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  • 17.12.2015 · IWW-Abrufnummer 146066

    Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 12.02.2009 – 5 U 927/06

    1.

    Besteht eine Behandlungsalternative, darf der Arzt eine konkrete Empfehlung abgeben. Liegt diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Krankheitsbildes im Rahmen des Vertretbaren, ist die therapeutische Aufklärung nicht zu beanstanden.
    2.

    Erklärt der Arzt, seinen Hinweis auf ein bestimmtes Risiko (hier: Fussheberparese nach Umstellungsosteotomie) schreibe er üblicherweise in den Aufklärungsbogen, kann das Schweigen der Urkunde indizieren, dass der Hinweis im konkreten Fall versäumt wurde.
    3.

    Sind bei einem ärztlichen Eingriff Vorkehrungen zur Vermeidung einer häufigen und schwerwiegenden Komplikation erforderlich (hier: Verletzung des nervus peroneus), muss der Operationsbericht Angaben zu den Schutzmaßnahmen enthalten.
    4.

    Für das Aufklärungsversäumnis eines Assistenzarztes haftet auch der operierende Oberarzt. Hat er die irrige Vorstellung, der Assistenzarzt habe den Patient sachgemäß aufgeklärt, kann es am Verschulden fehlen. Den Oberarzt trifft die Darlegungs- und Beweislast für einen derartigen Irrtum.


    Oberlandesgericht Koblenz

    Urt. v. 12.02.2009

    Az.: 5 U 927/06

    In dem Rechtsstreit

    ...

    wegen Arzthaftung

    hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz

    durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach

    sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Menzel und Weller

    auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2009

    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 2. Juni 2006 geändert und wie folgt neu gefasst:
    a.

    Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Klägerin von den Beklagten wegen der am 18. Januar 2001 vorgenommenen Umstellungsosteotomie des linken Beins und der dabei eingetretenen Schädigung des nervus peroneus einen Ausgleich für die bis zum 19. November 2004 eingetretenen immateriellen Beeinträchtigungen und darüber hinaus Ersatz des bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen materiellen Schadens verlangt.
    b.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle nach dem 19. November 2004 eingetretenen und künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aufgrund der Operation vom 18. Januar 2001 entstehen.
    2.

    Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
    3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    4.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Entscheidungsgründe
    1

    Die zum Operationszeitpunkt 59 - jährige Klägerin nimmt die beiden beklagten Unfallchirurgen und die Drittbeklagte als Trägerin des Krankenhauses in D. auf Zahlung eines Teilschmerzensgeldes (Abgeltung der bis zum 19. November 2004 entstandenen Beeinträchtigungen), Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden und Ausgleich eines materiellen Schadens von 5 861,15 € nebst Zinsen in Anspruch. Sie lastet den Beklagten an, nach unzureichender therapeutischer Aufklärung und unvollständiger Risikoaufklärung am 18. Januar 2001 eine Umstellungsosteotomie am linken Bein nicht sachgemäß vorgenommen zu haben.
    2

    1967 waren der Klägerin weite Teile des Innenmeniskus des linken Kniegelenks entfernt worden. Ende November 2000 verdrehte sie sich das Kniegelenk, was einen Dauerschmerz bewirkte. Das führte zu einem stationären Krankenhausaufenthalt, der am 4. Dezember 2000 in eine Arthroskopie des Kniegelenks mündete. Der Beklagte zu 1) stellte eine erhebliche Schädigung fest. Er nahm eine Innenmeniskusglättung vor. Nach dem Vorbringen der Klägerin war sie anschließend beschwerdefrei. Da der Beklagte zu 1) beim Entlassungsgespräch am 7. Dezember 2000 jedoch geäußert hatte, beim Zustand des linken Kniegelenks empfehle er eine Umstellungsosteotomie (vgl. den Entlassungsbrief vom 15. Dezember 2000), suchte die Klägerin am 17. Januar 2001 erneut das beklagte Krankenhaus auf. Hier erfolgte noch am selben Tag eine Risikoaufklärung durch den Zeugen Dr. K.. Über den Inhalt des in einer schriftlichen Einwilligungserklärung dokumentierten Gesprächs besteht Streit. Am darauffolgenden Tag wurde die Umstellungsosteotomie vorgenommen. Dabei wurde der nervus peroneus beschädigt, was zu einer dauerhaft verbliebenen Fußheberparese führte.
    3

