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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 01.12.2008 – 3 K 1308/01

    1. Ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen über – nicht von Herstellern erfolgte –Mobiltelefonlieferungen scheidet aus, wenn die Rechnungen nicht die Anschrift des Leistenden zutreffend, sondern ein Scheinsitz angeben und der Unternehmer nicht das Erforderliche und ihm Zumutbare unternommen hat, um eine Beteiligung an einer auf Umsatzsteuerbetrug angelegten Lieferkette zu vermeiden.

    2. Ein Scheinsitz liegt vor, wenn am Ort des in der Rechnung angegebenen Sitzes eines Handelsunternehmens nicht die typischen Funktionen wie das Anbahnen von Geschäften, die Organisation von Lieferungen und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs stattfinden, keine Lagerung von Geschäftsunterlagen oder die Buchführung erfolgt sowie jeglicher Kontakt nur über das Telefon und Telefax hergestellt werden kann, deren Empfangsgeräte sich nicht an der angegebenen Anschrift befinden. Zur Verneinung des Scheinsitzes ist es nicht ausreichend, wenn die Post das Unternehmen unter der in der Rechnung angegebenen Anschrift nur deshalb erreicht, weil der Geschäftsführer in regelmäßigen Abständen die Post abholt.

    3. Die Anfälligkeit des Handels mit Mobiltelefonen auf dem grauen Markt für Umsatzsteuerbetrug, ein erheblicher Umfang der beabsichtigten und durchgeführten Geschäfte sowie die Vermittlung der kurzfristig wechselnden Lieferanten durch die selbe Person, erfordern als Maßnahmen zur Vermeidung der Einbindung in eine der Umsatzsteuerhinterziehung dienende Lieferkette die Registrierung der IMEI-Nummern (individuelle Seriennummer der Mobiltelefone), die eingehende Überprüfung der Lieferanten vor Beginn der Geschäftsbeziehung und die Begründung von Zweifeln an der Herkunft der Mobiltelefone.

    4. Eine den Vorsteuerabzug ausschließende, fahrlässige Einbindung in eine auf einen Umsatzsteuerbetrug angelegte Lieferkette liegt nicht nur dann vor, wenn sich die Gegenstände der Lieferung in einem „Karussell” in dem Sinne befinden, dass sie bei den Beteiligten mehrfach durchgehandelt, bzw. durch Rechnungen erfasst worden sind. Das Umsatzsteuersystem wird bereits dann missbraucht, wenn der Fiskus durch eine Absprache einmal um Umsatzsteuer betrogen wird.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 3. Senat unter Mitwirkung des Präsidenten des Finanzgerichts …, der Richterin am Finanzgericht …, des Richters am Finanzgericht …, der ehrenamtlichen Richterin und … der ehrenamtlichen Richterin … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 01.12.2008

    für Recht erkannt:

    I. Die Klage wird abgewiesen.

    II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin zur Geltendmachung von Vorsteuern aus Rechnungen der Firma W HandelS GmbH für den Voranmeldezeitraum März 2000 berechtigt ist.

    Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft. Sie betreibt die Entwicklung, Herstellung, Bearbeitung, den Vertrieb und den Handel mit Hardware- und Software-Produkten auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik. Die Klägerin firmierte seit ihrer Gründung im Jahr 1992 bis zum 31.03.2001 unter dem Namen K. GmbH. Sie wurde zum 01.04.2000 zur K. AG umgewandelt. Im Jahr 2000 hatte die Klägerin einen Umsatz von ca. 600 Millionen DM, davon ca. 300 Millionen DM aus dem internationalen Handel mit Mobiltelefonen. Weitere ca. 300 Millionen DM wurden in dem Bereich der Belieferung des Fachhandels mit Mobiltelefonen umgesetzt. Die bei der Klägerin für den ersten Bereich des internationalen Handels mit Mobiltelefonen zuständige Abteilung „Trading” wurde durch den Zeugen Herrn H geleitet.

    Bei der Ausstellerin der Rechnungen, die die verfahrensgegenständliche Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin ausgewiesen hat, handelt es sich um eine seit 1992 in das Handelsregister des Amtsgerichts M eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Firma W HandelS GmbH (nachfolgend: W.). Als Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Waren aller Art, insbesondere Import und Export – ausgenommen Einzelhandel mit Lebensmittel – Vermittlung von Waren und Dienstleistungen sowie Erbringung von Dienst- und Serviceleistungen jeder Art im Import und Export von Waren. Als Geschäftsführer der W waren im Streitzeitraum März 2000 in das Handelregister eingetragen Herr V sowie Herr W, beides Kaufmänner in M; beide Geschäftsführer hatten die Befugnis zur Einzelvertretung der W (auf den Auszug aus dem Handelsregister wird Bezug genommen, Bl. 129 der Gerichtsakte). Die W gab in den streitigen Rechnungen die Anschrift … in M an.

    Der W war im Streitzeitraum ein eigener Telefonanschluss unter der Nummer … sowie ein Telefaxanschluss unter der Nummer … zugewiesen. Diese Anschlüsse wurden umgeleitet an Herrn E, den Geschäftsführer der Firma S (Sitz in der … Straße … in M, nachfolgend genannt: S.). Die W verfügte im Streitzeitraum über keine Büroräume an der Anschrift … in M. Auf einem Briefkasten der an der genannten Anschrift ansässigen Firma O GmbH befand sich jedoch ein Aufkleber mit dem Namen „W GmbH”. Eine eigene Klingel für die W befand sich im Streitzeitraum nicht an der angegebenen Anschrift. Außer den für Herrn W bzw. dessen Firmen bestimmten Briefen wurden keine Unterlagen oder sonstigen Gegenstände für ihn dort gelagert (auf die Feststellungen der Steuerfahndung M in ihrem Bericht vom 11.07.2000, Bl. 447 der RB-Akte, wird Bezug genommen). Die Firma W war im Streitzeitraum Inhaberin eines Bankkontos bei der Bank eG.

    Der Geschäftsführer der Firma O GmbH, Herr D V, erklärte in einer Zeugenvernehmung durch die Steuerfahndung am 28.06.2000, Herr W sei mit seinen Firmen Ende 1998, Anfang 1999 aus dem Gebäude ausgezogen. Er habe mit Herrn W bei dessen Auszug vereinbart, dass er Post für Herrn W bzw. dessen Firmen entgegen nehme. Herr W habe dann im Abstand von ein bis zwei Wochen die Post abgeholt. Ein Telefon für die Firma W habe dort nicht existiert. Er habe auch keine Anrufe oder Telefaxe für diese Firma erhalten. Er könne sich jedoch daran erinnern, dass die Post zum Zeitpunkt des Auszugs des Herrn W Rufumleitungen vorgenommen habe (Akte Steuferfahndung II Nr. 24). Im Rahmen europaweiter Durchsuchungen der Polizei bzw. Steuerfahndung wurden am 28.06.2000 bei Herrn W zwei Ordner mit Unterlagen festgestellt. Darin befanden sich Unterlagen zu Liefervorgängen der W. Hierbei wurden von 30 Rechnungen der W an die Klägerin 25 festgestellt, weiterhin wurden 18 Bestellungen der Klägerin festgestellt (auf den Aktenvermerk der Steuerfahndung M vom 25.07.2002, Akte Steuferfahndung III Nr. 60, wird Bezug genommen).

    Herr W erklärte am 03.07.2000 in einer Beschuldigtenvernehmung bei der Staatsanwaltschaft M, die Firma W habe ursprünglich Ersatzteile für Kugelschreiber in den Iran geliefert, später auch Reisen vermittelt. Im Jahr 1999 habe der Umsatz fast 0 DM betragen. Die W habe auf Vorschlag seines langjährigen Bekannten Herrn E von Mitte Februar 2000 am 29.02.2000 das erste Handygeschäft gemacht. Er habe ihm hierfür einen Geldbetrag pro Handy versprochen. Da er – W – von dem Geschäft nichts verstünde, sollte die Geschäftsabwicklung durch Herrn B erfolgen. Die Telefon- und Faxnummer der W seien auf Herrn E umgeleitet worden. Die Rechnungen für die an die Klägerin verkauften Handys seien von Herrn E unter Verwendung des Briefkopfes der Firma W mit der Adresse … in M gestellt worden. Er – W – habe nur die Freigabeerklärung für die Mobiltelefone unterschrieben. Herr E habe ihm Kopien der Rechnungen gegeben, die er dann in die … straße verbracht habe. Herr W gab bei der Beschuldigtenvernehmung eine Wohnanschrift in der … straße … in M sowie eine weitere Wohnanschrift in der … straße … in M an (auf das Vernehmungsprotokoll wird Bezug genommen, Bl. 918 – 920 der Gerichtsakte). Der Verteidiger des Herrn W gab mit Schriftsatz vom 27.07.2000 eine ergänzende Stellungnahme ab. Herr W habe die – nicht sehr umfangreichen – Geschäftsunterlagen der W zu der Firma des Herrn E, S., gebracht. Die Firma W habe in letzter Zeit praktisch ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Sie habe durch das Handy-Geschäft wiederbelebt werden sollen. Praktisch sei das Geschäft so abgelaufen, das Herr E Herrn W über dessen Mobiltelefon gebeten habe, bei der Firma S. vorbeizukommen, um die von ihm vorbereiteten Telefaxe an die Spedition sowie den Lieferanten – die S GmbH (nachfolgend: S GmbH) zu unterschreiben. Herr W habe dann in den Räumen der S. die bereits unter dem Briefkopf der W vorbereitete Rechnung an die Klägerin sowie den Avis des Geldversandes der Klägerin an die W geprüft. Dann habe Herr W die entsprechenden Überweisungsträger hergestellt, sie unterschrieben und zur Bank der W gebracht. Die Kopie der Überweisung sei an die S GmbH mit der Bitte um Freigabe der Ware gesandt worden, die Gegenfreigabe zugunsten der Klägerin sei per Fax an den Spediteur versandt worden. Hierbei sei das Faxgerät der S. benutzt worden, auf dem die Faxkennung der Firma W programmiert gewesen sei. Auf das Anwaltsschreiben wird im Übrigen Bezug genommen (Akte Steuferfahndung I Nr. 14).

    Im Rahmen der Durchsuchungen durch die Steuerfahndung wurden aus dem Monat März 2000 folgende Rechnungen der W an die Klägerin festgestellt: (Akte Steuerfahndung II Nr. 36: Übersicht; die Klägerin hat die Rechnungen vom 01.03.00, 13.03.00, 14.03.00, 17.03.00, 22.03.00 selbst – nebst Zahlungsnachweisen – mit ihrer Anlage 5 zu ihrem Schriftsatz vom 06.10.2000 innerhalb des Einspruchsverfahrens vorgelegt, Bl. 157, 164, 172, 177, 188 der RB-Akte; die Rechnungen wurden durch das FA erneut vorgelegt (Bl. 957 ff der Gerichtsakte).

    Datum der RechnungGegenstand d. RechnungGesamtkaufpreisAusgewiesene UStRechnungsnummer
    01.03.20001.999 Stück Samsung SGH 2200953.043,24 DM(821.589 DMnetto) 131.454,24 DMR000001
    13.03.2000496 Stück Nokia 82101.000 Stück Nokia 3210829.678,40 DM(715.240 DMnetto)114.438,40 DMR000004
    14.03.20001.994 Stück Nokia 3210719.355,44 DM(620.134 DM netto)99.221,44 DMR000005
    17.03.20001.688 Stück Nokia 6150902.674,88 DM(778.168 DM netto)124.506,88 DMR000018
    22.03.20001.645 Stück Nokia 6150200 Stück Motorola 36881.044.348 DM(900.300 DM netto)144.048 DMR000019
    24.03.2000984 Stück Nokia 8210300 Stück Motorola V 3688997 Stück Nokia 32101.539.815,32 DM(1.327.427 DM netto)212.388,32 DMR000066
    28.03.20002.000 Stück Nokia 61501.057.920 DM(912.000 DM netto)145.920 DMR000067
    30.03.2000750 Stück Motorola V 3688624.660 DM(538.500 DM netto)86.160 DMR000068
    30.03.20001.650 Stück Motorola V 36881.374.252 DM(1.184.700 DM netto)189.552 DMR000069
    Gesamte ausgewiesene USt: 1.247.689,28 DM

    Nettobeträge gesamt 7.798.058 DM

    Die Rechnungen sind durchgängig entsprechend dem folgenden Beispiel aufgebaut (vgl. Bl. 963 Gerichtsakte; die Rechtschreibfehler finden sich im Original):

    W M TelefonTelefax K GmbH H
    Rechnung
    Ihre Kundennr.Unser VorgangDatum
    R00001922.03.00
    Pos.MengeArtikelPEE-PreisG-PreisSt.-Schl
    11.645,00Handy-GSM61501DM 460,00756.700,001
    Nokia Handy6150
    2200,00Handy-GSM/V36881DM 718,00143.600,001
    Motorola-Handy3688
    3Eins,Null,Vier,Vier,Drei,Vier,Acht:DM lt List MBS Spedition Nr:220301/22030
    Warei ist Breiots bei Spedition M
    International GmbH
    K
    TelFax:Frau R. Ö
    Zahlung: Per SWIFT(Blitzüberweisung) auf Konto Nr:
    Herr G Tel:
    Unwiderruflich Bankbestätigung
    Übergabe:nacheigangs Bankbestätigung Kann
    die Ware bei Spedition M mbH
    abgeholt werden
    G e s a m t b e t r a g900.300,00 DM
    zuzüglich MwSt6,00 % ausDM 900.300,00144.048,001
    E n d b e t r a g1.044.348,00 DM
    zahlbar sofortrein netto1.044.348,00 DM
    Bankverbindung: M Volksbank eGHRB 98437 M
    BLZ …, Kto.ID NR.: DE 129493198
    Im Rahmen der Steuerfahndung wurde eine durch die jeweiligen Geschäftsführer unterzeichnete Vereinbarung festgestellt (Akte Steuerfahndung I Nr. 13). Diese lautet:

    „ Liefervereinbarung
    zwischen

    Fa. S Center

    In

    F

    und

    Fa. W GmbH

    M

    Fa S GmbH liefert an Fa. W HandelS GmbH größere Einzelposten diverser Handymodelle, welche durch Fa. W an Abnehmer weitergeliefert werden.

    Fa. W berechnet an den oder die Abnehmer die gleichen ink. MWSt. Preise, die ihr von Fa. S GmbH in Rechnung gestellt werden.

    Fa. W stehen 2 % aus dem jeweiligen Rechnungsbetrag zu, d.h., sie leitet eingehende Zahlungen an Fa. S GmbH mit einem Abschlag von 2 % weiter.

    Die Freigabe der Ware wird jeweils erst erfolgen, wenn die vertragsgemäße Zahlung der Fa. S GmbH bankseitig unwiderruflich avisiert ist; dem entsprechende Weisungen sind dem beauftragten Spediteur jeweils bei Erteilung des Versandauftrags verbindlich mit Rückbestätigung zu erteilen.

    Fa. S GmbH stellt Fa. W von jeglichen Ansprüchen frei, insbesondere von Gewährleistungsansprüchen des Abnehmers. Fa. W trägt auch nicht die Gefahr der Versendungen.

    Für Streitigkeiten jeglicher Art wird M als Gerichtsstand vereinbart.

    F, den 23. März 2000M, den
    Fa. S GmbHFa W HandelS GmbHv.d. GF. Herr N Bau
    v.d. GF. Herr S W”
    Die Klägerin reichte am 12.04.2000 bei dem Finanzamt C eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2000 ein, mit der abziehbare Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Höhe von 5.742.218,57 DM geltend gemacht wurden (Bl. 481 RB-Akte).

    Am 28.06.2000 wurde eine europaweite Steuerfahndungsaktion gegen verschiedene Unternehmen wegen des Verdachtes der Durchführung eines geplanten Umsatzsteuerbetrugs mit dem Handel von Mobiltelefonen durchgeführt. Es kam zu verschiedenen Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten. Auch bei der Klägerin wurden entsprechende Durchsuchungen und Vernehmungen vorgenommen.

    Am 28.06.2000 erließ das Finanzamt M für Körperschaften eine Arrestanordnung gegen die W über 2.759.582,52 DM wegen Umsatzsteuerschulden aus März bis Mai 2000. Das Amt war davon ausgegangen, dass die Firma W Teil eines Umsatzsteuerkarussells sei und ihr damit keine Unternehmereigenschaft zukomme. Sie habe auch keine Lieferungen an die Klägerin ausgeführt, die Leistung der W gegenüber der Klägerin habe nur darin bestanden, Rechnungen für sie auszustellen, damit die Klägerin einen Vorsteuerabzug vornehmen könne. Für die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer hafte die W, Vorsteuer könne sie nicht abziehen (Bl. 274 ff der RB-Akte).

    Das Finanzamt C erließ am 02.08.2000 nach § 164 Abs. 2 AO unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung für März 2000 gegen die Klägerin. Die nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbaren Vorsteuern wurden auf 5.106.469,61 DM, die sich ergebende Umsatzsteuer wurde auf – 1.033.577 DM festgesetzt. Grund hierfür sei die Kürzung der aus Rechnungen der Firma W GmbH resultierenden Steuerbeträge (Bl. 475, 478, 465 der RB-Akte). Der nicht anerkannte Betrag von 635.748,96 DM setzte sich nach Mitteilung der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes C vom 11.07.2000 aus von der W GmbH an die Klägerin ausgestellten Rechnungen zusammen (Aufstellung Bl. 446 der RB-Akte).

    Am 11.08.2000 legte die Klägerin Einspruch gegen die Änderung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2000 in Höhe von 770.521,20 DM wegen Versagung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen der Firma W GmbH ein.

    Mit Anwaltsschreiben vom 28.03.2001 ließ die W gegenüber dem Finanzamt M für Körperschaften mitteilen, dass die Rechnungen gegenüber der Klägerin, für die die W wegen unberechtigten Ausweises von Umsatzsteuer in Anspruch genommen worden sei, gegenüber der Klägerin berichtigt worden seien, indem lediglich Rechnungen über den Nettobetrag ausgestellt worden seien. Wegen Beseitigung der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens sei deshalb nach einschlägiger Rechtsprechung des EuGH ihre Inanspruchnahme für Umsatzsteuer rückgängig zu machen (Bl. 339 ff der RB-Akte). Das genannte Finanzamt lehnte mit Schreiben vom 28.03.2001 eine Anerkennung der Berichtigung der Ausgangsrechnungen ab; die Gefährdung des Steueraufkommens sei für Rechnungen aus der Zeit März bis Juni 2000 nicht ausgeschlossen, da die entsprechende Vorsteuer von der Klägerin bereits beantragt und ihr erstattet worden sei.

