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  • 02.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123285

    Arbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 06.04.2011 – 14 Ca 8029/10

    Bei einer verhaltensbedingten Kündigung wird die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß unterrichtet, wernn der Arbeitgeber mildernde und damit den Arbeitnehmer entlastende Umstände verschweigt. Dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.


    Arbeitsgericht Düsseldorf

    14 Ca 8029/10

    Tenor:

    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13.12.2010 nicht aufgelöst wird.

    2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21.12.2010 zum 30.06.2011 nicht aufgelöst wird.

    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    4. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu ¾ und dem Kläger zu ¼ auferlegt.

    5. Der Streitwert beträgt 400.000 Euro.

    T A T B E S T A N D:

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen und einer ordentlichen Kündigung.

    Der Kläger war bei der Beklagten, einer U. in katholischer Trägerschaft im Verbund L.), die mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt und bei der eine Mitarbeitervertretung gebildet ist, seit dem 01.11.2000 als Leitender Arzt (Chefarzt) der Abteilung Neurologische Rehabilitation tätig. Die Beklagte war nach ca. zweijähriger Bauzeit Ende 2000 eröffnet worden. Bauträger dieses Vorhabens war die X.). Der Kläger war bis in das Jahr 2006 zudem in Personalunion mit Herrn Q. Geschäftsführer des Neurologischen Therapiezentrums in E. sowie Geschäftsführer des Neurologischen Therapiezentrums in L., beides Kliniken des W.. Herr Q. war zudem bis Dezember 2006 Geschäftsführer des W..

    Auf Antrag der T. vom 12.09.2005 erließ das Amtsgericht T. am 14.09.2005 einen Durchsuchungsbeschluss, ausweislich dessen der Kläger im Verdacht der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit der Errichtung der Beklagten stehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akten gereichten Antrag nebst Beschluss Bezug genommen. Das Amtsgericht E. erließ einen Durchsuchungsbeschluss vom 26.09.2005 in der Ermittlungssache gegen den Kläger wegen des Verdachts der Einkommen- und Umsatzsteuerverkürzung in den Jahren 1996 - 2001 und gab in den Gründen an, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau der Beklagten folgende Zahlungen erhalten haben soll: 23.12.1997: 800.000 DM; 26.06.2001: 500.000 DM; 02.10.2001: 200.000 DM. Diese Zahlungen seien durch nachträglich erstellte Darlehensverträge als private Zuflüsse deklariert und nicht steuerlich erfasst worden. Durch Nichtberechnung von Herstellungskosten für ein Wohnobjekt seiner Ehefrau in Berlin seien dem Kläger 157.201 DM zuzurechnen. Daneben seien für vorgebliche Beratungsleistungen durch den Herrn X. bzw. über die Firma N. GmbH dem Kläger 226.200 DM zugeflossen. Zudem seien weitere Zahlungen durch Herrn X. bzw. die X. für vorgebliche Projektierungs- und Planungsarbeiten geflossen; und zwar in Höhe von 400.000 DM am 30.06.1996 und in Höhe von 353.120 DM am 26.03.1997. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Beschluss Bezug genommen. Jedenfalls der Beschluss des Amtsgerichts E. war beiden Parteien seit September 2005 bekannt. Der Kläger stellte zudem der Beklagten auf Aufforderung des Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Herrn N., die Darlehensverträge sowie Rechnungen über vorangegangene Beratungsleistungen zur Verfügung. Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis in der Folgezeit mit Schreiben vom 15.12.2005 zum 31.12.2008. Die Parteien schlossen zudem unter dem 16.12.2005 einen Vertrag, der u.a. folgenden Inhalt hatte:

    "Grundlagen des Vertrages

    Herr Professor I. hat mit Erklärung vom 15.12.2005, eingegangen bei der N. am 16.12.2005, sein Dienstverhältnis zum 31.12.2008 gekündigt.

    Zur Klarstellung und in Teilen in Abänderung des bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Dienstverhältnisses wird nachfolgende Vereinbarung getroffen:

    § 1 Kündigungsregelung bis zum 31.12.2008

    In Abänderung der Bestimmung des Dienstvertrages vom 27.10.2000 zu § 10 (3) vereinbaren die Parteien, dass das von Herrn I. zum 31.12.2008 gekündigte Dienstverhältnis seitens der Klinik vor diesem Zeitpunkt nur durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. …"

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Vereinbarung Bezug genommen. Am 06.05.2008 schlossen die Parteien einen unbefristeten Chefarztvertrag, der die weitere Beschäftigung des Klägers ab dem 01.01.2009 vorsah.

