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  • 01.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130706

    Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 26.08.2003 – 3 U 1840/00

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Koblenz

    26.08.2003

    3 U 1840/00

    In dem Rechtsstreit
    hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz
    durch
    den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kubiak sowie
    die Richter am Oberlandesgericht Miller und Ritter
    auf die mündliche Verhandlung vom 08.07.2003
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.11.2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz teilweise abgeändert und das Urteil insgesamt neu gefasst wie folgt:

    Die Beklagten zu 1), 5) und 6) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 20.000,00 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 07.01.1993 zu zahlen.

    Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

    Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des ersten Rechtszuges werden wie folgt verteilt:

    Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 7/10, sowie die Beklagten zu 1), 5) und 6) zusammen 3/10. Die Klägerin trägt 2/5 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1), 5) und 6) sowie die gesamten außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2), 3) und 4). Die Beklagten zu 1), 5) und 6) tragen 3/10 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

    Für die Kosten des Berufungsverfahrens gilt: Die Gerichtskosten werden zu 1/2 der Klägerin und zu 1/2 den Beklagten zu 1), 5) und 6) auferlegt. Die Klägerin trägt 2/5 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1), 5) und 6), die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2), 3) und 4) voll und 2/5 der durch die Nebenintervention verursachten Kosten. Die Beklagten zu 1), 5) und 6) tragen 1/2 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

    Im Übrigen trägt jeder seine Kosten selbst.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Tatbestand

    Mit der Klage verlangt die Klägerin als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes K... H....... Schmerzensgeld wegen Verletzung ärztlicher Pflichten, außerdem Schadensersatz.

    K... H....... wurde am 06.01.1989 im L....-Krankenhaus in A..........., dessen Trägerin der Beklagte zu 1) ist, von den Beklagten zu 2) und 3) wegen eines Prostataadenoms operiert und anschließend in der urologischen Abteilung des Krankenhauses nachbehandelt. Als der Patient am 15.01.1989 u.a. über Rückenschmerzen geklagt und die konsiliarisch hinzugezogene Beklagte zu 4) eine Ischialgie diagnostiziert hatte, wurde er am 25.01.1989 in die orthopädische Abteilung verlegt. Dort zeigten sich bei ihm in der Nacht vom 26. zum 27.01.1989 Unruhe- und Verwirrtheitszustände, worauf die Beklagten zu 5) und 6), Fachärzte für Innere Medizin, im Rahmen eines internistischen Konsils Verdacht auf Stammhirninsult annahmen. Am 31.01.1989 wurde K... H....... wegen anhaltender Beschwerden in die internistische Abteilung verlegt, deren Chefarzt der Beklagte zu 5) war. Leitender Arzt der inneren Abteilung war der Beklagte zu 6).

    Nachdem am Freitag, dem 03.02.1989, der hinzugezogene Urologe Dr. K.... den Verdacht auf eine neurogene Blasenentleerungsstörung des Patienten geäußert hatte, wurde am 09.02.1989 von den seitens der Beklagten zu 5) und 6) konsiliarisch hinzugezogenen Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie M...... H... und Dr. K.... K..... ein Computertomogramm des Schädels ohne wesentlichen Befund angefertigt. Aufgrund einer lumbal entnommenen Liquorprobe diagnostizierten dieselben Ärzte eine spinale Blutung und empfahlen daraufhin eine konservative Therapie, die in der internistischen Abteilung des L....-Krankenhauses dann durchgeführt wurde. Am 17.02.1989 wurde der Patient in die chirurgische Abteilung verlegt, wo man ihn wegen Magenblutungen operativ behandelte. Als er am 27.02.1989 beide Beine nicht mehr bewegen konnte, wurde er am selben Tage wegen akuten Kaudasyndroms in die Universitätsklinik K... verlegt. Dort erfolgte sofort eine Operation am Rückgrat, bei welcher eine frischere und eine ältere spinale Blutung festgestellt wurden. Die beidseitige Paraparese der Beine blieb bestehen. K... H....... verstarb am 18.10.1990.

    Die von der Klägerin angerufene Gutachter- und Schlichtungsstelle bei der Landesärztekammer ... erließ auf Grund eines Gutachtens des Facharztes für Anästhesie Prof. Dr. H...... M..... (Bl. 39 ff. GA) am 04.09.1995 einen ablehnenden Bescheid. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde verworfen.

    Die Klägerin hat vorgetragen, die Lähmung ihres Ehemannes sei auf Behandlungsfehler der Beklagten zu 2) bis 6) zurückzuführen. Insbesondere sei zu spät auf die bei dem Patienten aufgetretenen Symptome reagiert worden.

    Die Klägerin hat beantragt,

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welches aber den Betrag von 60.000,00 DM nicht unterschreiten sollte, zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 07.01.1993 zu zahlen;

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz von 5.000,00 DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit Zustellung der Klage zu zahlen.

    Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und vorgetragen, keinen Behandlungsfehler begangen zu haben.

    Das Landgericht hat die Klage nach Einholung von Gutachten der Sachverständigen Dr. B..., Dr. S....... und Prof. Dr. G.... mit der Begründung abgewiesen, ein ärztlicher Behandlungsfehler der Beklagten zu 2), 3) und 4) sowie die Ursächlichkeit ärztlicher Behandlungsfehler der Beklagten zu 5) und 6) für den eingetretenen Schaden seien nicht bewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

    Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, diese aber, soweit die Klage gegen die Beklagten zu 2), 3) und 4) abgewiesen worden ist, zurückgenommen. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt sie vor, den Beklagten zu 5) und 6) sei ein schwerer Behandlungsfehler in Form einer grob fehlerhaft unterlassenen Befunderhebung unterlaufen. Deshalb treffe die Beklagten die Beweislast dafür, dass die Lähmung bei dem verstorbenen K... H....... auch bei richtiger Behandlung aufgetreten sein würde. Bei rechtzeitiger Diagnose würde man das bei dem Patienten vorhandene Angiom entfernt haben.

    Die Klägerin beantragt,

    das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagten zu 1), 5) und 6) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 65.000,00 DM zuzüglich 4 % Zinsen aus 60.000,00 DM seit dem 07.01.1993 und 4 % Zinsen aus 5.000,00 DM seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

    Die Beklagten beantragen,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie tragen vor, die Berufung sei unzulässig, soweit sie die Klageforderung gegen den Beklagten zu 1) betreffe, da es insoweit an einer Berufungsbegründung fehle. Außerdem sei den Beklagten zu 5) und 6) kein Behandlungs- oder Diagnosefehler, erst recht kein grober Fehler, vorzuwerfen. Denn sie hätten als Internisten nicht über Spezialkenntnisse aus dem Bereich der Neurologie verfügen müssen. In Anbetracht der festgestellten Symptome und des Umstandes, dass der Patient bereits 75 Jahre alt und schwer vorgeschädigt gewesen sei, seien die in der internistischen Abteilung ergriffenen Maßnahmen völlig ausreichend gewesen und lege artis durchgeführt worden. Auch nach der Empfehlung der am 09.02.1989 hinzugezogenen Neurologen sei eine neurologische Intervention nicht geboten gewesen. Die zeitliche Verzögerung der neurologischen Untersuchung habe keine Auswirkungen gehabt.

    Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

    Die Beklagten zu 1), 5) und 6) haben mit Schriftsatz vom 12.03.2003 Herrn Dr. K.... W. K..... den Streit verkündet. Dieser ist dem Verfahren auf Seiten der Beklagten beigetreten.

    Er beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze und Urkunden (bis Bl. 660 GA) Bezug genommen. Die Parteien haben ihren Vortrag in nicht vorbehaltenen Schriftsätzen nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergänzt (vom 6.8.2003 und vom 22.8.2003, Bl. 661 ff. und Bl. 668 ff. GA).

    Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen Dr. S....... vom 21.11.2001 (Bl. 501 ff. GA) und Prof. Dr. G.... vom 24.12.2002 (Bl. 593 ff. GA) nebst mündlicher Erläuterung seitens des Sachverständigen Dr. S....... (Protokoll vom 04.06.2003; Bl. 567 ff. GA)sowie des Sachverständigen Prof. Dr. G.... (Protokoll vom 08.07.2003; Bl. 656 ff. GA). Auf den jeweiligen Inhalt wird ebenfalls Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe

    Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch nur zum Teil Erfolg.

    Nicht zu folgen ist der Rechtsansicht des Beklagten zu 1), dass die gegen ihn gerichtete Berufung gemäß § 519 ZPO unzulässig sei, weil die Berufungsbegründung keine gesonderten Ausführungen zu seiner, des Beklagten zu 1), Haftung enthalte. Da die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sich auf Ausführungen zur Haftung der Beklagten zu 2) bis 6) beschränken, mussten auch in der Berufungsbegründung keine Ausführungen zum Anspruch gegen den Beklagten zu 1) enthalten sein. Das Landgericht hat offenbar stillschweigend voraussetzen, dass nur im Falle der Haftung eines oder mehrer der in erster Instanz beklagten Ärzte ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) bestehen könne. Dies greift die Klägerin mit ihrer Berufung nicht an, so dass es insofern auch nicht der Angabe von Gründen der Anfechtung i. S. des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO bedurfte.

    I.

    Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1), 5) und 6) einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen fehlerhafter Behandlung ihres verstorbenen Ehemannes K... H....... (§§ 823 Abs. 1, 31, 89 BGB, § 847 BGB a. F.).

    Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin von K... H........ Sie ist seine testamentarische Alleinerbin (Gemeinsames Testament vom 20.07.,1984; Bl. 17 GA).

    A.

    Die Beklagten zu 5) und 6) (im Folgenden: die beklagten Ärzte) haften der Klägerin gemäß § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz, weil sie es schuldhaft pflichtwidrig unterließen, während des Aufenthalts von K... H....... in der internistischen Abteilung des L....-Krankenhauses in A........... die Ursachen der bei dem Patienten aufgetretenen Blasenentleerungsstörung nach den damals geltenden Regeln der Medizin zu ermitteln, und dadurch eine Ursache für seine am 27.02.1989 festgestellte Querschnittslähmung setzten.

    1.

    Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts, dass die beklagten Ärzte einen Behandlungsfehler begingen, indem sie am 03.02.1989 trotz des von dem Urologen Dr. K.... geäußerten Verdachts auf neurogene Blasenentleerungsstörung keine sofortige diagnostische Abklärung veranlassten. Dieser Fehler wurde auch nicht dadurch beseitigt, dass sie den Patienten sechs Tage später von Fachärzten für Nervenheilkunde untersuchen ließen. Denn im Anschluss an diese Untersuchung verstießen die beklagten Ärzte weiterhin gegen ihre ärztliche Sorgfaltspflicht, da sie es auch nach der am 09.02.1989 gestellten Diagnose einer spinalen Blutung unterließen, zur endgültigen Klärung eine geeignete bildgebende Darstellung zu veranlassen.

    Die vom Landgericht und vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten kommen, soweit sie sich mit dem Beweisthema beschäftigen, übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es einen Fehler der behandelnden Ärzte darstellte, wenn sie beim Auftreten von Blasenentleerungsstörungen in der extremen Form einer Überlaufblase in Verbindung mit Lasègue'schem Zeichen, Nackensteife, Rückenschmerzen und Gangunsicherheit - wie hier - dem dadurch begründeten Verdacht auf eine neurogene Erkrankung nicht unverzüglich konsequent nachgingen. So hat der Sachverständige Dr. S....... in seinem neurochirurgischen Gutachten vom 21.11.2001 ebenso wie bereits in seinem Gutachten vom 19.08.1999 ausgeführt, dass die Verdachtsdiagnose einer neurogenen Blasenentleerungsstörung unter allen Umständen sogleich weiter abgeklärt werden müsse, weil die Rückbildung durch längeres Zuwarten erschwert oder unmöglich werden könne (Bl. 508 GA und S. 34 d. Guta. Anlg. zu Bd. I GA). Aus der Sicht eines Internisten hat der Sachverständige Prof. Dr. G.... in seinem Gutachten vom 24.12.2002 festgehalten, die am 03.02.1989 neu aufgetretene Symptomatik einer neurogenen Blasenentleerungsstörung habe promptes diagnostisches Vorgehen erfordert, ggf. unter Verlegung des Patienten in eine geeignete Klink (Bl. 604 f. GA).

    Die Beklagten können sich gegenüber dem Schuldvorwurf nicht darauf berufen, dass es sich bei dem schließlich festgestellten Angiom um eine extrem seltene Erkrankung gehandelt habe, mit der sie nicht hätten zu rechnen brauchen. Denn ihnen wird nicht vorgeworfen, dass sie gerade die Möglichkeit eines Rückenmarkangioms nicht erkannten, sondern, dass sie eine ganze Gruppe möglicher Ursachen für die als neurogen diagnostizierte Blasenentleerungsstörung außer Acht ließen, nämlich u.a. eine spinale Subarachnoidalblutung anderen Ursprungs, ein Trauma der Lendenwirbelsäule oder einen Bandscheibenvorfall (vgl. S. 8 Gutachten des Sachverständigen Dr. S....... vom 21.11.2001; Bl. 508 GA). Zur Abklärung aller dieser möglichen Ursachen wäre es erforderlich gewesen, den Rückgradbereich zu untersuchen.

    Die Pflicht der beklagten Ärzte zu einer vollständigen Befunderhebung entfiel nicht dadurch, dass die am 09.02.1989 konsiliarisch hinzugezogenen Neurologen die Empfehlung aussprachen, den Patienten lediglich konservativ zu behandeln. Denn die Ursache der Blasenentleerungsstörung war weiterhin ungeklärt, nachdem die Untersuchung durch die Konsiliarärzte lediglich erbracht hatte, dass kein Anhalt für eine Störung im cerebralen Bereich festzustellen war, aber die entnommene Liquorprobe auf eine ältere spinale Blutung schließen ließ. Der von den gerichtlichen Sachverständigen aufgezeigte Handlungsbedarf bestand also fort, d. h., die Empfehlung der Neurologen war falsch. Als behandelnde Ärzte waren die Beklagten verpflichtet, diese Empfehlung eigenverantwortlich zu überprüfen. Etwas anderes kann nur gelten, soweit der beratende Facharzt Kenntnisse anwendet, welche die behandelnden Ärzte nicht haben und nicht haben müssen. Ein solcher Fall war hier nicht gegeben.

