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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Lästige Zusatzaufgaben für Chefärzte: Wann darf die Klinikleitung diese übertragen?

    von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Anna Brix, Rechtsanwälte Ulsenheimer und Friederich, München, www.uls-frie.de 

    | Immer häufiger werden Chefärzte von der Klinikleitung gedrängt, einer Übertragung von Unternehmerpflichten zuzustimmen - meist geht es dabei um Arbeitsschutzvorschriften. Die vorformulierten Schreiben tragen Überschriften wie „Pflichtenübertragung - Betrieblicher Arbeitsschutz“ oder „Übertragung von Arbeitgeberpflichten“ und haben das Ziel, die Verantwortung des Chefarztes weitreichend auszudehnen. Dieser Beitrag erklärt, wann der Chefarzt die Notbremse ziehen sollte. |

    Beispiele für die Übertragung von Zusatzaufgaben

    So heißt es zum Beispiel in einer Dienstanweisung, dass der Chefarzt zukünftig „in eigener Verantwortung0“ dafür Sorge zu tragen hat, dass

     

    • die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz unter Beteiligung der Beschäftigten seiner Abteilung durchgeführt oder fortgeschrieben bzw. abgearbeitet wird.

     

    • notwendige Arbeitsschutzmittel angeschafft bzw. zur Verfügung gestellt, regelmäßig auf Funktionsfähigkeit überprüft und entsprechend der Vorgaben von den Mitarbeitern eingesetzt und getragen werden.

     

    • festgestellte Sicherheitsmängel unverzüglich beseitigt werden.

     

    • alle betroffenen Mitarbeiter gemäß Arbeitsschutzgesetz unterwiesen und mit dem Umgang von Arbeitsmitteln vertraut gemacht werden.

     

    • für seine Abteilung Arbeitsanweisungen als Standards erstellt werden, die Mitarbeiter hierin unterwiesen und die Anwendung kontrolliert werden.

     

    • eine regelmäßige Berichterstattung über Arbeits- und Gesundheitsschutz gegenüber der Geschäftsführung erfolgt.

     

    Hier stellt sich die Frage: Sind dies noch typische Pflichten eines Chefarztes, sodass er diese umfangreichen Aufgaben übernehmen muss?

    Verantwortlichkeit der Klinik

    Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet in erster Linie die Klinik als Arbeitgeber zur Einhaltung der Arbeitsschutzpflichten. Selbstverständlich können Führungskräfte in die Aufgaben eingebunden werden - wie etwa die Geschäftsleitung des Krankenhauses. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber laut Gesetz andere zuverlässige und fachkundige Personen beauftragen.

    Ist der Chefarzt eine „fachkundige Person“ ?

    Ob ein Chefarzt eine solche „fachkundige Person“ darstellt, ist zweifelhaft: Der Arbeitgeber - und nicht ein Angestellter wie der Chefarzt - ist nämlich nach dem Arbeitsschutzgesetz Adressat der Forderung, alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Er muss prüfen, ob die hierfür durchgeführten Maßnahmen wirksam sind - falls nicht, muss er sie anpassen. Dabei muss es immer sein Ziel sein, dass sich die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten verbessert.

     

    PRAXISHINWEIS | Laut Gesetz hat der Arbeitgeber eine geeignete Organisation zur Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen zu etablieren und auch die erforderlichen Mittel hierfür bereitzustellen. Schließlich muss er sicherstellen, dass die Maßnahmen bei allen Tätigkeiten beachtet werden und die Beschäftigten hieran mitwirken. Kurzum: Es obliegt dem Arbeitgeber, den Arbeitsschutz in der Klinik zu überprüfen, anzupassen und - falls nötig - zu verbessern.

     

    Chefarzt ohne Ausgabenkompetenz beim Arbeitsschutz

    Dass nicht der Chefarzt der richtige Adressat für eine Sicherstellung des Arbeitsschutzes darstellt, zeigt sich bereits daran, dass er schon dienstvertraglich nicht dazu berechtigt ist, die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen: Der Chefarzt kann üblicherweise keine verbindlichen Ausgaben für den Klinikträger tätigen. Im Gegenteil: Meist wird in den Chefarzt-Verträgen ausdrücklich festgehalten, dass allein die Geschäftsführung berechtigt ist, Rechtsgeschäfte einzugehen.

