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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Gerichtsbescheid vom 07.08.2000 – 13 K 2856/97

    1. Wird ein schon seit Jahren an einen Dritten verpachteter landwirtschaftlicher Betrieb mit einer Gesamtfläche von ca. 4,7 Hektar etwa zur Hälfte aufgeteilt und durch zwei nur einen Tag auseinander liegende, aufeinander abgestimmte notarielle Verträge auf zwei erbberechtigte, nicht in der Landwirtschaft tätige Kinder übergeben, so sind die zwei Verträge als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang zu behandeln, mit der Folge, dass eine Betriebsaufgabe vorliegt.

    2. Eine unentgeltliche Betriebsübertragung i.S. von § 7 EStDV scheidet aus, wenn nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf (nur) einen Übernehmer übertragen worden sind.


    IM NAMEN DES VOLKES hat der 13. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

    der Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht ...

    und der Richter am Finanzgericht ... und ...

    ohne mündliche Verhandlung am 7. August 2000 ...

    für Recht erkannt:

    1. Der Einkommensteuerbescheid 1994 vom 29. Januar 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 1997 wird dahingehend geändert, daß die Einkommensteuer 1994 auf 8.654 DM herabgesetzt wird.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    3. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Der Kläger war im Streitjahr 1994 als Schlosser nichtselbständig tätig. Die Klägerin erzielte als Hausfrau keine eigenen Einkünfte. Die Eheleute wurden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.

    Die Eltern des Klägers (geboren am 21. Juni 1909 und 20. November 1910; der Vater ist inzwischen verstorben) waren Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes mit einer Gesamtfläche von ca. 4,7 ha. Ab 1. Juni 1974 wurde der Hof im Ganzen an eine der Töchter (Frau ... -S-) verpachtet. Dieser Vertrag endete im Laufe des Jahres 1986. da S wegen eines Unfalls nicht mehr landwirtschaftlich tätig sein konnte. Mit Vertrag vom 12. Dezember 1986 wurde die gesamte landwirtschaftliche Fläche zum 1. Januar 1987 an ... (M) verpachtet (Pachtdauer bis 31. Dezember 1995).

    Am 27. November 1991 (Bl. 45–51 ESt-Akte 1993) überließen die Eltern eine Teilfläche von 2,2645 ha unentgeltlich ihrer Tochter S. Als Gegenleistung hatte die Tochter ihren Eltern „Wart und Pflege” zu gewähren sowie für eine standesgemäße Verpflegung zu sorgen (Tz. V des Vertrages). Nutzen und Lasten aus diesem Vertrag gingen am gleichen Tage über. Lt. Tz. VI des Vertrages verzichtete S auf ihre gesetzlichen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Dies tat auch in Nr. 2 dieser Tz. die bereits abgefundene weitere Tochter ..., die von den Eltern im Notartermin vertreten wurde. Im letzten Absatz von Tz. VI heißt es weiter: „Der Sohn L ... der Ehegatten B ... [Kläger] wird zu gesonderter Urkunde auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht am Nachlaß seiner Eltern verzichten.”

    Mit notariellem Vertrag vom folgenden Tage, dem 28. November 1991 (Bl. 52-58 ESt-Akte 1993), erfolgte die Übergabe der anderen Teilflächen des Betriebes an den Kläger. Auf diesen Flächen befand sich auch die Hofstelle mit den darauf stehenden Wirtschaftsgebäuden. Als Gegenleistung räumte der Kläger den Eltern u. a. ein Leibgeding ein und übernahm die Begräbniskosten (Tz. V des Vertrages). Der Übernehmer trat in den bestehenden Pachtvertrag ein. Im Übergabevertrag vom 28. November 1991 verpflichtete sich der Kläger, seiner Tochter ... (G) auf deren Verlangen aus dem Grundstück FlNr. 148 eine Teilfläche von ca. 700 qm zu übertragen. Diese Übertragungsverpflichtung sollte nur dann bestehen, wenn die Fläche bebaubar ist.