    Wenngleich die beklagten Ärzte nicht Neurologen, sondern Fachärzte der Inneren Medizin waren, mussten sie auf Grund ihrer Ausbildung im Stande sein, die Fehlerhaftigkeit der Empfehlung ihrer Kollegen zu erkennen. Dazu hat der internistische Sachverständige Prof. Dr. G.... ausgeführt, die damals bestehende Notfallsituation sei von einem Arzt der Inneren Medizin zu erfassen gewesen, da zu dessen Ausbildungsstandard die Vermittlung und der Erwerb von Kenntnissen über Diagnostik und Therapie von Erkrankungen des Nervensystems gehöre (Bl. 603 f. GA). Dies hat er bei seiner Anhörung am 08.07.2003 dahin erläutert, dass in der Vorgehensweise der Internisten sowohl am 03.02.1989 als auch nach dem 09.02.1989 ein vorwerfbarer Komplex zu erkennen sei, wenngleich es ihm im kollegialen Miteinander normal und deshalb entschuldbar erscheine, dass die beklagten Ärzte auf die - fehlerhafte - Empfehlung der Fachärzte für Neurologie gehört hätten. Aufgrund der nachvollziehbaren Darstellung des Sachverständigen besteht kein Zweifel, dass es zu den Sorgfaltspflichten der beklagten Ärzte gehörte, am 09.02.1989 weitere diagnostische Maßnahmen in Bezug auf die Blasenentleerungsstörung des von ihnen behandelten Patienten zu veranlassen.

    Selbst wenn es "normal" sein sollte, dass ein Arzt die Empfehlung des konsiliarisch hinzugezogenen Facharztes bei der Behandlung ungeprüft befolgt, so ist ein solches Verhalten doch fahrlässig. Denn objektiver Maßstab der Fahrlässigkeit nach § 276 BGB ist nicht die im Verkehr übliche, sondern die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (BGH NJW 1965, S. 1075). Die Äußerungen des Sachverständigen zur Frage der Entschuldbarkeit sind in diesem Zusammenhang unerheblich, und zwar zum einen deshalb, weil das Vorliegen eines objektiven Behandlungsfehlers nicht vom subjektiven Verschulden abhängt, zum anderen, weil diese rein juristische Frage nicht der Beurteilung durch einen Sachverständigen unterliegt. Ob - wie vom Sachverständige Dr. S....... in seiner mündlichen Erläuterung am 04.06.2002 vertreten - der Fehler der beklagten Ärzte nicht als schwer zu qualifizieren ist, bedarf hier keiner Prüfung.

    Da nach den Angaben der Beklagten das L....-Krankenhaus nicht über die technische Ausstattung verfügte, die zur Durchführung einer geeigneten bildgebenden Darstellung erforderlich war, hätte der Patient K... H....... in eine Klinik verlegt werden müssen, in der eine Myelographie oder eine Kernspintomographie in der erforderlichen Qualität möglich war. Die beklagten Ärzte handelten also auch über den 09.02.1989 hinaus schuldhaft pflichtwidrig, indem sie eine solche Maßnahme unterließen.

    2.

    Es ist davon auszugehen, dass das Verhalten der beklagten Ärzte für die bei dem Patienten eingetretene beidseitige Paraparese der Beine ursächlich wurde. Insofern besteht für die Klägerin eine Beweiserleichterung. Denn die nicht vorgenommene Untersuchung hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Entdeckung des vorhandenen Angioms im Rückgradbereich geführt. In diesem Fall würde das Unterlassen einer geeigneten Behandlung einen groben Behandlungsfehler dargestellt haben. Wären aber die gebotenen Behandlungsmaßnahmen getroffen worden, so wäre ein Erfolg dieser Maßnahmen möglich und nicht von vornherein ganz unwahrscheinlich gewesen.

    Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. z.B. BGH NJW 1999, S. 3408, 3410) [BGH 06.07.1999 - VI ZR 290/98] hat ein Verstoß gegen die ärztliche Pflicht zur medizinisch gebotenen Befunderhebung zunächst zwar nur insofern eine Beweiserleichterung für den Patienten zur Folge, als auf ein positives Befundergebnis geschlossen werden kann, wenn ein solches hinreichend wahrscheinlich war. Ein solcher Verstoß kann aber darüber hinaus auch für die Kausalitätsfrage beweiserleichternde Bedeutung gewinnen, nämlich dann, wenn im Einzelfall zugleich auf einen groben Behandlungsfehler zu schließen ist, weil sich bei der unterlassenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder - was hier einschlägig ist - die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen müsste (BGH a.a.O..). Ein solcher Fall lag hier vor.

    a)

    Dass bei Anwendung geeigneter Untersuchungsmethoden das Rückenmarkangiom des Patienten entdeckt worden wäre, welches Ursache für die später eingetretene Parese wurde, ist sehr wahrscheinlich.

    Der Sachverständige Dr. S....... kommt in seinem Gutachten vom 19.08.1999 (Anlage zu Band I GA) zu dem Ergebnis, dass die am 27.02.1989 bei K... H....... festgestellte Querschnittslähmung als Folge einer Raumforderung der Cauda equina, d. h., des untersten Rückenmarksanteils infolge spinaler Subarachnoidalblutungen anzusehen sei (S. 40 d. Guta.). Wie der Sachverständige Dr. B..., Facharzt für Pathologie und Neuropathologie, in seinem Gutachten vom 12.07.1999 auf Grund der Untersuchung am 27.02.1989 entnommener histopathologischer Präparate ausgeführt hat, ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die aufgetretenen Blutungen aus einer arteriovenösen Missbildung, einem Angiom, in Höhe der BWS 12 / LWS 1 herrührten (Bl. 288 GA). Dem hat sich der Sachverständige Dr. S....... in seinem Gutachten vom 19.08.1999 angeschlossen (S. 40 d. Guta.), der außerdem in seinem Gutachten vom 21.11.2001 festgestellt hat, dass dieses Angiom sehr wahrscheinlich auch für die vorausgegangene Blasenentleerungsstörung ursächlich gewesen sei (Bl. 520 GA).