    Mit Beschluss des Amtsgerichts M – Insolvenzgericht – vom 10.04.2001 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der W GmbH mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen (siehe Akte Steuerfahndung III Nr. 48).

    Mit Einspruchsentscheidung vom 28.06.2001 wurde der Einspruch der Klägerin gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für März 2000 vom 02.08.2000 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 435 ff der RB-Akte). Der W könnten die abgerechneten Leistungen nicht zugerechnet werden. Sie habe sich tatsächlich nicht an dem angegebenen Sitz in M befunden und von dort auch keine geschäftlichen Aktivitäten entwickelt. Sämtliche Aktivitäten und Entscheidungen seien von der Firma S. getroffen worden. Es sei schon zweifelhaft, ob der W überhaupt die notwendige Unternehmereigenschaft zukomme, da die erforderlichen geschäftlichen Entscheidungen nur von Hintermännern getroffen worden seien. Die W sei nur für die Erteilung der Rechnungen zwischengeschaltet worden. Sie hätte auch finanziell selbst kein einziges Handygeschäft durchführen können. Auch sei die W 1999 und 2000 ihren umsatzsteuerlichen Pflichten nicht nachgekommen und habe keine Steuererklärungen eingereicht. Die Leistungsbeziehung sei entsprechend den zivilrechtlichen Verhältnissen zu beurteilen; danach habe die Klägerin entsprechende Vereinbarungen über die Lieferungen von Handys tatsächlich nicht mit der W, sondern mit Herrn P über die Lieferungen und die Kaufpreise verhandelt. Herr P sei jedoch für die Firmen T T in L bzw. A Ltd. in L tätig gewesen und habe von diesen Firmen Provisionen für seine Vermittlungen erhalten. Diese Firmen hätten letztlich auch – wenn auch über Umwege – das Entgelt für die Mobiltelefone erhalten. Da die W die Umsatzsteuer nur wegen unberechtigten Ausweises von Umsatzsteuer schulde, könne die Klägerin diese Beträge nicht als Vorsteuer abziehen. Dies sei weiterhin auch deshalb nicht möglich, weil die W zwischenzeitlich die gestellten Rechnungen berichtigt habe und nunmehr die erforderliche Ausweisung von Umsatzsteuer nicht mehr vornehme.

    Die Klägerin erhob am 16.07.2001 wegen Umsatzsteuer für März 2000 Klage zum Sächsischen Finanzgericht.

    Am 10.06.2002 erging nach § 164 Abs. 2 AO ein geänderter Bescheid über USt-Vorauszahlung für März 2000, der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Festgesetzt wurden – 421.637 DM (Bl. 353 f der Gerichtsakte).

    Die Staatsanwaltschaft M II erhob am 24.07.2002 Anklage gegen die Herren K, E, M, B, H, Z und Frau T von S, die drei Letztgenannten gehörten im Streitzeitraum der Tradingabteilung der Klägerin an. Auf die auszugsweise vorgelegte Anklageschrift wird Bezug genommen (Anlage III zu dem Schriftsatz des FA vom 07.05.2004).

    Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes C legte am 07.04.2003 ihren Bericht über die Fahndungsprüfung bei der Klägerin vor. Sie ging davon aus, dass die Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche der Klägerin im Jahr 1999 von bisher – 24.603.567 DM um 4.768.093,50 DM auf – 19.835.473,50 DM und für das Jahr 2000 von – 15.402.207,39 DM um 1.851.029,77 DM auf – 13.551.177,62 DM zu vermindern seien. Grund hierfür sei eine vorzunehmende Kürzung der Vorsteuer um 4.768.092,41 DM im Jahr 1999 und 1.851.026,88 DM im Jahr 2000. Die Klägerin dürfe Umsatzsteuer, die in Rechnungen der Firmen D I GmbH (nachfolgend: D I), S. und W ausgewiesen worden sei nicht als Vorsteuer abziehen. Es sei in dem Zeitraum 1997 bis 2000 ein von Italien und sodann der Schweiz (L) aus gesteuertes Umsatzsteuer-Betrugssystem durch eine Gruppe von Personen (genannt „Gruppe C.”) organisiert worden, die durch ein Geflecht wechselnder Firmen in verschiedenen Phasen Rechnungen an die Klägerin gestellt habe. In einer ersten Phase von Januar bis September 1999 seien diese Rechnungen über die Firma D I, in der zweiten Phase von September 1999 bis Januar 2000 über die Firma S. und in der dritten Phase von Februar 2000 bis Juni 2000 über die Firma W gelaufen. Es seien hierbei Rechnungen über Mobiltelefone an die Klägerin gestellt worden, jedoch sei innerhalb der zentral organisierten Lieferketten eine Nichtabführung der Umsatzsteuer durch einen Vorlieferanten geplant und durchgeführt worden und damit ein erheblicher Schaden bei dem Fiskus entstanden. Der angebliche Handel mit Mobiltelefonen sei nur ein Mantel für ein groß angelegtes Betrugsmanöver zu Lasten des Fiskus gewesen. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, dass die bewegte und fakturierte Ware tatsächlich an Endabnehmer gelangen sollte. Zweck der Geschäfte sei es gewesen, Lieferungen von angeblich normalen Marktteilnehmern vorzutäuschen und den Gewinn aus der Nichtabführung der Umsatzsteuer bei dem verschwundenen Händler („missing trader”) auf die beteiligten Firmen zu verteilen. Zu einer bereits geplanten vierten Phase sei es wegen der Einleitung strafprozessualer Maßnahmen nicht mehr gekommen (auf den Bericht der Steuerfahndung vom 07.04.2003, Anlage IV zu dem Schriftsatz des FA vom 07.05.2004, wird Bezug genommen).

    Die sechste Strafkammer des Landgerichts M I sprach in dem Strafverfahren 6 KLs 69 Js 8191/00 mit Urteil vom 22.05.2003 die Angeklagten K und M – beide waren auf Grundlage eines Auslieferungsersuchens an die Schweiz der deutschen Justiz überstellt worden – der Steuerhinterziehung in acht Fällen schuldig und verurteilte sie zu drei bzw. vier Jahren Freiheitsstrafe. Der Angeklagte E wurde der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in acht Fällen schuldig gesprochen und zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, sowie zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt. Das Gericht stützte sich insbesondere auf die von den drei Angeklagten abgegebenen umfangreichen Geständnisse sowie auf Aussagen zweier als Zeugen vernommener Beamten der Steuerfahndung. Das Urteil wurde in Bezug auf die Herren K und E am 22.05.2003 und bezogen auf Herr M am 05.09.2003 rechtskräftig. In dem Urteil wurde – auszugsweise – folgendes festgestellt:

    Die Angeklagten K, M und andere („Gruppe C.”) hätten sich spätestens seit Oktober 1999 zusammengeschlossen, um in einigen europäischen Ländern von M (Italien), später von L (Schweiz) aus durch einen nach außen hin legal erscheinenden Handel mit Mobiltelefonen Umsatzsteuer durch sogenannte Umsatzsteuerkarusselle in Millionenhöhe zu hinterziehen. Zur Umsetzung dieses Planes seien für Deutschland die Herren E und E gewonnen worden; diese hätten zwar nicht der Gruppe C. selbst angehört, seien jedoch in Kenntnis des von der Gruppe verfolgten Tatplans gegen eine finanzielle Beteiligung für die Gruppe tätig geworden. Die Gruppe C. habe zunächst einen Warenkreislauf installiert, der meist über drei Firmen abgewickelt worden sei. Zunächst habe eine erste Firma („missing trader”) eine zweite Firma („Pufferfirma”) mit Rechnungen beliefert, in denen Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei. Die erste Firma (faktisch stets von dem engsten Täterkreis um die Gruppe C. geleitet) sei ihren umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zur Abführung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nicht nachgekommen. Die zweite Firma habe die durch die erste Firma in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer bei den Finanzbehörden geltend gemacht. Die zweite Firma habe nunmehr einer dritten Firma – bei der es sich regelmäßig um große Distributoren gehandelt habe – die Ware unter Ausweisung von Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Diese dritte Firma habe die Ware zum Teil in das europäische Ausland veräußert und sich die ihr in Rechnung gestellte Vorsteuer von der Finanzverwaltung erstatten lassen. Die Bezahlung zwischen den Firmen sei in Höhe der in Rechnung gestellten Beträge erfolgt. Um den Gewinn, der in der ausgewiesenen, aber nicht abgeführten Umsatzsteuer der ersten Firma (des missing traders) gelegen habe, zu sichern, seien die als missing trader fungierenden Firmen immer nur für wenige Monate für die vorgetäuschte Geschäftstätigkeit genutzt worden. Sämtliche dort eingehenden Gelder seien sofort nach Eingang vollständig auf bestehende Konten der Gruppe C. in der Schweiz überwiesen worden. Zwar hätten die auf den Rechnungen/Lieferscheinen ausgewiesenen Mobiltelefone größtenteils existiert, jedoch hätten sie den beteiligten Firmen körperlich nur ausnahmsweise zur Verfügung gestanden. In dem Staat, in dem die jeweilige erste Firma (der „missing trader”) ansässig gewesen sei, seien die Mobiltelefone in einem zentralen Lager verblieben, während die Rechnungen im jeweiligen Land zu den beteiligten Firmen gesteuert worden seien. Sofern es zu einem Export gekommen sei, sei die Ware ab dem Zeitpunkt der Stellung der Exportrechnung in das nächste Land verbracht worden, wo zum Teil mit dem dortigen Abnehmer als missing trader ein neuer Kreislauf begonnen habe. Das Risiko der Entdeckung der Straftaten sei durch das Bereitstellen tatsächlich existierender Ware und das teilweise vorgenommene Aufteilen von Ware erheblich gemindert worden, da hierdurch der Warenweg nur noch schwer habe nachvollzogen werden können (siehe die Darstellung der allgemeinen Funktionsweise des Umsatzsteuerbetrugssystems auf Seite 20, 21 des genannten Strafurteils, Anlage zu dem Schriftsatz des FA vom 03.09.2004).

    In Bezug auf die Aktivitäten der Gruppe in Deutschland wurde festgestellt, dass die Firmen T Handy GmbH sowie S GmbH von der Gruppe C. beherrscht worden seien und deren erwirtschaftete Gelder unter der Überwachung des Herrn K auf Konten der italienischen und schweizer Firmen der Gruppe C. transferiert wurden (N sas, C spa, T T Ltd., A Ltd.). Herr K sei in persönlichem bzw. telefonischem Kontakt mit den für die Gruppe in Deutschland tätigen Herren E und E gestanden. Herr E habe auf Anweisung der Gruppe C. Strohleute gesucht, die in Deutschland entsprechend dem von der Gruppe C. gefassten Plan als missing trader fungieren sollten. E habe bei den Firmen T Handy GmbH und S GmbH (die missing trader) die Geschäfte auf Weisung der Gruppe C. durchgeführt. Er habe dafür nach Anweisung Rechnungen gefertigt und diese an die zweite Firma (Pufferfirma) weitergeleitet sowie die auf den Konten der missing trader eingehenden Gelder umgehend auf Konten der Firmen der Tätergruppe transferiert. Herr B habe seine Firma S. in M als Pufferfirma für den Tatplan der Gruppe C. zur Verfügung gestellt. Nach kurzer Zeit habe er sich dann zu diesem Zweck der Firma W des anderweitig Verfolgten Herrn S W bedient.

    Die von der Tätergruppe auf den Weg gebrachten Lieferungen von Mobiltelefonen seien unter Einbringung des anderweitig Verfolgten Herrn P von Herrn E über die Firmen S. und W unter anderem an die Tradingabteilung der Klägerin, in der die anderweitig Verfolgten Herren H und Z sowie Frau von S tätig gewesen seien, geliefert worden.

    Das Strafurteil machte zwei Phasen des Tätigwerdens der Gruppe C. in Deutschland aus:

    Phase 1: In der Zeit von September 1999 bis Januar 2000 habe die von Herrn E gegründete und kontrollierte Firma T Handy GmbH als missing trader fungiert. Diese Firma habe ausschließlich Ware an die Pufferfirma S. des Herrn E verrechnet. Unter Einbindung des Herrn P habe die S. diese Ware an die Firmen A Telekom GmbH mit Sitz in K, die Firma M GmbH mit Sitz in L und an die Klägerin verkauft.

    Phase 2: In der Zeit von Februar 2000 bis Juni 2000 habe die ebenfalls von Herrn E gegründete und kontrollierte Firma S GmbH mit angegebenem Sitz in F als missing trader fungiert. Diese Firma habe die Ware, wie geplant, an die W und in drei Fällen auch an eine Firma T GmbH des anderweitig Verfolgten Herrn K verrechnet. Faktischer Geschäftsführer der W sei Herr E gewesen. Herr E habe nun die Aufgabe erfüllt, die von der S GmbH an die Pufferfirma W gelieferten Mobiltelefone an die Klägerin weiterzuveräußern. Die Klägerin habe ihrerseits die Mobiltelefone weiterveräußert. In dem Zeitraum 10.03.2000 bis 21.06.2000 habe die S GmbH insgesamt 28.768.000 DM aus den von den Firmen W und T GmbH eingegangenen Geldern (einschließlich Umsatzsteuer) an die von der Gruppe C. beherrschte Firma A Ltd. in L (Schweiz) überwiesen. Auf die Aufstellung der Rechnungen der S GmbH an die W wird verwiesen (Seite 36 bis 38 des Strafurteils). Die Firma S GmbH habe entgegen ihrer umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtung keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Dem Finanzamt F III sei hierdurch für den Zeitraum Februar bis Juni 2000 ein Schaden durch einen Steuerausfall von mindestens 4.581.833,92 DM entstanden. Herr E habe als faktischer Geschäftsführer der W absprachegemäß die für den weiteren Kreislauf notwendigen Rechnungen an die Klägerin – ohne einen im Wirtschaftsleben üblichen Preisaufschlag – ausgestellt. In dem Zeitraum März 2000 bis einschließlich Juni 2000 habe die W der Klägerin so in insgesamt 30 Rechnungen Bruttobeträge von 29.961.711 DM in Rechnung gestellt, darin enthalten 4.132.649,20 DM als der Klägerin in Rechnung gestellte Umsatzsteuer. Für den Monat März 2000 habe die Klägerin aus einem Nettowert der Rechnungen von 7.798.057 DM Vorsteuerbeträge in Höhe von 1.247.689,28 DM geltend gemacht (auf die Aufstellungen der Rechnungen in dem Strafurteil wird Bezug genommen, dort S. 39 – 41).

    Das Verfahren gegen Herrn E war wegen dessen Verhandlungsunfähigkeit von der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts M I abgetrennt worden. Ebenfalls abgetrennt von dem übrigen Strafverfahren wurden die Verfahren gegen die drei Mitarbeiter der Klägerin, die Herren H und Z sowie Frau von S.

    Das Landgericht M I stellte mit Beschluss vom 12.10.2006 schließlich das gegen die Mitarbeiter der Tradingabteilung der Klägerin, Herrn H, Frau T von S sowie Herrn Z am 17.02.2005 eröffnete Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung nach § 153a Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) vorläufig ein. Die Einstellung des Verfahrens erfolgt gegen Zahlung einer Geldauflage für einen gemeinnützigen Zweck. Der vorläufigen Einstellung waren Gespräche zwischen der Strafkammer und den Verteidigern über eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung vorausgegangen. Nachdem Herr H einen Betrag von 20.000 EUR, Frau von S und Herr Z jeweils 10.000 EUR bezahlt hatten, stellte die Strafkammer die Strafverfahren mit Beschluss vom 14.12.2006 endgültig ein. Auf das Protokoll der Sitzung der Strafkammer vom 12.10.2006 sowie den Einstellungsbeschluss vom 14.12.2006 wird Bezug genommen (Bl. 783 – 788, Bl. 777 der Gerichtsakte).

    Nach Ansicht der Klägerin sind ihr die für den Monat März 2000 geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der W zu Unrecht nicht erstattet worden.

    1. Ordnungsgemäßheit der Rechnungen der W

    Das FA beanstande zu Unrecht die durch die W der Klägerin gestellten Rechnungen.

    a) Der in den Rechnungen angegebene Sitz der Gesellschaft sei zutreffend gewesen.

    So sei der Sitz der W zutreffend mit der Anschrift in M angegeben worden. Es habe sich bei der W um eine wirksam gegründete GmbH gehandelt, die im Streitzeitraum mit ihrer Telefon- und Faxnummer in einem Telefonbuch eingetragen gewesen sei. Die Auskunftei B habe auf eine Anfrage der Klägerin vom 01.03.2000 am 06.03.2000 das Bestehen der W und deren angegebenen Sitz bestätigt (auf das Schreiben über eine Online-Auskunft der Firma B vom 06.03.2000 wird Bezug genommen, Bl. 23 – 25 der RB-Akte; ebenso auf das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bestätigungsschreiben der Firma B vom 13.09.2000).

    Die W sei unter der angegebenen Anschrift erreichbar gewesen. Sowohl der Klägervertreter selbst als auch die Spedition M hätten die Firma W über diese Anschrift erfolgreich kontaktiert.

    Auch über die angegebene Telefon- und Faxnummer sei die W erreichbar gewesen. Unschädlich sei dabei, dass hierbei Herr E kontaktiert wurde, da er als Beauftragter der W gehandelt habe.

    Schließlich habe die W auch eine Kontoverbindung angegeben, über die tatsächlich die Zahlungen der verfahrensgegenständlichen Geschäfte abgewickelt worden seien.

    Die Firma W habe an der angegebenen Anschrift ein Firmenschild auf einem Briefkasten gehabt. Seit 1992 habe die Firma am Wirtschaftsleben teilgenommen. Auch habe sie erhebliche Umsätze erzielt – über 20 Millionen DM in vier Monaten.

    Auch steuerlich sei die W unter dieser Anschrift registriert gewesen und habe Umsatzsteuer-Voranmeldungen unter Angabe dieser Anschrift abgegeben.

