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  • · Fachbeitrag · Arzthaftung

    Behandlungsfehler: Haftung des Erst-Operateurs auch für Komplikationen bei Folge-OP

    von Rechtsanwalt Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.spkt.de 

    | Wenn ein Behandlungsfehler geschieht, zieht dies bisweilen die Notwendigkeit einer zweiten, korrigierenden Operation nach sich. Dass für Komplikationen hierbei der Erstschädiger in die Haftung genommen werden kann, hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit aktuellem Urteil vom 22. Mai 2012 (Az: VI ZR 157/11, Abruf-Nr. 121869 ) entschieden. |

     

    Der Fall

    Bei der klagenden Patientin war im Rahmen einer Koloskopie ein ca. 5 cm großer Tumor am Übergang zum Sigma sowie weiter proximal ein kleiner gestielter Polyp festgestellt worden. Nach Abtragung des Polypen wurden Proben von dem Tumor entnommen, in denen man Anteile eines invaliden, mäßig differenzierten Adenokarzinoms fand. Daraufhin wurde eine Rektumresektion operativ in Angriff genommen. Hierbei wurde jedoch lediglich die Basis des bei der Koloskopie abgetragenen Polypen entfernt, nicht aber der tiefergelegene Tumor. Nachdem dies im Rahmen einer Kontrollendoskopie auffiel, musste ein erneuter operativer Eingriff vorgenommen werden. Hierbei wurde dann der vom Tumor betroffene Darmabschnitt entfernt und ein künstlicher Darmausgang gelegt. In der Folge stellte sich eine Wundheilungsstörung im Bereich der Bauchdecke sowie eine Anastomoseninsuffizienz im Bereich der Darmnaht ein. Auch der weitere Heilungsverlauf war sehr komplikationsbehaftet.

     

    Die Entscheidung

    Wegen des Vorwurfs eines Behandlungsfehlers hatte die Patientin sowohl den Klinikträger als auch den Operateur auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde ein grober Behandlungsfehler bejaht: Der Operateur habe sich vor der OP nicht vergewissert, welche Darmteile zu entfernen seien. Wenn sogleich nicht nur die Basis des Polypen, sondern auch der Tumor entfernt worden wäre, hätte es des zweiten Eingriffs nicht bedurft. Dabei bejahte der BGH ausdrücklich eine Haftungspflicht auch für die nach der zweiten OP eingetretenen Komplikationen. Dem stehe nicht entgegen, dass die eingetretenen Komplikationen nicht spezifische Risiken der Zweit-OP seien, sondern genauso gut schon bei der ersten Operation hätten auftreten können. Die Risiken der Folge-OP seien vollumfänglich dem „Erstschädiger“ zuzuordnen.

     

    PRAXISHINWEIS | Ausnahmen hiervon gelten nach ständiger BGH-Rechtsprechung nur dann, wenn bei der Zweit-OP ein Behandlungsfehler geschieht, dessen Folgen allein dem Operateur des zweiten Eingriffs anzulasten sind. Ein „einfacher“ Kunstfehler bei der Korrektur-OP unterbricht den Kausalzusammenhang zum Erstschädiger aber nicht. Dieser würde nur dann unterbrochen, wenn der Erst-Operateur beweisen kann, dass die Komplikation auch bei lege artis erfolgter Erst-OP genauso aufgetreten wäre - und ein solcher Beweis ist extrem schwer zu führen.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2012 | Seite 14 | ID 34224900