    Gegen den Kläger wurde durch die T. mit Anklageschrift vom 02.09.2010 Anklage zum Landgericht T. erhoben. Ausweislich der Anklageschrift wurde dem Kläger vorgeworfen, gemeinschaftlich mit dem Angeschuldigten Q. als Angestellter oder Beauftragter seines geschäftliches Betriebs im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür gefordert, sich versprechen lassen oder angenommen zu haben, dass er einem anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge. Der Kläger und Herr Q. hätten sich im Gegenzug für die Vergabe eines Bauauftrages an den Angeschuldigten X., der Geschäftsführer der X. war, Bestechungszahlen verschafft. Um den 16.01.1996 herum hätten der Kläger, Herr X. und Herr Q. vereinbart, die Krankenhaus N. GmbH (L.), die im Jahre 2003 im W. aufgegangen sei, zu überzeugen, die Beklagte in N. zu errichten. Von dem Bauträger X. hätten der Kläger und Herr Q. im Zeitraum vom 30.10.1996 bis zum 16.02.2004 Bestechungszahlungen in Höhe von 2.102,333,90 Euro verlangt und auch erhalten, damit sie als Gegenleistung darauf hinwirkten, dass die Beklagte von der X. gebaut würde. Wegen der einzelnen Zahlungen wird auf die Aufstellung auf Blatt 8 ff. der Anklageschrift Bezug genommen. Um die Bestechungszahlungen zu verschleiern, hätten der Kläger und Herr Q. teils Rechnungen an die X. mit falschen Rechnungstexten, die angebliche Beratungsleitungen ausweisen, gestellt. Ein anderer Teil der Zahlungen sei als Darlehen deklariert worden. Eine weitere Teilzahlung sei mit einem Vorteil verrechnet worden, der bei der Sanierung einer Wohnung der Ehefrau des Klägers in Berlin durch den ebenfalls angeklagten Herrn X., den Geschäftsführer der X., entstanden sei. Im Weiteren führte die Anklageschrift im Einzelnen auf, aus welchen Gründen davon auszugehen sei, dass die oben aufgeführten Zahlungen entgegen der jeweiligen Deklaration ohne Rechtsgrund, d.h. als Bestechungsgelder gezahlt worden seien. Hierbei wurde besonders eine bei Herrn X. gefundene Excel-Tabelle hervorgehoben. Diese Tabelle verknüpfe die geleisteten Zahlungen an den Kläger und Herrn Q. mit dem Projekt der Errichtung der Beklagten. Aus der Tabelle ergäbe sich sowohl die Gewinnverteilung als auch die Verrechnung bereits geleisteter Zahlungen. Die Anklageschrift legte im Weiteren dar, woraus sich ergebe, dass der Kläger und Herr Q. den Aufsichtsrat der L. erfolgreich beeinflusst hätten, den Auftrag zur Errichtung der Beklagten an die X. zu vergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anklageschrift Bezug genommen. Die Geschäftsführer der Beklagten erhielten die Anklageschrift am 12.10.2010 auszugsweise.

    Mit Schreiben vom 15.10.2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, zur Anklageschrift Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 20.10.2010 teilte er mit, sein Anwalt werde nach dessen Rückkehr unverzüglich zu dem Vorgang Stellung nehmen. Mit Schreiben vom 28.10.2010 teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:

    "Sehr geehrter Herr Prof. I.,

    Ihr Schreiben vom 20. Oktober 2010 haben wir zur Kenntnis genommen. Mit Zustimmung des Aufsichtsrates haben wir beschlossen, den Fortgang des Strafverfahrens abzuwarten und davon die Entscheidung über die fristlose Kündigung des mit Ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses abhängig zu machen."

    Am 04.11.2010 fand eine Besprechung zwischen der Geschäftsführung der Beklagten und dem Kläger unter Beteiligung der beiderseitigen Prozessbevollmächtigten statt. Das Landgericht T. ließ die Anklage mit Beschluss vom 02.12.2010 zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Verfahren. Dies teilte das Landgericht T. der Beklagten mit Schreiben vom 02.12.2010 mit.

    Mit Schreiben vom 09.12.2012 hörte die Beklagte die Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung und zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Anhörungsschreiben Bezug genommen, denen die Anklageschrift beigefügt war. Mit Schreiben vom gleichen Tage forderte sie den Kläger nochmals auf, zu den Vorwürfen in der Anklageschrift Stellung zu nehmen und zwar bis zum 13.12.2010. Mit Schreiben vom 13.12.2010, das einen Faxabdruck "13-12-10; 11:56" trägt, teilte der Kläger der Beklagten mit, eine Unrechtsvereinbarung zwischen ihm, Herrn Q. und Herrn X. habe es nicht gegeben. Unter III. hieß es in diesem Schreiben:

    "Die in der Anklageschrift aufgeführten Leistungen, die Herr X. an Herrn I. erbracht haben soll, beruhen auf anderen Rechtsgründen als der korruptiven Vereinbarung. Darauf an dieser Stelle näher einzugehen, besteht kein Grund.

    Mit zwei Schreiben vom 13.12.2010 teilte die Mitarbeitervertretung der Beklagten mit, dass sie zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung und zur ordentlichen Kündigung keine Stellungnahme abgibt und die Anhörung beendet sei. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 13.12.2010 fristlos. Die Kündigung wurde ausdrücklich als Tat- und Verdachtskündigung ausgesprochen. Auf dem Schreiben befand sich ein handschriftlicher Vermerk, wonach diese Kündigung um 15.30 Uhr in den Briefkasten des Klägers in Korschenbroich eingeworfen worden war. Mit Schreiben vom 21.12.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich ordentlich zum 30.06.2011.

    Der Kläger rügt das Vorliegen von Kündigungsgründen sowohl für die fristlose als auch für die ordentliche Kündigung. Hierzu behauptet er, die von der Staatsanwaltschaft angenommene Unrechtsvereinbarung habe es nicht gegeben. Er legt in seinem Schriftsatz vom 01.03.2011 im Einzelnen dar, aus welchen Umständen sich ergebe, dass er die Zahlungen, wie sie in der Anklageschrift aufgeführt sind, mit Rechtsgrund erhalten habe. Bei der Renovierung der Wohnung seiner Ehefrau in Berlin sei es ohne sein Wissen zu einer Überschreitung des vertraglich vereinbarten Festpreisvolumens gekommen. Hiervon habe er erst im Rahmen der staatsanwaltlichen Ermittlungen erfahren. Er ist zudem der Ansicht, dass im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Beklagte aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts E. vom 26.09.2005 und dem beigefügten Antrag der T. vom 12.09.2005 Kenntnis von den zur Anklage führenden Vorwürfen hatte. Die in der Anklageschrift bezeichnete Excel-Tabelle mit der angeblichen Gewinnverteilungsabrede sei ihm nicht bekannt.