    Die Klägerin behauptet dauerhafte Schmerzen im linken Bein, die sie im Wesentlichen auf die Schädigung des nervus peroneus, außerdem aber auch auf eine fehlerhafte Überkorrektur zurückführt. Weiter hat sie vorgetragen, schon die therapeutische Aufklärung sei irreführend und fehlerhaft gewesen, indem man ihr insbesondere erklärt habe, der Eingriff sei dringlich und ohne Alternative. Über die Gefahr einer Schädigung des nervus peroneus sei sie nicht aufgeklärt worden. Im Übrigen beruhe auch dieser Schaden auf einem Operationsfehler. Letztlich seien auch die therapeutischen Maßnahmen der Nachsorge fehlerhaft gewesen.
    4

    Die Beklagten haben erwidert, bei der therapeutischen Aufklärung sei sehr wohl über die Alternative eines endoprothetischen Gelenkersatzes gesprochen worden. Die Umstellungsosteotomie sei jedoch wegen des noch nicht fortgeschrittenen Alters der Klägerin nach den seinerzeit bestehenden Erkenntnismöglichkeiten die bessere Option gewesen. Die Klägerin sei auch auf das Risiko einer Nervenverletzung hingewiesen worden. Das belege der vorgedruckte Aufklärungsbogen mit seinen handschriftlichen, vom Zeugen Dr. K. vorgenommenen Ergänzungen. Der Eingriff sei ordnungsgemäß geplant und durchgeführt worden, die Schädigung des nervus peroneus schicksalhaft. Die intraoperative Darstellung des Nervs sei ebenso wenig erforderlich wie das von der Klägerin vermisste Neuromonitoring. Auch die Nachsorge sei nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen würden bestritten.
    5

    Das Landgericht hat ein Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. B. eingeholt. Dem ist die Klägerin mit Gutachten eines Orthopäden und eines Neurochirurgen aus einem von der Klägerin geführten sozialgerichtlichen Verfahren entgegengetreten. Das Landgericht hat Dr. B. mündlich angehört und die Klage hiernach mit der Begründung abgewiesen, die Umstellungsosteotomie sei angesichts des konkreten Kniebefundes die richtige Maßnahme gewesen. Über die Behandlungsalternative (Knieprothese) sei die Klägerin informiert worden. Dass es bei dem Eingriff zu einer Schädigung des nervus peroneus gekommen sei, stelle ein typisches Operationsrisiko dar, über das man die Klägerin durch die handschriftliche Eintragung "Nervenverletzungen" in der Einwilligungserklärung auch aufgeklärt habe. Die Überkorrektur bewege sich noch im Rahmen des Vertretbaren. Das postoperative Vorgehen sei nicht zu beanstanden.
    6

    Mit ihrer Berufung wiederholt die Klägerin die erstinstanzlichen Anträge nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 29. Januar 2009. Die Umstellungsosteotomie sei ohne Grund als dringlich dargestellt worden. Da sie nach der Arthroskopie im Dezember 2000 beschwerdefrei gewesen sei, habe kein akuter Handlungsbedarf bestanden. Im Übrigen genüge es nicht den an eine sachgemäße therapeutische Aufklärung zu stellenden Anforderungen, dass der Zweitbeklagte erklärt habe, für eine Knieprothese sei sie noch zu jung. Damit sei keine echte Behandlungsalternative aufgezeigt, sondern die allein erwogene Umstellungsosteotomie seitens der Ärzte beschlossen worden. Der Hinweis auf "Nervenverletzungen" verschleiere die Gefahr dauerhaft verbleibender Beeinträchtigungen. Schutzmaßnahmen zur Vermeidung eines Peroneusschadens seien versäumt worden, was durch die fehlenden Eintragungen im OP - Bericht belegt sei. Im Übrigen sei die Planung des Eingriffs ebenso zu beanstanden wie das Ausmaß der erfolgten Überkorrektur. Die fachärztlichen Äußerungen aus dem sozialgerichtlichen Verfahren habe das Landgericht nicht beachtet, obwohl sich daraus ein weiterer Aufklärungsbedarf ergebe.
    7