    Im Rahmen des Einheitswertverfahrens für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb hatten die Eltern des Klägers mit Schreiben vom 31. Mai 1991 die Aufgabe der Landwirtschaft zum 1. Januar 1987 erklärt. In der am 12. Juni 1992 beim Beklagten (Finanzamt -FA-) eingegangenen ESt-Erklärung 1987 wurde ein Aufgabegewinn i.H.v. 182.529 DM erklärt. Am 27. Februar 1992 wurde ein Fragebogen des FA (Bl. 5 ff. Vorheftung ESt-Akte StNr. 101/12971) betr. Betriebsverpachtung, Betriebsaufgabeerklärung und Betriebsfortführungserklärung beim FA abgegeben, bei dem die Teile „Betriebsaufgabeerklärung” und „Betriebsfortführungserklärung” nicht von den Eltern unterzeichnet waren. Die Tochter S erklärte am 17. Februar 1992, Eltern und Übernehmer hätten die Landwirtschaft noch nicht aufgegeben (Bl. 7 Vorheftung a.a.O.).

    Die im notariellen Vertrag vom 28. November 1991 eingegangene Verpflichtung zur unentgeltlichen Überlassung eines Baugrundstücks an die Tochter G erfüllte der Kläger mit Vertrag vom 23. Dezember 1993 (Bl. 26–33 ESt-Akte 1993). Darin überließ er G ein Grundstück mit einer Fläche von 946 qm. Das Grundstück wurde von G und ihrem Ehemann mit einem Wohngebäude bebaut.

    Das FA behandelte die Grundstücksüberlassung vom 23. Dezember 1993 als Entnahme aus einem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen, da es den Überlassungsvertrag vom 28. November 1991 als Betriebsübertragung nach § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) wertete. Es berechnete folgenden Entnahmegewinn:

    946 qm × 350 DM/qm =331.100 DM
    ./.Buchwert 946 qm × 0,51 (= Ertragsmeßzahl qm) × 8 =3.860 DM
    Gewinn327.240 DM


    Die auf das Kalenderjahr 1994 entfallenden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wurden wie folgt angesetzt:

    laufender Gewinn L+FWJ 1993/941/2 =1.500 DM
    + EntnahmegewinnWJ 1993/941/2 =163.620 DM
    gesamtWJ 1993/94165.120 DM
    + laufender GewinnWJ 1994/951.500 DM
    gesamt166.620 DM.


    Gegen den entsprechenden ESt-Bescheid für 1994 vom 29. Januar 1996, der eine ESt-Schuld von 66.912 DM ausweist, legte der steuerliche Vertreter der Kläger mit Schreiben vom 14. Februar 1996 Einspruch ein, der nur teilweise Erfolg hatte, und zwar hinsichtlich der Höhe des Entnahmewerts (s. die Einspruchsentscheidung -EE- vom 13. Juni 1997, Bl. 2–17 FG-Akte). Die ESt wurde auf 55.686 DM herabgesetzt.

    Mit ihrer Klage halten die Kläger daran fest, daß die Grundstücksüberlassungen vom 27. und 28. November 1991 auf einem einheitlichen Willensentschluß beruht und somit wirtschaftlich einen zusammenhängenden Vorgang – Betriebsaufgabe – dargestellt hätten. Von einer unentgeltlichen Betriebsübertragung auf die Kläger mit der Rechtsfolge aus § 7 Abs. 1 EStDV könne daher nicht gesprochen werden. Auf den Schriftsatz vom 14. Juli 1987 wird verwiesen.

    Die Kläger beantragen,

    den ESt-Bescheid 1994 vom 29. Januar 1996 in Gestalt der EE vom 13. Juni 1997 dahingehend zu ändern, daß die ESt 1994 ohne den Entnahmegewinn von 139.970 DM festgesetzt wird; hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es tritt im Schriftsatz vom 1. August 1997 der Argumentation der Kläger entgegen.

    In der Streitsache fand am 9. Mai 2000 eine mündliche Verhandlung statt. Der Senat verweist auf die Sitzungsniederschrift.