    Im Hinblick auf die Verdachtskündigung ist der Kläger der Ansicht, es liege keine ordnungsgemäße Anhörung vor. Die Anhörungen vor dem 09.12.2010 könnten mangels Kündigungsabsicht der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht als ordnungsgemäße Anhörung gewertet werden. Auch begründe alleine die Zulassung der Anklage durch das Landgericht T. keinen dringenden Tatverdacht.

    Zudem habe dem Vertrag vom 16.12.2005 das gemeinsame Verständnis der Parteien zu Grunde gelegen, dass eine Kündigung nur dann möglich sein sollte, wenn es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommen sollte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des neuen Chefarztvertrags am 06.05.2008 sei der Beklagten bekannt gewesen, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren. Die Anklageschrift enthalte keine der Beklagten nicht schon in den Jahren 2005 bzw. im Jahre 2008 im Wesentlichen bekannten Tatsachen.

    Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten, weil die Beklagte von den Tatsachen die der Anklage zu Grunde lagen, jedenfalls seit Übermittelung der Anklageschrift Kenntnis gehabt habe.

    Der Kläger rügt weiter die ordnungsgemäße Anhörung der Mitarbeitervertretung. Zum Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens sei die Beklagte bereits zur Kündigung entschlossen gewesen. Es sei zudem keine Anhörung zu einer Verdachtskündigung erfolgt, sondern nur zu einer Tatkündigung. Die Mitarbeitervertretung sei außerdem unvollständig unterrichtet worden. Weder seien der Durchsuchungsbeschluss aus dem Jahre 2005 erwähnt worden, noch die Vereinbarungen vom 16.12.2005 sowie der Abschluss des unbefristeten Vertrages über den 01.01.2009 hinaus. Auch zur Anhörung des Klägers selbst sei die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß angehört worden.

    Er behauptet zudem, der Antrag der T. vom 12.09.2005 nebst Beschluss vom des Amtsgerichts Stuttgarts vom 14.09.2005 sei der Beklagten seit September 2005 bekannt gewesen.

    Der Kläger beantragt mit der betreffend die Anträge zu 1) und 2) am 20.12.2010 bei Gericht eingegangenen und am 30.12.2010 zugestellten und betreffend den Antrag zu 4) am 06.01.2011 bei Gericht eingegangenem und am 11.01.2011 zugestellten Klage,

    1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13.12.2010 nicht beendet wird.

    2.im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Leitender Arzt (Chefarzt) der Abteilung Neurologische Rehabilitation der U. weiter zu beschäftigen.

    3.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 21.12.2010 zum 30.06.2011 sein Ende findet.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Vertrauensverhältnis zu dem Kläger unwiderbringlich zerstört sei, nachdem das Strafverfahren durch das Landegericht T. eröffnet worden sei. Es habe erstmals eine richterliche Prüfung der Vorwürfe stattgefunden, die es der Beklagten unzumutbar mache, den Kläger weiter zu beschäftigen. Die Beklagte macht sich im im Wesentlichen die Vorwürfe aus der Anklageschrift zu eigen. Sie behauptet, der Kläger habe sich entsprechend den Angaben in der Anklageschrift dafür, dass die Errichtung der Beklagten durch die X. erfolgte, Bestechungsgelder versprechen lassen und auch erhalten. Andere Rechtsgründe gebe es für die in der Anklageschrift genannten Zahlungen nicht. Es handele sich durchgängig um Scheindarlehensverträge und Scheinrechnungen. Jedenfalls ergebe sich aus der Anklageschrift ein für eine Verdachtskündigung ausreichender Verdacht. Dieser habe sich mit der Zulassung der Anklage durch das Landgericht T. qualifiziert intensiviert.

    In dem Gespräch am 04.11.2010 habe der Strafverteidiger des Klägers eine detaillierte Stellungnahme zu den Vorwürfen für Ende November 2010/Anfang Dezember 2010 angekündigt. Von der Zulassung der Anklage durch das Landgericht T. sei die Geschäftsführung der Beklagten am 03.12.2010 unterrichtet worden. Einen daraufhin für den 10.12.2010 vereinbarten Gesprächstermin habe der Strafverteidiger des Klägers am 10.12.2010 abgesagt.

    Sie ist der Ansicht, sie habe die Mitarbeitervertretung auch zu einer Verdachtskündigung angehört. Dies ergebe sich schon daraus, dass in dem Anhörungsschreiben darauf Bezug genommen werde, dass der Kläger der entsprechenden Straftaten hinreichend verdächtig sei. Hierzu behauptet die Beklagte zudem, dass bei Übergabe des Anhörungsschreibens am 09.12.2010 die Frage der Unschuldsvermutung mit der Mitarbeitervertretung besprochen worden sei. Zur ordnungsgemäßen Anhörung der Mitarbeitervertretung behauptet sie weiter, dass sie dieser die Stellungnahme des Klägers vom 13.12.2010 vor deren Beschlussfassung übergegen habe.

