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  • · Fachbeitrag · Arzthaftung

    Haftungsklage nach Sturz aus Krankenbett stattgegeben

    von Rechtsanwalt Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.spkt.de 

    | Mit Urteil vom 1. August 2011 (Az: 4 U 197/09 ) hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg entschieden, dass die fehlende Sicherung gegen einen Sturz aus dem Krankenbett die Verletzung einer Obhutspflicht darstellen und einen Haftungsanspruch begründen kann. Da dies in die haftungsrechtliche Organisationspflicht des Chefarztes fallen kann, ist das Urteil auch für Chefärzte relevant. |

     

    Der Fall

    Geklagt hatte die Unfallversicherung einer Patientin gegen den Krankenhausträger. Die multimorbide Patientin war nach einem Schlaganfall in die Klinik eingeliefert worden. Die behandelnden Ärzte ordneten wegen dem verwirrten Zustand der Patientin und der daraus resultierenden Sturzgefahr Bettgitter und Fixierung an. Gleichwohl entfernte die Krankenschwester das Gitter am Bett eigenmächtig, da sie von einer Besserung ausging und keine akute Sturzgefährdung mehr sah. Tragischerweise stürzte die Patientin jedoch aus dem Bett, wurde wegen einer Hirnblutung notoperiert und verstarb später.

     

    Die Entscheidung

    Das OLG Bamberg gab in seinem Urteil (Abruf-Nr. 120148) der Klage statt und bejahte eine Obhutspflichtverletzung als Ursache für den Sturz aus dem Krankenbett. Ausdrücklich hob das Gericht hervor, dass in solchen Fällen der Sturzgefahr insbesondere bei verwirrten Patienten das Freiheitsrecht auf der einen Seite und die körperliche Unversehrtheit des Patienten auf der anderen Seite unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen sind. Die Beurteilung der Sturzgefahr hätte den Ärzten oblegen. Den ärztlichen Anordnungen hätte das Pflegepersonal nicht eigenmächtig zuwiderhandeln dürfen. In den Entscheidungsgründen des Urteils wird zudem hervorgehoben, dass im Krankenhaus gegenüber etwa einem Pflegeheim erhöhte Anforderungen an eine Sturzprophylaxe zu stellen sind.

     

    PRAXISHINWEIS |  Auch wenn in dem dortigen Fall der Chefarzt nicht verklagt worden war, kann eine solche Haftungsproblematik auch Chefärzte treffen. Haftungsrechtlich hat der Chefarzt als verantwortlicher medizinischer Leiter seiner Abteilung eine umfassende Organisationspflicht. Somit sollte sich der Chefarzt nicht ohne Weiteres darauf verlassen, dass die Pflegekräfte lege artis und entsprechend den ärztlichen Anordnungen handeln. Obgleich der Chefarzt nicht Dienstvorgesetzter des Pflegepersonals ist, bestehen für ihn Überwachungs- und Kontrollpflichten, ob die Kommunikation zwischen Ärzten und Pflegekräften funktioniert und die ärztlichen Anweisungen auch umgesetzt werden. Daher sollte der Chefarzt im Zweifel per Dienstanweisung sicherstellen, dass Anordnungen über Sicherung und Fixierung der Patienten nur von ärztlicher Seite getroffen werden dürfen und vom Pflegepersonal unbedingt zu befolgen sind.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2012 | Seite 15 | ID 31195580