    Das Angiom, welches bis zum 27.02.1989 nicht bekannt war, hätte nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S....... durch bestimmte bildgebende Darstellungen sichtbar gemacht werden können. In seinem Gutachten vom 19.08.1999 nennt der Sachverständige zwei Verfahren, die hierzu geeignet seien, nämlich die Myelographie, d. h., eine Röntgenaufnahme des Spinalbereichs unter Verwendung von Kontrastmittel, und die Kernspintomographie (S. 44 f. d. Guta.). In seinem Gutachten vom 21.11.2002 ergänzt er seine Ausführungen durch den Hinweis, dass eine Kernspintomographie mit der Gabe eines Kontrastmittels hier als die bessere Methode anzusehen sei, und stellt ohne Einschränkungen fest, dass auf diese Weise das vorhandene Angiom bereits am 04.02.1989 entdeckt worden wäre (Bl. 510, 515 GA). Dies habe bereits im Jahre 1989 gegolten, da schon damals sämtliche diagnostischen Voraussetzungen an den großen Behandlungszentren der Bundesrepublik Deutschland vorhanden gewesen seien (Bl. 525 GA).

    b)

    Wäre auf Grund einer Myelographie oder einer Magnetresonanzaufnahme erkannt worden, dass bei K... H....... im Rückenmarkbereich ein Angiom vorhanden war, so hätte es einen groben Behandlungsfehler bedeutet, wenn ihm nicht unverzüglich therapeutische Maßnahmen zur Entfernung dieser Missbildung angeboten worden wären.

    aa)

    Der Sachverständige Dr. S....... bezeichnet es in seinem Gutachten vom 21.11.2001 als einen groben Fehler, d. h., einen Fehler, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht verantwortbar sei und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfe, wenn bei Vorliegen eines Verdachts auf neurogene Blasenentleerungsstörung eine diagnostische Abklärung unterlassen werde (Bl. 523 f. GA). Ebenso beantwortet er die Frage, ob bei rechtzeitigem Erkennen des Rückenmarkangioms das Unterlassen einer Behandlung grob fehlerhaft gewesen wäre, eindeutig mit ja (Bl. 524 GA). Bei K... H....... habe es sich seit dem 03.02.1989 um eine medizinische Notfallsituation gehandelt, auf Grund deren die erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen unabhängig von der Uhrzeit so schnell als eben möglich hätten unternommen werden müssen. Denn die Rückbildung einer Blasenlähmung sei umso langwieriger, je länger die Raumforderung nicht entfernt werde, und letztlich bestehe die Gefahr einer permanenten Behinderung (Bl. 508 f. GA).

    Als mögliche Therapie beschreibt der Sachverständige Dr. S....... in seinem Gutachten vom 19.08.1999 (S. 44 ff. d. Guta.) nachvollziehbar folgende Vorgehensweise: Nach Lokalisation des Angioms durch eine Magnetresonanztomographie oder eine Myelographie wäre dessen Struktur mittels spinaler Angiographie festgestellt worden. Der Wirbelkanal hätte dann vom Rücken des Patienten her eröffnet werden und dadurch ein operativer Zugangsweg zur Entfernung des - bauchwärts gelegenen - Angioms geschaffen werden können. Die Operateure hätten anschließend seitlich am Rückenmark vorbei und vorne um das Rückenmark herum arbeiten müssen, um eine Exstirpation zu versuchen. Zur Vermeidung von Schäden am Rückenmark hätte zuvor auch der Versuch unternommen werden können, eine Embolisation der Gefäßmissbildung mit Hilfe einer selektiven Katheterdarstellung der zuführenden Arterie zu erreichen. Bei Verbleiben eines Restangioms hätte eine endgültige operative Entfernung erfolgen können. Auch bezüglich der therapeutischen Möglichkeiten ergebe sich für das Jahr 1989 keine Einschränkung (Guta. v. 21.11.2001; Bl. 525 GA). Die Aussage, dass bei rechtzeitiger Verlegung des Patienten in eine geeignete Klinik das Unterlassen einer neurochirurgischen Therapie grob fehlerhaft gewesen sein würde, bezieht sich auf die beschriebenen Maßnahmen.

    bb)

    Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. G.... im Rahmen der mündlichen Erläuterung seiner Gutachten am 08.07.2003 ausgeführt, selbst wenn man bereits am 03.02.1989 die erforderlichen diagnostischen Maßnahmen ergriffen und eine diagnostischen Absicherung erreicht haben würde, so würde auf Grund des Allgemeinzustandes des Patienten ein weiteres Zuwarten sehr wahrscheinlich nahe gelegen haben und der weitere Verlauf bis zum 27.02.1989 nach Auffassung des Sachverständigen kein anderer gewesen sein. Das ergebe sich insbesondere aus den bei dem Patienten aufgetretenen Magenblutungen und der dadurch erforderlich gewordenen Notfalloperation. Mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S....... stimme er insofern nicht überein, als dieser im konkreten Fall eine spinale Angiographie für möglich halte. Dies sei auf Grund der Logistik des betreuenden Krankenhauses nicht möglich gewesen; auch habe es vor dem 27.02.1989 weder Kenntnisse noch Notwendigkeiten gegeben, den Patienten in ein anderes Krankenhaus zu verlegen. Selbst wenn aber der Patient bereits am 03.02.1989 in eine Universitätsklinik verlegt worden wäre, so würde auf Grund der Gesamtschau der Dinge, insbesondere der internistischen Bewertung des Patienten, auch dort eine abwartende Haltung eingenommen worden sein.

    cc)

    Bei der Beurteilung der objektiven Notwendigkeit einer sofortigen Behandlung zur Vermeidung einer permanenten Blasenentleerungsstörung oder einer Querschnittslähmung folgt der Senat der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. S........ Dieser besitzt als Neurochirurg die Kompetenz, das Beweisthema zu beantworten. An den fachlichen Fähigkeiten des Sachverständigen, der Privatdozent und Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik der Universität M.... ist, bestehen keine Zweifel. Seine Ausführungen sind nachvollziehbar und überzeugend.

    Dagegen hält der Senat den Sachverständigen Prof. Dr. G...., der Facharzt für Innere Medizin, nicht aber für Neurologie oder Neurochirurgie ist, für nicht kompetent, Notwendigkeit und Durchführbarkeit einer neurochirurgischen Behandlung zu beurteilen. Diese Einschätzung des Senates deckt sich damit, dass der Sachverständige in seinem Gutachten vom 24.12.2002 zu der Frage, ob es einen groben Behandlungsfehler dargestellt haben würde, dem Patienten keine Behandlung des Angioms anzubieten, selbst erklärt hat, Kenntnisse zur Therapie fielen in das neurochirurgische Fachgebiet und könnten von internistischer Seite nicht ausreichend beantwortet werden (Bl. 605 GA). Daraus ergibt sich, dass die von ihm am 08.07.2003 vertretene Meinung, auch bei frühzeitiger Befunderhebung würde eine neurochirurgische Therapie nicht sofort eingeleitet worden sein, nicht von der erforderlichen Sachkunde getragen ist.