    Die Beklagte ist weiter der Ansicht, die Kenntnisse aus dem Jahr 2005 hätten zwar einen Anfangsverdacht begründet, aber keine Kenntnis von der Tat vermittelt. Zu den Erkenntnissen aus dem Jahr 2005 behauptet die Beklagte, über die Durchsuchungen sei der damalige Vorsitzende des Aufsichtsrates am 29.05.2009 informiert worden. Aus diesem Anlass sei am 29.09.2005 ein Besprechungstermin mit dem Kläger und Herrn Q. durchgeführt worden. Herr Q. habe dabei den ihn betreffenden Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts E., den darauf bezogenen Antrag der T. vom 22.07.2005 und den Beschluss des Amtsgerichts T. vom 25.07.2005 vorgelegt. Der Kläger habe keine Unterlagen bei sich gehabt. Im Gespräch hätten der Kläger und Herr Q. die Zahlungsvorgänge über 700.000 DM und 500.000 DM erläutert. Bei den 500.000 DM handele es sich eindeutig um ein Darlehen. Die Zahlung von 700.000 DM betreffe die Erstattung von Planungskosten im Vorfeld der Auftragserteilung an die X.. Es sei zudem die Frage der Nebentätigkeitserlaubnis des Klägers für derartige Tätigkeiten erörtert worden. Am 12.10.2005 habe der Kläger dem Aufsichtsratsvorsitzenden den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts E. vom 26.09.2005, eine Honorarrechnung an die Firma N. (226.200,00 DM), der NMG (750.000 DM); den Jahresabschluss der I.-Q. GbR, den Kontoauszug über die Einlösung eines Inkassoschecks (353.120,87 DM), den Darlehnsvertrag über 800.000 DM von Dezember 2001 mit prolongierter Rückzahlungsvereinbarung vom 31.12.2006, den Darlehensvertrag über 700.000 DM vom 07.04.2004 mit Rückzahlungstermin 31.12.2007 und das Protokoll über die Besprechung mit der X. vom 07.04.2004 übergeben. In der sich anschließenden Besprechung am 12.10.2005 habe der Aufsichtsratsvorsitzende zunächst festgestellt, dass Darlehen von insgesamt 1.500.000 DM im Raumstünden. Es sei zudem auf die angeblich nicht berechneten Herstellungskosten der Wohnung der Ehefrau des Klägers in Berlin hingewiesen worden. Erörtert wurden weiter die angeblich vorgeblichen Beratungsleistungen des Klägers für die Firma N.. Am 21.10.2005 habe der Kläger in einem weiteren Gespräch Rechnungen über Beratungsleistungen vorgelegt. Auf die Aufstellung auf Bl. 12 des Schriftsatzes der Beklagten vom 29.03.2011 wird Bezug genommen. Zudem habe der Kläger erklärt, zwei weitere Beratungen durchgeführt zu haben. Am 26.10.2005 habe der Aufsichtsrat über etwaige arbeitsrechtliche Folgen beraten. Im Vordergrund hätten steuerrechtliche Straftaten gestanden und die Beklagte hätte keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten gehabt. Sie sei aufgrund der Erklärungen des Klägers nicht davon ausgegangen, dass es sich um Scheindarlehensverträge gehandelt habe. Zu dem Vorwurfe betreffend die Herstellungskoten des Hauses der Ehefrau des Klägers in Berlin habe dieser sich nicht erklärt. Die von der Staatsanwaltschaft nunmehr zu Grunde gelegte Gewinnverrechnungsabrede sei ihr damals nicht bekannt gewesen. Aufgrund der Erklärungen des Klägers sei sie zudem davon ausgegangen, dass er tatsächlich Beratungsleistungen für die Firma N. erbracht habe. Dies habe auch für die Beraterverträge betreffend die X. gegolten. Aus Sicht der Beklagten seien aber Verletzungen gegen die vertraglichen Vereinbarungen betreffend die Nebentätigkeit durch den Kläger gegeben gewesen. Auf der Grundlage dieses Kenntnisstandes seien die Eigenkündigung des Klägers und die Vereinbarung vom 16.12.2005 erfolgt. Ein Verzicht auf ein Kündigungsrecht betreffend die hier streitgegenständlichen Vorwürfe sei mit der letztgenannten Vereinbarung nicht getroffen worden. Der Kläger habe dann im Jahre 2007 anwaltlich geltend gemacht, dass es sich bei den zuvor vereinbarten Regelungen um eine unzulässige Befristung gehandelt habe. Diesen Streit hätten die Parteien durch den neuen Dienstvertrag am 06.05.2008 beigelegt.

    Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe die Mitarbeitervertretung nicht über die Vorgänge aus dem Jahr 2005 unterrichten müssen. Auf die damaligen Kenntnisse würde die Kündigung nicht gestützt. Die Vorgänge aus dem Jahre 2005 seien für den jetzigen Kündigungsentschluss nicht mehr von Bedeutung gewesen. Dies gelte auch für den im Jahre 2008 geregelten Streit um die Fortsetzung des Dienstverhältnisses. Die Beklagte behauptet zudem, im Zuge der Mitarbeiteranhörung sei angesprochen worden, dass die Zahlungen im Zuge von Beschlagemaßnahmen im Jahre 2005 bei dem Kläger hinterfragt worden seien. Es hätten sich aber damals keine nachweisbaren Erkenntnisse im Sinne der heutigen Anklage ergeben.
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen einschließlich des Anlagenordners Bezug genommen.

    E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:

    A. Die Klage hatte mit den Kündigungsschutzanträgen Erfolg. Mit dem vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrag hatte sie keinen Erfolg.

    I. Die Klage ist mit den beiden Kündigungsschutzanträgen begründet. Sowohl die fristlose Kündigung vom 13.12.2010 als auch die ordentliche Kündigung vom 21.12.2010 sind wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung der Mitarbeitervertretung gemäß § 31 Abs. 1, 3 bzw. § 30 Abs. 1, 5 Mitarbeitervertretungsordnung für den Bereich der Erzdiözese L. (Amtsblatt des Erzbistums L., 2008, 185 - MAVO) unwirksam.

