Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht


    Wie lange verbleibt eine berechtigte Abmahnung des Chefarztes in der Personalakte?


    von Dr. Guido Mareck, Direktor am Arbeitsgericht Siegen 


    | Wenn die Krankenhausleitung sich in medizinische Belange einmischt, die der (Chef-)Arzt am besten beurteilen kann, platzt diesem schon einmal der Kragen. Wird die Diskussion zu heftig, fallen mitunter böse Worte - vielleicht mit der Folge, dass der Chefarzt wegen seiner offenen Worte abgemahnt wird. Wie lange verbleibt eigentlich eine Abmahnung in der Personalakte? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu ein Urteil gefällt, das nicht nur für Chefärzte interessant ist ( Urteil vom 19. Juli 2012, Az: 2 AZR 782/11, Abruf-Nr. 130540 ). |

    Der Fall: Abmahnung des Arbeitgebers


    Die klagende Arbeitnehmerin war als Angestellte für die Zahlstelle eines Planetariums verantwortlich. Mitte Juli 2007 übergab sie die Unterlagen der Zahlstelle an den Institutsleiter. Dabei händigte sie statt des Originalkassenbuchs eine von ihr gefertigte Zweitfassung mit nur ein oder zwei Einträgen aus. Bei einer im August 2007 durchgeführten Kontrolle wurde das Originalkassenbuch nicht mehr aufgefunden. Die Klägerin gab an, dieses bereits im April an ihre Nachfolgerin übergeben zu haben. Sie habe das Kassenbuch auch nicht zurückerhalten, als sie ihre Nachfolgerin vertrat.


    Im April 2008 mahnte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin ab. Hierbei beanstandete er, dass das Kassenbuch unter ihrer Verantwortlichkeit abhandengekommen sei. Sie habe hierdurch gegen die Pflicht zur sorgfältigen Führung der Zahlstelle verstoßen. Darüber hinaus habe sie durch ihre Erklärungen den Eindruck erweckt, die Verantwortung hierfür treffe ihre Nachfolgerin.


    Das Urteil: Kein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung


    Die Arbeitnehmerin klagte auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung. Der Arbeitgeber hält hingegen an der Abmahnung fest. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied: Auf Grundlage der bisherigen gerichtlichen Feststellungen besteht kein Anspruch der Klägerin auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.


    Warnfunktion der Abmahnung


    Das BAG sah zwei Funktionen einer Abmahnung: eine Warnfunktion sowie eine Rüge- und Dokumentationsfunktion. Mit Blick auf die Warnfunktion könne die Abmahnung nach längerer Dauer bei einwandfreiem Verhalten des Arbeitnehmers ihre Wirkung verlieren. Hierfür sei der jeweilige Einzelfall maßgeblich. So könne nach längerer Zeit einwandfreier Führung eine erneute Abmahnung notwendig sein, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung wegen einer weiteren gleichartigen Pflichtverletzung gerechtfertigt sei.


    Rüge- und Dokumentationsfunktion der Abmahnung


    Unabhängig hiervon sei die Rüge- und Dokumentationsfunktion der Abmahnung zu beurteilen, die den Arbeitnehmer auf seine vertraglichen Pflichten hinweise und auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam mache.


    Ein Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung setze danach nicht nur voraus, dass sie ihre Warnfunktion verloren habe, sondern dass der Arbeitgeber darüber hinaus kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der Pflichtverletzung habe. Dies sei nicht der Fall, solange eine zu Recht erteilte Abmahnung zum Beispiel für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung bzw. Beförderung oder für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis noch von Bedeutung sei. 


    Verstrichene Zeit seit der Abmahnung wichtig


    Insofern seien alle rechtlichen Gesichtspunkte zu würdigen und eine Abwägung im Einzelfall zu treffen. Das habe das LAG unterlassen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, inwieweit das gerügte Fehlverhalten weiterhin von Bedeutung für eine Beurteilung der Fähigkeiten und Leistungen der Arbeitnehmerin sein könne. Daher bestehe ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Dokumentation einer Pflichtverletzung nicht zwangsläufig für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses. 


    Ein lange zurückliegender, nicht schwerwiegender und durch anschließendes Wohlverhalten überholter Pflichtverstoß habe seine Bedeutung für eine spätere Interessenabwicklung in der Regel verloren. Da nicht feststehe, ob die behaupteten Tatsachen, die zur Abmahnung geführt hatten, tatsächlich vorlagen, verwies das BAG den Fall zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das LAG zurück. Soweit die Vorwürfe des Arbeitgebers zutreffen, so die Bundesarbeitsrichter, sei die Abmahnung nämlich sowohl bestimmt genug als auch verhältnismäßig gewesen.


    PRAXISHINWEIS |  Das Urteil ist auch auf angestellte Chefärzte anwendbar. Wurde er abgemahnt, hat er auch nach Ablauf einer Regelfrist - sie wird von der Rechtsprechung bei etwa zwei Jahren angesiedelt - nicht in jedem Fall einen Anspruch auf Entfernung einer berechtigten Abmahnung aus der Personalakte. Allein der Zeitablauf nimmt der Klinik nämlich nicht das Interesse an der Dokumentation der Pflichtverletzung. Ob neben dem Verlust der Warnfunktion auch die Rüge- und Dokumentationsfunktion durch den Zeitablauf erledigt ist, bedarf einer umfassenden Einzelfallabwägung. Hierbei kommt vor allem die Schwere der Pflichtverletzung ins Spiel sowie die Frage, inwieweit die Pflichtverletzung trotz der langen Zeit noch in das Arbeitsverhältnis einwirkt. Einen automatischen Entfernungsanspruch allein wegen der verstrichenen Zeit hat der Chefarzt somit nicht, wie das Urteil des BAG deutlich macht.

    Weiterführender Hinweis


    • Auf unserer Website cb.iww.de finden Sie unter der Rubrik „Downloads“ eine Checkliste, die Ihnen bei der Prüfung hilft, ob Sie die Entfernung einer Abmahnung verlangen können.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 16 | ID 38592220