    Zudem ist die Argumentation des Sachverständigen Prof. Dr. G.... insgesamt nicht überzeugend, weil sie insofern einen Bruch aufweist , als er einerseits in seinem letzten Gutachten ausgeführt hat, nach Diagnostizierung des Verdachts auf neurogene Blasenentleerungsstörung sei zur weiteren Abklärung die prompte Verlegung des Patienten in eine andere Stadt notwendig gewesen (Bl. 604 f. GA), andererseits aber am 08.07.2003 erklärt hat, bereits für eine - in einem anderen Krankenhaus durchzuführende - spinale Angiographie habe keine Notwendigkeit bestanden. Dieser Widerspruch ist nicht dadurch ausgeräumt worden, dass der Sachverständige versucht hat, ihn damit zu erklären, dass die in seinem Gutachten bejahte Notwendigkeit der Verlegung in ein anderes Krankenhaus sich nur auf den weiteren diagnostischen Bedarf am 03.02.1989 beziehe. Denn in demselben Gutachten wird die Notwendigkeit einer bildgebenden Darstellung auch für den 09.02.1989 bejaht (Bl. 607 GA). Welche Beweggründe den Sachverständigen zu seinen Äußerungen veranlasst haben, ob insbesondere das Bestreben eine Rolle spielte, sich den beklagten Ärzten gegenüber loyal zu verhalten, bedarf keiner Klärung, da jedenfalls die Widersprüchlichkeit es ausschließt, der in der mündlichen Erläuterung geäußerten Auffassung zu folgen.

    Auch soweit der Sachverständige Prof. Dr. G.... seine Auffassung zur Möglichkeit einer neurochirurgischen Behandlung auf seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Inneren Medizin stützt, überzeugen seine Ausführungen nicht. Als Hauptgrund dafür, dass K... H....... sogar bei sofortiger Verlegung in eine neurochirurgische Klinik bis zum 27.02.1989 keine Behandlung des Angioms erfahren haben würde, hat der Sachverständige die Magenblutung des Patienten genannt. Diese aber trat unstreitig erst am 15.02.1989, also elf Tage nach der Diagnostizierung einer neurogenen Blasenstörung, auf, so dass sie der Durchführung der erforderlichen Diagnosemaßnahmen und anschließenden Einleitung einer neurochirurgischen Therapie in der Zeit ab 04.02.1989 nicht entgegengestanden haben würde. Es muss auch nicht als höchstwahrscheinlich angenommen werden, dass diese Therapie bis zum 15.02.1989 noch nicht abgeschlossen gewesen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass, wie bereits dargetan, zur Verhinderung von Dauerschäden ein promptes Tätigwerden der Ärzte geboten war.

    Soweit der Sachverständige Prof. Dr. G.... schließlich den schlechten Allgemeinzustand des Patienten als Grund für die Notwendigkeit eines Zuwartens bis zum 27.02.2003 angeführt hat, kann ihm ebenfalls mangels Kompetenz nicht gefolgt werden. Es handelt sich hier nicht um eine Frage, die von einem Internisten zu beantworten wäre. Im Falle einer rechtzeitigen Verlegung von K... H....... in eine neurochirurgische Klinik wäre es vielmehr Aufgabe der behandelnden Neurochirurgen gewesen, zu entscheiden, ob der körperliche Zustand des Patienten der Durchführung der geplanten Behandlungsmaßnahmen entgegenstand. Der vergleichsweise schlechte Allgemeinzustand des K... H....... aber, wie er sich in den ersten Tagen nach dem 03.02.1989 darstellte, ist auch dem Sachverständigen Dr. S....... bekannt gewesen und von ihm in seinem Gutachten vom 19.08.1999 gewürdigt worden (S. 8 - 16 d. Guta.). Er hält dennoch die Durchführung einer neurochirurgischen Behandlung in der Zeit nach dem 03.02.1989 für möglich. Der Senat hat auch insoweit keine Zweifel an der Kompetenz dieses Sachverständigen. Für die Auffassung des Sachverständigen Dr. S....... spricht zudem, dass am 27.02.1989 von den behandelnden Neurochirurgen kein Grund gesehen wurde, von einer Rückenmarkoperation im Hinblick auf den - zu diesem Zeitpunkt sogar noch verschlechterten - Allgemeinzustand des Patienten abzusehen, und dass diese Operation dann auch tatsächlich durchgeführt werden konnte.

    dd)

    Bei der Beurteilung des hypothetischen Behandlungsfehlers ist davon auszugehen, dass im Falle eines positiven Befundes nicht ein Internist, sondern ein Neurologe oder Neurochirurg die Behandlung hätte veranlassen müssen. In Anbetracht dessen hat der Senat keine Zweifel, dass es bei Anlegung des für einen Facharzt dieser Richtung geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabs nicht mehr verständlich gewesen wäre, wenn dem Patienten trotz Feststellung eines Rückenmarkangioms keine Therapie angeboten worden wäre. Denn zumindest einem Neurologen oder Neurochirurgen hätte es bei Kenntnis der Blasenentleerungsstörung und der Raumforderung im Rückenmarksbereich schlechterdings nicht unterlaufen dürfen, die außergewöhnlichen Gefahren zu verkennen, die bei Untätigkeit dem Patienten K... H....... drohten, oder nichts zur Abwendung dieser Gefahren zu unternehmen. Dass eine Behandlungsmöglichkeit bestand, ist bereits ausgeführt worden.

    c)

    Wäre eine Behandlung des Angioms in den ersten Tagen nach dem 03.02.1989 eingeleitet worden, so hätte für K... H....... die Aussicht auf Heilung und Verhinderung einer Lähmung bestanden. Diese Möglichkeit kann nicht als völlig unwahrscheinlich unberücksichtigt bleiben.

    aa)

    Ein grober Behandlungsfehler hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich Beweiserleichterungen bezüglich der Kausalität für den eingetretenen Schaden zur Folge. Das gilt nicht, wenn der Arzt beweist, dass ein Zusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden höchst unwahrscheinlich ist.

    Die Beweiserleichterungen sind der Ausgleich dafür, dass die Behandlungsseite durch ihr fehlerhaftes Vorgehen das Spektrum der möglichen Schadensursachen erweitert und so eine Sachlage herbeigeführt hat, die nicht mehr erkennen lässt, ob das ärztliche Versagen oder eine anderer Ursache den schädigenden Erfolg herbeigeführt hat (BGH NJW 1997, S. 796, 797). Für die Begründung einer Haftung reicht es grundsätzlich aus, dass der grobe Verstoß des Arztes geeignet ist, den konkreten Gesundheitsschaden hervorzurufen (vgl. BGH NJW 1983, S. 333, 334). Je unwahrscheinlicher ein solcher ursächlicher Zusammenhang ist, desto geringer wirken sich im Ergebnis auch die durch den Behandlungsfehler verursachten Aufklärungsschwierigkeiten aus; ihr Gewicht verringert sich also gleichsam mit der wachsenden Unwahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs (BGH NJW 1988, S. 2949, 2950) [BGH 28.06.1988 - VI ZR 217/87]. Jedenfalls dann, wenn eine kausale Verknüpfung mit dem Schaden in hohem Maße unwahrscheinlich ist, muss dem bei der Frage nach der gerechten Beweislastverteilung Rechnung getragen werden (BGH NJW 1995, S. 778, 779) [BGH 04.10.1994 - VI ZR 205/93].