    1. Die MAVO findet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Bei der Beklagten ist zunächst unstreitig eine Mitarbeitervertretung gebildet. Der Kläger fällt auch in den persönlichen Anwendungsbereich der MAVO. § 3 MAVO lautet:

    "§ 3

    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

    (1) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne dieser Ordnung sind alle Personen, die bei einem Dienstgeber (§ 2) aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses, aufgrund ihrer Ordenszugehörigkeit, aufgrund eines Gestellungsvertrages oder zu ihrer Ausbildung tätig sind. …

    (2) Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten nicht:

    1. die Mitglieder eines Organs, das zur gesetzlichen Vertretung berufen ist,

    2. Leiterinnen und Leiter von Einrichtungen im Sinne des § 1,

    3. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zur selbstständigen Entscheidung über Einstellungen, Anstellungen oder Kündigungen befugt sind,

    4. sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in leitender Stellung, …

    Die Entscheidung des Dienstgebers zu den Nrn. 3 und 4 bedarf der Beteiligung der Mitarbeitervertretung gem. § 29 Abs. 1 Nr. 18."

    Der Kläger ist Mitarbeiter i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 MAVO, weil er aufgrund eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt ist. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, oder sich darauf berufen, dass die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 2 MAVO zur Anwendung kommt. Dies folgt auch nicht aus den sonstigen unstreitigen Tatsachen. Der Kläger war zuletzt noch als Chefarzt bei der Beklagten beschäftigt. Daraus wird weder ersichtlich, dass er Organ der Beklagten oder aber zur selbständigen Einstellung und Entlassung befugt wäre. Dies hat zudem keine der Parteien vorgetragen. Für die Einordnung eines Mitarbeiters als "sonstigem" leitenden Angestellten gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 MAVO geht es nicht um Personen mit unternehmerischer Entscheidungsautonomie, sondern in Ausgestaltung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 137 Abs. 3 WRV um solche, die nach kirchlichem Selbstverständnis eine leitende Funktion ausübt, durch die diese Aufgaben und Tätigkeit der kirchlichen Einrichtung beeinflussen kann (BAG vom 10.12.1992 - 2 AZR 271/02, AP Nr. 41 zu Art. 140 GG Rn. 54). Insoweit ist anerkannt, dass Chefärzte eine leitende Stellung innehaben, die ihre Herausnahme aus dem persönlichen Geltungsbereich der MAVO durch den Dienstgeber zulässt. Erforderlich ist aber eine entsprechende Exemtionsentscheidung des Arbeitgebers (hier § 3 Abs. 2 Satz 2 MAVO; BAG vom 10.12.1992 a.a.O. Rn. 66; BAG vom 07.10.1993 - 2 AZR 226/93, AP Nr. 114 zu § 626 BGB Rn. 29; BAG vom 26.07.1995 - 2 AZR 578/94, NZA 1995, 1197 Rn. 39 ff.). Zu einer solchen Ausgrenzungsentscheidung hat die Beklagte nichts vorgetragen, vielmehr geht sie selbst davon aus, dass die Mitarbeitervertretung zu beteiligen ist. Es bestand mithin für die Kammer keine Veranlassung, diesen Aspekt weiter aufzuklären.

    2.Sowohl die fristlose Kündigung vom 13.12.2010 als auch die ordentliche Kündigung vom 21.12.2010 sind wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung der Mitarbeitervertretung gemäß § 31 Abs. 1, 3 bzw. § 30 Abs. 1, 5 MAVO unwirksam.

    a)Die genannten Vorschriften lauten wie folgt:

    "§ 30

    Anhörung und Mitberatung bei ordentlicher Kündigung

    (1) Der Mitarbeitervertretung ist vor jeder ordentlichen Kündigung durch den Dienstgeber schriftlich die Absicht der Kündigung mitzuteilen. Bestand das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung bereits mindestens sechs Monate, so hat er auch die Gründe der Kündigung darzulegen.

    (2) Will die Mitarbeitervertretung gegen die Kündigung Einwendungen geltend machen, so hat sie diese unter Angabe der Gründe dem Dienstgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Erhebt die Mitarbeitervertretung innerhalb der Frist keine Einwendungen, so gilt die beabsichtigte Kündigung als nicht beanstandet. Erhebt die Mitarbeitervertretung Einwendungen und hält der Dienstgeber an der Kündigungsabsicht fest, so werden die Einwendungen in einer gemeinsamen Sitzung von Dienstgeber und Mitarbeitervertretung

    mit dem Ziel einer Verständigung beraten. Der Dienstgeber setzt den Termin der gemeinsamen Sitzung fest und lädt hierzu ein.

    (3) Einwendung kann insbesondere geltend gemacht werden, dass nach Ansicht der Mitarbeitervertretung

    1. die Kündigung gegen ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, kircheneigene Ordnung oder sonstiges geltendes Recht verstößt,

    2. der Dienstgeber bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiterin oder des zu kündigenden Mitarbeiters soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
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    3. die zu kündigende Mitarbeiterin oder der zu kündigende Mitarbeiter an einem anderen Arbeitsplatz in einer Einrichtung desselben Dienstgebers weiter beschäftigt werden kann,

    4. die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder

    5. eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

    Diese Einwendungen bedürfen der Schriftform und der Angabe der konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Gründe.

    (4) Kündigt der Dienstgeber, obwohl die Mitarbeitervertretung Einwendungen gemäß Abs. 3 Nrn. 1 bis 5 erhoben hat, so hat er der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter mit der Kündigung eine Abschrift der Einwendungen der Mitarbeitervertretung zuzuleiten.

    (5) Eine ohne Einhaltung des Verfahrens nach den Absätzen 1 und 2 ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

    § 31

    Anhörung und Mitberatung bei außerordentlicher Kündigung

    (1) Der Mitarbeitervertretung sind vor einer außerordentlichen Kündigung durch den Dienstgeber schriftlich die Absicht der Kündigung und die Gründe hierfür mitzuteilen.

