Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Arzthaftungsrecht

    Orthopäde muss MRT-Auswertung des Radiologen nicht überprüfen

    von Rechtsanwätin Dr. Christina Thissen, Kanzlei am Ärztehaus, Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

    | Das Oberlandesgericht ( OLG) München hat mit Urteil vom 22. August 2013 (Az. 1 U 204/12, Abruf-Nr. 134038 ) klargestellt: Ein Facharzt für Orthopädie darf sich bei der Therapiewahl auf die Auswertung einer Magnetresonanztomographie (MRT) durch einen Facharzt der diagnostischen Radiologie verlassen. Er muss den schriftlichen radiologischen Befund nur dann hinterfragen, wenn dieser sich nicht oder nur erheblich eingeschränkt mit den von ihm selbst erhobenen klinischen Befunden vereinbaren lässt. |

     

    MRT-Aufnahmen wurden nicht sorgfältig befundet

    Ein Facharzt für Orthopäde riet seinem 56-jährigen Patienten, der auf sein Knie gestürzt war, eine MRT bei einem Radiologen anfertigen zu lassen. Die entsprechenden Ausdrucke der MRT-Aufnahmen sowie die schriftliche ­Beurteilung des Radiologen brachte der Kläger zum nächsten Termin beim Orthopäden mit. Dort war unter anderem ausgeführt: „Beurteilung: Disten­sion und ­Anriss des medialen Kollateralbandes sowie der Quadrizepssehne“.

     

    Der Orthopäde behandelte die Verletzung auf dieser Grundlage konservativ, ohne die MRT-Ausdrucke selbst in Augenschein zu nehmen. Tatsächlich lag ein operationspflichtiger Komplettabriss der Quadrizepssehne vor, der zwischenzeitlich bei konservativer Behandlung zu einem Dauerschaden geführt hat. Der Komplettabriss wäre bei fachkundiger Beurteilung auf der MRT-Aufnahme erkennbar gewesen. Der Patient verklagte den Orthopäden vor dem LG München unter anderem auf Schmerzensgeld von 10.000 Euro - erfolglos.

     

    Orthopäde durfte auf Befundung des Radiologen vertrauen

    Das OLG München wies die Berufung des Patienten gegen das Urteil des LG zurück: Ein einzelner Arzt könne nicht das gesamte medizinische Wissen ­beherrschen und müsse sich daher auf Feststellungen und Befunde aus fremden Facharztgebieten verlassen dürfen. Dieser Grundsatz gelte insbesondere auch im Verhältnis Orthopädie und Radiologie.

     

    Zwar beherrschten - anders als der Beklagte - mittlerweile viele Orthopäden die Auswertung von MRT-Aufnahmen. Dies werde aber von der Weiterbildungsordnung der Orthopäden nicht gefordert. Ohne konkreten Anlass müsse der radiologische Befund nicht hinterfragt werden. Vorliegend durfte sich der beklagte Orthopäde daher auf den Befund seines Kollegen verlassen.

     

    FAZIT |  Wenn Ärzte verschiedener Fachrichtungen an einer Behandlung beteiligt sind, gilt untereinander der Vertrauensgrundsatz. Jeder beteiligte Arzt kann somit davon ausgehen, dass der Kollege des anderen Fachgebiets seine Aufgabe sorgfältig ausgeführt hat, solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 12 | ID 42368835