    Im vorliegenden Fall würde das Unterlassen einer neurochirurgischen Behandlung bei Kenntnis des Rückenmarkangioms einen ganz besonders schweren Verstoß gegen die Regeln der Medizin bedeutet haben, so dass eine nur geringe Chance des Gelingens einer Therapie ausreicht, eine Beweislastumkehr herbeizuführen.

    bb)

    Der Sachverständige Dr. S....... hat hierzu in seinem Gutachten vom 19.08.1999 (S. 45 ff. d. Guta.) ausgeführt: Bei dem Versuch der Entfernung eines solchen Angioms, sei eine iatrogene, d. h., unmittelbar durch den Operateur verursachte, Schädigung des Rückenmarks bis hin zur Verursachung eines Querschnittssyndroms häufig nicht zu vermeiden. Außerdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Exstirpation partielle Infarkte in unmittelbarer Nähe zum Rückenmark aufträten, welche die gleichen Folgen haben könnten. So könne es durchaus möglich sein, dass angesichts der ungünstigen Lage des Angioms im vorliegenden Fall die Indikation zu seiner operativen Entfernung verantwortlicher Weise nicht hätte a priori gestellt werden können. Aber auch nach einer vorausgegangenen Embolisation würde die anschließend möglicher Weise erforderlich gewordene Operation ähnliche Risiken geborgen haben. Ergänzend formuliert der Sachverständige in seinem Gutachten vom 21.11.2001, bei Vorliegen eines Angioms im Rückenmarkbereich gelinge es nur "in den allerseltensten Fällen", eine solche Gefäßmissbildung aus dem physiologischen Blutkreislauf des Rückenmarks erfolgreich auszuschalten. Dazu verweist er auf eine Studie in den USA betreffend Embolisationsbehandlungen von 14 Patienten (Bl. 511 ff. GA).

    Zur Frage, ob bei dem Patienten K... H....... eine ordnungsgemäße Behandlung die Querschnittslähmung verhindert haben würde, heißt es dann in dem Gutachten, dies sei nicht stringent mit ja oder nein zu beantworten. Da aber durch die Lumbalpunktion vom 09.02.1989 die Existenz einer bereits abgelaufenen Subarachnoidalblutung gesichert sei, ohne dass dieses Ereignis bei dem Patienten eine Paraparese der Beine hervorgerufen hätte, würde die Durchführung einer spinalen Angiographie zur Erforschung der Angioarchitektur der Gefäßmissbildung unter guten Voraussetzungen möglich gewesen sein. Dies würde das Konzept einer therapeutischen Strategie ermöglicht haben, während bei der am 27.09.1989 tatsächlich durchgeführten Notoperation nur eine globale Kenntnis über Ausdehnung und Sitz der Missbildung vorgelegen habe (Bl. 517 GA).

    Auch bei der Beurteilung der Erfolgschance einer Behandlung zur Vermeidung einer Querschnittslähmung folgt der Senat der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. S........ Dieser besitzt als Neurochirurg die Kompetenz, das Beweisthema zu beantworten. Soweit dagegen der Sachverständige Prof. Dr. G.... im Rahmen der mündlichen Erläuterung seiner Gutachten am 08.07.2003 ausgeführt hat, eine Querschnittslähmung wäre nach seiner Auffassung selbst dann nicht verhindert worden, wenn man bereits am 03.02.1989 die erforderlichen diagnostischen Maßnahmen ergriffen haben würde, hält der Senat diesen Sachverständigen als Facharzt für Innere Medizin nicht für kompetent, das Beweisthema zu beantworten. Auch insofern wird auf die Erklärung des Sachverständigen Prof. Dr. G.... in seinem Gutachten vom 24.12.2002 verwiesen, dass Kenntnisse zur Therapie in das neurochirurgische Fachgebiet fielen und von internistischer Seite nicht ausreichend beantwortet werden könnten (Bl. 605 GA).

    Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S....... zu der Frage, ob eine Querschnittslähmung hätte verhindert werden können, sind nachvollziehbar und überzeugend. Insbesondere hat der Sachverständige das hohe Risiko, das mit der neurochirurgischen Behandlung eines Rückenmarkangioms allgemein verbunden ist, ausführlich geschildert, andererseits aber die Besonderheiten des vorliegenden Falles aufgezeigt, die hier verbesserte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie bedeutet haben würden.

    cc)

    Eine neurochirurgische Behandlung des Patienten K... H....... wäre nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme grundsätzlich geeignet gewesen, die später eingetretene Paraparese der Beine zu verhindern.

    Allerdings hätte nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit bestanden, das Angiom zu entfernen oder durch Embolie auszuschalten. Immerhin bestand, wie der Sachverständige Dr. S....... überzeugend ausgeführt hat, für den Patienten im konkreten Fall eine verbesserte Ausgangssituation. Wenngleich die Chance des Gelingens einer Therapie also nur gering gewesen wäre, würde deren Verzögerung durch einen Neurologen oder Neurochirurgen doch zu einer Beweiserleichterung geführt haben. Denn ein Arzt, der das Rückenmarkangiom erkannt hätte und dem Patienten dennoch nicht unverzüglich eine entsprechende Behandlung angeboten hätte, die Therapie also verhindert oder doch zumindest um mehrere Wochen verzögert hätte, würde angesichts der Eindeutigkeit der Diagnose und der anwendbaren Therapie sowie des Ausmaßes der drohenden und erkennbaren Gefahr einen äußerst schweren Verstoß gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen begangen haben. Er würde dem Patienten die einzige Chance genommen haben, eine lebenslange Querschnittslähmung zu verhindern, obwohl es hierfür Behandlungsmethoden gab, die in der Medizin anerkannt waren und im konkreten Fall ohne Weiteres zur Verfügung standen. Dadurch wäre der Patient insofern benachteiligt worden, als infolge des Behandlungsfehlers nicht mehr hätte aufgeklärt werden können, ob sein danach eingetretener Körperschaden Folge dieses Fehlers war oder ob er unabhängig davon eingetreten wäre. Würde diese Benachteiligung nicht durch eine Beweiserleichterung bezüglich der Kausalitätsfrage ausgeglichen, so wäre praktisch kein Fall denkbar, in welchem bei vergleichbarer Diagnose das Unterlassen der zur Abwehr einer Querschnittslähmung dringend gebotenen Therapie eine Schadensersatzpflicht des behandelnden Arztes zur Folge hätte. Darin läge eine unerträgliche Risikoverlagerung zu Lasten des Patienten. Angesichts der Schwere des Verstoßes ist deshalb eine Beweiserleichterung, und zwar eine Beweislastumkehr, geboten.

    dd)

    Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass der Patient K... H....... oder seine Angehörigen in eine neurochirurgische Behandlung nicht eingewilligt haben würden. Diese Behauptung der Beklagten ist streitig; sie haben dafür keinen Beweis angetreten. Die Wahrheit der Behauptung ergibt sich auch nicht aus dem unstreitigen oder bewiesenen Sachverhalt.

    Der Behandlungsfehler, der bei rechtzeitig durchgeführter Diagnostik in der Unterlassung des Angebots einer neurochirurgischen Therapie gelegen haben würde, wäre nicht schadenskausal gewesen, wenn es jedenfalls deshalb nicht zur Therapie gekommen wäre, weil der Patient einer solchen nicht zugestimmt haben würde. Hierfür sind die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig, da es sich um den Einwand handelt, es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem groben Behandlungsfehler und dem eingetretenen Schaden. Die Klägerin genügt ihrer Darlegungspflicht mit dem Vortrag, die behandelnden Ärzte seien verpflichtet gewesen, den Patienten bzw. dessen Angehörige über die möglichen Untersuchungsmethoden und deren Folgen zu unterrichten; bei richtiger Vorgehensweise würde eine erfolgreiche Heilbehandlung durchgeführt worden sein.