    (2) Will die Mitarbeitervertretung gegen die Kündigung Einwendungen geltend machen, so hat sie diese unter Angabe der Gründe dem Dienstgeber spätestens innerhalb von drei Tagen schriftlich mitzuteilen. Diese Frist kann vom Dienstgeber auf 48 Stunden verkürzt werden. Erhebt die Mitarbeitervertretung innerhalb der Frist keine Einwendungen, so gilt die beabsichtigte Kündigung als nicht beanstandet. Erhebt die Mitarbeitervertretung Einwendungen, so entscheidet der Dienstgeber über den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung.

    (3) Eine ohne Einhaltung des Verfahrens nach den Absätzen 1 und 2 ausgesprochene Kündigung ist unwirksam."

    b) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen kein Anlass besteht, liegt die Überprüfung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines kirchlichen Mitarbeiters in der Kompetenz der staatlichen Arbeitsgerichte und diese haben auch zu überprüfen, ob die Kündigung wegen unterlassener Beteiligung der kirchlichen Mitarbeitervertretung unwirksam ist, wenn der Arbeitnehmer dies geltend macht (BAG vom 26.07.1995 a.a.O. Rn. 33). Dabei führt nicht nur die unterbliebene Anhörung zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern auch die nicht hinreichende (vgl. insoweit BAG vom 25.03.2004 - 2 AZR 380/03, ZMV 2005, 100 Rn. 73) Unterrichtung der Mitarbeitervertretung. Insoweit gilt nichts anderes als zu § 102 BetrVG. Zwar entsprechen die Regelungen der §§ 30, 31 MAVO nicht in vollem Umfang der des § 102 BetrVG. Sie sind ihr aber nachgebildet, so dass es gerechtfertigt ist, die dort maßgeblichen Grundsätze für die Auslegung heranzuziehen (BAG vom 16.10.1991 - 2 AZR 156/91, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 83 Rn. 25).

    Ausweislich §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 MAVO hatte die Beklagte der Mitarbeitervertretung die Gründe für die Kündigung darzulegen. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausreichend nachgekommen ist. An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind allerdings nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der "subjektiven Determinierung". Der Betriebsrat ist immer dann ordnungsgemäß angehört worden, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt muss so genau und umfassend beschrieben werden, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen (BAG vom 05.11.2009 - 2 AZR 676/08, NZA 2010, 457 Rn. 40; BAG vom 22.04.2010 - 2 AZR 991/08, DB 2010, 2509 Rn. 13). Dabei muss der Arbeitgeber seinen Wissensstand richtig an den Betriebsrat weitergeben. Eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung ist keine ordnungsgemäße Anhörung (BAG vom 31.01.1996 - 2 AZR 181/95, juris Rn. 19; BAG vom 05.11.2009 a.a.O. Rn. 40). Bei einem verhaltensbedingten Kündigungsgrund kann eine unvollständige Unterrichtung insbesondere dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber mildernde und damit den Arbeitnehmer entlastende Umstände verschweigt (BAG vom 31.01.1996 a.a.O. Rn. 20). So liegt es hier.