    Die Beklagten erwidern, die im Dezember 2000 durchgeführte Arthroskopie habe ergeben, dass eine operative Intervention zeitnah geboten war. Über die Möglichkeit einer prothetischen Versorgung sei die Klägerin informiert worden, allerdings habe man ihr wegen der geringen Standzeit von einer Prothese abgeraten. Durch die Umstellungsosteotomie habe man die Option eines späteren Gelenkersatzes offen gehalten. All das sei mit der Klägerin besprochen worden. Wegen einer für April 2000 geplanten Reise sei der Eingriff zwar nicht dringlich aber doch zeitnah durchzuführen gewesen, weil es sich bei der behaupteten subjektiven Beschwerdefreiheit angesichts des objektiven Befundes allenfalls um einen vorübergehenden Zustand gehandelt habe. Weder die therapeutische Beratung noch die Risikoaufklärung seien zu beanstanden. Letztere sei ausreichend, wenn das Risiko "im Großen und Ganzen" dargestellt werde. Wie sich ein Nervschaden auswirke, habe die Klägerin gewusst. Die beim Eingriff getroffenen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung eines Peroneusschadens seien nicht dokumentationspflichtig. Die Überkorrektur bewege sich im Rahmen des Vertretbaren.
    8

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des auf die Behandlung von Kniegelenkserkrankungen spezialisierten Chirurgischen Zentrums Henriettenstiftung in Hannover. Auf die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Oberarzt Dr. Z. und Chefarzt Prof. Dr. L. wird verwiesen. Der Sachverständige Oberarzt Dr. Z., die Klägerin und die beiden beklagten Ärzte sind mündlich angehört worden. Außerdem wurde der Zeuge Dr. K. zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs vom 17. Januar 2001 vernommen. Wegen des Anhörungs- und Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29. Januar 2009 verwiesen.
    Gründe
    9

    II.

    Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Drittbeklagte ist schadensersatzpflichtig wegen Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages durch ihren Erfüllungsgehilfen Dr. K., der die Klägerin nicht über die Gefahr eines Peroneusschadens und die drohenden Dauerfolgen aufklärte. Mangels wirksamer Einwilligung der Klägerin war der am 18. Januar 2001 vorgenommene Eingriff rechtswidrig. Neben der vertraglichen Haftung des Krankenhauses haften daher alle drei Beklagten deliktisch (§§ 249, 276, 278, 611, 823, 830, 831, 840, 847 BGB alter Fassung; diese Vorschriften sind nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB weiterhin anzuwenden).
    10

    1. Allerdings rügt die Klägerin ohne Erfolg eine unzureichende therapeutische Aufklärung im Vorfeld der Umstellungsosteotomie. Die am 4. Dezember 2000 vorgenommene Arthroskopie hatte eine erhebliche Schädigung des linken Kniegelenks ergeben. Die Einschätzung der beiden beklagten Ärzte, dass die Möglichkeiten einer konservativen Therapie erschöpft waren, wird von allen gerichtlichen Sachverständigen geteilt. Dass kein akuter, jedoch zeitnaher Handlungsbedarf bestand, ist nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin nach der Arthroskopie beschwerdefrei gewesen sein will. Die Sachverständigen Dr. Z./ Prof. Dr. L. haben überzeugend dargelegt, dass es sich dabei gegebenenfalls nur um eine Momentaufnahme gehandelt haben kann, durch die nicht in Frage gestellt ist, dass die Klägerin auf Grund des Kniebefundes in naher Zukunft mit erheblichen Dauerbeschwerden rechnen musste. Die Empfehlung einer operativen Intervention war daher grundsätzlich richtig.
    11

    Erörterungsbedürftig ist allerdings, ob der Klägerin statt zu einer Umstellungsosteotomie zu einer prothetischen Versorgung des Kniegelenks geraten werden musste. Nach Auffassung der Sachverständigen Dr. Z./ Prof. Dr. L. wäre eine Knieprothese aus heutiger Sicht die bessere Entscheidung gewesen. Darauf kann indes nicht abgestellt werden, weil die therapeutische Aufklärung sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt des Eingriffs zu richten hat. Dass im Jahr 2001 implantierte Kniegelenksprothesen eine weitaus längere "Standzeit" haben als seinerzeit prognostiziert, war nicht vorhersehbar.
    12