    Die Geschäftsführer der W, Herr W und Herr von V hätten ihren Wohnsitz in M gehabt; auch so wäre die Erreichbarkeit der W gesichert gewesen.

    b) Die W sei nicht verpflichtet gewesen, die individuelle Seriennummer (IMEI-Nr.) jedes der gelieferten Mobiltelefone in den Rechnungen anzugeben. Es sei im Streitzeitraum noch nicht allgemein üblich gewesen, die IMEI-Nr. bei Lieferungen von Mobiltelefonen zu erfassen. Zum Teil hätten hierzu die technischen Möglichkeiten gefehlt; auch sei mit einem nicht unerheblichen Kostenaufwand pro Mobiltelefon von 0,25 DM zu rechnen gewesen (Bl. 224 Gerichtsakte). Das im Streitjahr geltende UStG habe den Abzug der Vorsteuer nicht davon abhängig gemacht, dass in den Rechnungen sämtliche Angaben enthalten seien. Es seien auch die praktischen Bedürfnisse des wirtschaftlichen Verkehrs zu beachten, insbesondere bei der großen Zahl der gelieferten Mobiltelefone. In den Rechnungen seien die verkauften und gelieferten Mobiltelefone nach Hersteller, Typ und Menge konkret bezeichnet worden. Dadurch sei auch für einen unbeteiligten Dritten einfach nachvollziehbar gewesen, welche Waren Gegenstand der Lieferung und der Rechnung gewesen seien. Die Klägerin bezieht sich auf ein Urteil des FG M aus dem Jahr 2007 (EFG 2007, 881), in dem die Angabe von Seriennummern für gelieferte Mikroprozessoren (CPU) als nicht erforderlich für eine ordnungsgemäße Rechnung befunden worden sei.

    c) Die durch die W im Jahr 2001 durchgeführte Berichtigung der Rechnungen, die sie der Klägerin zunächst unter gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer gestellt habe, auf Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis sei für den Anspruch der Klägerin auf Vorsteuerabzug unschädlich, da die W hierbei offensichtlich missbräuchlich gehandelt habe. Auch das für die W zuständige M Finanzamt habe diese Rechnungsberichtigungen als unerheblich erachtet und die W wegen der ausgewiesenen Umsatzsteuer in Anspruch genommen.

    2. Vorliegen tatsächlicher Lieferungen von der W an die Klägerin

    Den Rechnungen hätten auch tatsächliche Lieferungen von Mobiltelefonen durch die Rechnungsausstellerin W an die Klägerin zugrunde gelegen.

    Unschädlich sei dabei, dass die Ware nicht direkt körperlich von der W an die Klägerin in deren Lager nach H bei C geliefert worden sei. Die Ware sei vielmehr auf Geheiß der Klägerin in ein Lager einer von ihr jeweils beauftragten Spedition (K & N, D oder M) angeliefert worden. Die Spediteure hätten dann die Frachtpapiere sowie die angelieferten Waren selbst überprüft und der Klägerin einen Prüfbericht zugesandt. Die Speditionen hätten sich insbesondere von dem körperlichen Vorhandensein der Waren zu überzeugen gehabt. Erst wenn die Klägerin aufgrund der ihr von den Speditionen mitgeteilten Prüfberichten von der Ordnungsmäßigkeit jeder Lieferung überzeugt gewesen sein konnte, habe sie die Waren bezahlt bzw. ihre Bank angewiesen, der W mitzuteilen, dass sie (also die Bank der Klägerin) unwiderruflich angewiesen sei, den Rechnungsbetrag anzuweisen, sobald die gelieferten Waren zur Auslieferung an die Klägerin freigegeben seien. Daraufhin sei die Freigabe der Waren per Fax der W an die Spedition erfolgt. Diese Freigabeerklärungen seien stets auf Briefpapier der W mit einer Unterschrift des Geschäftsführers W erfolgt. Die Prüfberichte seien von der Steuerfahndung beschlagnahmt worden, zum Teil habe sie die Klägerin im vorliegenden Verfahren vorgelegt. Die körperlichen Lieferungen der abgerechneten Mobiltelefone könnten Mitarbeiter der von der Klägerin beauftragten Speditionen zeugenschaftlich bestätigen. Da die hochwertigen Lieferungen über Mobiltelefone in einem Sicherheitslager der Spedition verwahrt worden seien, gebe es auch Video-Aufzeichnungen über die Tatsache des Vorhandenseins der abgerechneten Waren. Die Ware sei von dem Geschäftsführer der W, Herrn W durch Fax gegenüber der Spedition freigegeben worden.

    Die Klägerin habe schriftlich oder telefonisch bei der W entsprechende Mobiltelefone bestellt. Auf die durch die Klägerin vorgelegten Dokumente über Bestellungen, Rechnungen, Zahlungsbuchungen wird Bezug genommen (Bl. 155 – 188 der RB-Akte). Es handele sich um ein nicht zu beanstandendes Streckengeschäft zwischen den Firmen S GmbH, W und der Klägerin. Die Klägerin habe Verfügungsmacht über die bestellten Waren durch die Freigabe der W erhalten, anderenfalls hätte sie die Geräte nicht – wie tatsächlich erfolgt – an Dritte weiterveräußern können.

    Die Klägerin habe die Waren in der Regel vor bzw. spätestens am Tag oder wenige Tage nach dem Eingang der durch W gelieferten Waren an fremde Dritte mit Sitz innerhalb der EU bzw. – überwiegend – mit Sitz in Ländern außerhalb der EU weiterverkauft (auf die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird Bezug genommen, Bl. 44 – 46 der Gerichtsakte).

    Im Rahmen der Großaktion der Steuerfahndung am 28.06.2000 habe diese selbst Hunderte von Mobiltelefonen festgestellt, die durch die W geliefert, aber noch nicht weitergeliefert worden seien (Bl. 388 Gerichtsakte).

    Die Klägerin verweist darauf, dass auch das OLG M in seiner Entscheidung über die Aufhebung eines Haftbefehls sowie das FG M in einer Entscheidung über die Inanspruchnahme der W für die ausgewiesene Umsatzsteuer davon ausgegangen seien, dass die Klägerin tatsächlich die ihr gelieferten Mobiltelefone an Abnehmer „in aller Herren Länder” weiterverkauft habe.

    Bei dem Zustandekommen der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der W sei Herr E nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der W aufgetreten. Hierzu sei er auch von dem Geschäftsführer Herrn W bevollmächtigt worden. Herr E sei also mit Wissen und Wollen des Geschäftsführers der W für diese Firma tätig geworden. Rief man die Telefonnummer der W an, so habe sich Herr E gemeldet (Bl. 117 RB, 91 Gerichtsakte). Jedenfalls aus Sicht der Klägerin sei Herr E stets für die W aufgetreten.

    Herr P habe nur einige, nicht jedoch alle Geschäfte zwischen der Klägerin und der W vermittelt. Er könne insoweit nur wie ein Handelsvertreter behandelt werden, der einen Vertragabschluss zwischen zwei anderen Parteien zustande bringe. Es sei auch nur natürlich, dass ein Handelsvertreter bzw. Vermittler im Vorfeld eines Geschäftsabschlusses Einvernehmen über die wesentlichen Rahmendaten des Geschäftes (z.B. Menge, Preis, Lieferzeit) erziele. Dies ändere jedoch nichts daran, dass das Geschäft dann zwischen der Klägerin und der W zustande gekommen sei (Bl. 222 Gerichtsakte).

    Es sei dem Charakter des börsenmäßig ablaufenden Trading-Geschäftes geschuldet, das schnell auf geänderte Marktbedingungen regieren müsse, dass keine schriftlichen Kaufverträge geschlossen würden, sondern nur Bestellungen, Rechnungen und eine Freigabeerklärung für jede Lieferung der W vorgelegt werden könnten. Den Geschäften seien intensive Preisverhandlungen durch die Mitarbeiter der Klägerin vor jedem Geschäft in telefonischer Form oder auch zum Teil durch E-Mail oder Fax vorangegangen. Dies wisse das FA auch durch die angefertigten Abhörprotokolle (Bl. 500 Gerichtsakte).

    Selbst wenn die W von Dritten für die Verkäufe an die Klägerin nur vorgeschoben gewesen sein sollte, habe sich die Klägerin – die davon nichts gewusst habe – auf ihre Vereinbarungen mit der W verlassen können. Es läge insoweit höchstens ein Strohmanngeschäft vor, das für die – gutgläubige – Klägerin jedoch nicht zur Annahme einer anderen Lieferantenbeziehung als die zur Firma W führen könne.

    Die Mitarbeiter der Klägerin hätten bis zu dem Beginn der Ermittlungen nichts von der Rolle der S GmbH, des Herrn E und der Gruppe C. gewusst. Die Verurteilten hätten im Rahmen des Strafverfahrens vor dem Landgericht M I auch immer wieder erklärt, die Mitarbeiter der Tradingabteilung der Klägerin nicht zu kennen.

    3. Unternehmereigenschaft der W

    Die erforderliche Unternehmereigenschaft der W als Ausstellerin der Rechnungen sei gegeben.

    Bei der W handele es sich um eine im Jahr 1992 ordnungsgemäß gegründete GmbH, die in das Handelsregister eingetragen gewesen sei. Nicht zuletzt durch die streitigen Umsätze sei die W auch wirtschaftlich auf dem Markt aktiv geworden.

    Unschädlich sei, dass zum Teil Herr E als Beauftragter der W gehandelt habe, da dies mit Wissen und Wollen des Geschäftsführers Herr W geschehen sei.

    Auch der eigenwirtschaftliche Nutzen für die W aus den streitigen Lieferungen von Mobiltelefonen sei nicht zu übersehen. So sei ihr eine Marge von 2 % aus den – hohen – Umsätzen mit der Klägerin geblieben. Selbst wenn davon 60 % als Vermittlungsprovision an eine Frau D (die damalige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau des Herrn E) geflossen sein sollten, resultierten daraus immer noch erhebliche Gewinne für ein wirtschaftliches Tätigwerden, die für das erste Halbjahr 2000 mit etwa 160.000 DM bei geringen eigenen Kosten veranschlagt werden könnten (Bl. 225 Gerichtsakte).

    Selbst wenn die Geschäfte der W als illegal zu betrachten wären, wären sie gleichwohl steuerrechtlich zu beachten; auch der Hehler müsse seine Umsätze versteuern.

    Die Rechtssicherheit gebiete es, der W nicht nachträglich die Unternehmereigenschaft absprechen zu dürfen. Erst mit dem letzten Tätigwerden des Unternehmens ende seine Unternehmereigenschaft im umsatzsteuerrechtlichen Sinne.

    Die W könne auch nicht als Scheingesellschaft behandelt werden, da sie tatsächlich auf dem Markt aufgetreten sei. Auch das FA habe noch bis 2001 mit ihr Verfahren geführt.

    Die Einbindung der W in feste Lieferbeziehungen ändere nichts an ihrer Unternehmereigenschaft; dies entspreche vielmehr üblicher wirtschaftlicher Praxis zur Vermeidung von Lieferantenausfällen. Die Klägerin verweist auf eine Entscheidung des FG Baden-Württemberg (DStR 2008, 449).

    4. Gutgläubigkeit der Klägerin in Bezug auf Hinterziehung von Umsatzsteuer in Vorlieferungen

    Die Mitarbeiter der Klägerin hätten – soweit ein Umsatzsteuerkarussell tatsächlich vorliege – von dessen Existenz bis zu dem eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren keine Kenntnis gehabt. Auf eine Kenntnis bzw. ein Kennenmüssen von vorangegangenen Steuerstraftaten in der Lieferkette bei der Abnehmerin komme es für den Streitfall im Jahr 2000 auch nicht an, da die entsprechende Haftungsnorm des § 25 d UStG erst zum 01.01.2002, bzw. verschärft zum 01.01.2004 eingeführt worden sei (Bl. 586 Gerichtsakte). Die Mitarbeiter der Klägerin hätten lediglich gewusst, dass es in dieser Branche sogenannte „schwarze Schafe”, insbesondere in Großbritannien gegeben habe. Gerade deshalb habe sie besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die sich auch aus den Notizen des Herrn H entnehmen ließen (Bl. 587 Gerichtsakte).

    Im Streitfall sei zu betonen, dass nicht erwiesen sei, dass die Ware sich in einem Kreislauf bewegt habe. Dies habe auch die Steuerfahndung selbst erklärt (Blatt 641 Gerichtsakte). Die Ausführungen zur Frage der Einbindung in ein Umsatzsteuerkarussell seien deshalb haltlos (Bl. 641 Gerichtsakte).

    Die Klägerin verweist auf eine Entscheidung des FG M (EFG 2007, 881). Zwar sei danach die Vorsteuer zu versagen, wenn ein Leistungsempfänger hätte wissen müssen, dass der Erwerb die Beteiligung an einer Mehrwertsteuerhinterziehung darstelle. Die Feststellungslast sei indes wie folgt verteilt: Der Steuerpflichtige müsse die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs dartun und beweisen, das FA trage indes die Feststellungslast für das Bestehen objektiver Umstände dafür, dass der Steuerpflichtige bösgläubig im Hinblick auf die Umsatzsteuerhinterziehung gewesen sei. Das FA weise der Klägerin zu Unrecht eine zu große Feststellungslast zu (Bl. 973 Gerichtsakte). Wie im Fall des FG M habe ein Einkauf einer Tradingabteilung auf dem grauen Markt stattgefunden. Bei einer Pufferfirma müsse jedoch keine Bösgläubigkeit in Bezug auf einen vorangegangenen Umsatzsteuerbetrug gegeben sein, es könnten auch durchaus wieder die allgemeinen Regeln des Marktes greifen. Selbst bei einem Anteil von 2 % mehrfach gehandelter Ware habe das FG M keinen Schluss auf die Bösgläubigkeit gezogen. Im Streitfall sei nur eine einzige Lieferung im Wert von etwa 100.000 EUR mehrfach abgewickelt worden. Dies mache noch weniger als 2 % aus. Am grauen Markt seien die Preise niedriger, dies sei nicht verdächtig, das habe auch das FG M a.a.O. festgestellt. Die Klägerin sei ohne ihr Wissen als „factory outlet” einer Reihe Krimineller benutzt worden. Die Bösgläubigkeit der Klägerin sei für das Funktionieren des Karussells nicht notwendig gewesen. Die Täter hätten sich ein „normales Unternehmen” ausgesucht, um die Waren in einem ordnungsgemäßen Marktgang absetzen zu können (Bl. 880 – 884 Gerichtsakte).

    Es sei unzutreffend, wenn das FA behaupte, der Vermittler Herr P habe sämtliche verfahrensgegenständlichen Lieferungen vermittelt. Richtig sei zwar, dass Herr P gelegentlich bei der Klägerin angerufen habe und deren Bereitschaft abgefragt habe, Geschäfte über von ihm angebotene Mobiltelefone zu von ihm genannten Preisen abzuschließen. Eine konkrete Geschäftsvermittlung sei aus diesen Anrufen jedoch nicht entstanden. Der Klägerin sei bis heute nicht bekannt, welche Rolle Herr P überhaupt gespielt habe (Bl. 976 Gerichtsakte). Es sei auch unzutreffend, dass Herr P angeblich zum Teil zugleich Lieferant und Abnehmer derselben Lieferung vermittelt habe. Herr P habe überhaupt kein Geschäft konkret vermittelt. Er sei lediglich als Anbahner aufgetreten, der das Interesse der Klägerin an bestimmten Typen von Mobiltelefonen erkundet habe und bei vorhandenem Interesse dieses vermutlich weitergegeben habe. Das komme im Geschäft des Trading nicht häufig, dennoch gelegentlich vor (Bl. 977 Gerichtsakte).

    Herr P habe der Klägerin auch nicht die W vermittelt, diese sei der Klägerin von dem langjährigen Geschäftspartner Herrn E angedient worden. Herr P sei an der Aufnahme der Geschäftsbeziehung der Klägerin mit der W überhaupt nicht beteiligt gewesen (Bl. 977 Gerichtsakte).

    Für die Klägerin sei die Mitwirkung ihres alten Geschäftspartners Herrn E bei der Abwicklung der Geschäfte zwischen ihr und der W nichts Auffälliges gewesen. Herr E habe seine Mitwirkung damit erklärt, dass er seinem Freund und Geschäftspartner W helfen wolle „wieder auf die Beine zu kommen”, weil dieser ein sehr schlechtes Jahr 1999 gehabt habe, nachdem ihm ein wichtiger Geschäftszweig vollkommen weggebrochen sei. Weil W sich in dem Geschäft mit Mobiltelefonen nicht auskenne, helfe er ihm dabei, dieses aufzubauen. Für die Klägerin sei dies nachvollziehbar erschienen. Sie habe keinen Grund zum Argwohn gegen den ihr seit neun Jahren verbundenen Geschäftspartner Herrn E gehabt. In dieser Zeit sei es zu keinerlei Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsabwicklung gekommen (Bl. 977 der Gerichtsakte).

    Unzutreffend sei auch die Behauptung des FA, die Klägerin habe zu der Zeit, zu der sie die Geschäfte mit der W abgeschlossen habe, gewusst, dass die D I GmbH „wegen Karussellgeschäften aufgeflogen” sei. Die Klägerin habe den geschäftlichen Kontakt zur D I abgebrochen, nachdem die Steuerfahndung bei der Klägerin erschienen sei und Forderungen der D I gegen die Klägerin gepfändet und zur Einziehung an den Fiskus überwiesen worden seien. Weshalb die D I GmbH in das Visier der Steuerfahndung geraten war, sei der Klägerin nicht bekannt gewesen (Bl. 977 Gerichtsakte).

    Vorsorgemaßnahmen gegen Einbeziehung in Umsatzsteuerbetrug

    Seit dem Jahr 1993 bestehe eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der Firma des Herrn E, der S. Herr E sei es gewesen, der die Klägerin an die Firma W verwiesen habe (Bl. 43 Gerichtsakte). Gleichwohl habe die Klägerin die Angabe der W geprüft, etwa durch die eingeholte Auskunft bei der Auskunftei B. Die Klägerin habe nicht gewusst, dass die W ihren umsatzsteuerlichen Pflichten nicht nachgekommen sei; es habe für sie aber auch keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme gegeben. Auch habe die Klägerin Zahlungen an die W nur auf deren Bankkonto geleistet. Vom Vorhandensein der Firma S GmbH, der Gruppe C. und der A Ltd. hätten die Mitarbeiter der Klägerin erst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Kenntnis erhalten. Auch die Angeklagten in dem Hauptverfahren vor dem LG M I (die Herren K, M und E) hätten auf mehrfache – zum Teil inquisitorische – Befragungen angegeben, die damaligen Mitarbeiter der Tradingabteilung der Klägerin (Herr H, Herr Z und Frau von S) nicht zu kennen und keinen geschäftlichen Kontakt mit ihnen gehabt zu haben (Bl. 427, 492 Gerichtsakte).