    Die von dem Sachverständigen Dr. S....... aufgezeigten erheblichen Risiken, die mit einer neurochirurgischen Behandlung verbunden gewesen wären, lassen allenfalls den Schluss zu, dass der Patient im Falle des Angebots der geeigneten Behandlung in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, ob er in den vorgeschlagenen Eingriff eingewilligt hätte oder nicht. Nicht zu schließen ist daraus, dass es auf keinen Fall zu einer Einwilligung gekommen wäre. Denn der Patient wäre darüber aufgeklärt worden, dass ihm im Falle einer Nichtbehandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine dauernde Behinderung gedroht hätte (vgl. dazu S. 46 d. Guta. Dr. S....... v. 19.08.1999).

    Nach allem ist davon auszugehen, dass die in der Zeit vom 03.02. bis zum 26.02.1989 unterlassen Befunderhebung ursächlich für die eingetretene Querschnittslähmung geworden ist.

    3.

    Der gegen die Beklagten zu 5) und 6) gerichtete Anspruch ist nicht verjährt (§ 852 BGB a. F.).

    Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung verjährte nach § 852 BGB in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangte. Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen erhielt K... H....... nicht vor August 1990. Denn erstmals am 02.08.1990 gingen seinen Rechtsanwälten die Krankenunterlagen des L....-Krankenhauses zu. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt war für den Geschädigten ungewiss, ob der eingetretene Schaden auf die unerlaubte Handlung eines der behandelnden Ärzte zurückzuführen war und welcher der Ärzte ggf. das Delikt begangen hatte.

    Die Verjährung begann daher frühestens im August 1990 zu laufen und wurde mit Beantragung des Schiedsverfahrens vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle der Landesärztekammer ... im Juli 1991, also nach allenfalls elf Monaten gehemmt (§ 852 Abs. 2 BGB a. F.). Das gilt auch für den Anspruch gegen den Beklagten zu 6). Denn dieser ist in dem an die Gutachter- und Schlichtungsstelle gerichteten Antragsschreiben der Klägervertreter vom 10.07.1991 unter den behandelnden Ärzten, denen mögliche Behandlungsfehler vorgeworfen wurden, aufgeführt. Dass er in den Bescheiden der Gutachter- und Schlichtungsstelle nicht als Beteiligter aufgeführt ist, schadet nicht, da nicht angenommen werden kann, dass das Schiedsverfahren quasi hinter seinem Rücken durchgeführt wurde, obwohl ohne Zweifel der Krankenhausträger daran beteiligt war (vgl. dazu BGH NJW 1983, S. 2075 f.). Die Hemmung durch das Schiedsverfahren dauerte bis zum 10.05.1996 (Bescheid des Schlichtungsausschusses der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz; Bl. 62 GA).

    Durch Klageeinreichung am 29.04.1997 wurde die Verjährung unterbrochen.

    4.

    Die beklagten Ärzte haften aus unerlaubter Handlung auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 20.000,00 Euro (§ 847 BGB a. F.).

    Ein Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für Schäden und Lebensbeeinträchtigungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Wesentliche Grundlage für die Bemessung der billigen Entschädigung im Sinne des § 847 BGB bilden die Größe, die Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen, außerdem der Verschuldensgrad des Schädigers (BGHZ Bd.18, S. 149 ff.). Zu berücksichtigen sind die persönlichen Verhältnisse des Verletzten wie Alter, Geschlecht, Beruf und persönliche Neigungen. Einem jungen Menschen, der einen schweren Dauerschaden erlitten hat, ist häufig ein höheres Schmerzensgeld zuzusprechen, weil er noch lange an den Verletzungsfolgen zu tragen hat, während bei einem älteren Geschädigten i. d. R. ein geringeres Schmerzensgeld angemessen erscheint, weil dieser keinen so langen Leidensweg vor sich hat wie eine jüngere Person (vgl. BGH NJW 1991, S. 154, 1545).

    Der Festsetzung des Schmerzensgeldes liegen folgende Beeinträchtigungen des Geschädigten zugrunde: K... H....... erlitt infolge der unerlaubten Handlung der beklagten Ärzte im Alter von 75 Jahren eine Querschnittslähmung ab BWK12 / LWK 1, also insbesondere eine Lähmung beider Beine sowie der Schließmuskeln von Darm und Blase. Infolge ständiger Bettlägerigkeit kam es bei ihm zu schweren Dekubituswunden, welche Hauttransplantationen erforderlich machten. Aufgrund seines schlechten körperlichen Zustandes wurde er depressiv und äußerte Suizidabsichten. Der Patient wurde nach dem Auftreten der Querschnittslähmung zunächst rund 15 Monate lang stationär behandelt, davon zwei Monate in einer Rehabilitationsklinik. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus musste er von seiner Ehefrau ständig gepflegt werden. Wegen des aufgetretenen Dekubitus erfolgte im Sommer 1990 eine erneute stationäre Behandlung. Zur Durchführung der erforderlichen Hauttransplantationen wurden mehrere Operationen vorgenommen. Eine weitere Behandlung wurde dadurch erforderlich, dass es zu einem Bruch der Operationsnarbe kam, die von dem am 18.02.1989 vorgenommenen Eingriff herrührte. K... H....... verstarb am 18.10.1990, also knapp anderthalb Jahre nach Eintritt der Querschnittslähmung.

    Querschnittslähmungen gehören zu den schwersten körperlichen Beeinträchtigungen eines Menschen überhaupt und werden daher in der Rechtsprechung meist mit sehr hohen Schmerzensgeldbeträgen abgegolten. Hat der Geschädigte jedoch - wie hier - nach dem Schadensfall nur noch eine relativ geringe Zeit gelebt und steht somit bei Schluss der mündlichen Verhandlung fest, dass er nicht weiter leiden muss, so wirkt sich dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schmerzensgeldmindernd aus (BGH VersR 1963, 232, 253). Andererseits ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass selbst dann, wenn der Geschädigte alsbald nach dem Schadensfall verstorben ist, im Hinblick auf die in der Zeit bis zum Tod eingetretene immaterielle Beeinträchtigung ein Schmerzensgeld gerechtfertigt sein kann (vgl. z.B. BGH NJW 1998, S. 2741, 2742) [BGH 12.05.1998 - VI ZR 182/97]. Eine direkte Proportionalität der Schmerzensgeldhöhe zu der Lebensdauer des Verletzten kann also nicht angenommen werden.

