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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Bei vorsätzlicher Falschabrechnung drohen auch berufsrechtliche Sanktionen

    von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Anna Stenger, LL.M., Wienke & Becker - Köln, www.kanzlei-wbk.de 

    | 20.000 Euro Geldstrafe, die Entziehung des passiven Berufswahlrechts und die Veröffentlichung der Entscheidung im Ärzteblatt unter vollständiger Namensnennung: Das war die Strafe, die das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen einem Arzt wegen vorsätzlicher Falschabrechnung aufbürdete (Urteil vom 6. Februar 2013, Az. 6t A 1843/10 T , Abruf-Nr. 132329 ). Der Arzt habe nicht nur gegen die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), sondern auch gegen die Berufspflicht des Arztes verstoßen, seine Tätigkeit gewissenhaft und vertrauensvoll auszuüben. |

    Gericht bestätigte Einschätzung der Ärztekammer

    Mit dem Urteil bestätigte das OVG die Einschätzung der Ärztekammer und die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln. Ein Facharzt für Innere Medizin hatte mehrfach Leistungen nach den Vorschriften der GOÄ abgerechnet - in dem Wissen, diese gar nicht erbracht zu haben. Die von dem Arzt nach eigenen Angaben persönlich gefertigten Rechnungen enthielten mit Blick auf die tatsächlich erbrachte Leistung nicht abrechenbare Gebührenpositionen und verstießen damit gegen die GOÄ. Konkret hatte der Arzt sogar Leistungen an Tagen abgerechnet, an denen nachweislich keine Patienten bei ihm in der Praxis waren.

     

    Wer abrechnet, suggeriert das Vorliegen eines Anspruchs

    Wer eine Leistung einfordere, bringe damit das Bestehen des zugrunde liegenden Anspruchs zum Ausdruck, so das OVG. Der Arzt habe also durch die Rechnungsstellung gegenüber den Patienten konkludent geäußert, dass ihm die Forderungen nach der GOÄ zustünden - obwohl er wusste, dass seine Abrechnung gegen die von ihm herangezogenen Gebührenziffern verstießen.

     

    Arzt rechnete nicht mit Protest der Patienten

    Vor den Abrechnungen hat sich der Arzt offenbar überlegt, dass die Krankenversicherung bei Angabe mehrerer Leistungsdaten von beendeten Arzt-Patienten-Kontakten und mithin mehreren Sitzungen ausgeht. Er erwartete, so das OVG, dass die Patienten die Abrechnung gegenüber dem Arzt nicht reklamieren würden, solange die Leistungsträger sie erstatten.

     

    Strafe der Ärztekammer war schuldangemessen

    Durch die vorsätzliche Falschabrechnung habe der Arzt seine Berufspflichten verletzt. Die Entziehung des passiven Berufswahlrechts - hierdurch ist eine Wahl in die Kammerversammlung nicht mehr möglich -, die Auferlegung einer Geldbuße in Höhe von 20.000 Euro und die Veröffentlichung der Entscheidung unter Angabe des vollen Namens des Arztes seien daher eine tat- und schuldangemessene berufsgerichtliche Maßnahme.

     

    Das Berufsvergehen wiege besonders schwer, weil der Arzt systematisch ein der GOÄ widersprechendes Abrechnungssystem gepflegt habe. Die Geldbuße und die Aberkennung des passiven Berufswahlrechts seien vorliegend nicht ausreichend. Das vom Arzt mit erheblicher Hartnäckigkeit verfolgte und verteidigte, gleichzeitig aber verschleierte Abrechnungssystem zeige eine berufsrechtsfeindliche Einstellung. Zur individuellen Disziplinierung des Arztes sei daher die Veröffentlichung der Entscheidung unter Nennung des vollen Namens gerechtfertigt.

    Nicht jede Falschabrechnung ist ein Berufsrechtsverstoß

    Das OVG stellte aber auch klar: Nicht jede falsche Abrechnung ist zugleich ein Verstoß gegen die dem Arzt obliegende Berufspflicht - selbst wenn sich eine im Ansatz vertretbare Bewertung durch den Arzt später als unzutreffend herausstelle. Dies sei auch nicht der Sinn berufsgerichtlicher Verfahren. Hintergrund ist, dass der Arzt bei den Vergütungsregelungen selbst komplexe medizinische wie juristische Interpretationen vornehmen muss.

     

    Solange die Gebühr nicht vorsätzlich falsch gefordert werde oder sich offensichtlich außerhalb jeder vertretbaren rechtlichen Meinung befinde, könne ihr Ansatz nicht als Sorgfaltspflichtverstoß geahndet werden. Ansonsten bestünde für den Arzt die Gefahr, nicht nur zivilrechtlich belangt, sondern auch noch mit berufsrechtlichen Sanktionen belegt zu werden.

    Weitere Konsequenzen bei vorsätzlicher Falschabrechnung

    Neben dem Verlust der Gebührenforderung und berufsrechtlichen Sanktionen drohen Ärzten bei einer vorsätzlichen Falschabrechnung weitere Konsequenzen - von der arbeitsrechtlichen Kündigung des Chefarztes über die strafrechtliche Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs bis hin zum verwaltungsgerichtlichen Widerruf der Approbation. Diesen hatte das Verwaltungsgericht Augsburg in einer Entscheidung aus dem Jahr 2001 (Az. Au 4 K 00.1491) bei einem Chefarzt als rechtmäßig angesehen - er sei unwürdig, den Arztberuf auszuüben. Besagter Chefarzt war zuvor wegen mehrfachen vollendeten und versuchten Abrechnungsbetrugs verurteilt worden.

     

    FAZIT |  Gerade bei Chefärzten spielt in diesem Zusammenhang die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung eine entscheidende Rolle. Zuletzt hatte der „Chefärzte Brief“ über ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 17. April 2013 (Az. 2 Sa 179/12, Abruf-Nr. 131737) berichtet: Es bestätigte die fristlose Kündigung eines Chefarztes, der wiederholt Leistungen privat liquidiert hatte, obwohl er wissentlich gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen hatte (CB 07/2013, Seite 8).

     

    Diese beispielhaften Fälle zeigen, dass bei der Privatliquidation große Sorgfalt anzuwenden ist, um Konsequenzen zu vermeiden, die über eine bloße Regressierung hinausgehen. Dies gilt erst recht, da die Gerichte in der Regel davon ausgehen, dass den Ärzten die Abrechnungsbestimmungen bekannt sind. Folglich droht in Fällen unrichtiger Privatliquidation schnell die Schlussfolgerung, es handele sich um einen bewussten und damit vorsätzlichen Abrechnungsverstoß.

     

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 3 | ID 42226069