    Die Klägerin könne auch nicht erklären, weshalb auf der Festplatte eines Computers der Gruppe C. eine Datei ihren Namen enthalte (Bl. 494 Gerichtsakte).

    Die Mitarbeiter der Klägerin hätten nur mit Herrn P, der einige, aber beileibe nicht alle Geschäfte vermittelt habe, Kontakt gehabt (Bl. 222 Gerichtsakte).

    Die Mitarbeiter der Klägerin hätten seit 1998 Kenntnisse über Umsatzsteuerhinterziehung im Rahmen des Handels mit Mobiltelefonen gehabt, die sie durch die Fachpresse und den Besuch britischer Ermittlungsbeamter in den Jahren 1998 und 1999 wegen Ermittlungen gegen britische Gesellschaften erlangt hätten. Es sei deshalb bei der Klägerin im August 1999 eine Arbeitsanweisung erlassen worden, welche Informationen über Lieferanten einzuholen seien. So sei auch verfahren worden (Anlage zu Schriftsatz des FA vom 28.10.2004, Nr. 6: Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten als Verteidiger des Zeugen Herrn H vor dem LG M I, S. 58).

    Als Mitarbeiter des Finanzamtes R im September 1999 wegen Ermittlungen gegen die Firma D I GmbH zu der Klägerin gekommen seien und Herr H erfahren habe, dass gegen diese Gesellschaft wegen des Verdachtes der Steuerhinterziehung ermittelt werde, seien die Geschäftsbeziehungen zu allen ihm als verdächtig bekannt gewordenen Firmen beendet worden (Anlage zu Schriftsatz des FA vom 28.10.2004, Nr. 6: Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten als Verteidiger des Zeugen Herrn H vor dem LG M I, S. 58 f).

    Nichterfassung der IMEI-Nr.

    Die Frage, ob die IMEI-Nr. erfasst werde, sei eine Frage, deren Beantwortung von den technischen Möglichkeiten und der Höhe der entstehenden Kosten abhänge. Die „Hausspedition” der Klägerin, die Firma M GmbH in K, über die die Klägerin den überwiegenden Anteil des Tradinggeschäftes (Volumen ca. 300 Millionen DM pro Jahr) abgewickelt habe, habe im Streitzeitraum nicht über die technischen Möglichkeiten verfügt, die Codes (Streifencodes auf der jeweiligen Verpackung) elektronisch zu erfassen. Nur am Sitz der Klägerin in H habe eine solche Möglichkeit bestanden. Aus Zeit- und Kostengründen seien die Tradinggeschäfte nicht über das Werk der Klägerin geführt worden (Bl. 223 Gerichtsakte). Es sei im Streitzeitraum auch noch nicht allgemein üblich gewesen, sämtliche Mobiltelefone aus dem Tradingbereich zu erfassen. Dies sei durch die Distributoren aus Gründen des Selbstschutzes erst dann erfolgt, als kriminelle Machenschaften in diesem Bereich in der Öffentlichkeit in Vielzahl bekannt geworden seien. Die Kosten für die Erfassung der IMEI-Nr. seien mit 0,25 DM pro Mobiltelefon zu veranschlagen (Bl. 224 f Gerichtsakte).

    Wesen des Tradinggeschäftes

    Das Tradinggeschäft der Klägerin folge anderen Regeln als das klassische Geschäft der Klägerin. So sei die Klägerin auf zwei Gebieten tätig, im Streitzeitraum mit etwa jeweils hälftigen Umsätzen.

    Zum einen gebe es das Fachhändlergeschäft. Hierbei erwerbe die Klägerin Produkte der Telekommunikation und sei in Rahmenverträgen mit Herstellern gebunden. Sie veräußere die erworbenen Produkte in Deutschland an Fachhändler, in einer Größenordnung von etwa fünf bis zehn Mobiltelefonen pro Auftrag. Direkte Geschäfte mit Endkunden betreibe die Klägerin nicht.

    Der internationale Handel mit Mobiltelefonen in großen Stückzahlen („ Trading”) bilde das zweite wichtige Betätigungsfeld der Klägerin. Hier erwerbe und veräußere die Klägerin Waren, die sie etwa aufgrund ihrer Abnahmeverpflichtung gegenüber den Herstellern abzunehmen habe, aber nicht an Fachhändler vertreiben könne. Auf dem sogenannten „grauen Markt” würden Mobiltelefone aus diversen Quellen gehandelt, z.B. aus Übermengen der Netzbetreiber aus Marketingaktionen, aus Übermengen der großen Distributoren aus Großgeschäften, Großmengen aus anderen Währungskreisen zur Nutzung von Preis- und Währungsvorteilen etc. Einen geringen Anteil hieran hätten auch Waren aus sog. Umsatzsteuerkarussellen ausgemacht – der Fachpresse nach werde deren Anteil auf etwa 3 % geschätzt. Der „graue Markt” werde übrigens nicht wegen dieses Anteils an inkriminierter Waren so genannt, sondern weil es ein Markt sei, der sich der Kontrolle der Warenströme und Preise durch die Hersteller entzöge (Bl. 974 Gerichtsakte). Die Mobiltelefone würden oft über unauffällige kleine Unternehmen am grauen Markt veräußert. Deren Auftreten am Trading-Markt sei deshalb nicht ungewöhnlich. Die Hersteller von Mobiltelefonen legten die Preise nach eigenen Strategien für einzelne Länder fest. Es ergebe sich – auch durch Wechselkursschwankungen – ein unterschiedliches Preisgefüge, das durch den Handel genutzt werden könne. Die Klägerin habe aus diesen Gründen in den Jahren 1998 bis 2000 Mengenüberhänge aus dem deutschen Markt günstig nach Großbritannien veräußern können. Der Kurs des britischen Pfund sei von Ende 1998 bis Mitte 2000 gegenüber der DM von rund 2,81 DM auf rund 3,20 DM gestiegen. Das Trading werde von den Herstellern zwar nicht gerne gesehen, es werde jedoch geduldet. Der Handel auf dem „grauen Markt” habe nichts mit illegalem Handel zu tun (Anlage zu Schriftsatz des FA vom 28.10.2004, Nr. 6: Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten als Verteidiger des Herrn H vor dem LG M I, S. 29 f).

    Das Tradinggeschäft ziele auf Gewinne aus Preisdifferenzen und laufe gewissermaßen börsenmäßig ab. Es würden größere Mengen von mindestens 250 bis 500 Mobiltelefonen gehandelt. Aus der Schnelllebigkeit des Geschäftes folge auch, dass es normal sei, wenn die Rechnung vor der Lieferung vorliege. Regelmäßig laufe das Geschäft so ab, dass

    die Klägerin eine Anfrage nach Geräten erhalte.

    Sie suche dann einen Lieferanten für diese Geräte.

    Wenn ein solcher gefunden sei, werde der Abnehmer beschieden. Dies erfolge regelmäßig telefonisch oder per E-Mail.

    Es erfolge dann die Versendung der Handelspapiere (Rechnungen, Lieferschein, Frachtbrief). Wenn die Zahlung oder der Zahlungsnachweis der Bank vorliege, werde die Ware freigegeben. Es sei deshalb üblich, dass die Rechnung vorliege, bevor die Lieferung erfolgt sei (S. 44 Schriftsatz des Prozessbevollmächtigen a.a.O.).

    Es finde kein normaler Versendungskauf, sondern ein Dokumentengeschäft statt. Es würde „cash against documents” abgewickelt. Die Prüfung der Ware erfolge vorher durch den Spediteur oder Lagerhalter. Die Gewährleistung sei nicht von entscheidender Bedeutung, da die Telefone später von einem Fachhändler unter Gewährleistung an einen Endkunden geliefert würden und der Fachhändler über einen Gewährleistungsanspruch gegen den Hersteller verfüge. Im Übrigen sei – mangels anderer Vereinbarung – das UN-Kaufrecht anwendbar.

    Preise der von W bezogenen Ware

    Die Preise der W seien nicht auffällig niedrig gewesen. Für Mobiltelefone gebe es zudem – anders als bei Kfz oder Telefongebühren – keine Listenpreise. Der Preis schwanke vielmehr, täglich, stündlich, je nachdem welche Waren außerhalb der Vertriebskanäle der Hersteller gerade angeboten und nachgefragt würden. Die Preise variierten auch für jeden Markt und jeden Typ von Telefon (Bl. 638 Gerichtsakte). Die Preise der von der W angebotenen Mobiltelefone hätten im Rahmen der der Klägerin bekannten Preise auf dem grauen Markt gelegen. Es habe sich ein Preisvorteil gegenüber dem Herstellerpreis von 6 % ergeben, auch wenn dies bei der großen von W erworbenen Menge (Umsatz 26 Mio. DM) zu einer Differenz von 1,6 Millionen DM geführt habe. Auf dem „grauen Markt” seien solche Preisdifferenzen jedoch nicht ungewöhnlich (Bl. 975 Gerichtsakte).

    Die Klägerin verweist auf Preisvergleiche, die der Prozessbevollmächtigte als Verteidiger des Herrn H in dem Strafverfahren vor dem LG M I vorgetragen hat. So zeigten die nachfolgend genannten Beispiele für den Zeitraum der Anklage 1999 und 2000, dass S.E. oder W einen höheren Preis als andere Lieferanten für die gleichen Telefone verlangt hätten, so werden genannt (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 18.11.2002 an das LG M I, S. 37 f, Anlage Schriftsatz FA vom 28.10.2004, Nr. 6):

    23.11.1999: Mobiltelefon Ericsson T28s

    Herstellerpreis für Klägerin (vor Boni, Rabatten): 462 EUR

    Kauf bei Octopus Telecom: 538,88 EUR

    Kauf bei S. am selben Tag: 547,08 EUR

    29.09.1999: Motorola Startac

    Herstellerpreis für Klägerin (vor Boni, Rabatten): 228 EUR

    Kauf bei Capricorn Export Import GmbH: 212 EUR

    Kauf bei S. im November 1999: 222,41 EUR

    22.02.2000: Nokia 3210

    Herstellerpreis für Klägerin (vor Boni, Rabatten): 174 EUR

    Kauf bei Tele Funk: 180,74 EUR

    Kauf bei S. im Oktober 1999: 185,60 EUR

    03.05.2000: Nokia 6150

    Herstellerpreis für Klägerin (vor Boni, Rabatten): 261 EUR

    Kauf bei Teleline Telekommunikation: 219,86 EUR

    Kauf bei S. im Juni 2000: 224,41 EUR

    09.05.2000: Nokia 8210

    Herstellerpreis für Klägerin (vor Boni, Rabatten): 436 EUR

    Kauf bei Amitel Ltd.: 407,60 EUR

    Kauf bei W im März 2000: 416,70 EUR

    Bei sehr gefragten Geräten habe die Klägerin zum Teil auch Preise über dem Marktpreis vereinbart. Würde alles zu Herstellerpreisen gehandelt werden, so gäbe es keinen Markt für das Trading, jeder würde gleich bei dem Hersteller kaufen (Bl. 638 Gerichtsakte).

    Weiterverkäufe der von W bezogenen Telefone

    Der Klägerin sei nicht bekannt, dass ihre Kunden aus Großbritannien in strafbare Handlungen verwickelt gewesen seien. Von den durch W gelieferten Geräten seien ca. 35 % an acht verschiedene Abnehmer in Großbritannien veräußert worden, ca. 65 % seien an 25 verschiedene Abnehmer in Hongkong, Saudi-Arabien, Dänemark, Italien, Vereinigte Arabische Emirate, Zypern, Irland und Finnland veräußert worden.

    Ein Warenkreislauf habe – auch nach Feststellung der Steuerfahndung selbst – nicht stattgefunden.

    Der Klägerin sei nur in einem Geschäft mit der Firma E com mit einem Umfang von 200.000 DM bei dem Einkauf der Mobiltelefone bereits der Abnehmer bekannt gewesen (Bl. 588 Gerichtsakte). Es sei falsch, dass die Abnehmer der Klägerin bereits festgestanden hätten, als ihr die Ware angeboten worden sei (Bl. 736 Gerichtsakte).

    Die Verkäufe der Klägerin an britische Firmen seien im Übrigen nicht zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits zu machen (Bl. 736 Gerichtsakte).

    Die Aussage des Herrn F

    Herr F sei nur in dem Zeitraum August 2001 bis Dezember 2001 in der Abteilung Trading der Klägerin tätig gewesen und könne kaum als sachverständig betrachtet werden. Seine Aussage könne schon deshalb nicht im Streitfall verwertet werden, da seine Kenntnis von Vorgängen erst weit danach beginnen könne. Das FA werte dessen Aussage auch falsch. Herr F habe gesagt, dass die IMEI-Nr. der Mobiltelefone registriert worden sei, um einen doppelten Ankauf von Geräten und damit einen Kreislauf zu vermeiden (Anlage zu Schriftsatz des FA vom 28.10.2004, Nr. 6: Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten als Verteidiger des Herrn H vor dem LG M I, S. 63).

    Die Aussage der Herrn F sei auch falsch und von Belastungseifer gekennzeichnet. Herr F sei wegen schlechter Leistungen von der Klägerin entlassen worden. Die Klägerin habe Schadensersatz in Höhe von 150.000 EUR gegen ihn geltend gemacht; zwischenzeitlich sei er rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 178.000 EUR an die Klägerin verurteilt worden. Herr F habe auch darauf hingewiesen, dass es eine Anweisung bei der Klägerin gegeben habe, durch Kontrollmaßnahmen sicherzustellen, dass keine Ware nochmals angekauft werde (Bl. 503, 590 Gerichtsakte).

    Die Klägerin bietet ihre Mitarbeiter Herr Z und Frau von S als Zeugen dafür an, dass die von Herrn F behaupteten Aussagen von Angehörigen der Klägerin tatsächlich nicht gemacht worden seien (Bl. 735 Gerichtsakte).

    Kenntnis des Herrn H

    Herr H habe seit 1994 bei der Klägerin die Abteilung Trading geleitet. Herr H habe keinerlei Kenntnis von dem Vorliegen eines Umsatzsteuerbetrugs gehabt. Die Zitate, die das FA in das Verfahren einführe, seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Sie würden vielmehr belegen, dass von Seiten der Klägerin versucht worden sei, zu verhindern in entsprechende Handlungen verstrickt zu werden. Alle Ausführungen des FA zu im Rahmen der Steuerfahndung aufgefundenen Vermerken von Herrn H bezögen sich nicht auf konkrete Geschäfte mit der Firma W. Sie seien für den Rechtsstreit deshalb ohne Belang.

    Der Hinweis in dem Diskussionspapier des Herrn H darauf, dass der „EK” auf dem grauen Markt „deutlich unter dem EK für Distributoren” liege, sei in der Natur des grauen Marktes begründet. Wäre das Preisniveau dort höher als in dem Primärmarkt, so gäbe es diesen grauen Markt gar nicht. Herr H habe darauf aufmerksam machen wollen, dass sich Preise für Waren aus einem Umsatzsteuerkarussell von diesen in dem „grauen Markt” ohnehin schon niedrigeren Preisen dadurch unterschieden, dass sie deutlich niedriger seien. Dadurch sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass bei einem deutlich unter dem Primärmarktpreis liegenden Preis Vorsicht geboten sei. Er habe hierbei eine Abweichung von mindestens 30 % gemeint, da auch das Preisniveau auf dem grauen Markt um bis zu 30 % von dem Preis auf dem Primärmarkt abweichen könne (Blatt 975 Gerichtsakte). Herr H habe in dem Papier nicht einen Einkaufsmarkt für inkriminierte Ware aufbauen wollen; er habe vielmehr gerade auf ein solches Risiko hingewiesen und festgestellt, dass alles unternommen werde, um zu vermeiden mit dem Umsatzsteuerbetrug in Verbindung gebracht zu werden. Deshalb seien „Routinen” eingeführt worden, um sich vor Geschäften mit kriminellen Partnern bzw. inkriminierten Waren zu schützen.

    Kenntnis des Herrn Z

    Herr Z habe die vorliegenden Skizzen nur angefertigt, um sich nach einem fehlgeschlagenen Geschäft mit der Firma E und ihm vorliegenden Berichten über Umsatzsteuerkarusselle zu bemühen, das System zu verstehen. Der Prozessbevollmächtigte selbst habe ein Rücktrittschreiben für die Klägerin gegenüber der Firma E angefertigt, nachdem diese gekaufte Telefone nicht abgenommen habe, und habe die Telefone aus Italien zurückholen und anderweitig verkaufen lassen (Bl. 736 Gerichtsakte). Mitarbeiter der Klägerin hätten nicht wissentlich an Geschäften der Klägerin in Umsatzsteuerkarussellen oder an Umsatzsteuerstraftaten teilgenommen. Deshalb sei das Strafverfahren gegen sie auch eingestellt worden (Bl. 772 der Gerichtsakte). Erst auf Drängen der Strafkammer hätten die Mitarbeiter der Klägerin einer Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO zugestimmt. Ein Freispruch wäre mit Sicherheit zu erwarten gewesen. Der Vorsitzende habe jedoch 10 bis 15 weitere Verhandlungstage veranschlagt. Bei Kosten von mindestens 1.500 EUR für jeden Verhandlungstag hätten die Mitarbeiter der Klägerin dann auch aus ökonomischen Gründen ihre Zustimmung erteilt (Bl. 779 Gerichtsakte).

    5. Bestehen eines teilweisen Verwertungsverbots

    Die Klägerin weist darauf hin, dass ein steuerrechtliches Verwertungsverbot hinsichtlich der aus einer nach § 100a Nr. 1 Lit. c StPO angeordneten Telefonüberwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnissen bestehe. So sei es nicht verwertbar, dass ein Anruf von dem Mobiltelefon eines Mitglieds der Gruppe C. an das Mobiltelefon des Zeugen H vorgenommen worden sei (Blatt 578 Gerichtsakte).

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid über die Festsetzung einer Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2000 vom 02.08.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2001, geändert durch den Bescheid vom 10.06.2002, insoweit zu ändern, dass der Klägerin der Abzug von weiterer Vorsteuer in Höhe von 1.247.689,28 DM gewährt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Abweisung der Klage.

    1. Ordnungsgemäßheit der Rechnungen der W

    a) Die vorliegenden Rechnungen der W berechtigten nicht zum Vorsteuerabzug, da die W eine unzutreffende Anschrift angegeben gehabt habe.