     

    Der Chefarzt ist dafür verantwortlich, dass „seine“ Patienten nach dem Stand der medizinischen Kenntnis ärztlich versorgt werden. Es gehört jedoch nicht zu seinen Aufgaben, weitreichende Kenntnisse des Arbeitsschutzes in seine Tätigkeit einzubringen. Insofern wird der Chefarzt in der Regel keine fachkundige Person im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes sein

     

    PRAXISHINWEIS | Die Übernahme von Verantwortlichkeiten für den Arbeitsschutz ist dem Chefarzt somit nicht zu empfehlen: Er wird in der Regel den Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes nicht entsprechen können und sich bei Übernahme entsprechender Zusatzaufgaben im Bereich des Arbeitsschutzes somit dem Vorwurf aussetzen, gegen dieses Gesetz zu verstoßen. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, dass der Chefarzt zum Beispiel bei Fragen der Hygiene oder anderen Teilbereichen beratend zur Seite steht. Dies kann aber nicht dazu führen, hier eine generalisierende Verantwortung zu konstruieren.

     

    Form und Inhalt der Pflichtenübertragung

    Sofern ein Chefarzt trotz alledem zusätzliche Arbeitgeberpflichten übernehmen will, sollten sich die übertragenen Pflichten mit den aus dem Chefarzt-Vertrag ergebenden Pflichten vereinbaren lassen und diese sinnvoll ergänzen. Art und Umfang der zusätzlichen Aufgaben sollten möglichst genau umschrieben sein und dem Chefarzt die erforderlichen Handlungskompetenzen und Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Hierdurch wird er zum Beispiel befähigt, selbstständig zu handeln und die Schnittstellen zu benachbarten Verantwortungsbereichen eindeutig festzulegen.

     

    Hintergrund hierfür ist, dass die beschriebenen, eigentlich dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten nur dann übertragen werden können, wenn der beauftragten Person die zur Wahrnehmung erforderlichen Weisungsbefugnisse sowie die benötigten organisatorischen, personellen und finanziellen Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten eingeräumt werden.

    Was kommt konkret auf den Chefarzt zu?

    Der Chefarzt übernimmt mit der Unterzeichnung der Vereinbarung für Zusatzaufgaben im Bereich Arbeitsschutz die Pflichten des Arbeitgebers zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Hierdurch ist er zukünftig selbst für die Durchführung der erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen verantwortlich.

     

    Die Klinikleitung wird durch diese Vereinbarung nicht von allen Pflichten befreit, sondern bleibt verantwortlich für die Aufsicht und Kontrolle. Außerdem hat sie dafür zu sorgen, dass die übertragenen Pflichten auch tatsächlich umgesetzt werden. Die Krankenhausleitung hat zumindest stichprobenartig zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt werden. Hintergrund: Seine Aufsichtsfunktion kann der Klinikträger - vertreten durch die Geschäftsführung - nicht delegieren, sondern muss sie selbst wahrnehmen.

    Der Chefarzt als Medizinprodukteverantwortlicher?

    Aktuell werden Chefärzte vermehrt zum „Medizinprodukteverantwortlichen“ bestellt. Eine solche Bestellung birgt enorme haftungs- und strafrechtliche Risiken! Daher sollte der Chefarzt darauf achten, dass die übertragenen Aufgaben klar definiert sind und ihm die notwendige personelle und sächliche Infrastruktur zur Verfügung steht. Wegen der lauernden Risiken sollte er es im Zweifel ablehnen, ein solches Amt zu übernehmen.

     

    Anders liegt es beim „Medizinproduktebeauftragten“: Hierbei ist der Verantwortungsbereich wesentlich kleiner als beim „Medizinprodukteverantwortlichen“, sodass auch weniger Risiken entstehen. Der Übertragung eines solchen Amtes kann der Chefarzt daher entspannter entgegensehen.

     

    FAZIT | Unternehmerpflichten aus den Bereichen Arbeitsschutz und Unfallverhütung gehören nicht zu den primären Aufgaben eines Chefarztes. Solche Pflichten können daher nicht einseitig per Dienstanweisung auf ihn übertragen werden - vielmehr muss der Chefarzt hierbei zustimmen. Seine Zustimmung sollte er jedoch nicht leichtfertig erteilen. Dies gilt wegen der haftungsrechtlichen Risiken auch für die Bitte, als „Medizinprodukteverantwortlicher“ zu fungieren. Entspannter ist die Lage für den Chefarzt als „Medizinproduktebeauftragter“ - aus rechtlicher Sicht gibt es hierbei weniger Bedenken bei einer Übernahme.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 1 | ID 42952526