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  • · Fachbeitrag · Arzneimittelrecht

    Off-Label-Use: Wann sind Medikamente außerhalb ihres Anwendungsbereichs in der Klinik zulässig?

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.spkt.de

    | Nicht selten werden Medikamente außerhalb des eigentlich zugelassenen Anwendungsbereichs eingesetzt, das heißt im sogenannten Off-Label-Use. Hier kann es zu Streit kommen, wenn die Krankenkasse dem Krankenhausträger die Vergütung verweigert. Spätestens wenn Einnahmeausfälle auf eine Krankenhausabteilung durchschlagen, kann dies zum Problem für den Chefarzt werden. Der folgende Beitrag zeigt, wann ein Off-Label-Use in der Klinik zulässig ist und von der Krankenkasse vergütet werden muss. |

    Strenge Voraussetzungen im ambulanten Bereich

    Off-Label-Use bedeutet, dass das Arzneimittel zwar über eine Zulassung in Deutschland verfügt, im konkreten Fall beim Patienten aber außerhalb der von den Zulassungsbehörden genehmigten Anwendungsgebiete eingesetzt wird. Im ambulanten Bereich gibt es hierfür strenge Voraussetzungen.

     

    Rechtsprechung stellt drei Bedingungen

    Die Rechtsprechung erlaubt den Off-Label-Use im ambulanten Bereich nur unter der Voraussetzung, dass

    • es um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht,
    • keine andere Therapie verfügbar ist und
    • aufgrund der Datenlage ein Behandlungserfolg in objektiv begründeter Weise zu erwarten ist.

     

    Die Erfüllung der letztgenannten Bedingung setzt voraus, dass entweder die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III oder gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht worden sind.

     

    Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

    Im ambulanten Bereich ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden eine positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) Bedingung dafür, dass die Leistung überhaupt vergütungsfähig ist. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind solche diagnostischen und therapeutischen Verfahren, deren medizinische Wirksamkeit nicht oder nicht eindeutig nachgewiesen sind.

    Andere Regeln im stationären Bereich

    Immer wieder versuchen gesetzliche Krankenversicherungen, unter Heranziehung dieser Kriterien auch für den stationären Bereich die Krankenhausvergütung zu Fall zu bringen. Dies kann sich erheblich auf die Einnahmen einer Abteilung auswirken. Im Bereich der Vergütung stationärer Leistungen gelten jedoch andere Grundsätze als im ambulanten Bereich.

     

    Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt

    Im Gegensatz zum ambulanten Bereich bedarf eine neue Behandlungsmethode im stationären Bereich keiner besonderen Zulassung. Sie ist zulässig, solange der GBA dazu keine negative Stellungnahme abgegeben hat. Den sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung sieht der Gesetzgeber darin, dass die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter Behandlungsmethoden wegen der internen Kontrollmechanismen und der Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich als geringer einzustufen sei als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte.

    Der Fall vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

    Mit Urteil vom 18. März 2010 (Az. L 9 KR 280/08, Abruf-Nr. 130288) hatte das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Patient unter schubförmig progredienter Multipler Sklerose litt und sich achtmal in jeweils zweitägiger stationärer Behandlung befand.

     

    Dem Patienten wurde dabei das Arzneimittel Cyclophosphamid (Handelsname: Endoxan) intravenös verabreicht. Dieses ist arzneimittelrechtlich als Zytostatikum für die Therapie verschiedener Krebserkrankungen, nicht aber zur Behandlung der Multiplen Sklerose zugelassen. Unter Verweis auf einen unzulässigen Off-Lable-Use verweigerte die gesetzliche Krankenversicherung dem Krankenhaus die Vergütung für diese Behandlung.

    Urteil: Krankenkasse muss Behandlung zahlen

    Der Weigerung der Krankenversicherung ist das LSG entgegengetreten und hat der Vergütungsklage des Krankenhausträgers stattgegeben. Das Gericht argumentierte, die für den Bereich der ambulanten Versorgung geltenden restriktiven Voraussetzungen für einen Off-Label-Use seien für den stationären Bereich nicht anwendbar. Grund hierfür sei die grundsätzlich unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung durch den Gesetzgeber.

     

    Ob Endoxan im vorliegenden Fall Off-Label oder On-Label verwendet wurde, sei für die Krankenhausvergütung irrelevant. Daher sei trotz Off-Label-Use, der im ambulanten Bereich möglicherweise unzulässig gewesen wäre, die Krankenhausvergütung durch die Krankenkasse zu bezahlen.

     

    PRAXISHINWEISE | Auch wenn eine höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu dieser Frage noch nicht vorliegt, ist auf der Grundlage des LSG-Urteils ein Off-Label-Use im Krankenhaus zulässig, ohne dass die für die ambulante Versorgung bestehenden engen Grenzen zu beachten wären.

    Das vorliegende Urteil kann Krankenkassen, die bei Off-Label-Use die Vergütungszahlung verweigern, entgegengehalten werden. Voraussetzung ist hiernach lediglich, dass der Einsatz des Medikaments im Off-Label-Use medizinisch notwendig war und aus fachmedizinischer Sicht nicht zu beanstanden ist. Zudem muss die stationäre Behandlungsbedürftigkeit im konkreten Fall begründbar sein. Wenn der Arzt bzw. das Krankenhaus dies nachweisen kann, besteht der Vergütungsanspruch und kann auch gerichtlich durchgesetzt werden.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 12 | ID 37143810