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  • 02.04.2014 · IWW-Abrufnummer 140962

    Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 16.05.2012 – 5 U 4/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Köln

    5 U 4/12

    Tenor:

    1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen.

    2. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 6.12.2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 387/09 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

    3. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

    G r ü n d e:

    Die Berufung der Klägerin, mit der sie die erstinstanzlich geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagten weiterverfolgt, hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, so dass ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens zurückzuweisen war (§ 114 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 und 2 ZPO). Da der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), eine mündliche Verhandlung unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten erscheint (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO), ist darüber hinaus beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

    Mit Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil nach den gemäß § 529 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Feststellungen weder ein Behandlungsfehler zu Lasten der Beklagten erwiesen ist noch die Aufklärungsrüge durchgreift. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Entgegen dem Berufungsvorbringen bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen, die zu einer weiteren Sachaufklärung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zugunsten der Klägerin führen könnten.

    Das Landgericht hat die angefochtene Entscheidung sowohl zur Frage des Vorliegens von Behandlungsfehlern als auch von Aufklärungsmängeln zu Recht und in nicht zu beanstandender Weise auf die gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. M in seinem Gutachten vom 14.10.2010 (Bl. 96 ff. GA), seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.5.2011 (Bl. 134 ff. GA) sowie seine Ausführungen im Termin vom 15.11.2011 (Blatt 165 ff. GA) gestützt. Die demgegenüber von der Klägerin erhobenen Einwände gehen allesamt ins Leere.

    1.

    Zu Recht ist das Landgericht von einer ausreichenden und damit ordnungsgemäßen praeoperativen Aufklärung der Klägerin ausgegangen, so dass eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrigen Operation ausscheidet.

    Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. M war die Operation der Nasenscheidewand indiziert. Vor der Operation habe eine deutliche Verbiegung der Nasenscheidewand vorgelegen, was durch die Diagnose auf dem Einweisungsschein und durch die Eintragung anlässlich der Aufnahmeuntersuchung im Krankenhaus der Beklagten zu 1) belegt sei. Auch der vom MDK Nordrhein eingeschaltete Sachverständige Dr. V hat aufgrund der Anamnese, der klinischen Befunde und der Röntgenbefunde eine operative Sanierung der Nasenebenhöhlen, Septumplastik und Muschelteilresektion für medizinisch indiziert angesehen (vergleiche Seite 4 des Gutachtens vom 4.6.2008, Blatt 4 ff., 7 unten des Anlagenhefts). Der radiologische Befund über die CT-Untersuchung vom 2.5.2006 steht dem nicht entgegen, da darin die Nasenscheidewand überhaupt nicht befundet worden ist, was freilich nicht bedeutet, dass die Verbiegung nicht vorhanden und zur Beseitigung der Beeinträchtigungen der Klägerin nicht erforderlich war. Im Übrigen bezweifelt der Senat, dass die Klägerin als medizinischer Laie zu beurteilen vermag, ob es sich bei der präoperativ diagnostizierten Septumdeviation lediglich um eine diskrete Verbiegung handelte, die nicht nennenswert und vor allem nicht ausschlaggebend für ihre Pansinusbeschwerden war. Zu einer weiteren Sachaufklärung zur Frage der Indikation gibt diese Ansicht der Klägerin, die den fachgutachterlichen Feststellungen widerspricht, jedenfalls keine Veranlassung.