    Seit 1997 habe sie an der angegebenen Anschrift keine Büroräume mehr angemietet. Die Angabe dieser Anschrift sei unzutreffend gewesen, da die W an dieser Anschrift keine Geschäftsleitungs- oder Arbeitgeberfunktion ausgeübt habe. Es handele sich nur um einen als Scheinsitz zu qualifizierenden Briefkastensitz. Tatsächlich habe sich im Streitzeitraum weder ein Geschäftssitz noch ein Büro der W in der in M befunden. Auch die Geschäftsunterlagen seien nicht an diesem als Anschrift angegebenen Ort aufbewahrt worden. Geschäftliche Entscheidungen seien ebenfalls nicht an diesem Ort getroffen worden. Das FA beruft sich auf ein Urteil des FG M vom 26.07.2006 (3 K 3920/04). Darin sei der W der Vorsteuerabzug aus Rechnungen der S GmbH verwehrt worden, da die S GmbH an der angegebenen Anschrift in Frankfurt am Main tatsächlich keinen Geschäftssitz gehabt habe. Dort sei nur ein Büroserviceunternehmen für die S GmbH tätig geworden; Geschäftsunterlagen seien dort nicht gelagert worden. Die Indizien für einen Scheinsitz, keinerlei Geschäftsleitungs-, Arbeitgeberfunktion, Behördenkontakt und Zahlungsverkehr an der angegebenen Anschrift zu haben, seien erfüllt, sodass auch kein Briefkastensitz mit Erreichbarkeit angenommen werden könne.

    b) Die Rechnungen der W seien auch deshalb als nicht ordnungsgemäß zurückzuweisen, da der Gegenstand der Lieferung unzureichend beschrieben worden sei. Es hätte die individuelle Seriennummer der abgerechneten Mobiltelefone (IMEI-Nr.) angegeben werden müssen.

    c) Die der Klägerin erteilten Rechnungen enthielten in der durch die W berichtigten Form auch keine ausgewiesene Umsatzsteuer mehr. Sie seien deshalb als nicht ordnungsgemäß zurückzuweisen.

    2. Vorliegen tatsächlicher Lieferungen von der W an die Klägerin

    Die für einen Vorsteuerabzug erforderlichen tatsächlichen Lieferungen durch die W an die Klägerin lägen nicht vor. Zwar sei davon auszugehen, dass die Klägerin wohl Verfügungsmacht an Mobiltelefonen erlangt habe, jedoch sei die Lieferung nicht durch die W erfolgt, sodass Rechnungsaussteller und Lieferant nicht identisch seien.

    So habe die Klägerin die Geschäfte tatsächlich mit Herrn E abgewickelt, nicht mit der W. W von der W habe nur Kopien der Rechnungen erhalten, den Zahlungsverkehr abgewickelt und Freigabeerklärungen für die Speditionen unterschrieben. Es sei unglaubhaft, dass die Briefkastenfirma W Lieferungen mit einem Umsatz von über 20 Millionen DM in drei Monaten durchgeführt haben solle. Sie hätte die Geschäfte mit der Klägerin gar nicht finanzieren können. Es sei auch festzustellen, dass Telefaxe mit dem Briefkopf der W von dem Anschluss der S.E. abgesendet worden seien. Zum Teil habe auch Herr E, nicht Herr W, Freigabeerklärungen für die Waren abgegeben (Steuerfahndung II Nr. 40 S. 21, 22: Fax vom 13.03.2000, 14.03.00 an Spedition Betreff 500 Nokia 8210, 1000 Nokia 3210 und 1996 Nokia 3210: Freigabe an K GmbH erlaubt). Auch in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 20.06.2001 habe Herr E erklärt, er habe etwa 15 bis 20 Mal auf Bitten des Herrn E per Fax gegenüber der Spedition Waren für die K GmbH freigegeben (Steuerfahndung III Nr. 61 S. 6). Damit habe ein fremder Dritter angebliche Ware der W freigeben können. Dies zeige, dass die W keine eigene Verantwortung und auch keine Verfügungsmacht über die Ware innegehabt habe.

    Die Ware sei in Wirklichkeit nur papiermäßig bewegt worden, die Geschwindigkeit mit der Lieferungen vorgenommen worden sein sollen sei typisch für ein Umsatzsteuer-Karussell. Die in einem Umsatzsteuerkarussell bewegte Ware diene nicht der Veräußerung an Endkunden, sondern alleine der Hinterziehung von Umsatzsteuer. Da es sich bei der Lieferung der S GmbH an W um eine Scheinlieferung gehandelt habe sei auch kein ordentliches Rechtsgeschäft zwischen der W und der Klägerin denkbar.

    Es seien auch keine schriftlichen Lieferverträge zwischen W und der Klägerin geschlossen worden.

    Nicht die W sei es gewesen, die sich um die Organisation der Lieferung gekümmert habe, sondern Herr E. Die mit der Klägerin abgesprochenen Angaben habe er von Herrn P erhalten.

    Auffällig sei auch, dass zwischen Angebot und Rechnungslegung nur ein bis drei Tage lägen, obwohl Herr W seine Post an der Briefkastenanschrift der W nur alle ein bis zwei Wochen abgeholt habe.

    Da die Zahlungen letztlich an die A Ltd. gegangen seien, sei anzunehmen, dass diese tatsächlich Lieferer der Mobiltelefone an die Klägerin gewesen sei.

    Es sei im Ergebnis keine Lieferung durch die W an die Klägerin erfolgt, da nur eine „Durchleitung” beabsichtigt gewesen sei. Der Empfänger sei in Person der Klägerin sowie der Preis seien schon vorab festgelegt gewesen (Bl. 897 Gerichtsakte).

    3. Unternehmereigenschaft der W

    Die Rechnungsausstellerin W besitze nicht die für den Vorsteuerabzug notwendige Eigenschaft eines Unternehmers im Sinne des UStG.

    Zunächst sei kein gültiger Sitz der W festzustellen. Die W habe angesichts der mit der S GmbH getroffenen Liefervereinbarung keinen Spielraum für eine eigene Preisgestaltung, die Wahl des Zulieferers oder des Abnehmers besessen. Es sei Herr P gewesen, der die anzusetzenden Preise mitgeteilt habe. Herr E habe in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 25.07.2000 vor der Staatsanwaltschaft M II angegeben, dass Herr P ihm gegenüber erklärt habe, er kenne alle Preise. Dieser habe dann häufig bei ihm angerufen und Tagespreise für Mobiltelefone mitgeteilt. Kurz darauf seien Bestellungen seiner Abnehmer – unter anderem die Klägerin – per Fax bei ihm eingegangen; etwa zeitgleich seien die Angebote der S GmbH an die Faxnummer der W gesandt worden (Steuerfahndung II Nr. 22). Auch Herr W habe in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 03.07.2000 nicht nur erklärt, nichts vom Handygeschäft zu verstehen, sondern auch Herrn H nicht zu kennen. In seiner Beschuldigtenvernehmung vom 03.07.2000 habe schließlich auch Herr H selbst zugegeben, dass sein Ansprechpartner bei der W nicht Herr W, sondern Herr E gewesen sei.

    Auch habe die W keine Gewährleistungsverpflichtung getragen und sei von der Versendungsgefahr befreit gewesen. Auch habe sie kein Zahlungsrisiko getragen, da sie erst dann an die S GmbH habe bezahlen müssen, als die Klägerin an W bezahlt gehabt habe. Es seien aus Sicht der W Hintermänner gewesen, die die geschäftlichen Entscheidungen getroffen hätten; damit fehle es an einer eigenwirtschaftlichen Funktion der W. Die Rechtsgeschäfte zwischen S GmbH und W seien wirtschaftlich sinnlos gewesen, da nur eine 2 %-Marge bei der W verblieben sei, von der wiederum 60 % als Vermittlungsprovision habe abgeführt werden müssen.

    Die W sei sich offenbar selbst ihrer Strohmannfunktion im Streitzeitraum bewusst gewesen, denn aus einem Antwortschreiben eines Rechtsanwaltes E vom 02.05.2000 an die W (Bl. 930 der Gerichtsakte) ergebe sich, dass diese angefragt habe, ob sie nur ihre Gewinnmarge verbuchen müsse, oder alle Eingangs- und Ausgangsrechnungen verbucht werden müssten (diese Anfrage sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als sie schon Millionenumsätze auf dem Papier mit der S GmbH und der Klägerin durchgeführt gehabt habe).

    4. Gutgläubigkeit der Klägerin in Bezug auf Hinterziehung von Umsatzsteuer in Vorlieferungen

    Es ergebe sich aus den Feststellungen aus dem Strafverfahren vor dem LG M I, dass ein Umsatzsteuerkarussell vorgelegen habe und dass auch die Klägerin darin eingebunden gewesen sei. So seien bei der Beschlagnahme eines Computers der Gruppe C. in L Rechnungen von etwa 20 Firmen, darunter die D I, T Handy und S GmbH gefunden worden, gespeichert von „V”. Den Erstellern der Rechnungen sei bekannt gewesen, dass Rechnungsempfänger der T Handy die S. gewesen sei und erst diese an die Klägerin weiterverrechnen würde. Es müsse also Absprachen zwischen der Gruppe C. und der Klägerin gegeben haben, sonst hätten die Ersteller der Rechnungen nicht die Klägerin bei der Speicherung der Rechnungen als Datei führen können (Bl. 467 Gerichtsakte). Der Vernehmung des Herrn E vom 25.07.2000 könne entnommen werden, dass es Absprachen zwischen der Gruppe C., Herrn P und der Klägerin gegeben habe (Blatt 522 Gerichtsakte). Die Mitarbeiter der Klägerin seien bedingt vorsätzlich in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen (Bl. 895 Gerichtsakte). Die Klägerin trage die Feststellungslast für die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs, auch für ihre Gutgläubigkeit. Verbleibende Zweifel müssten zu ihren Lasten gehen.

    Vorsorgemaßnahmen

    Auch die Firma D I habe durch den (zwischenzeitlich wegen Steuerhinterziehung verurteilten) Herrn N und Herrn P agiert. Die Klägerin habe Lieferungen von dieser Firma durch Herrn P vermittelt erhalten (so auch Herr H in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 21.07.2000, 913 Gerichtsakte). Trotzdem habe die Klägerin sich nach Abbruch der Geschäfte mit der D I GmbH in Gefolge des Besuchs der Steuerfahndung aus Reutlingen von Herrn P weiterhin Geschäfte mit der S. und der W vermitteln lassen (Bl. 687, 761 Gerichtsakte).

    Auch der Übergang des Warenbezugs von der D I auf die S. und dann die W – alle auf Vermittlung des Herrn P – sei wirtschaftlich nicht nachvollziehbar (Bl. 915 Gerichtsakte).

    Es sei nicht wirtschaftlich nachvollziehbar, weshalb die Klägerin, die mit Herrn E seit 1993 in geschäftlichem Kontakt gestanden habe, später die W zwischengeschaltet habe.

    Verdächtig sei auch gewesen, dass die angeblich von W gelieferte Ware durch die Firma S GmbH bzw. Herrn E freigegeben worden sei.

    Die Auskunft von B über die W habe erst am 06.03.2000 vorgelegen, zu einer Zeit, als die Klägerin mit der W schon die ersten Geschäfte abgewickelt gehabt habe.

    Die Klägerin habe erst ab Anfang 2001 die IMEI-Nummern erfasst. Es sei davon auszugehen, dass auch davor schon die erhebliche Anzahl an Mehrfachdurchläufen vorgelegen habe, wie sie Herr F für die Zeit ab Durchführung dieser Erfassung mit etwa 50 % angegeben habe (Blatt 712 Gerichtsakte).

    Die Schutzvorkehrungen mit einer „B-Abfrage” seien unzureichend gewesen. Entgegen ihres eigenen Strategie-Papiers, wonach größere Kunden einmal besucht werden sollten, habe die Klägerin mit der W nur telefonischen Kontakt gehabt. Bei einem Vor-Ort-Besuch wäre der Klägerin aufgefallen, dass die W nur eine Briefkastenfirma gewesen sei.

    Preise der von W bezogenen Ware

    Erst durch die Hinterziehung der Umsatzsteuer hätten der Klägerin Preise angeboten werden können, die unter dem Herstellerpreis gelegen hätten (Anlage zu Schriftsatz des FA vom 28.10.2004, Nr. 7, Stellungnahme der Steuerfahndung M vom 27.06.2003, S. 1 f).

    Die Preise der W hätten regelmäßig unter dem Einkaufspreis bei dem Hersteller gelegen; in nur vier Monaten habe sich ein Einkaufsvorteil durch Geschäfte mit der W von 1,6 Mio. DM ergeben. Das FA legt eine Gegenüberstellung von Verkaufspreisen der W sowie der jeweiligen Hersteller (abzüglich Rabatt) vor (Bl. 903 f der Gerichtsakte). In Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Rechnungen ergibt sich daraus:

    Datum der RechnungGegenstand d. RechnungStückpreis W (netto)Stückpreis Hersteller (netto)Differenz zwischen Preis W und HerstellerPreisvorteil der gesamten Lieferung
    01.03.20001.999 Stück Samsung SGH 2200411 DM 455,20 DM44,20 DM88.355,80 DM
    13.03.2000496 Stück Nokia 8210815 DM835,20 DM20,20 DM10.019,20 DM
    13.03.20001.000 Stück Nokia 3210311 DM334,08 DM23,08 DM23.080 DM
    14.03.20001.994 Stück Nokia 3210311 DM334,08 DM23,08 DM46.021,52 DM
    17.03.20001.645 Stück Nokia 6150461 DM501,12 DM40,12 DM67.722,56 DM
    22.03.20001.645 Stück Nokia 6150460 DM501,12 DM41,12 DM67,642,40 DM
    24.03.00984 Stück Nokia 8210815 DM835,20 DM20,20 DM19.876,80 DM
    24.03.00997 Stück Nokia 3210311 DM334,08 DM23,08 DM23.010,76 DM
    28.03.002000 Stück Nokia 6150456 DM501,12 DM45,12 DM90.240 DM
    Summe435.969 DM
    Einbindung der W

    Der Grund für einen so raschen Wechsel der Lieferketten T Handy – S. – Klägerin zu S GmbH – W – Klägerin sei es gewesen, Spuren zu verwischen (Bl. 925 Gerichtsakte).

    Die Klägerin habe die Bedingungen über die Lieferungen bereits mit P vereinbart, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb dann noch die W – papiermäßig – eingebunden worden sei. Die Klägerin trage vor, mit Herrn E schon seit 1993 geschäftlichen Kontakt zu haben; umso weniger sei nachvollziehbar, weshalb dann die W – rein rechnungsmäßig – dazwischengeschaltet worden sei (Bl. 157 Gerichtsakte).

    Es sei auch nicht wirtschaftlich nachvollziehbar, weshalb Herr E zunächst an die Klägerin mit seiner Firma S. habe liefern sollen, dies dann aber aus Kapazitätsgründen nicht mehr gekonnt haben soll (so die Einlassung Herrn H in seiner Beschuldigtenvernehmung), er die Firma W vermittelt haben soll, dann aber gleichzeitig mit der Durchführung der Lieferungen in eigener Person zuständig geblieben sein soll.

    Herr W habe ausgesagt, Herr E habe die Geschäfte nicht mehr in eigener Person durchführen können, weil angeblich ein Gebietsschutz ihn daran hinderte.

    Verdächtig sei auch gewesen, dass Rechnungen der W von einem Faxgerät mit entsprechender Kennung der S. gekommen seien (Bl. 906-909 der Gerichtsakte).

    Weiterverkäufe der von W bezogenen Telefone

    Den britischen Firmen seien zum Teil Gerätetypen geliefert worden, die in Großbritannien wegen des dort erforderlichen dreipoligen Ladesteckers nicht verwendbar gewesen seien.

    Auch aus der Zeugenvernehmung der Mitarbeiterin der Klägerin Frau E vom 01.08.2000 ergebe sich, dass Herr P als Vermittler sowohl für den Einkauf als auch den Verkauf von Mobiltelefonen tätig geworden sei. Auch nach ihrer Einschätzung sei das eher unüblich (Blatt 714 Gerichtsakte).

    Der überwiegende Teil der durch die Klägerin von W erworbenen Mobiltelefone sei an Abnehmer veräußert worden, die sich als „missing trader” erwiesen hätten. So seien 90 % der britischen Abnehmer entweder „missing trader” gewesen, oder ihre USt-IDNr. sei gelöscht worden. Insoweit sei zum Teil von geschlossenen Warenkreisläufen auszugehen, als auch die Abnehmer der Klägerin zum Teil in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden gewesen seien (Blatt 534 Gerichtsakte). Der Verkauf sei überwiegend deshalb nach Großbritannien erfolgt, da man dort wegen verbreiteter Umsatzsteuerhinterziehung zur Zahlung höherer Preise bereit gewesen sei. Die Klägerin habe an 46 verschiedene Firmen verkauft, davon seien 19 verdächtig, 27 unverdächtig gewesen. Die verdächtigen Firmen hätten durchschnittlich 12 DM mehr pro Mobiltelefon gezahlt, nur E com sei die einzige verdächtige Firma gewesen, die weniger als unverdächtige Firmen gezahlt habe; E com habe jedoch auch Herr P als Abnehmerin an die Klägerin vermittelt (Vermerk der Steuerfahndung M vom 23.07.2002, Anlage Schriftsatz des FA vom 28.10.2004, Nr. 3). Auch Herr E habe in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 06.02.2002 erklärt, zu den Firmen, mit denen Warenkreisläufe durchgeführt worden seien habe neben der S GmbH auch die E com Sprl. gehört (Bl. 921 Gerichtsakte).

    Aussage des Herrn Mark F

    Die Aussage des Herrn F sei nicht unglaubwürdig. Er sei der einzige Mitarbeiter der Klägerin, der nicht mehr um seinen Arbeitsplatz fürchten habe müssen und deshalb eine wahrheitsgemäße Aussage habe machen können. Das Telefonat mit ihm sei – nach seiner Genehmigung – aufgenommen und wörtlich protokolliert worden (Anlage zu Schriftsatz des FA vom 28.10.2004, Nr. 7, Stellungnahme der Steuerfahndung M vom 27.06.2003 S.4).