    Angesichts der extremen körperlichen Schädigung, der Beeinträchtigungen durch die äußerst langwierige nachfolgende stationäre Behandlung und der ungewöhnlich starken Einschränkung der Lebensqualität sowie unter Berücksichtigung der Vorschädigungen des Geschädigten und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von etwa fünf Jahren, wie sie dessen Alter bei Schadenseintritt damals entsprach, wäre nach Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 DM oder 51.129,19 Euro angemessen gewesen, wenn es nicht zum vorzeitigen Tod des Ehemanns der Klägerin gekommen wäre. Dabei wird berücksichtigt, dass dieser bei Eintritt des Schadens an arterieller Hypotonie, Diabetes mellitus, degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule und Magengeschwüren litt. Nicht bestätigt wurde dagegen bei der neurologischen Untersuchung am 09.02.1989 der Verdacht auf Stammhirninsult, so dass insofern keine Vorschädigung angenommen werden kann. Da die Leidenszeit des Betroffenen sich dadurch, dass er anderthalb Jahre nach dem Schadenseintritt verstarb, um mehr als die Hälfte der durchschnittlichen Lebensdauer verkürzt hat, ist eine Reduzierung des Schmerzensgeldes auf 20.000,00 Euro gerechtfertigt.

    B.

    Der Beklagte zu 1) haftet neben den beklagten Ärzten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes (§§ 31, 89, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 847 Abs. 1 BGB a. F.).

    Der Beklagte zu 5) war in der Zeit, in welcher der Ehemann der Klägerin im Krankenhaus des Beklagten zu 1) behandelt wurde, Chefarzt der internistischen Abteilung. Als solcher war er verfassungsmäßig berufener Vertreter des Beklagten zu 1), einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, und diese haftet daher gemäß §§ 31, 89 BGB für die ärztliche Tätigkeit des Chefarztes. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Beklagte zu 1) darlegte, dass die Organisation in seinem Krankenhaus zu einer anderen Beurteilung führen müsste (vgl. dazu BGH NJW 1987, S. 2925 [BGH 30.06.1987 - VI ZR 257/86]). Ein solcher vom Normalfall abweichender Sachverhalt wird jedoch nicht vorgetragen.

    In Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen verursachte der Beklagte zu 5), wie oben ausgeführt, durch ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten die Querschnittslähmung des Patienten K... H........ Für den dem Patienten zugefügten Schaden ist daher der Beklagte zu 1) verantwortlich (§ 31, 89 BGB). Er schuldet der Klägerin somit die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 20.000,00 Euro.

    Auch dieser Anspruch ist nicht verjährt. Die Ausführungen unter Ziff. I. A. 3. gelten entsprechend. Der Beklagte zu 1) kann sich nicht darauf berufen, bereits bei Eintritt des Schadens sei hinreichend sicher gewesen, dass zumindest einer seiner Ärzte eine unerlaubte Handlung begangen habe. Denn als deliktische Verursacher des Schadens kamen auch Ärzte in Betracht, die nicht bei dem Beklagten zu 1) angestellt waren.

    II.

    Ein Anspruch auf Ersatz materiellen Schadens ist nicht dargetan.

    Ein Ersatzanspruch aus eigenem Recht steht der Klägerin nicht zu, da ihr gegenüber keine unerlaubte Handlung begangen wurde und die Bestimmungen der §§ 844, 845 BGB nicht einschlägig sind.

    Soweit die Klägerin den Schadensersatzanspruch gemäß § 823 BGB als Rechtsnachfolgerin des Geschädigten geltend macht, fehlt es an einem ausreichenden Vortrag zum angeblich entstandenen Schaden.

    Die Klägerin verlangt Ersatz von

    Fahrkosten für Besuche bei ihrem Ehemann während dessen stationärer Behandlung,
    Kosten der bei dieser Gelegenheit mitgebrachten Gegenstände und
    Kosten zusätzlichen Aufwandes an Wäsche.

    Dazu trägt die Klägerin vor, es sei ein Schaden in Höhe von insgesamt 5.000,00 DM dadurch entstanden, dass sie in die Krankenanstalten, in denen ihr verstorbener Ehemann in Behandlung gewesen sei, eine Vielzahl von Fahrten habe unternehmen müssen, ihm Literatur, Getränke u.Ä. mitgebracht habe und während seines Aufenthalts in der gemeinsamen Wohnung zusätzlicher Aufwand an Wäsche wie Schlafanzüge, Handtücher und Bettwäsche entstanden sei. Da ihr Ehemann sich wund gelegen habe, habe die Bettwäsche ständig getauscht werden müssen.

    Zu a):

    Die Fahrtkosten können nach dem vorgetragenen Sachverhalt nicht als Schaden des Ehemanns der Klägerin behandelt werden. Diese Kosten sind nicht dem geschädigten Patienten, sondern der Klägerin entstanden und stellen deshalb grundsätzlich keinen Schaden des Deliktgeschädigten dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Kosten von Besuchen nächster Angehöriger am Krankenbett des Verletzten als Schaden des Verletzten auf Grund unerlaubter Handlung allerdings in einem engen Rahmen ersatzfähig, jedoch nur, soweit die Besuche für die Gesundung des Patienten nach seinem Befinden medizinisch notwendig sind und die Kosten sich auf das Unvermeidbare beschränken (vgl. BGH NJW 1991, S. 2340, 2341 zu einem Fall, in welchem ein sechsjähriges Kind von seinen Eltern im Krankenhaus besucht wurde). Diese Voraussetzungen sind hier nicht dargetan. Es genügt nicht, dass die Krankenbesuche der Klägerin bei ihrem Ehemann sich auf das psychische und physischen Befinden des Patienten günstig auswirkten und deshalb zweifellos wünschenswert waren (vgl. dazu BGH a.a.O..). Da eine medizinische Notwendigkeit nicht dargetan ist, sind die Aufwendungen nicht erstattungsfähig.

    Zu b):

    Für Mitbringsel anlässlich der Krankenbesuche gilt grundsätzlich das Gleiche wie für die Krankenbesuche selbst. Eine Erstattungsfähigkeit nach § 823 BGB ist zu verneinen. Zudem fehlt es an einem ausreichende Vortrag dazu, inwiefern es sich um Mehraufwand handelte, der ohne die Krankheit des Ehemannes der Klägerin nicht eingetreten wäre.

    Zu c):

    Der Anspruch auf Ersatz für Mehraufwand an Wäsche ist zwar dem Grunde nach dargetan. Der Vortrag zur Höhe dieses Aufwandes reicht jedoch nicht aus. Selbst für eine Schätzung nach § 287 ZPO fehlt es an ausreichendem Tatsachenvortrag. Denn es wird auch nicht annähernd vorgetragen, in welchem Umfang zusätzliche Wäsche angeschafft oder häufiger gewaschen werden musste und welche Kosten gerade dadurch entstanden sein sollen.

    Die Klage gegen die Beklagten zu 1), 5) und 6) ist nach allem in Höhe von 20.000,00 Euro begründet.

    Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB in der vor dem 01.05.2000 geltenden Fassung.

    Das angefochtene Urteil war teilweise abzuändern, wie aus dem Tenor ersichtlich. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100, 101, 269 Abs. 3 Satz 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
    Streitwertbeschluss:

    Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 33.233,97 Euro (65.000,00 DM) festgesetzt.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 31 BGB § 89 BGB § 276 BGB § 823 Abs. 1 BGB a.F. § 847 BGB a.F.