    Das ändert aber nichts daran, dass die Versorgung des Kniegelenks mit einer Prothese schon im Jahr 2001 eine echte Behandlungsalternative war. Darüber musste die Klägerin aufgeklärt werden. Eine derartige Aufklärung ist indes zur Überzeugung des Senats in ausreichender Weise durch den Zweitbeklagten erfolgt. Das ergibt sich aus den Angaben, die die Klägerin bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts am 5. Mai 2006 gemacht hat. Dort heißt es der Beklagte zu 2 habe ihr gesagt, für die Implantation einer Knieprothese sei sie noch zu jung. Damit verbietet sich die Annahme, über die Behandlungsalternative (Knieprothese) sei überhaupt nicht gesprochen worden.
    13

    Dass der Beklagte zu 2 im weiteren Verlauf des Beratungsgesprächs die Umstellungsosteotomie favorisierte, ist nicht zu beanstanden. Besteht eine Behandlungsalternative, ist der Arzt nach Darstellung des Für und Wider nicht gehalten, von einer konkreten Empfehlung abzusehen. Liegt diese Empfehlung unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen medizinischen Anknüpfungstatsachen im Rahmen des Vertretbaren, ist die therapeutische Aufklärung nicht zu beanstanden. Der Rat zur Umstellungsosteotomie lag im vorliegenden Fall deshalb nahe, weil ein Fehlschlag des Eingriffs oder ein ausbleibender Dauererfolg die Möglichkeit einer späteren prothetischen Versorgung des Kniegelenks offen hielt.
    14

    2. Die Rüge der Klägerin, die Operation sei nicht ordnungsgemäß geplant worden, ist ebenfalls unbegründet. Den insoweit im Berufungsverfahren zunächst aufgekommenen Zweifeln ist der gerichtliche Sachverständige Dr. Z. durch umfassende Auswertung der (zunächst nicht greifbaren, dann jedoch wieder aufgetauchten) Röntgenbilder nachgegangen, die zur Planung des Eingriffs gefertigt wurden. Hiernach ist die Operationsplanung nicht zu beanstanden. Den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen hat der Senat nichts hinzuzufügen.
    15

    3. Das beklagte Krankenhaus haftet jedoch, weil die vom Assistenzarzt Dr. K. am 17. Januar 2001 vorgenommene Risikoaufklärung der Klägerin unzureichend und irreführend war. Die darauf gründende Operationseinwilligung der Klägerin war daher unwirksam. Mangels Einwilligung der Patientin war der Eingriff am 18. Oktober 2001 rechtswidrig. Das führt zur vertraglichen und deliktischen Haftung des Krankenhauses (§§ 278, 831 BGB). Ohne Einwilligung der Klägerin durften die beklagten Ärzte die Operation nicht vornehmen. Die bestehende Indikation ändert nichts daran, dass das Selbstbestimmungsrecht der Patientin erforderte, dass die Beklagten ihr die Möglichkeit ließen, über den Eingriff selbst zu entscheiden und ihn in Kenntnis der konkreten Risikolage sogar abzulehnen, auch wenn dieser Entschluss medizinisch unvernünftig gewesen wäre.
    16

    Diesen rechtlichen Ausgangspunkt stellen die Beklagten auch nicht in Frage. Sie meinen jedoch, Dr. K. habe die Patientin durch den handschriftlich ergänzten Hinweis auf "Nervenverletzungen" hinreichend informiert, weil damit eine Aufklärung "im Großen und Ganzen" erfolgt sei. Ergänzend haben die Beklagten behauptet, Dr. K. habe die möglichen Risiken mündlich erläutert, die Klägerin sei unter anderem über "die Komplikation einer Peronaeusschädigung aufgeklärt" worden. An anderer Stelle heißt es, die Klägerin habe gewusst, welcher Nerv betroffen sein konnte und wie sich ein Nervschaden auswirken würde.
    17