    Der ehemalige Mitarbeiter der Klägerin habe am 12.03.2002 Folgendes ausgesagt:

    „In den ersten vier Wochen meiner Tätigkeit bei der Firma K GmbH (Einarbeitungszeit), bestand meine Aufgabe in der Kontaktaufnahme mit Firmen in England, den Niederlanden, Norwegen, Dänemark und Schweden anhand einer mir vorgegebenen Lieferantenliste. Ich habe dort die Preise für Handies abgefragt. Die Preise für die Handies im Trading-Bereich sind regelmäßig niedriger als die von den Herstellern angebotenen Preise. […] Nach Ablauf dieser vier Wochen hatte ich meinen ersten Kontakt mit Kunden. Es gab zwei Arten von Kunden. Erstens die „reinen” Kunden, die nur Ware bei der K GmbH kauften, sowie die Trader, die aber auch Ware an die K GmbH verkauften […] Auffällig bei den „reinen” Kunden war, dass diese bereit waren 5 – 7 Pfund [ Anmerkung des FA: 15,70 DM – 21,98 DM bei dem Umrechungskurs DM-britisches Pfund vom September 2001] mehr zu bezahlen, als der tägliche Marktpreis im Trading-Bereich war. Erinnerlich sind mir die Firmen Mobile Phones Distribution in London, Talkland Telecom ich glaube in Manchester, Impressario in London, SpanUK Ltd., Bullseye, Cellfix in Irland, Dynabuilt in der Nähe von Liverpool. Bei den Firmen ist mir aufgefallen, dass diese meist nicht im Telefonbuch eingetragen waren […] Die Geschäftsabwicklung lief in der Regel über Mobilfunktelefonnummern. Ich habe festgestellt, dass wenn ich Festnetznummern anrief, diese weitergeschaltet wurden. Die Gesprächspartner haben sich nie mit Firmennamen gemeldet, sondern immer nur mit Vornamen oder Hallo.

    Ich habe diese Auffälligkeiten Herrn H mitgeteilt. Dieser teilte mir aber mit, dass das Geschäft eben so sei. […]

    Manchmal kam es vor, ca. in 20 bis 30 % der Geschäfte […], das die Zahlungen nicht vom Abnehmer, sondern von anderen Firmen an die K GmbH geleistet wurden. […]

    Es gab mehrere Gespräche in der Kantine zwischen mir, Z und von S. Dabei erklärten mir beide, dass es nicht notwendig sei zu den Kunden eine gute Beziehung aufzubauen, weil diese Kunden regelmäßig nach zwei bis drei Monaten verschwinden würden und sie in dieser Zeit darauf angewiesen seien, möglichst viel Umsatz zu machen. Ich sollte mir auch keine Gedanken machen, wenn mal etwas nicht so reibungslos läuft, weil diese Kunden sich trotzdem weiter melden würden.

    N diesem Zusammenhang wurde mir auch erklärt, dass mich Herr H demnächst „in eine dunkle Ecke”, wörtlich „in a dark corner” holen würde und mir genau erklären würde, wie das Geschäft funktioniert. […]

    Ich weiss, dass die Ware die die K GmbH eingekauft hat, meistens bei der Spedition M eingelagert wurde und dort die IMEI-Nummern gescannt wurden. Die IMEI wurden gescannt um zu kontrollieren, ob die K GmbH die Ware bereits zu einem früheren Zeitpunkt schon mal eingekauft hatte. Bei diesem Scannen wurde in 50 % der Fälle festgestellt, dass diese Ware, egal wo sie eingekauft wurde, bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingekauft worden war. […]”

    (Bl. 711 f der Gerichtsakte)

    Aus dieser Aussage ergebe sich, dass die Mitarbeiter der Trading-Abteilung von der Einbindung der Klägerin in Umsatzsteuerkarussellgeschäfte gewusst hätten.

    Wesen des Tradinggeschäftes

    Die von der Klägerin angegebenen hektischen Marktbewegungen, die zu einer so schnellen Abwicklung der Tradinggeschäfte gezwungen hätten, seien nach Ermittlungen bei den Herstellern Nokia, O2, Cellway und Debitel nicht nachvollziehbar; dort sei etwa der Preis für das sehr gefragte Mobiltelefon Nokia 6150 über ein Jahr konstant geblieben.

    Kenntnis des Herrn H und anderer Mitarbeit der Abteilung Trading der Klägerin

    Herr H habe nicht nur wissen müssen, sondern auch tatsächlich (bedingt vorsätzlich) gewusst, dass die Klägerin in ein Umsatzsteuer-Betrugssystem eingebunden gewesen sei.

    So sei im Rahmen der Beschlagnahme ein Notizbuch des Herrn H über ein Meeting am 15.11.1999 mit dem Vermerk „saubere Deals, –) Kreisverkehr! Was ich nicht weiß …” gefunden worden.

    In einem weiteren Eintrag in seinem Notizbuch vom 22.09.1999 habe Herr H zu einem „Meeting D I” mit einem Herrn Rechtsanwalt T vermerkt „keine Gefahr f. Vorsteuerabzug”. Hintergrund sei offenbar gewesen, dass Herr H Probleme für einen Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma D I an die Klägerin gesehen habe.

    Am 05.01.2000 habe sich Herr H Aufzeichnungen gemacht, die er als „Trading-Szenarien” bezeichnet habe. Unter Punkt 2 habe er geschrieben:

    „Marktbereinigung
    („MwSt.-Karussell”)
    MWSt.-Betrüger in Europa nach wie vor tätig
    –) höhere DB I möglich
    –) günstige EK
    (EK's unter normalen EKapos;s)”(Bl. 524 Gerichtsakte).
    Es sei Herr H gewesen, der in seiner Marktanalyse den Zusammenhang zwischen Einkäufen unter Marktpreis und Umsatzsteuerhinterziehung dargelegt habe. Schon im Oktober 1998 habe Herr H die Erschließung des grauen Marktes beschlossen und dies in der Folgezeit mit Hilfe der Herren E und P auch umgesetzt. Die Ware sei objektiv von einem Umsatzsteuerbetrugskarussell eingekauft worden, es habe sich also genau die Gefahr realisiert, die Herr H schon vorausgeahnt gehabt habe.

    Das FA legt ein von dem Zeugen H im Oktober 1998 verfasstes Papier vor, das in Auszügen wiedergegeben wird:

    „Export-Diskussionspapier

    – Nur intern verwenden!!!!–

    1.Grundlegende Funktionen der Exportabteilung:
    […]
    2.Ziele für 1998
    […]
    3.Budget
    […]
    2.[ gemeint war wohl 4.] Situationsbeschreibung in den verschiedenen Areas
    4.1.Europa (insbesondere EU-Länder)
    Nachfrage nach Mobiltelefonen ungebrochen großIn Westeueropa z.Zt. etwa 77 Mio. Subscribers2003 werden 173 Mio. Subscribers erwartetin vielen Ländern verstärkt sich die Nachfrage nach billigen Mobiltelefonenandererseits werden stets die neuesten Handies sowie einige wenige Typen (wie z.B. Nokia 5110) nachgefragtauf dem „grauen Markt” gibt es große Mengen Ware, deren EK deutlich unter dem EK für Distributoren liegt, meistens bedingt durch „VAT-Fraud”
    […]
    5.Vorschläge zur weiteren Marktbearbeitung
    5.1.Allgemein
    […]
    5.2Hauptstrategien
    Aufbau eines Lieferanten-Netzes, um Ware auf dem „grauen Markt” einzukaufen[…]
    6.Konsequenzen, Budget
    […]
    6.3Verbesserungen des internen Systems
    Folgende Vorschläge stehen an:
    – Wareneingangsprüfung
    Die Prüfung der bei verschiedensten Lieferanten eingekauften Ware muß nicht zwangsläufig in unserem Lager erfolgen. Als Alternativen werden jetzt vorbereitet: Prüfung durch einen unanhängigen Survey AgentPrüfung der Ware durch einen Spediteur in FrankfurtDamit wären die Voraussetzungen geschaffen, dass wir Sendungen von nahezu allen Plätzen verschicken können, ohne dass die Ware physisch in unser Lager eingeliefert werden muß. Damit ergibt sich neben der kürzeren Lieferzeit zum Kunden zusätzlich eine Erhöhung des DBI pro Stück von etwa 7 bis 15 DM durch die Einsparung von Frachtkosten.
    […]
    7.Ausblick und Risiken
    Für 1998 wird ein Umsatz von 240 Mio. DM im Bereich „International Business” budgetiert. Das entspricht etwa einer Menge von 600.000 bis 700.000 Stück Handies !
    […]
    Bei weiterem „Druck” der Hersteller gegen den Export kann es notwendig werden, den Bereich „International Business” von K GmbH abzuspalten. Das Risiko besteht darin, evtl. die Verträge mit den Herstellern zu verlieren. Deshalb scheint es weiterhin ratsam, „unauffällig” zu agieren. Das erfordert leider einen größeren Aufwand.
    Ein weiteres Risiko besteht in der Gefahr mit dem „VAT Fraud” in Verbindung gebracht zu werden, wenngleich wir alles unternehmen, das zu vermeiden!
    […]
    8.Schlußbemerkungen
    Abschließend noch zwei Bemerkungen:
    1.Alle Mitarbeiter sind über die besondere Situation hinsichtlich Export informiert und haben entsprechende Routinen schriftlich zur Kenntnis genommen.
    […]”(Bl. 900 f der Gerichtsakte)
    Auf die Durchführung der Durchsuchungen im Rahmen der Steuerfahndung am 28.06.2000 hätten Herr H und Herr Z reagiert, indem sie geplant hätten, den Anteil des Umsatzes mit Großbritannien von derzeit 74 % auf 30 % zu vermindern. Dies sei betriebswirtschaftlich nicht zu verstehen. Es sei nur vor dem Hintergrund zu begreifen, dass die beiden Mitarbeiter der Klägerin wussten, dass die überwiegende Anzahl der britischen Abnehmer nicht seriös gewesen seien.

    Auch Aufzeichnungen des klägerischen Mitarbeiters in der Trading-Abteilung Herr Z ließen den Schluss zu, dass er von der Einbindung der Klägerin in ein Umsatzsteuerkarussell gewusst habe. So habe dieser den Schadensersatz für eine Lieferung der Klägerin an die italienische Firma E zu berechnen gehabt. Die Abnehmerin hatte sich geweigert, die bestellte Ware abzunehmen. In der Berechnung des für die Klägerin aus dem Ausfall des Geschäftes entstandenen Schadens habe er den Ablauf eines Umsatzsteuerbetrugssystems mit der Ausstellung von Scheinrechnungen zwischen

    K GmbH (D) und E (I),

    sodann einem Verkauf von Ei (I) an eine Firma X1 (D),

    sodann einen Weiterverkaufvon der Firma X1 (D) an K GmbH (D) mit dem Vermerk „ Scheinrechnung” einbezogen.

    (auf die Aufzeichnungen Bl. 717 – 719 der Gerichtsakte wird Bezug genommen). Die Firma E in Italien sei faktisch durch Herrn F geführt worden. Die Firma E habe über ein Konto bei einer Bank in L (Schweiz) verfügt. Den Wareneinkauf der Firma Ei habe Herr D finanziert, der auch den Wareneinkauf der Gruppe C. finanziert habe. Herr F sei am 09.08.2001 wegen Umsatzsteuerhinterziehung im Rahmen von Karussellgeschäften zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 4 Monaten verurteilt worden (Blatt 716 Gerichtsakte).

    Über den bedingten Vorsatz hinaus sei auch eine Fahrlässigkeit der Mitarbeiter der Klägerin hinsichtlich ihrer Einbindung in ein Umsatzsteuer-Betrugssystem anzunehmen. So seien die Preise der W regelmäßig unter den Preisen der Hersteller geblieben. Es ergebe sich in vier Monaten ein Einkaufsvorteil von insgesamt 1,6 Millionen DM. Es sei fahrlässig gewesen, sich von Herrn P weiterhin Lieferanten vermitteln zu lassen, obwohl die Klägerin gewusst habe, dass die von Herrn P vermittelte D I aus der Phase I des Umsatzsteuerkarussells (Juni bis September 1999) wegen Karussellgeschäften „aufgeflogen” gewesen sei. Herr P habe der Klägerin zum Teil den Lieferanten und den ausländischen Abnehmer der Klägerin für ein und dieselbe Lieferung vermittelt. Er habe von der Klägerin für sein Tätigwerden nicht einmal eine Provision erhalten. Die oben genannten Vorsorgemaßnahmen seien unzureichend gewesen (Blatt 897 Gerichtsakte).

    Auch die Mitarbeiterin der Trading-Abteilung der Klägerin Frau von S habe von dem Umsatzsteuerbetrugsystem gewusst. So habe sie unter dem 10.01.2000 eine als „Analysis of Trading Department” bezeichnete Datei erstellt; diese sei auf dem Laptop des Herrn H sichergestellt worden. Dort habe sie Ausführungen zu Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und Gefahren der Trading-Abteilung gemacht. Die Hauptziele seien das Gewinn- und Umsatzvolumen gewesen. Unter „Möglichkeiten” habe sie „Konzentration auf die Entwicklung von bestimmten Märkten: z.B. „Cash-Cows” (bzgl. USt) in Großbritannien” geschrieben. Der Begriff „cash-cow” bezeichne Unternehmen mit hohen Liquiditätsreserven. Es sei bezeichnend, dass Frau von S diesen Begriff im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer verwendet habe. Unter „Gefahren” habe sie schließlich festgestellt: „Wenn die Behörden in Großbritannien ihr „ Umsatzsteuerproblem” lösen, geht das Umsatzvolumen beträchtlich zurück; Kunden kaufen in Großbritannien (USt-Vorteile).” (Blatt 525 Gerichtsakte).

    5. Bestehen eines teilweisen Verwertungsverbots

    Eine Verwertung der Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung sei nicht erforderlich um den Vorsteueranspruch abzulehnen.

    Ergänzend wird auf alle Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf alle Protokolle und sonstigen Aktenbestandteile und auf die beigezogenen Steuerakten (ein Ordner Rechtsbehelfsakte, vier Ordner Akten der Steuerfahndung) Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn Norbert H als Zeugen. Wegen des Inhalts der Aussage wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2008 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist nicht rechtswidrig. Der Klägerin steht die begehrte Vorsteuer aus den Rechnungen der Firma W für den Monat März 2000 nicht zu. Einem solchen Abzug der Vorsteuer steht entgegen, dass die Rechnungen nicht die Anschrift des Leistenden zutreffend angeben (1.) und die Klägerin nicht das Erforderliche und ihr Zumutbare unternommen hat, um eine Beteiligung an einer auf Umsatzsteuerbetrug angelegten Lieferkette zu vermeiden (2.).

    Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer bei der zu berechnenden Umsatzsteuer nach § 16 Abs. 2 UStG abziehen. In tatsächlicher Hinsicht trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind.

    1. Die durch die W für März 2000 erteilten Rechnungen erfüllen nicht die Anforderungen an Rechnungen im Sinne von §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 14 UStG

    a) Angabe der Anschrift (des Sitzes) des Leistenden

    aa) Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UStG 2000 (nach § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG gelten für Umsätze aus dem Jahr 2000 die Anforderungen an Rechnungen aus § 14 UStG in der zu dieser Zeit gültigen Gesetzesfassung) muss eine Rechnung, die zum Abzug der ausgewiesenen Vorsteuer berechtigen soll, den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Dabei muss die Rechnung grundsätzlich den richtigen Namen und die richtige Adresse des leistenden Unternehmers angeben. Der in der Rechnung einer GmbH angegebene Sitz muss bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich bestanden haben. Der sogenannte Sofortabzug der Vorsteuer gebietet es, dass der Finanzverwaltung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglicht wird (BFH, Urteile vom 29.04.1993 V R 118/89, BFH/NV 1994, 584 und vom 06.12.2007 V R 61/05, BStBl II 2008, 695). Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer trägt die Feststellungslast dafür, dass der in der Rechnung einer GmbH angegebene Sitz auch tatsächlich bestanden hat. Es ist eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern (BFH, Urteil vom 06.12.2007 a.a.O.).

    Im Streitfall ist unstreitig, dass die W im maßgeblichen Zeitraum der Durchführung der Lieferungen und der Erteilung der verfahrensgegenständlichen Rechnungen, also im März 2000, ihren statutarischen Sitz in der in M hatte. Genauso unstreitig ist jedoch auch, dass sie dort über keine Büroräume verfügte und keine Gegenstände oder Geschäftsunterlagen verwahrte. Es war nur ein Aufkleber auf einem Briefkasten einer anderen Firma angebracht. Ihr Geschäftsführer Herr S W holte alle ein bis zwei Wochen Post, die an diese Anschrift geschickt worden war, ab.

    In der Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung eines sogenannten „Briefkastensitzes” als ordnungsgemäße Angabe der Anschrift des leistenden Unternehmers auf einer Rechnung war zunächst anerkannt, dass ein sogenannter „Briefkasten-Sitz” ausreichen könne, wenn die postalische Erreichbarkeit der Gesellschaft gesichert sei. Ein Scheinsitz könne nur dann angenommen werden, wenn besondere, detaillierte Feststellungen dies rechtfertigen. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Scheinsitzes könnten sich dann ergeben, wenn am Ort des eingetragenen Firmensitzes keinerlei Geschäftsleitungs- und Arbeitgeberfunktion, Behördenkontakt und Zahlungsverkehr stattfinde (vgl. BFH, Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620; Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622 und Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035).