    Die verwitwete Mutter des Klägers wurde gem. § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung zum Verfahren beigeladen (Beschluß vom 9. Mai 2000).

    II.

    Die Klage ist begründet.

    1. Zu Unrecht hat das FA die Grundstücksüberlassung vom 23. Dezember 1993 als steuerpflichtige Entnahme gewertet.

    Der landwirtschaftliche Betrieb war bereits von den Eltern durch die als einheitlichen Vorgang zu wertenden Überlassungsverträge vom 27. und 28. November 1991 aufgegeben worden. Der Streitfall gleicht dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Februar 1990 IV R 8/89 (BFHE 159, 471, BStBl II 1990, 428) zugrunde lag und den der BFH als Betriebsaufgabe ansah. Demgegenüber unterscheidet sich der Urteilsfall der BFH-Entscheidung vom 9. Mai 1996 IV R 77/95 (BFHE 180, 391, BStBl II 1996, 476) in wesentlichen Punkten von der hier zu beurteilenden Streitsache.

    Im Falle des BFH (BFHE 180, 391, BStBl II 1996, 476) hatten die Eltern die eine Tochter als Hoferbin bestimmt und ihr 79 % (6,3 von 8 ha) der Gesamtfläche mit Hofstelle übertragen; die zweite Tochter wurde mit 1,7 ha als weichende Erbin abgefunden. Die erste Tochter führte bestimmungsgemäß den Betrieb fort, indem sie ihn in den Landwirtschaftsbetrieb ihres Ehemanns einbrachte. Der BFH würdigte diese Vorgänge als unentgeltliche Betriebsübertragung i.S.d. § 7 Abs. 1 EStDV verbunden mit einer nach § 14 a Abs. 4 EStG steuerbegünstigten Entnahme der Restfläche. Ganz anders der Streitfall: Hier war zunächst S als Nachfolgerin vorgesehen, an die der Betrieb auch zunächst verpachtet war (bis Ende 1986), die dann aber wegen ihres Unfalls als Betriebsübernehmerin ausfiel. Der Kläger hingegen war nie als Hof erbe in Betracht gezogen worden, da er einen anderen Beruf ergriffen hatte. Seit 1987 trugen sich die inzwischen schon sehr alten Eltern (77 bzw. 76 Jahre) mit dem Gedanken, die Landwirtschaft aufzugeben. Eine Aufgabeerklärung erfolgte damals jedoch noch nicht, sondern nur eine Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen an M.

    Das Vertragswerk vom 27./28. November 1991 muß trotz der Aufspaltung in zwei Verträge als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang angesehen werden: Nach dem glaubwürdigen Vortrag der Kläger war ursprünglich vorgesehen, den Vertrag am selben Tag bei Anwesenheit aller Beteiligten – der Eltern, des Klägers und seiner Schwester S – abzuschließen. Nur weil der Kläger aufgrund eines Versehens den Termin am 27. November 1991 versäumte, wurde der Vertragsabschluß mit ihm um einen Tag verschoben. Für die Richtigkeit dieses Sachvortrags spricht die zeitliche Nähe der beiden Vertragsabschlüsse, insbes. aber der Hinweis in Tz. VI letzter Absatz des Vertrages vom 27. November 1991. Des weiteren waren beide Verträge hinsichtlich der den Eltern zu erbringenden Gegenleistungen eng aufeinander abgestimmt: der Kläger räumte den Eltern ein Wohnrecht im überlassenen Gebäude ein und übernahm die Begräbniskosten, S verpflichtete sich zu Wart und Pflege. Schließlich beinhalteten die Verträge auch nicht einerseits die Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebes auf den einen Abkömmling und die vorherige Abfindung des anderen als weichenden Erben mit einem relativ geringen (ca. 1/5) Bruchteil der Gesamtfläche, wie das FA in den Gründen der EE unterstellt. Vielmehr wurde verpachteter landwirtschaftlicher Grundbesitz in etwa je zur Hälfte auf zwei erbberechtigte Kinder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aufgeteilt. Denn die dem Kläger überlassenen Flächen waren insgesamt zwar etwas größer (ca. 2,4 ha gegenüber 2,26 ha), aber mit einer Veräußerungsverpflichtung zugunsten der Enkelin belastet. Die offensichtlich erstrebte Ausgewogenheit der Erbfolgeregelung wäre aber gefährdet gewesen, wenn nur der dem Kläger überlassene Teil des Grundbesitzes von vornherein mit der Steuerpflicht einer vertraglich übernommenen „Entnahme” zugunsten seiner Tochter belastet wäre, während S mit ihrer Hälfte frei schalten dürfte, und die, obwohl der Kläger – abgesehen von den niedrigen Pachteinnahmen – keinerlei Einnahmen aus dem landwirtschaftlichen „Betrieb” erzielte. Die beiden Verträge sind daher als Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebs durch unentgeltliche Überlassung an zwei nicht bzw. nicht mehr landwirtschaftlich tätige Abkömmlinge anzusehen.

