nicht besitzt. Der Arzt muss also langanhaltend in gravierender Weise gegen seine Berufspflichten verstoßen haben, sodass er nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Berufsausübung nötig ist. Dagegen klagte die Ärztin vor dem Verwaltungsgericht (VG) Regensburg.

     

    Das VG gab ihr mit der Begründung Recht, dass es für einen Entzug der Approbation erforderlich sei, dass von ihr eine Gefahr für ein wichtiges Gemeinschaftsgut ausgehe. Denn die Taten lägen länger zurück und würden keinen Bezug zum Arztberuf aufweisen. Das Ansehen der Ärzteschaft wäre daher nur in einem geringen Umfang beeinträchtigt und der Widerruf der Approbation daher unverhältnismäßig (Urteil vom 28.04.2016, Az. RN 5 K 15.1137).

     

    Die Behörde war mit der Entscheidung des VG nicht einverstanden und legte Berufung zum Verwaltungsgerichtshof (VGH) ein. Der VGH kam zu einer anderen Bewertung als das VG und erklärte den Entzug der Approbation für rechtens (Urteil vom 28.06.2017, Az. 21 B 16.2065): Die Klägerin habe sich eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich ihre Unwürdigkeit zur weiteren Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe. Die von ihr verübte Straftat des Betrugs in 22 Fällen führe bei Würdigung aller Umstände dazu, dass sie nicht mehr das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar nötige Ansehen und Vertrauen besitze.

     

    Die Allgemeinheit erwarte bei der gebotenen objektiven Betrachtung von einem Arzt, dass er anderen nicht durch erhebliche Straftaten wesentlichen Schaden zufüge, weil das dem Bild vom helfenden und heilenden Arzt zuwiderliefe. Die Betrugstaten der Klägerin hätten mit Blick auf den langen Tatzeitraum und die Höhe des Schadens erhebliches Gewicht. Sie belegten, dass sie um des eigenen Vorteils wegen bereit sei, sich über finanzielle Interessen Dritter hinwegzusetzen und diesen einen erheblichen Schaden zuzufügen. Das rechtfertige die Annahme der Berufsunwürdigkeit.

    Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht

    Nun war die Klägerin mit der Entscheidung nicht einverstanden und legte Revision beim BVerwG ein, das jedoch die Entscheidung des VGH bestätigte: „In der Rechtsprechung des Senats ist des Weiteren geklärt, dass der für die Annahme der Unwürdigkeit erforderliche Ansehens- und Vertrauensverlust auch durch Straftaten bewirkt werden kann, die nicht im Arzt-Patienten-Verhältnis angesiedelt sind oder die ein außerberufliches Fehlverhalten betreffen, wenn es sich dabei um gravierende Verfehlungen im genannten Sinne handelt.“ Der Widerruf der Approbation sei gerechtfertigt, wenn er zur Abwehr einer Gefahr für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient weiterhin erforderlich sei ‒ dies sei im Falle der Unwürdigkeit gegeben.

     

    FAZIT | Das letztgültige Urteil des BVerwG bedroht die inzwischen 67-jährige Ärztin nach eigener Aussage in ihrer Existenz: Der Verlust der Approbation zöge einen Ausschluss aus der Ärzteversorgung nach sich, mit existenzvernichtenden Folgen für die Alterssicherung, eine Wiedererlangung der Approbation sei aus Altersgründen faktisch ausgeschlossen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sie in den 22 infrage stehenden Fällen ihre Versicherung vorsätzlich betrogen hat, indem sie „jeweils unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erklärte, während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht zu arbeiten und sich am Wohnort aufzuhalten“.

     

    Es entspricht der Rechtsprechung des BVerwG, die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen Feststellungen zur Grundlage der gerichtlichen Beurteilung des Approbierten zu machen. Nichtsdestotrotz werden hier an den Entzug der Approbation strengere Maßstäbe angelegt als bei anderen Berufsgruppen. So wurde der Fernsehmoderator und Rechtsanwalt Michel Friedman zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen wegen des Besitzes von Kokain verurteilt, was für ihn jedoch keine berufsrechtlichen Konsequenzen hatte. Die zuständige Rechtsanwaltskammer begründete dies damit, dass die Straftat keinen Bezug zu seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt gehabt habe.

     

    PRAXISTIPP | Der wiederholte Einwand der Ärztin, sie habe die schriftlichen Versicherungsbedingungen erst im Nachhinein erhalten und habe deshalb ihr vertragswidriges Verhalten nicht erkennen können, erschien dem Gericht als Schutzbehauptung. Lesen Sie also Ihre Versicherungsbedingungen stets genau!

     

    Weiterführende Hinweise

    • Die Bindungswirkung eines Strafverfahrens für den Widerruf der Approbation (CB 06/2009, Seite 11)
    Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 15 | ID 46237903