    Solche Feststellungen liegen im Streitfall vor. Die für eine Tätigkeit eines Handelsunternehmens wie der W typischen Funktionen wie das Anbahnen von Geschäften, die Organisation von Lieferungen und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs fanden im Streitzeitraum überhaupt nicht an dem Ort des angegebenen Sitzes in der in M statt. Jeglicher erkennbarer Kontakt wurde über Telefax und Telefon hergestellt. Die Empfangsgeräte befanden sich jedoch nicht an der angegebenen Anschrift, sondern – wie die Klägerin wusste – bei Herrn E und dessen Firma S. in der Straße in M. Die durch Herrn W erfolgten Freigaben der Lieferungen wurden ebenso per Telefax von dort gesandt wie die durch Herrn E gesandten Rechnungen (dies ergibt sich aus der Faxkennung des Absenders). Überweisungsaufträge hat Herr W nicht an der Anschrift in M ausgefüllt, bevor er sie bei der Bank der W abgegeben hat. Damit hat unter der angegebenen Anschrift keine Geschäftsleitungsfunktion, keine Arbeitgeberfunktion und keinerlei tatsächliches Geschäft stattgefunden. Es wurden auch keine Geschäftsunterlagen dort gelagert oder die Buchführung der Gesellschaft vorgenommen. Allein die Tatsache, dass eingehende Post – etwa des M Finanzamtes oder des Prozessbevollmächtigten der Klägerin – die W unter der Anschrift

    in M erreichte, da diese Schreiben später beantwortet wurden, genügt nicht zur Verneinung eines Scheinsitzes unter der angegebenen Anschrift. Die Möglichkeit zum Kontakt zu der Behörde wurde nur dadurch ermöglicht, dass der Geschäftsführer die eingehende Post alle ein bis zwei Wochen von dort abholte, eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Angaben des leistenden Unternehmens wurde dadurch für die Finanzbehörden nicht ermöglicht. So hätte etwa eine Außenprüfung, Umsatzsteuer-Nachschau oder Aufforderung zur Auskunft Dritter bei einem Besteuerungsverfahren nicht zeitnah dort ausgeführt werden können, da der Kontakt erst durch das Auftreten des Geschäftsführers, der Post abholt, in losen Abständen ermöglicht wurde, die Behörde jedoch keine Möglichkeit zur kurzfristigen Kontaktaufnahme an dieser Stelle hatte. Auch die Möglichkeit zur telefonischen Kontaktaufnahme ändert daran nichts. Zum einen kann sie keine erforderliche körperliche Verortung ersetzen, zum anderen bestand unter der angegebenen Telefon- und Faxnummer keine Möglichkeit die W – zumal an ihrem angegebenen Sitz – zu erreichen; es war lediglich der nicht bei der W angestellte Herr E an einer anderen Anschrift, dem Sitz der S., zu erreichen. Die Anschrift in M war deshalb eine Scheinanschrift. Sie diente dazu, zu verschleiern, dass nicht die W sondern – wie schon in dem Zeitraum September 1999 bis Februar 2000 – Herr E, damals noch unter Einschaltung der Firma S., es war, der die Ware von der Gruppe C. an die Klägerin weiterleitete. Dies erfolgte nach Überzeugung des Senates auch – jedenfalls von Seiten der Gruppe C. und der insoweit in den Tatplan eingeweihten Herren E und E – um die Aufdeckung der auf Umsatzsteuerbetrug angelegten Lieferkette zu verhindern oder zumindest zu verzögern.

    bb) Unabhängig davon, dass nach dem Vorhergesagten durch besondere und detaillierte Feststellungen festzuhalten ist, dass die durch die W in den verfahrensgegenständlichen Rechnungen angegebene Anschrift einen Scheinsitz darstellte, folgt der Senat der Rechtsprechung des EuGH zum Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Bereich des Mehrwertsteuersystems. Danach ist die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Eine betrügerische und missbräuchliche Berufung auf Normen des Gemeinschaftsrechts ist nicht erlaubt. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit ist deshalb an dem Ort anzunehmen, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und an dem – gewöhnlich mit diesem übereinstimmenden – Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt wird. Andere Elemente wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte, der Ort an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, der Ort, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt werden, und der Ort, an dem die Finanz- und insbesondere die Bankgeschäfte hauptsächlich wahrgenommen werden, können ebenfalls in Betracht gezogen werden. Danach lässt sich eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine „Briefkastenfirma” oder für eine „Strohfirma” charakteristisch ist, nicht als Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit ansehen (Urteil vom 28.06.2007 C-73/06 Planzer Luxembourg Sàrl, UR 2007, 654; dem haben sich auch für die Auslegung der Voraussetzungen für die Angabe der Anschrift des Leistenden in einer für die Gewährung des Vorsteuerabzugs vorgelegten Rechnung nach § 14 UStG angeschlossen der BFH mit Urteil vom 06.12.2007 V R 61/05, BStBl II 2008, 695 und das FG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 29.11.2007 6 K 1713/06, EFG 2008, 737).

    Wie der BFH in dem genannte Urteil vom 06.12.2007 und das FG Rheinland-Pfalz in der genannten Entscheidung vom 29.11.2007, kann es auch der erkennende Senat dahingestellt lassen, ob der gute Glaube des Leistungsempfängers an die unrichtigen Angaben des Leistenden zu seiner Anschrift in der Rechnung geschützt werden kann, denn die Klägerin hat in jedem Fall ihre Obliegenheit, sich über die Richtigkeit der dort gemachten Angaben zu vergewissern, verletzt und daher einen solchen guten Glauben nicht besessen. Sie hätte sich angesichts des erheblichen Umfangs der mit der W beabsichtigten und auch durchgeführten Geschäfte, der – auch ihr unstreitig bekannten – Anfälligkeit des Handels mit Mobiltelefonen auf dem grauen Markt für Umsatzsteuerbetrug und der in hohem Maße auffälligen Umstände des Auftretens der W als Ersatz für die S., der hierfür von dem Geschäftsführer der Vorgänger-Lieferantin S., Herrn E gegebenen Erklärung und seiner gleichwohl erfolgten tatsächlichen Durchführung der Geschäfte – nunmehr auch für die W – nicht damit begnügen dürfen eine Anfrage bei der Firma B über die formal ordnungsgemäße Anmeldung der W einzuholen. Auch nach Aussage des Zeugen H war die einzige weitere Information, die die Klägerin über die W hatte, dass ihr Geschäftsführer nicht viel von dem Handel mit Mobiltelefonen verstand, schlechter Deutsch sprach als Herr E und letzterer die W empfohlen hatte. Hier hätte es sich aufgedrängt, sich über die bisherige wirtschaftliche Tätigkeit und die Frage ob ihr Auftreten am Markt real war, persönlich, auch vor Ort, zu informieren. Hätte die Klägerin dies getan, so hätte sie den Scheinsitz in der in M bemerkt und hätte von den Geschäften Abstand nehmen können.

    b) Ob auch die individuelle Seriennummer der Mobiltelefone (IMEI-Nr.) in den Rechnungen als handelsübliche Bezeichnung des Gegenstands der Lieferung anzugeben gewesen wäre kann der Senat dahingestellt sein lassen; Zweifel an einer solchen Erforderlichkeit werden insoweit vom Hessischen FG in einem Beschluss vom 21.05.2007 unter Auswertung einer durch die Finanzverwaltung zur Handelsüblichkeit durchgeführten Herstelleranfrage (6 V 967/07, juris) geäußert. Ablehnend äußert sich auch das Niedersächsische FG in einem Beschluss vom 12.11.2004 (16 V 137/04, DStRE 2006, 356).

    c) Entgegen der – jedenfalls zu Beginn des Verfahrens – geäußerten Rechtsansicht des FA ist es für die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug unerheblich, ob die W im Jahr 2001 die ursprünglich ausgestellten Rechnungen insoweit „berichtigte”, als nunmehr keine Umsatzsteuer mehr ausgewiesen wurde, denn die Vorsteuer entsteht zu dem Zeitpunkt, in dem deren Voraussetzungen (Empfang der Leistung und Besitz der Rechnung) gegeben sind (vgl. EuGH, Urteil vom 29.04.2004 C-152/02 Terra Baubedarf, BFH/NV 2004 Beilage 3, 229; nachfolgend BFH, Urteil vom 01.07.2004 V R 33/01, BStBl II 2004, 861). Auch hierauf kam es aber für die Entscheidung letztlich nicht mehr an.

    2.Die Klägerin hat nicht das Erforderliche unternommen, um ihre Beteiligung an einer auf Umsatzsteuerbetrug angelegten – und damit rechtsmissbräuchlich handelnden – Lieferkette zu vermeiden .

    Ein Vorsteuerabzug der Klägerin scheidet auch aus, da im Streitfall aufgrund ihrer – jedenfalls – fahrlässigen Beteiligung an einer auf Umsatzsteuerbetrug angelegten – und damit rechtsmissbräuchlich handelnden – Lieferkette nicht vom Vorliegen des objektiven Tatbestands einer Lieferung bzw. einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ausgegangen werden kann.

    Nach der Rechtsprechung des EuGH, die der BFH für das deutsche Umsatzsteuergesetz übernimmt und der sich der erkennende Senat anschließt, scheidet ein Vorsteuerabzug aus, wenn der Leistungsempfänger von der Einbeziehung vorangegangener (oder nachfolgender) Lieferungen in einen Umsatzsteuerbetrug gewusst hat oder zumindest hätte wissen können. Wenn der Unternehmer selbst eine Steuerhinterziehung durch Beteiligung in einer auf Umsatzsteuerbetrug angelegten Lieferkette begeht, dann sind die objektiven Kriterien, auf denen die Begriffe der Lieferung als auch der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen, nicht erfüllt. Der Vorsteuerabzug bleibt jedoch erhalten, wenn eine Lieferung an einen Unternehmer vorgenommen wird, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war. Hätte der Unternehmer dies wissen können, so bleibt ihm der Vorsteuerabzug verwehrt, auch wenn der Umsatz den objektiven Kriterien einer Lieferung und einer wirtschaftlichen Tätigkeit entspricht. In diesem Fall einer missbräuchlichen Praxis ist der Begriff des Umsatzes neu zu definieren. Es sind dann weder die Eingangsumsätze dem Vorsteuerabzug zugänglich, noch sind die Ausgangsumsätze zu versteuern (einer Haftung nach Maßgabe des § 14 c UStG (im Streitjahr: § 14 Abs. 3 UStG(steht dies aber nicht entgegen; so BFH, Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035 unter Übernahme der Rechtsprechung des EuGH vom 12.01.2006 C-354/03, C-355/03, C-484/03, Optigen Ltd., Fulcrum Electronics Ltd. und Bond House Systems Ltd., vom 11.05.2006 C-384/04 Federation of Technological Industries u.a. und vom 06.07.2006 C-439/04 und C-440/04 Axel Kittel und Recolta Recycling SPRL. Eine entsprechende Übernahme der Rechtsprechung des EuGH nimmt das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 01.10.2007 12 K 160/04, EFG 2008, 574 vor).

    Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer trägt die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 AO) – bei der auch die Beweisnähe zu berücksichtigen ist – muss der Unternehmer entscheidungserhebliche Tatsachen beweisen. Das gilt auch im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, ob er vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten wusste oder diesen zumindest kennen konnte. Die Schwierigkeit eines Negativbeweises ändert die Verteilung der Beweislast grundsätzlich nicht. Denjenigen, der sich auf das Nichtvorliegen von Tatsachen beruft, kann die Feststellungslast erst dann treffen, wenn der Gegner (hier also das FA) substantiiert Tatsachen vorgetragen hat, die für das Vorliegen des Positivums sprechen (BFH vom 19.04.2007 a.a.O.).

    a) Diese Rechtsgrundsätze sind auf den Streitfall anzuwenden, da die Klägerin mit den verfahrensgegenständlichen Eingangsumsätzen in eine auf Umsatzsteuerbetrug angelegte Lieferkette eingebunden war.

    Die Klägerin war objektiv in eine auf Umsatzsteuerbetrug angelegte Lieferkette einbezogen, die von der Gruppe C. geplant und umgesetzt wurde. Hierfür kann auf die Ausführungen in dem Strafurteil des LG M I vom 22.05.2003 Bezug genommen werden (Anlage zum dem Schriftsatz des FA vom 03.09.2004). Darin wurde festgestellt, dass die Gruppe C. in Bezug auf ihre Tätigkeit in Deutschland die Firmen S GmbH und W als – planmäßig -verschwundene Händler („missing trader” – S GmbH) und Pufferfirma (W) eingesetzt hat, um die Waren dann an die Klägerin weiterzuleiten. Der durch das Landgericht angenommene Schaden durch die Betrugshandlungen ist dann durch die Inanspruchnahme von Vorsteuern durch die Klägerin entstanden. Damit sind die Rechtsgrundsätze der genannten Entscheidungen des EuGH entsprechend der Entscheidung des BFH vom 19.04.2007 anzuwenden. Das Strafurteil beruhte auf Geständnissen der verurteilten Herren K, M und E. Die dem Gericht vorliegenden Beschuldigtenvernehmungen des Herrn E vom 25.07.2000 (Akte Steuerfahndung III Nr. 22), des Herrn W vom 03.07.2000 (Bl. 918 der Gerichtsakte) sowie die Aussage des Herrn K vom 07.04.2003 bestätigen die tatsächlichen Feststellungen des Urteils der Wirtschaftsstrafkammer M. Die Klägerin hat sich darauf berufen, die Gruppe C. und deren Absprachen und Organisation des Umsatzsteuerbetrugs im Streitzeitraum (und davor) nicht gekannt zu haben. Gegen die tatsächlichen Feststellung des ergangenen Strafurteils hat sie keine konkreten Einwände erhoben und keine anderslautende Sachverhaltsdarstellung abgegeben, der im Wege der Beweisaufnahme nachzugehen gewesen wäre. Da sich auch aus den Akten keine Gründe ergeben, die gegen die Feststellungen des Strafurteils vom 22.05.2003 sprechen, legt der erkennende Senat seinem Urteil die Feststellungen dieses Urteils zugrunde. Damit ist davon auszugehen, dass die Klägerin – zumindest als letztes Glied – in eine Lieferkette eingebunden war, in der planmäßig mindestens der Vorlieferant S GmbH die geschuldete Umsatzsteuer nicht abgeführt hat und damit dem Fiskus einen Steuerschaden zugefügt hat.

    Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es für die Anwendung der Grundsätze aus den genannten Entscheidungen des EuGH nicht erforderlich, dass sich die betreffenden Gegenstände der Lieferung in einem „Karussell” in dem Sinne befinden müssten, dass sie bei den Beteiligten mehrfach durchgehandelt, bzw. durch Rechnungen erfasst worden sein müssten. Es ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger schuldhaft an einem Betrug eines anderen teilnimmt und damit das durch das Mehrwertsteuer-System geschaffene Recht – hier auf Entlastung im Wege des Vorsteuerabzugs – missbraucht wurde. Voraussetzung ist insoweit ein Umsatzsteuerbetrug, nicht ein Karussell in dem Sinne, dass ein mehrfaches Durchlaufen der Ware im Sinne einer kreisförmigen Lieferkette auch bei dem Betroffenen selbst erforderlich wäre (so auch Merkt, UR 2008, 757, 772). Zwar legt eine solche kreisförmige Lieferkette den Schluss nahe, dass der hierin Eingebundene von dem Betrug wusste oder hätte wissen können; Voraussetzung für das Eingreifen des Verbotes der Vorsteuerentlastung ist eine solche Kreisförmigkeit indes nicht. Dies hat auch der BFH bei der Übernahme der Rechtsprechung des EuGH zu den umsatzsteuerrechtlichen Folgen einer Einbindung in eine auf Umsatzsteuerbetrug angelegte Lieferkette nicht zur Voraussetzung erhoben (der BFH fragt in dem Urteil vom 19.04.2007 a.a.O. deshalb auch nur, ob die Klägerin von der Einbindung der Lieferungen in einen Umsatzsteuerbetrug wissen konnte). Aus Sinn und Zweck der Rechtsprechung ist der mehrfache – auf dem Papier oder tatsächlich – erfolgende Warendurchlauf auch nicht für das Eingreifen der entwickelten Rechtsgrundsätze erforderlich. Das Umsatzsteuersystem wird bereits dann missbraucht, wenn der Fiskus durch eine Absprache einmal um Umsatzsteuer betrogen wird. Ob die Betrugshandlungen mehrfach hintereinander und unter Einbeziehung derselben Firmen durchgeführt werden ist hierbei unerheblich. Der Schutz der auf dem Markt agierenden Unternehmer vor einer ungerechtfertigten Vorsteuerkürzung wird in jedem Fall dadurch gewährleistet, dass ein schuldhaftes Handeln für einen solchen Rechtsverlust erforderlich ist.

    b) Die Klägerin verliert ihren Vorsteueranspruch, weil sie jedenfalls die gebotenen und von ihr vernünftigerweise zu erwartenden Maßnahmen zur Vermeidung einer Einbindung in eine auf Umsatzsteuerbetrug angelegte Lieferkette unterlassen hat.

    aa) Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin für den im Streitzeitraum betriebenen Handel mit Mobiltelefonen, die sie nicht von den Herstellern bezogen hat, erhebliche Anstrengungen für Maßnahmen zur Verhinderung der Einbindung in einen Umsatzsteuerbetrug unternehmen musste.

    (1.) So wussten die Mitarbeiter der Klägerin durch den Besuch britischer Steuerbeamten an dem Sitz der Klägerin in H in den Jahren 1998/1999 in acht Fällen, dass es Ermittlungen gegen (britische) Abnehmerfirmen der Klägerin wegen Umsatzsteuerproblemen im Zusammenhang mit Ausgangsumsätzen der Klägerin gegeben hat, die Verbindung des Handels mit Mobiltelefonen zu Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Umsatzsteuer war damit bekannt.

    (2.) Diese Bekanntheit einer möglichen Verbindung zwischen dem Handel mit Mobiltelefonen und umsatzsteuerrechtlichen Unregelmäßigkeiten ergibt sich – diesmal für den Bereich der Eingangsumsätze der Klägerin – auch aus den Umständen der Beendigung der Geschäftsbeziehung der Klägerin zu der Lieferantin D I im September 1999. Dort hat die Klägerin nach einem Besuch der Steuerfahndung die Geschäftsbeziehung zu dieser Firma abgebrochen. Der Zeuge Herr H hat in seiner Aussage auf Befragen des Gerichtes bestätigt, dass nach dem Besuch der Steuerfahndung ein Kontakt der Klägerin mit einem Rechtsanwalt stattgefunden hat, der zu dem im Rahmen der Beschlagnahme des Notizbuchs des Zeugen festgestellten Eintrag für den 22.09.1999 zu einem Meeting mit einem Rechtsanwalt wegen D I geführt hat „keine Gefahr f. Vorsteuerabzug”. Daraus ist zu schließen, dass die Klägerin nicht nur das Nichttilgen einer steuerlichen Verbindlichkeit eines Vertragspartners (hier der D I) zum Anlass genommen hat, die Geschäftsbeziehung zu beendigen, sondern dass das Erscheinen der Steuerfahndung im September 1999 im Zusammenhang mit dem Vertragspartner und damaligen Lieferanten von Mobiltelefonen D I bei der Klägerin einen akuten Beratungsbedarf wegen eines möglichen Verlustes des Vorsteuerabzugs aufgeworfen hat. Eine Auswirkung von steuerlichen Pflichtverletzungen der Lieferantin D I auf den Vorsteuerabzug der Klägerin konnte sich jedoch nur aus der Lieferung von Mobiltelefonen ergeben haben, nicht dagegen durch die Nichtzahlung von fälligen Steuern des anderen Steuerpflichtigen.