    Ausgehend davon verkennt die Klägerin mit ihrer Aufklärungsrüge den Umfang und die Reichweite der von den behandelnden Ärzten einzuhaltenden Aufklärungspflicht. Mit der Aufklärung muss dem Patienten lediglich eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs vermittelt werden, wobei ihm dafür nicht die Risiken in allen erdenklichen Erscheinungsformen aufgezählt werden müssen. Es reicht aus, wenn ihm die Gravität des Eingriffs authentisch vor Augen geführt wird und er „im Großen und Ganzen“ erkennen kann, worauf er sich einlässt und was der Eingriff für seine Situation bedeutet (st. Rspr., vergleiche nur Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Aufl., 2010, Rn. 377 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Diesem Maßstab wird die präoperative Aufklärung gerecht. Die Klägerin ist anhand des Aufklärungsbogens zur Pansinusoperation (Anlage B 3.2, Blatt 25 ff. GA) über die wesentlichen Risiken dieses Eingriffs aufgeklärt worden. In diesem Aufklärungsbogen heißt es auch, dass häufig gleichzeitig Verbiegungen der Nasenscheidewand begradigt werden müssten und über diesen Eingriff gegebenenfalls gesondert aufgeklärt werde. Diese Aufklärung ist erfolgt ausweislich der Dokumentation zur Operationsaufklärung (Anlage B 3.1, Blatt 24 GA). Auch wenn dieser Aufklärungsbogen lediglich mit dem Begriff "Nasennebenhöhlen" überschrieben ist, sind, wie der gerichtliche Sachverständige und auch Dr. V bestätigt haben, darin alle wesentlichen Risiken, die bei der vorgesehenen Operation einschließlich einer Nasenscheidewandbegradigung auftreten können, aufgeführt. Insbesondere ist auch "im Großen und Ganzen" mit dem Hinweis auf kosmetische Entstellung inzident das Risiko der Entstehung einer Sattelnase genannt. Das sieht die Klägerin selbst offenbar auch so, wenn sie in ihrer Berufungsbegründung unter anderem ausführt, dass "eine so weitreichende mögliche Komplikation", wie sie sich bei ihr verwirklicht hat, "geradezu auf eine Entstellung hinausläuft". Weshalb sich die Angabe "kosmetische Entstellung" lediglich auf eine eventuell notwendig werdende Führung bei der Operation von außen beziehen sollte, erschließt sich nicht. Darüber hinaus ist nicht erheblich, dass bei der Beklagten zu 1) als "Standard" bei Nasenscheidewandoperationen eine weitergehende Aufklärung anhand des von der Klägerin vorgelegten standardisierten Aufklärungsformulars für eine Nasenseptumoperation erfolgt. Eine überobligationsmäßig detailliertere Aufklärung bleibt den Beklagten unbenommen und ändert nichts daran, dass hier die tatsächlich erfolgte Aufklärung der Klägerin ausreichend war. Solange – wie hier – eine Aufklärung "im Großen und Ganzen" erfolgt ist, spielt es auch keine Rolle, ob über weitere, in den von der Klägerin mit der Berufungsbegründung vorgelegten Aufklärungsbögen genannte, möglicherweise aufklärungbedürftige Risiken aufgeklärt werden musste. Denn solche Risiken haben sich hier nicht verwirklicht, so dass den Beklagten daraus auch kein haftungsrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden kann. Da sich die Operation primär auf die Behandlung der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung (Pansinusitis), zusätzlich und im Zusammenhang damit auch auf die Nasenmuscheln und schließlich auch auf die Nasenscheidewand richtete, ist es auch nicht zu beanstanden, dass lediglich über die Pansinus-Operation anhand eines ausführlicheren Aufklärungsbogens aufgeklärt worden ist und über die mit den weiteren Eingriffen verbundenen Risiken insgesamt im Rahmen des unstreitig geführten Aufklärungsgesprächs. Diese umfassende Aufklärung belegt schließlich auch, dass der Umfang des vorgesehenen Eingriffs und damit auch die mögliche Septumplastik mit der Klägerin besprochen worden ist. Da eine operative Sanierung einer vorhandenen "Schwachstelle im Nasenrückenbereich schon vor der Operation" für die Durchführung des vorgesehenen Eingriffs medizinisch nicht erforderlich war, waren die behandelnden Ärzte der Beklagten zu 1) ferner nicht gehalten, die Klägerin auf die Behebung dieser "Schwachstelle" aus kosmetischen Gründen hinzuweisen, wenn sie selber, wie es offensichtlich der Fall war, diese "Schwachstelle", die sich in einem leichten Höcker ausprägte, nicht störte.