    c) Die Beklagte hat der Mitarbeitervertretung nach ihrem eigenen Vortrag bewusst verschwiegen, dass zwar unter anderer strafrechtlicher Wertung zumindest Teile der Vorwürfe ihr in Form eines Verdachts bereits im Jahre 2005 bekannt gewesen sind, daraufhin das Arbeitsverhältnis zunächst beendet wurde, sie es dann aber mit dem Kläger unbefristet fortgesetzt hatte. Die Beklagte hat ihren Wissensstand zu den streitigen Vorwürfen nicht vollständig und richtig an die Mitarbeitervertretung weiter gegeben. Dabei kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass ihr im Jahre 2005 der Beschluss des Amtsgerichts T. vom 14.09.2005 betreffend den Kläger, der bereits den Verdacht der Bestechlichkeit ausdrücklich aufführte, nicht bekannt war. Der Beschluss des Amtsgerichts E. vom 26.09.2005, der der Beklagten unstreitig bekannt war, betraf u.a. das in der Anklageschrift erwähnte Darlehen in Höhe von 753.120 DM vom 30.10.1996/20.03.1997 (in der Anklageschrift noch 700.000 DM), das Darlehen von 800.000 DM vom 23.12.1997 (in der Anklageschrift vom 30.12.1997), die Rechnung an die Firma N. von brutto 226.200 DM (in der Anklageschrift netto 195.000 DM), sowie das Darlehen von insgesamt 700.000 DM vom 26.02.2001 (500.000 DM) und vom 02.10.2001 (200.000 DM). Erwähnt war zudem die Nichtberechnung von Herstellungskosten für die Wohnung der Ehefrau des Klägers in Berlin. Zutreffend ist - wie die Beklagte ausführt -, dass der Beschluss des Amtsgerichts E. Steuerstraftaten betraf. Von der nunmehr von der Anklage zu Grunde gelegten Gewinnverteilungsabrede war nicht die Rede. Es wurden aber bereits in dem Beschluss des Amtsgerichts E. gewichtige Indizien mitgeteilt, die nahe legten, dass jedenfalls teilweise den Zahlungen keinerlei Gegenleistungen zu Grunde lagen. So wurde bezüglich der Rechnung der Firma N. ausdrücklich ausgeführt, dass es sich um "vorgebliche Beratungsleistungen" gehandelt habe. Die Zahlungen von Herrn X. bzw. der X. in Höhe von 753.120 DM an die I./Q. GbR sei "für vorgebliche Projektierungs- und Planungsarbeiten" erfolgt. Zu den Darlehensverträgen hatte der Kläger zudem nach dem Vortrag der Beklagten diese in der Besprechung am 12.10.2005 vorgelegt. Aus diesen waren, was ein wesentliches Indiz der Anklageschrift ist, auch die nachträglichen Datierungen ersichtlich. Zu den Zahlungen an die I./Q. GbR trägt die Beklagte selbst auf Seite 17 des Schriftsatzes vom 29.03.2011 vor, dass nach den damals vorgelegten Unterlagen der Zusammenhang zwischen der Erstattungsleistung und dem Kauf des Klinikgrundstückes nahe gelegen habe. Die vom Kläger dargelegte Erklärung hingegen habe aber auch nicht ausgeschlossen werden können. Weiter trägt die Beklagte selbst vor, dass sie der Mitarbeitervertretung mitgeteilt habe, dass die Zahlungen bereits im Jahre 2005 hinterfragt worden seien, es sich aber damals keine nachweisbaren Erkenntnisse im Sinne der Anklage ergeben hätten. Dieser Vortrag reicht zur Überzeugung der Kammer nicht aus, um die Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß und vollständig zu unterrichten. Wenn jedenfalls Teilindizien im Sinne der jetzigen Anklage - wenn auch unter anderer strafrechtlicher Würdigung - dazu geführt hatten, dass man das Arbeitsverhältnis beendete bzw. den Kläger veranlasste, eine Eigenkündigung auszusprechen, dieses aber erneut begründete, so ist dies ein den Kläger potentiell entlastender Umstand. Diesen hat die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag der Mitarbeitervertretung bewusst nicht mitgeteilt. Die Kammer hatte insoweit nicht zu bewerten, ob die damals getroffenen Vereinbarungen der Kündigung entgegengestanden hätten. Jedenfalls war nicht auszuschließen, dass sie im Rahmen der Interessenabwägung mit zu berücksichtigen waren. Wenn die Beklagte der Mitarbeitervertretung nicht mitteilte, dass ein jedenfalls formal bereits beendetes Arbeitsverhältnis in Kenntnis von Teilaspekten der Anklage fortgeführt wurde, so nahm sie bewusst Einfluss auf die Willensbildung der Mitarbeitervertretung, indem sie dieser einen wesentlichen Umstand verschwieg. Diese konnte sich nicht selbst und unabhängig ein Bild von dem Kündigungssachverhalt machen. Der Umstand, dass der Kläger sich insoweit auf eine unwirksame Befristung berufen hatte, steht dem nicht entgegen. Dies ändert nichts daran, dass die Beklagte letztlich freiwillig das Arbeitsverhältnis fortsetzte. An diesem Ergebnis ändert sich auch dadurch nichts, dass die Beklagte meint, angesichts der neuen Vorwürfe, sei die in 2008 erfolgte erneute Fortsetzung des Dienstverhältnisses unbeachtlich. Dies ist letztlich nur das Motiv ihrer unvollständigen Unterrichtung. Sie hatte im Jahre 2005 bereits nach ihrem eigenen Vortrag jedenfalls Verdachtsmomente. Sie hat bewusst in Ansehung dieser Verdachtsmomente das Arbeitsverhältnis fortgesetzt, um es dann nach einer Verstärkung der Verdachtsmomente fortzusetzen. Dies hat sie bewusst der Mitarbeitervertretung entgegen ihrem eigenen Kenntnisstand nicht mitgeteilt. Die Kammer verletzt damit auch nicht das Prinzip der "subjektiven Determinierung", denn Teile der Indiztatsachen, die für den jetzigen Kündigungsentschluss maßgeblich waren, lagen bereits im Jahre 2005 vor. Wenn die Beklagte in Ansehung dieser Tatsachen das Arbeitsverhältnis nach Beendigung fortsetzt, dies der Mitarbeitervertretung aber nicht mitteilt, unterrichtet sie diese bewusst nicht vollständig über den eigenen, subjektiv zu Grunde gelegten Kündigungssachverhalt.

    d) Unabhängig von den vorherigen Ausführungen und selbständig die Abweisung der Kündigungsschutzanträge tragend ist die Anhörung der Mitarbeitervertretung auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte der Mitarbeitervertretung nicht vollständig die ihr zu dem Kündigungssachverhalt bekannten, den Kläger potentiell entlastenden Unterlagen vorgelegt hat. Die Mitarbeitervertretung konnte sich so nicht ohne eigene Nachforschungen selbst ein Bild machen. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten hatte der Kläger am 12.10.2005 dem Aufsichtsratsvorsitzenden den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts E. vom 26.09.2005, eine Honorarrechnung an die Firma N. (226.200,00 DM), der NMG (750.000 DM); den Jahresabschluss der I.-Q. GbR, den Kontoauszug über die Einlösung eines Inkassoschecks (353.120,87 DM), den Darlehnsvertrag über 800.000 DM von Dezember 2001 mit prolongierter Rückzahlungsvereinbarung vom 31.12.2006, den Darlehensvertrag über 700.000 DM vom 07.04.2004 mit Rückzahlungstermin 31.12.2007 und das Protokoll über die Besprechung mit der X. vom 07.04.2004 übergeben. Es war für die Kammer angesichts der Schwere der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe erforderlich, dass die Beklagte diese Unterlagen der Mitarbeitervertretung zur Einsicht überließ und ihr von sich aus vorlegte. Sie waren zwar teilweise in der Anklageschrift bezeichnet, dieser aber nicht für die Mitarbeitervertretung im Rahmen der Anhörung beigefügt. Zwar glaubte die Beklagte angesichts der Ausführungen in der Anklageschrift diesen Unterlagen nicht mehr, was sie so auch in der Kammerverhandlung ausgeführt hat. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um Unterlagen handelte, die geeignet waren, den Kläger zu entlasten. Sie gehören zum Kündigungsgrund, auf den die Beklagte sich stützt. Diese entlastenden Unterlagen hätte die Beklagte der Mitarbeitervertretung vorlegen müssen, damit diese sich ein eigenes Bild machen konnte. Nur so hätte die Mitarbeitervertretung betreffend den Kündigungssachverhalt den gleichen Kenntnisstand wie die Beklagte erlangt. Darüber hinaus hätte sie jedenfalls in Form einer Zusammenfassung, die ihr gegenüber gegebene Einlassung des Klägers aus dem Jahre 2005 der Mitarbeitervertretung mitteilen müssen, damit diese sich insoweit ebenfalls eine eigenes Bild machen konnte. Dies hat die Beklagte - unabhängig von den obigen Ausführungen - jedenfalls bislang nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, wenn sie behauptet, die Zahlungen seien im Jahre 2005 angesprochen worden.