    (3.) Auch der Mitarbeiter der Trading-Abteilung Herr Z wusste spätestens am 18.01.2000, dass eine Lieferung von Mobiltelefonen durch die Klägerin an die in Italien ansässige Firma E s.a.s in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden war. Er hatte Berechnungen für die Bezifferung des Schadenersatzes der Klägerin aus einem Geschäft angestellt, bei dem die Klägerin eine Lieferung an die Firma E s.a.s. in Italien durchgeführt hatte. Diese Bezifferung eines Schadenersatzes war in einer E-Mail vom 18.01.2000 an eine „Anke” innerhalb des Unternehmens der Klägerin weitergeleitet worden. Damit ist zwar auszuschließen, dass dieses Geschäft mit E s.a.s. den – erst danach liegenden – Streitzeitraum im März 2000 betrifft. Die Skizzen, die Herr Z im Zusammenhang mit dieser Bezifferung erstellt hat, zeigen jedoch, dass bei der Kalkulation des der Klägerin entstandenen Schadens kein üblicher Handelsvorgang zugrunde gelegen hat, sondern eine auf Betrug der Umsatzsteuer angelegte innergemeinschaftliche Lieferkette. Die Vermerke in den angefertigten Skizzen „USt”, „VorSt” und „Scheinrechnung” sind deutliche Zeichen hierfür (siehe Bl. 717 bis 719 der Gerichtsakte).

    Die Klägerin muss sich die Kenntnis der für sie tätig gewordenen Mitarbeiter als eigene Kenntnis nach den Grundsätzen des § 166 BGB bzw. § 278 BGB zurechnen lassen (dazu FG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2007 a.a.O.).

    Die in Nr. (1.) bis (3.) genannten Erwägungen waren bereits jeweils für sich alleine – und erst recht in ihrem Zusammentreffen – Gründe für die Klägerin, besondere Sorgfaltsmaßnahmen gegen eine Einbindung in eine auf Umsatzsteuerbetrug angelegte Lieferkette im Streitzeitraum zu ergreifen.

    bb) Die Klägerin hat vernünftigerweise gebotene und nahe liegende Maßnahmen gegen ihre Einbindung in eine auf Betrug der Umsatzsteuer angelegte Lieferkette unterlassen.

    (1.) IMEI-Nummern hätten registriert werden müssen

    Es hätten die individuellen Seriennummern (IMEI-Nummern) der gehandelten Mobiltelefone registriert werden müssen. Dies wäre eine Möglichkeit gewesen, festzustellen, ob die Klägerin – gegebenenfalls auch ohne ihr Wissen – in ein System des Umsatzsteuerbetrugs eingebunden war, denn so hätten sich etwaige Mehrfachdurchläufe feststellen lassen. Die Klägerin hat eine entsprechende Erfassung bei den Mobiltelefonen vorgenommen, die sie selbst – von ihrem Lager in H aus – an Fachhändler versandt hat. Bei den anderen Telefonen, die sie gerade nicht von Herstellern, sondern auf dem grauen Markt erworben hat, wäre eine Absicherung gegen Mehrfachdurchläufe angesichts der erheblichen Gefahr der Einbindung in einen Umsatzsteuerbetrug (siehe oben unter aa) in besonderem Maße erforderlich gewesen. Die Tatsache, dass dies mit einem finanziellen Aufwand von – nach Mitteilung der Klägerin – 0,25 DM pro Mobiltelefon verbunden gewesen wäre, erscheint angesichts der erheblichen Gefahr der Einbindung in einen Betrug und der – ausweislich der Prüfung durch die Steuerfahndung – erheblichen Preisdifferenz von Ware, die auf dem grauen Markt eingekauft wurde, zu Ware, die – nach Abzug von üblichen Boni und Rabatten – von den Herstellern bezogen wurde, von durchschnittlich 6 % zumutbar. Die Ausführungen des Zeugen insoweit, die Klägerin hätte der Spedition ihre Software ihres Warenwirtschaftssystems nicht überlassen wollen, konnten das erkennende Gericht nicht überzeugen. Es wäre insoweit nur erforderlich gewesen, dass die beauftragte Spedition unter Einsatz eines Scanners die IMEI-Nummern der angelieferten Mobiltelefone erfasst und diese mit den früher angelieferten Telefonen vergleicht. Weitere Daten aus der Organisation des Warenumsatzes der Klägerin wären für diese Sicherheitsvorkehrung nicht erforderlich gewesen. Nach der Durchführung der Steuerfahndungsprüfung im Juni 2000 wurde die Erfassung der IMEI-Nummern bei der beauftragten Spedition dann auch tatsächlich durchgeführt. Zwar konnte der Zeuge Herr H nicht mehr sagen, ab wann dies genau erfolgte, es muss jedoch spätestens in dem Zeitraum erfolgt sein, in dem der Mitarbeiter Herr F in der Trading-Abteilung der Klägerin tätig war, also im Zeitraum August 2001 bis Dezember 2001. Für diesen Zeitraum hat die Klägerin nicht dessen Aussage bestritten, es seien in dem Zeitraum seiner Beschäftigung in der Trading-Abteilung die IMEI-Nummern der gehandelten Mobiltelefone registriert worden. Dies unterstreicht die Annahme, dass es keine zwingenden technischen Gründe gegeben hat, im Streitzeitraum die IMEI-Nummern auch bei der beauftragten Spedition durchführen zu lassen.

    Aus der Aussage des Zeugen Herrn H ergibt sich des Weiteren, dass die jedenfalls im Jahr 2001 erfolgte Registrierung der IMEI-Nummern die Mehrfachlieferungen von Ware ergeben hat, die ein erhebliches Indiz für das Vorliegen eines Umsatzsteuer-Betrugs durch Vorliegen eines Umsatzsteuer-Karussells darstellt. Zwar bestritt der Zeuge Herr H die Aussage des Herrn F, wonach bei 50 % der eingekauften Ware ein Einkauf derselben bereits zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden habe, räumte jedoch ein, dass nach seiner Erinnerung die Quote der Mehrfachlieferungen im einstelligen Prozentbereich gelegen habe. Einer solchen Möglichkeit, wichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen von Kreislieferungen festzustellen, hat sich die Klägerin begeben, indem sie im Streitzeitpunkt auf die Erfassung der IMEI-Nummern verzichtete.

    (2.) Lieferantin W hätte vor Beginn der Geschäftsbeziehung eingehend überprüft werden müssen

    Die Einbindung der Lieferantin W als Lieferantin der Klägerin kann nicht als „üblicher Geschäftsgang” bezeichnet werden.

    Diese Firma hatte vorher noch nie Handel mit Mobiltelefonen getrieben, war im davor liegenden Jahr (Umsatz 1999 nahezu 0 DM) geschäftlich praktisch nicht tätig geworden und hatte an dem Ort des angegebenen Sitzes keine Geschäftsräume, sondern nur einen Aufkleber auf einem Briefkasten; nach dem oben Ausgeführten hatte sie nur einen als Scheinsitz zu bewertenden Briefkastensitz an der angegebenen Anschrift. Post wurde von dem Geschäftsführer W nur alle ein bis zwei Wochen an diesem Ort abgeholt.

    Für die Klägerin ergaben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, an der Seriosität des neuen Vertragspartners zu zweifeln und damit eingehendere Erkundigungen über W einzuholen als die am 06.03.2000 (jedenfalls in Papierform) vorliegende B-Auskunft, in der nur rein formale Kriterien wie die ordnungsgemäße Eintragung in das Handelsregister enthalten waren.

    Diese Anhaltspunkte für das Bestehen eines illegalen Hintergrunds des Tätigwerdens der W ergeben sich daraus, dass Telefonanrufe an die Kontaktnummern der W direkt zu einer anderen Person – Herrn E – geleitet wurden, von der die Klägerin (vertreten durch ihre Mitarbeiter) wusste, dass dieser nicht Angestellter der W war. Wollte man sich also mit der Firma W über deren Telefonnummer in Verbindung setzen, so wurde man ohne Weiteres an eine Person geleitet, die kein Angestellter dieser Firma war. Dies ist keine seriöse Art der Kontaktaufnahme mit einer im Inland ansässigen Firma. Einen persönlichen Kontakt mit dem Geschäftsführer der W, Herrn W, haben die Mitarbeiter der Klägerin nicht gehabt. Eine besondere Bedeutung hat hier auch der Umfang der getätigten Geschäfte: So hatte die Klägerin in dem Zeitraum Oktober 1999 bis Februar 2000 mit der Firma des Herrn E (S.) Bruttoumsätze von über 27 Millionen DM durchgeführt (auf das Urteil des LG M vom 22.05.2003, Bl. 30, 31 wird Bezug genommen, siehe Anlage zu dem Schriftsatz des FA vom 03.09.2004). Es erscheint nun wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, weshalb Herr E auf dieses offenbar florierende Geschäft seiner Firma mit der Klägerin verzichten wollte und dies der Firma einer anderen Personen überlassen wollte. Dies zumal vor dem Hintergrund, dass er es selbst bleiben sollte, der die Arbeit im Zusammenhang mit der Durchführung der Geschäfte zu erledigen hatte. Die – nach Mitteilung der Klägerin – hierfür gegebene Erklärung, die S. könne die Käufe nicht (mehr) vorfinanzieren, die Firma des langjährigen Freundes des Herrn E könne dies jedoch, war nicht geeignet, erhebliche Zweifel an der Seriosität des nunmehr eingebundenen Lieferanten zu beseitigen. So war den Mitarbeitern der Klägerin bewusst, dass die Ware erst freigegeben wurde, wenn die Klägerin sie bezahlt habe. Dies hätte die S. gegenüber ihrem Lieferanten (wie tatsächlich im Verhältnis S GmbH-W auch geschehen) doch genau so handhaben können, wie die W im Verhältnis zur Klägerin. Und wenn sich schon Probleme mit der Vorfinanzierbarkeit der Einkäufe des Lieferanten ergäben, so hätte die Klägerin allen Anlass gehabt, die Abwesenheit dieses Problems bei der neuen Lieferantin W sicherzustellen. Die Zuverlässigkeit des Lieferanten war für die Kläger von besonderer Bedeutung, da das Trading nach Mitteilung der Klägerin so durchgeführt wurde, dass die Klägerin zunächst einen Abnehmer für Telefone hatte und diesem dann verbindlich eine Lieferung zusagte, sobald sie einen Lieferanten gefunden hatte. Sollte dieser Lieferant dann doch nicht liefern können, so wäre die Klägerin ihrem ihr gegenüber bereits vertraglich gebundenen Abnehmer zu Schadensersatz verpflichtet gewesen; vor dem Hintergrund sich häufig ändernder Preise wäre dies besonders bedeutsam gewesen.

    Allein die Verweisung des Herrn E darauf, dass der Geschäftsführer der W ein langjähriger Freund von ihm sei, entband die Klägerin nicht von der Obliegenheit, sich eingehend mit der Geschäftsabwicklung und der Liquidität der W zu befassen. Schließlich wickelte die Klägerin schon im März 2000 einen Bruttoumsatz von über neun Millionen DM mit der W ab (7.798.058 DM Nettoentgelt nebst 1.247.689,28 DM Umsatzsteuer). Neben der Einholung der B-Auskunft war die einzige Information der Klägerin über die W, dass diese Firma bisher nichts mit dem Handel von Mobiltelefonen zu tun hatte. Dies musste zu noch größeren Zweifeln Anlass geben.

    Noch weniger konnten Zweifel an der Seriosität der Einbindung der W durch die Erklärung des Herrn E ausgeräumt werden, er wirke an den Geschäften zwischen der neuen Vertragspartnerin W und der Klägerin mit, da er seinem Freund W „helfen wolle, wieder auf die Beine zu kommen, weil dieser ein sehr schlechtes Jahr 1999 gehabt habe, nachdem ihm ein wichtiger Geschäftszweig weggebrochen sei” (Bl. 977 der Gerichtsakte). Hierdurch mussten sich aufdrängende Zweifel der Klägerin verstärken, ob denn nun der neue Lieferant die von der S. vorgeblich nicht zu leistende Vorfinanzierung erbringen könne, da sich dieser neue Lieferant offenbar wirtschaftlich gesehen nicht mehr auf den Füßen – sondern am Boden – befand und das abgeschlossene Wirtschaftsjahr für ihn sehr schlecht gewesen sei.

    (3.) Tätigwerden des Herrn P als Anlass zu erheblichen Zweifeln an Herkunft der durch W verkauften Mobiltelefone

    Das Tätigwerden des Herrn P im Zusammenhang mit dem Bezug von Mobiltelefonen der Klägerin durch die Firmen D I, S. und zuletzt W musste zu erheblichen Zweifeln Anlass gegeben haben.

    Zunächst hat die Klägerin aus Anlass des Besuchs der Steuerfahndung wegen ihrer damaligen Lieferantin D I Befürchtungen um ihren Vorsteuerabzug aus Lieferungen dieser Firma gehabt (s.o. 2b)aa)(2.)). Herr P war es gewesen, der den Kontakt zu der Firma D I zustande gebracht hatte. Darüber hinaus hat er jedoch auch den Kontakt der Klägerin zu der Firma S. zustande gebracht, die ab September 1999, also direkt nach dem Wegfall der D I, die Belieferung der Klägerin mit Mobiltelefonen übernahm. Dies musste schon zu Zweifeln Anlass geben, da die Klägerin sich gerade in dem Augenblick, als sie die Geschäftsbeziehung zu einem Lieferanten wegen einer möglichen Gefährdung ihres Vorsteuerabzugs abbrach, von dem selben Vermittler, der ihr den Kontakt zu der zweifelhaften Firma eröffnet hatte, nunmehr einen Nachfolgerlieferanten vermitteln ließ.

    Als auch die S. ihre Lieferfunktion zugunsten der W im Februar 2000 aufgab und Herr E gleichwohl die Geschäfte praktisch unverändert mit der Klägerin nunmehr im Namen der W durchführte, war gleichwohl wieder Herr P als Vermittler oder Anbahner tätig. Dies hat die Klägerin in dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 31.01.2002 vorgetragen, in dem sie darlegte, dass ihren Mitarbeitern Herr P bekannt gewesen sei. Er habe „einige, jedoch beileibe nicht sämtliche Geschäfte mit der W HandelS GmbH vermittelt” (S. 12 des genannten Schriftsatzes oben, Bl. 222 der Gerichtsakte). Für eine solche vermittelnde oder anbahnende Tätigkeit sieht das erkennende Gericht jedoch keinen wirtschaftlich nachvollziehbaren Anlass. Der Klägerin war Herr E als Lieferant für Mobiltelefone spätestens seit seinem Engagement im Namen der S. bekannt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb noch im Streitzeitraum Herr P mit Sitz in L Geschäfte zwischen der W und der Klägerin vermittelt oder angebahnt haben soll. Auch der Zeuge Herr H konnte hierfür nach Überzeugung des Senats keine überzeugende Antwort geben. An die Vermittlung von Geschäften durch Herrn P mit der W im Streitzeitraum konnte er sich nicht erinnern. Bei der Aussage, sich wegen der Vielzahl von Gesprächen mit verschiedenen Beteiligten im Trading-Geschäft nicht mehr an solche Vermittlungen erinnern zu können, blieb der Zeuge auch nach Vorhalt der oben genannten Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in dem Schriftsatz vom 31.01.2002. Das Gericht hat dem Zeugen auch Passagen aus der Beschuldigtenvernehmung des Herrn E vom 25.07.2000 vorgehalten, die den Zeugen nicht zu einer Korrektur seiner Aussage veranlasst haben. In dieser Aussage teilte Herr E mit, er habe die Preise, zu denen Mobiltelefone von der Firma S. an die Klägerin und später von der W an die Klägerin geliefert werden sollten, von Herrn P erhalten. Danach seien entsprechende Nachfragen von der Klägerin (und entsprechende Angebote von der Firma T Handy bzw. der Firma S GmbH) an ihn gefaxt worden. Es musste deshalb einen Informationsaustausch zwischen der Klägerin und der W über eine andere Person als Herrn E über den Preis der zu liefernden Mobiltelefone gegeben haben. Herr E nannte Herrn P als Informant über den Preis, die Mitarbeiter der Klägerin kannten Herrn P, sodass davon auszugehen ist, dass die durch die Klägerin auffällig unpräzise geschilderte „Anbahnung” von Geschäften durch Herrn P in dem Sinne stattgefunden hat, wie Herr E sie detailreich in der genannten Beschuldigtenvernehmung geschildert hat. Diese Art der Vereinbarung eines Preises mit einer anderen Person als dem – bereits bekannten – Lieferanten ist ein in hohem Maße zweifelhaftes Vorgehen. Hierdurch hat die Klägerin gegen ihre Obliegenheit zu vorsichtigem Agieren in dem Bereich des Handels mit Mobiltelefonen auf dem grauen Markt verstoßen. Die Einbindung des Herrn P in die Kontakte mit den lückenlos hintereinander auftretenden Firmen D I, S. und W war umso verdächtiger, als für die Vermittlung oder „Anbahnung” von Kontakten zu Lieferanten von Seiten der Klägerin nach Aussage des Zeugen Herrn H keine Provision an Herrn P gezahlt wurde. Da im Geschäftsleben nicht von der Leistung von Gratis-Diensten auszugehen ist, musste es – auch aus Sicht der Klägerin – andere Personen geben, die ein Interesse daran hatten, ihr stets über Herrn P, jedoch über verschiedene innerhalb weniger Monate wechselnder Firmen, Mobiltelefone zu liefern. Gerade in dem – auch den Mitarbeitern der Klägerin bekannten – von Umsatzsteuerbetrug erfassten Handel mit Mobiltelefonen auf dem grauen Markt musste ein solches Vorgehen höchste Alarmierung auslösen. Denn das Auftauchen und Verschwinden von Lieferanten, mit denen dann sogleich in hohem Volumen und in rascher zeitlicher Abfolge Umsätze getätigt werden, ist ein typisches Erscheinungsbild für eine auf Umsatzsteuerbetrug angelegte Lieferkette.

    Die Punkte (1.), (2.) und (3.) stellen jeweils für sich als auch – erst recht – in ihrer Gesamtheit Gründe dar, eine Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin zu bejahen, die zu dem Verlust des Vorsteueranspruchs führen musste.

    Das Gericht hat keine Erkenntnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen verwertet. Entsprechende Abhörprotokolle hat das Gericht gar nicht erst beigezogen. Auch wurden keine Aussagen verwertet, die erst nach Vorhalt eines Mitschnitts aus einer Telefonüberwachungsmaßnahme gemacht worden waren.

    3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Es lagen keine Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 FGO vor.

    VorschriftenUStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1, UStG 1999 § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, AO § 90, AO § 370