    2.

    Ihre entgegen der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. M weiter aufrechterhaltende Behauptung eines Behandlungsfehlers begründet die Klägerin alleine mit ihrer gegenteiligen Überzeugung und dass die "Theorie mit der bereits vorhandenen Schwachstelle" für sie nicht nachvollziehbar sei. Dazu hat sie ausgeführt, dass der größte Teil der menschlichen Bevölkerung unter Formveränderungen der Nase leide, die angeboren seien, die aber keinesfalls zwangsläufig eine Schwachstelle darstellten. Eine Sattelnase entstehe meistens nach einer unsachgemäß durchgeführten ersten Operation, wobei der knöchern-knorpelige Nasenrücken zu großzügig entfernt werde. Exzessive Septumoperationen könnten die mögliche Ursache sein. Damit übersieht die Klägerin freilich, dass derartige Ursachen in ihrem Fall nicht mit der gemäß § 286 ZPO ausreichenden Sicherheit nachgewiesen sind. Es gibt auch keinen allgemeinen medizinischen Erfahrungssatz, wonach eine seltene oder äußerst seltene Komplikation oder eine Komplikation mit unklarer Ursache auf einen ärztlichen Fehler zurückgeht.

    Die Klägerin kann sich auch nicht auf etwaige Befunderhebungsmängel berufen mit der Begründung, Voraussetzung für eine korrekt gestellte Diagnose und Indikation zur Operation der Nasenscheidewand sei bei ihr auch eine computergestützte Rhinomanometrie gewesen, die der messbaren Objektivierung des subjektiven Gefühls der behinderten Nasenatmung diene. Selbst wenn diese Untersuchungsmethode in der klinischen Praxis die größte Verbreitung und Bedeutung für die Indikationsstellung zur Operation an der Nase besitzt, wie sie weiter ausgeführt hat, ist nicht ersichtlich, zu welchen weiteren Erkenntnissen eine solche Untersuchung in ihrem Falle geführt haben sollte und was dies an der vom gerichtlichen Sachverständigen plausibel begründeten Indikation für die Nasenscheidewandbegradigung geändert hätte. Das Gleiche gilt für die von der Klägerin angeführten, ihrer Meinung nach zwingend erforderlichen weiteren medizinischen Voruntersuchungen.

    3.

    Eine unzulässige Anfängeroperation ist ebenfalls nicht ersichtlich. Zum einen spricht nichts dagegen, dass der Beklagte zu 2), der sich unstreitig zur Zeit der Operation im letzten Jahr seiner Facharztausbildung befand, die für die Facharzt-Anerkennung erforderliche Zahl von 40 Operationen im Bereich des Nasengerüsts bereits absolviert hatte und damit den Facharztstandard für die hier zu beurteilende Operation aufwies. Die Klägerin hat auch nicht bestritten, dass der Beklagte zu 2) nicht wenigstens diese 40 erforderlichen Operationen durchgeführt hatte. Im Übrigen kommt es darauf auch nicht an, da jedenfalls der Beklagte zu 3) als Facharzt im Rahmen seiner Assistenz bei der Operation die Einhaltung des Facharztstandards gewährleistete (vergleiche Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Auflage 2010, Rn. 284 ff.). Ferner kommt es nicht darauf an, wie der Beklagte zu 2) nunmehr in eigener Praxis entsprechende Eingriffe vorbereitet, durchführt und nachsorgt. Entscheidend ist, ob bei dem hier zu beurteilenden Eingriff vom 31.8.2006 im Krankenhaus der Beklagten zu 1) nicht der Facharztstandard eingehalten wurde. Das aber hat die Klägerin nicht beweisen können.