    Dieses Beweisvorbringen hat die Vernehmung des Zeugen Dr. K. nicht bestätigt. Der Zeuge hatte aus nachvollziehbaren Gründen keine konkrete Erinnerung an das Aufklärungsgespräch. Er bekundete jedoch, dass er üblicherweise auch auf drohende Funktionsstörungen hinweise und erkläre, man könne dann "den Fuß nicht mehr heben". Er hat hinzugefügt,

    "normalerweise bzw. generell"

    18

    schreibe er "Lähmungen und Fußheberparese" in den Aufklärungsbogen. Auf den Vorhalt, dass die Einwilligungserklärung hier von der berichteten generellen Handhabung abweicht, indem weder das Risiko einer dauerhaften Lähmung noch das Risiko der Fußheberparese im Text der Urkunde erwähnt sind, erklärte der Zeuge, er "müsste auch darüber aufgeklärt haben". Damit war eine mündliche Aufklärung der Klägerin gemeint. Die Frage, was der Zeuge hätte tun müssen, ist jedoch außer Streit. Es kommt nur darauf an, ob er die Klägerin mündlich auf das Risiko hingewiesen hat, das sich letztlich verwirklichte. Dieser Beweis ist nicht geführt. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung glaubhaft bekundet, von Problemen mit dem Fuß sei keine Rede gewesen. Der Senat hält diese Darstellung für plausibel. Nach den Erkenntnissen, die der Sachverständige Dr. Z. vermittelt hat, ist eine Schädigung des nervus peroneus eine der häufigsten und folgenreichsten Komplikationen bei einem derartigen Eingriff. Dazu hat der Zeuge Dr. K. bekundet, dies seinerzeit nicht gewusst zu haben. Auch im Übrigen hat die Befragung des im Januar 2001 noch relativ unerfahrenen Arztes dem Senat die Überzeugung vermittelt, dass der Zeuge seinerzeit nicht wusste, wie hoch das Risiko einer Peroneusschädigung ist und welche gravierenden Dauerfolgen eintreten können, wenn der Nerv beschädigt wird. Vor diesem Hintergrund hält der Senat die Darstellung der Klägerin für glaubhaft; jedenfalls kann der den Beklagten obliegende Beweis einer umfassenden sachgemäßen Risikoaufklärung nicht als geführt angesehen werden.
    19

    Die in der Urkunde über das Aufklärungsgespräch handschriftlich vermerkten "Nervenverletzungen" vermittelten der Patientin kein hinreichendes Bild der Auswirkungen einer Peroneusverletzung. Aus dem maßgeblichen Empfängerhorizont eines medizinischen Laien besagt der Hinweis auf "Nervenverletzungen" nicht, dass eine ganz erhebliche und noch dazu dauerhaft verbleibende Funktionsbeeinträchtigung in Form einer Fußheberparese eintreten kann. Der Senat hält es für nahe liegend, dass ein medizinischer Laie mit dem Hinweis auf "Nervenverletzungen" die Vorstellung einer sensorischen Störung verbindet. Keinesfalls ergibt sich aus diesem Hinweis jedoch das Risiko einer dauerhaften und darüber hinaus sehr gravierenden motorischen Beeinträchtigung. Auf diese konkrete Gefahr musste die Klägerin hingewiesen werden, damit sie eigenverantwortlich entscheiden konnte, ob sie das Risiko eingehen wollte. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe gewusst, welcher Nerv betroffen sein konnte und wie sich ein Nervschaden auswirken würde, ist nach der glaubhaften Darstellung der Patientin in der mündlichen Verhandlung des Senats unzutreffend. Sie wird durch die im entscheidenden Punkt vage Aussage des Zeugen Dr. K. nicht gestützt.
    20

    Dass die sachgemäße Aufklärung die Patientin angesichts der Risikodichte und der drohenden erheblichen Dauerfolgen in einen Entscheidungskonflikt gebracht hätte, bedarf keiner näheren Erörterung.
    21

    Die Frage einer hypothetischen Einwilligung stellt sich nicht, nachdem die Klägerin im Schriftsatz vom 8. Dezember 2008 zutreffend bemerkt hat, darauf hätten die Beklagten sich nicht berufen. Dabei geht die Klägerin zutreffend davon aus, dass die Beklagten insoweit darlegungspflichtig sind. Ein Ausnahmefall, bei dem sich eine hypothetische Einwilligung geradezu zwingend aufdrängt, ist nicht gegeben.
    22