    Die Eltern haben ihren Aufgabewillen auch dem FA gegenüber dokumentiert, wenn auch in einer sehr ungeschickten und widersprüchlichen Weise: Gegenüber der Bewertungsstelle erklärten sie am 10. Juni 1991 (Bl. 2 Bew-Akte 1987), der Betrieb sei am 1. Januar 1987 aufgegeben worden. Demgegenüber war in dem am 17. Februar 1992 unterzeichneten, von der Veranlagungsstelle versandten Fragebogen nur der Teil „Betriebsverpachtung” ausgefüllt, nicht der Abschnitt „Betriebsaufgabeerklärung”. In der erst am 12. Juni 1992 eingegangenen ESt-Erklärung 1987 ist dann wieder von einer Aufgabe zum 1. Januar 1987 die Rede (Bl. 6 ESt-Akte 1987 StNr. 101/12971). Nach Auffassung des Senats stellen diese Äußerungen keine steuerlich relevante Aufgabe erklärung dar. Die Aufgabe erfolgte durch einen rechtsgeschäftlichen Akt, nämlich die Übergabe am 27./28. November 1991.

    Die Annahme des FA, ca. die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche sei zunächst entnommen und S überlassen und sodann ein (angeblich) lebensfähiger landwirtschaftlicher Betrieb einem nie als Landwirt ausgebildeten Schlosser (dem Kläger) übergeben worden, entspricht nach Überzeugung des Senats nicht dem Geschäftswillen der Vertragsbeteiligten.

    Darüber hinaus ist er der Auffassung, daß bei Überlassung landwirtschaftlicher Betriebsgrundlagen, von denen ca. 50 % „ausgespart” und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zuvor einem anderen Abkömmling übergeben wurden, eine unentgeltliche Betriebsübertragung i. S.v. § 7 Abs. 1 EStDV nicht vorliegt. Diese setzt wie eine (entgeltliche) Veräußerung voraus, daß alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem Vorgang auf einen Erwerber übertragen werden (so BFH-Urteile vom 24. Juli 1986 IV R 137/84, BFHE 137, 84, BStBl II 1986, 808, 810, und in BFHE 180, 391, BStBl II 1996, 476, 477).

    Irrelevant für die rechtliche Beurteilung – Verneinung einer Betriebsveräußerung – ist der Umstand, daß die ungefähre Hälfte der Betriebsgrundlagen einen Tag eher als die restlichen Grundlagen an S übereignet wurde.

    2. Somit ist antragsgemäß (Schriftsatz vom 14. Juli 1997) der Entnahmegewinn von 139.970 DM außer Ansatz zu lassen, während es bei den geschätzten Pachteinnahmen von insgesamt 3.000 DM verbleibt, die den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet werden.

    Es ergibt sich folgende Berechnung:

    zu verst. Eink. bisher191.788 DM
    ./. Entnahmegewinn139.970 DM
    51.818 DM
    ESt hieraus8.654 DM.


    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung.

    Es erscheint sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a Abs. 2 Nr. 1 FGO).

    Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

    VorschriftenEStG 1990 § 14, EStG 1990 § 16 Abs 3, EStG 1990 § 13, EStDV § 7 Abs 1