    e) Im Hinblick auf die obigen Ausführungen konnte die Kammer offen lassen, ob die abschließende Stellungnahme des Klägers vom 13.12.2010 der Mitarbeitervertretung tatsächlich noch vor der Beschlussfassung zugegangen ist und welche Folgen dies hat. Angesichts des Eingangs der Stellungnahme ausweislich des Faxabdrucks am 13.12.2010 um 11:56 Uhr, der Stellungnahme der Mitarbeitervertretung vom 13.12.2010 zu beiden Kündigungen und der dokumentierten Übergabe der fristlosen Kündigung um 15.30 Uhr in Korschenbroich müsste die Beklagte im einzelnen substantiiert vortragen, wer wann der Mitarbeitervertretung die Stellungnahme des Klägers übergab und wann die Mitarbeitervertretung abschließend beraten hat. Hierauf weist die Kammer lediglich vorsorglich hin.

    II. Die Klage ist mit dem vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrag unbegründet. Aufgrund des Obsiegens des Klägers mit dem Antrag zu 1) ist dieser der Kammer zur Entscheidung angefallen. Es trifft zwar zu, dass nach Obsiegen in erster Instanz in einem Kündigungsschutzprozess regelmäßig die vorläufige Weiterbeschäftigung auszusprechen ist. Dies ist jedoch kein Automatismus. Ein solches erstinstanzliches Urteil hat lediglich zur Folge, dass nunmehr die Ungewissheit des endgültigen Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen kann. Liegt ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil vor, so müssen zu der Ungewissheit des Prozessausgangs zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Zu denken ist hierbei etwa an solche Umstände, die auch im streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen. Besteht z. B. gegen den Arbeitnehmer der Verdacht des Verrats von Betriebsgeheimnissen, so könnte der Arbeitgeber die Beschäftigung dieses Arbeitnehmers schon während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verweigern, um das Ausspionieren weiteren betrieblichen Geschehens zu verhindern. Dann müsste ihm aber auch zugestanden werden, den Arbeitnehmer trotz einer vorläufigen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom Betrieb fernzuhalten, solange sich die Unhaltbarkeit des Vorwurfs nicht rechtskräftig herausgestellt hat. Entsprechendes könnte für andere Fälle eines strafbaren oder schädigenden Verhaltens des Arbeitnehmers angenommen werden. Auch aus der Stellung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb und der Art seines Arbeitsbereichs kann sich ein überwiegendes schutzwertes Interesse des Arbeitgebers ergeben, den betreffenden Arbeitnehmer wegen der Ungewissheit des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitsplatz fernzuhalten (bereits BAG vom 27.02.1985 - GS 1/84, NZA 1985, 121 Rn. 94 ff.).

    So liegt es hier. Gegen den Kläger ist ein Strafverfahren von dem Landgericht T. eröffnet worden, das eine schwere Straftat zum Nachteil der Beklagten zum Gegenstand hat. In seiner Eigenschaft als Chefarzt hat die Tätigkeit des Klägers zudem, auch wenn dieser aufgrund fehlender Ausgrenzungsentscheidung kein formell leitender Angestellter i.S.v. der MAVO ist, erhebliche Außenwirkung. Aus diesen Gründen liegt außerdem eine wirtschaftliche Schädigung der Beklagten bei einer auch nur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers nahe, zumal in der Presse jedenfalls über den arbeitsrechtlichen Streit umfänglich berichtet wurde. Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass die Beklagte zunächst die Anklage nicht zum Anlass genommen hat, eine Kündigung auszusprechen. Die Eröffnung der Hauptverhandlung, die zudem im vorliegenden Fall bereits seit längerer Zeit öffentlich durchgeführt wird, hat aber ein erheblich anderes Gewicht und beeinträchtigt die Interessen der Beklagten stärker. Es ist auch für die Kammer nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit dem Schreiben vom 28.10.2010 darauf verzichtet hätte, während des Strafverfahrens weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Teil des abzuwartenden Strafverfahrens ist auch die Eröffnung der Hauptverhandlung. Abschließend ist die Kammer der Überzeugung, dass es einem Krankenhaus nicht zugemutet werden kann, einen Chefarzt vorläufig weiter zu beschäftigten, der sich der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in der hier relevanten Größenordnung zu Lasten seines Arbeitgebers in einer öffentlichen Hauptverhandlung zu verantworten hat.

    B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

    C. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 Abs. 3 GKG, § 3 ZPO. Das Gericht hat hierbei ausgehend von einem Bruttomonatsgehalt des Klägers von 50.000 Euro jeweils drei Gehälter für jede Kündigung, sowie zwei Gehälter für die Weiterbeschäftigung, mithin insgesamt acht Gehälter zu Grunde gelegt. Sie erging auch gemäß § 63 Abs. 2 GKG.

    RECHTSMITTELBELEHRUNG
    Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden.

    Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim

    Landesarbeitsgericht E.
    Ludwig-Erhard-Allee 21
    40227 E.
    Fax: 0211-7770 2199
    eingegangen sein.

    Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

    Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

    1. Rechtsanwälte,

    2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

    3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

    Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

    * Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

    RechtsgebietArbeitsrechtVorschriften§§ 30,31 Mitarbeitervertretungsordnung für den Bereich der Erzdiozöse Köln