    Nach alledem war der Eingriff mangels wirksamer Einwilligung der Klägerin rechtswidrig. Die Drittbeklagte haftet wegen Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages für den auf dem Aufklärungsversäumnis beruhenden Peroneusschaden nach §§ 276, 278, 611 BGB, daneben aber auch deliktisch nach §§ 823, 831 BGB.
    23

    4. Neben der Drittbeklagten (Krankenhausträger) haften auch die beiden beklagten Ärzte für die Schädigung der Klägerin (§§ 823, 830 Abs. 1 Satz 1, 840 BGB). Der Eingriff war objektiv rechtswidrig. Erörterungsbedürftig ist allein, ob die beiden operierenden Ärzte ein Verschulden trifft, falls sie davon ausgingen, der Kollege Dr. K. habe die Klägerin sachgemäß aufgeklärt und deren schriftliche Einwilligung sei daher wirksam. Nach Auffassung des Senats haften der beim Eingriff assistierende Chefarzt und der operierende Oberarzt selbst dann, wenn beide irrig annahmen, der Kollege Dr. K. habe die Klägerin sachgemäß aufgeklärt und deren Einwilligung sei daher wirksam.
    24

    a. Ein Chefarzt, der die Risikoaufklärung eines Patienten einem nachgeordneten Arzt überträgt, muss darlegen, welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen (vgl. BGHZ 169, 364 - 369 m.w.N.). Dahin gehenden Vortrag hat der Zweitbeklagte nicht gehalten.
    25

    Auch ist nicht behauptet, dass der Zweitbeklagte sich in einem Gespräch mit der Patientin vor dem Eingriff vergewisserte, dass sie dessen spezifische Risiken kannte. Ein Blick in die Krankenakte hätte dem Zweitbeklagten hier die Erkenntnis vermittelt, dass Dr. K. von seiner generellen Handhabung abgewichen war, einen erfolgten Hinweis auf dauerhaft verbleibende motorische Störungen schriftlich festzuhalten. Die daraufhin gebotene Nachfrage bei der Patientin hätte ergeben, dass sie das konkrete Risiko einer Fussheberparese nicht kannte. Die Prozessbehauptung der Beklagten, der urkundlich festgehaltene Hinweis auf mögliche Nervenverletzungen sei ausreichend, legt nahe, dass sie auch im Jahr 2001 über die Erfordernisse einer ärztlichen Risikoaufklärung nicht hinreichend informiert waren. Eine sachgemäße Information und Kontrolle der nachgeordneten Ärzte ist daher fern liegend, jedenfalls aber nicht bewiesen.
    26

    b. Ob der Erstbeklagte (Oberarzt) seinerseits ohne Verschulden darauf vertrauen durfte, dass der Chefarzt seinen Organisations- und Kontrollpflichten nachgekommen war und dabei insbesondere für eine sachgemäße Aufklärung der Patienten durch die Assistenzärzte gesorgt hatte, kann dahinstehen. Der Senat muss bei der vorliegenden Fallkonstellation auch nicht entscheiden, ob ein Oberarzt gleichermaßen wie ein Chefarzt verpflichtet ist, die sachgemäße Gestaltung von Aufklärungsgesprächen durch nachgeordnete Ärzte zu veranlassen und zu überwachen.
    27

    Entscheidend ist, dass der Eingriff mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig war. Daher wäre der Erstbeklagte nur entlastet, wenn ein Schuldausschließungsgrund vorläge. Als Schuldausschließungsgrund kommt hier die irrige Vorstellung in Betracht, der Assistenzarzt habe die Patientin sachgemäß aufgeklärt. Der Erstbeklagte hat aber nicht vorgetragen, welche Vorstellung er vom Inhalt des Aufklärungsgesprächs hatte. Sein Vorbringen, der schriftliche Hinweis auf "Nervenverletzungen" sei ausreichend, spricht gegen einen die Fahrlässigkeit ausschließenden Irrtum. Den in Anspruch Genommenen trifft die Darlegungs- und Beweislast für einen derartigen Irrtum (vgl. zur Putativnotwehr BGH NJW 1976, 41 [BGH 23.09.1975 - VI ZR 232/73] und zur Entschuldbarkeit eines Irrtums des Schädigers BGH NJW 1981, 745 [BGH 18.11.1980 - VI ZR 151/78] jeweils mit weiteren Nachweisen). An derartigem Vorbringen fehlt es hier.
    28

    5. Der Berufung kann jedoch nicht darin gefolgt werden, den Beklagten zu 1) und 2) seien bei der Operation Fehler unterlaufen, indem sie Maßnahmen zum Schutz des nervus peroneus versäumt, den Nerv durch ein OP - Instrument beschädigt und letztlich eine Überkorrektur vorgenommen hätten.
    29

    a. Mit Recht beanstandet die Klägerin allerdings, dass der Operationsbericht zu der Frage schweigt, ob die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Die unter anderem auf die Senatsentscheidung 5 U 212/05 ( MedR 2007, 305 [OLG Koblenz 27.07.2006 - 5 U 212/05]-308) gestützte Auffassung der Beklagten, derartige Selbstverständlichkeiten seien nicht dokumentationspflichtig, teilt der Senat nicht. Inhalt und Ausmaß der Dokumentationspflicht richten sich nach den medizinischen Erfordernissen des jeweiligen Einzelfalls. Angesichts der vom Sachverständigen Dr. Z. vermittelten Erkenntnis, dass der Peroneusschaden eine der häufigsten und schwerwiegendsten Komplikationen ist, hat die Mitteilung, dass die zu seinem Schutz erforderlichen intraoperativen Maßnahmen getroffen wurden, erheblichen Informationswert für nachbehandelnde Ärzte, falls nach dem Eingriff neurologische Beschwerden oder gar Ausfälle auftreten.
    30

    Aus dem lückenhaften Operationsbericht kann jedoch nicht gefolgert werden, die beklagten Ärzte hätten die gebotenen Schutzmaßnahmen versäumt. Deren Befragung durch den Senat (§ 141 ZPO) hat nämlich ergeben (§ 286 ZPO), dass alle erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden. Es besteht kein Grund an der Glaubwürdigkeit der Beklagten zu 1) und 2) oder der Glaubhaftigkeit ihrer Sachdarstellung zu zweifeln. Durch die Aussagen der beiden Ärzte ist die Lücke des Operationsberichts geschlossen.
    31

    Die intraoperative Darstellung des nervus peroneus war ebenso wenig erforderlich wie das von der Klägerin vermisste Neuromonitoring. Insoweit wird auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z. verwiesen.
    32

    b. Nach dessen Erkenntnissen ist allerdings davon auszugehen, dass der nervus peroneus unter der Operation mechanisch beschädigt wurde, was zu der Fußheberparese führte. Darin liegt jedoch keine haftungsrelevante Fehlbehandlung. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen bei seiner Anhörung ist Derartiges selbst bei größter Sorgfalt nicht sicher zu vermeiden. Eine zu Beweiserleichterungen für die Patientin führende Indizwirkung hat die Beschädigung des nervus peroneus daher nicht.
    33

    c. Das Ausmaß der erfolgten Korrektur bewegt sich noch im Rahmen des Vertretbaren, so dass den Beklagten auch insoweit kein Vorwurf zu machen ist.
    34

    d. Ob die Nachsorge zu beanstanden ist, kann dahinstehen. Unter der Operation war der nervus peroneus irreversibel geschädigt worden. Dass daran durch eine andere oder eine weiter greifende Nachsorge noch etwas zu ändern war, ist äußerst unwahrscheinlich. Demnach lässt sich die Kausalität der insoweit von der Klägerin gerügten Versäumnisse nicht feststellen.
    35

    6. Da die Voraussetzungen des § 304 Abs. 1 ZPO vorliegen, hält der Senat es für sachgemäß, über die Anträge auf Zahlung materiellen und immateriellen Schadensersatzes durch Grundurteil zu entscheiden. Die Bedenken der Beklagten hinsichtlich der zeitlichen Eingrenzung dieser Anträge teilt der Senat nicht. Der weitere Schaden wird von dem Feststellungsantrag erfasst, dem der Senat durch Teilurteil stattgegeben hat.
    36

    7. Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
    Streitwertbeschluss:

    Den Streitwert bemisst der Senat auf 53 861,15 €.