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  • 29.04.2004 · IWW-Abrufnummer 041121

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 19.03.1997 – 13 U 42/96

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Karlsruhe

    Az: 13 U 42/96
    2 O 476/93
    Verkündet am: 19. März 1997

    In Sachen wegen Forderung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe ? 13. Zivilsenat in Freiburg ? auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 1997 an der mitgewirkt haben, xxx für recht erkannt:

    I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 23.01.1996 (2 O 476/93) im Kostenpunkt aufgehoben und zu Ziff. 1 abgeändert.

    1. Die auf Zahlung gerichtete Klage (Klaganträge Ziff. 1 bis 3) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

    Wegen des Betrages wird die Sache insoweit an das Landgericht zurückverwiesen.

    2. Es wird festgesellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch der Klägerin den weiteren materiellen Schaden zu ersetzen haben, der aus der am 12.11.1990 in den Städtischen Krankenanstalten xxx bei der Klägerin durchgeführten Operation entsteht.

    II. Die Kostenentscheidung bleibt am Schlussurteil des Landgerichts im Betragsverfahren vorbehalten.

    III. Die Beschwer der Beklagten übersteigt den Betrag von 60.000 DM.

    Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 309.833,42 DM festgesetzt.

    Tatbestand
    Die am 14.01.1946 geborene Klägerin wurde nach Einweisung durch den Hausarzt am 07.11.1990 in die Chirurgische Abteilung der Städtischen Kliniken xxx aufgenommen. Sie litt seit ca. 25 Jahren an wechselnden Magenbeschwerden, seit ca. drei Jahren an immer wiederkehrenden Schmerzen im Oberbauch, und hatte in diesen letzten drei Jahren neun Kilogramm abgenommen. Die Einweisung erfolgte zur operativen Therapie, nach die vom Hausarzt zuvor durchgeführte konservative Therapie keine Besserung gebracht hatte.

    Am 12.11.1990 wurde die Klägerin wegen einer Magenausgangsstegnose bei rezidivierenden Zwölffingerdarmgeschwüren durch den Beklagten Ziff. 1 (Assistenzarzt), assistiert von dem Beklagten Ziff. 2 (Oberarzt) operiert. Im Verlauf der Operation (Resektion des Magens mit Anastomose nach Billroth I) kam es bei der Präparation des Duodenums zu einer Durchtrennung des ductus choledochus, die intraoperativ bemerkt und vom Beklagten Ziff. 2 versorgt wurde. Diese Versorgung hatte allerdings nicht den erwünschten Erfolg, weshalb am 12.12.1990 eine Relaparatomie durchgeführt werden musste, um den fehlenden Abfluss in Duodenum herzustellen. Da es kurz nach diesem Eingriff zu einer Pankreasfistel kam und sich wiederum praktisch kein Abfluss nach distal ins Duodenum zeigte, wurde am 26.03.1991 in der Chirurgischen Klinik xxx eine erneute operative Revision durchgeführt. Dieser folgten am 15.05., 24.05., 28.08., 29.10 und 31.10.1991 noch fünf weitere operative Revisionen, die wegen einer erneuten Stenose, Komplikationen im Zusammenhang mit einem am 15.05.1991 implantierten Stent, im Herbst 1991 aufgetretener Abszesse im Bereich des Operationsgebietes und wegen des Verdachtes einer Nachblutung durchgeführt wurden. Die Klägerin leidet noch heute physisch und psychisch unter den Folgen der Operationen; es besteht ein Diabetes mellitus.

    Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch genommen.

    Sie hat behauptet, die Durchtrennung des ductus choledochus stelle trotz der Vernarbungen, die im Anfangsteil des Duo denums bestanden, einen groben Behandlungsfehler dar. Der Beklagte Ziff. 1 sei als Anfänger mit der Operation offensichtlich überfordert gewesen.

    Darüber hinaus sei sie, Klägerin, auch nicht wirksam aufgeklärt worden. Das in deutscher Sprache gehaltene Merkblatt, so ihr Vortrag in der Klagschrift vom 15.11.1993, habe sie am 11.11.1990 unterschrieben, ohne verstanden zu haben, was in dem Gespräch am 11.11.1990 dargelegt worden sei. Bei dem Gespräch sei kein Dolmetscher zugegen gewesen. Sie habe weder über die erforderlichen Deutschkenntnisse noch über eine entsprechende Schulbildung zum Verständnis komplexer anatomisch-physiologischer Vorgänge verfügt. Später, mit Schriftsatz vom 30.10.1995 (I 391 ff.), hat die Klägerin behauptet, sie habe am 11.11.1990 im Beisein ihres Ehemannes das deutschsprachige Merkblatt unterschrieben, ohne dass zuvor ein Arzt mit ihr über die geplante Magenresektion gesprochen gehabt habe. Das Merkblatt sei ihr ohne weitere Erklärungen durch den Pfleger xxx zur Unterschrift vorgelegt worden. Sie sei aufgrund der Äußerungen des Hausarztes davon ausgegangen, dass es sich bei der geplanten Operation um einen relativ harmlosen Eingriff handle. Wenn sie von der Wahrscheinlichkeit einer choledochus-Durchtrennung von bis 1,5 % Kenntnis gehabt hätte, hätte sie einer Operation in keinem Falle zugestimmt.

    Die Klägerin hat beantragt,
    1. die Beklagten habend er Klägerin gesamtschuldnerisch ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

    2. die Beklagten haben der Klägerin gesamtschuldnerisch 85.833,62 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

    3. die Beklagten haben gesamtschuldnerisch an die Klägerin eine monatliche Geldrente in Höhe von 2.000 DM jeweils vierteljährlich im voraus ab Dezember 1993 zu bezahlen;

    4. es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch der Klägerin auch für jeden weiteren materiellen Schaden aus der ärztlichen Fehlbehandlung in den Städtischen Krankenanstalten xxx ersatzpflichtig sind.

    Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

    Sie haben im wesentlichen vorgetragen: Die Indikation zur Magenresektion sei zweifelsfrei gegeben gewesen. Die Durchtrennung des ductus choledochus sei mit der massiven Vernarbung des Duodenums in dem betreffenden Bereich zu erklären und beruhe nicht auf einem Behandlungsfehler. Die intraoperative Versorgung dieser Verletzung sei richtig und ausreichend gewesen; ebenso die nachfolgende Versorgung. Der Beklagte Ziff. 1 habe seine Facharztausbildung zum Chirurgen bereits Anfang 1984 begonnen und bis November 1990 bei 15 Magenresektionen assistiert sowie eine größere Zahl von Magenoperationen selbständig durchgeführt gehabt. Er sei bei der hier in Frage stehenden Operation überdies vom Beklagten Ziff. 2, der seit 1980 Oberarzt und ein erfahrender Bauchchirurg sei, ständig assistiert und überwacht worden.

    Für die operative Aufklärung hätten vor dem Eingriff vom 12.11.1990 sowohl der Beklagte Ziff. 1 als auch der Stationsarzt xxx Gespräche mit der Klägerin geführt, bei
    denen die Notwendigkeit des Eingriffs erklärt und auf die damit verbundenen allgemeinen Risiken hingewiesen worden sei.

    Bei dem Gespräch mit Dr. xxx sei auch der Ehemann der Klägerin zugegen gewesen, der gut deutsch spreche.

    II. Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. xxx und PD. Dr. xxx (I 267 ff.) sowie Vernehmung der Zeugen Dr. xxx, S xxx und O xxx (I 419 ff.) durch Urteil vom 23.01.1996, auf das Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

    III. Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

    Sie meint, das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass kein Haftungsgrund wegen mangelnder Aufklärung gegeben sei. Die Aussage des Zeugen xxx sei, zumal in Anbetracht des Fehlens jeglicher Angaben in dem Abschnitt ?Vermerk des Arztes zum Aufklärungsgespräch? auf dem Merkblatt, zum Nachweis ordnungsgemäßer Aufklärung nicht geeignet. Der Zeuge habe überdies eingeräumt, dass er über Komplikationen der eingetretenen Art (Durchtrennung des choledochus) mit der Klägerin gar nicht gesprochen habe. Sie, Klägerin, sei mangels Sprachkenntnissen seinerzeit auch nicht in der Lage gewesen, ein deutsches Merkblatt zu lesen oder zu verstehen. Ein etwaiges Gespräch mit dem Pfleger xxx habe die erforderlich ärztliche Aufklärung nicht ersetzen können. Im übrigen werde im Gegensatz zum erstinstanzlichen Sachverständigengutachten auch von einem Behandlungsfehler ausgegangen.

    Die Klägerin beantragt,
    unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten nach dem Klagantrag zu verurteilen.

    Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigen das angefochtene Urteil und behaupten, die Klägerin habe bereits Anfang November 1990 ausreichend deutsch gesprochen, um die Aufklärung durch Dr. xxx, die ausreichend gewesen sei, zu verstehen. Die Klägerin habe auch, so tragen sie weiter vor, nicht plausibel dargelegt, dass und warum sie bei weitergehender, detaillierterer Aufklärung die zweifelsfrei indizierte Operation ernstlich in Frage gestellt hätte. Darüber hinaus sei nach ständiger, bewährter Praxis in der Chirurgischen Klinik Vxxx stets der Stationsarzt für die maßgebliche präoperative Aufklärung zuständig und werde in dieser Beziehung dadurch überwacht, dass die Operateure den Patienten über die Aufklärung befragten, wenn diese, wie in der Regel, vor dem Gespräch mit dem Operateur stattgefunden habe. Dr. xxx sei als gewissenhafter Kollege bekannt gewesen; es habe nie Anlass zu Zweifeln bestanden, dass er seine Aufklärungsgespräche verantwortungsbewusst, verständlich und vollständig geführt habe. Auch im vorliegenden Falle habe es dafür keine im konkreten Fall etwa unzulängliche Aufklärung durch Dr. xxx nicht zugerechnet werden.

    Die Beklagten bestreiten die geltend gemachten Ansprüche weiterhin auch der Höhe nach.

    Für die Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe
    I. Die Berufung ist zulässig. Sie führt zur Verurteilung der Beklagten nach dem Feststellungsantrag zu Ziff. 4 der Klage; im übrigen, bezüglich der Zahlungsanträge zu Ziff. 1 bis 3, zum Erlass eines Grundurteils (§ 304 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache wegen des Betrages an das Landgericht (§ 538 I Nr. 3 ZPO).

    1. Ein schuldhafter Behandlungsfehler, der die Haftung der Beklagten begründen könnte, ist nicht dargetan. Das Landgericht hat auf der Grundlage des in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens, das auch den Senat überzeugt, einen solchen Fehler zu Recht verneint. Auf die Gründe des angefochtenen Urteils insoweit wird Bezug genommen. Die Berufungsbegründung setzt sich hiermit nicht auseinander; sie legt insbesondere nicht dar, weshalb im Gegensatz zum Gutachten vom Vorliegen eines Behandlungsfehlers ausgegangen wird.

    2. Die Klage ist ? bezüglich der Leistungsklage dem Grunde nach ? aber aus dem Gesichtspunkt des Fehlens einer wirksamen Einwilligung der Klägerin in die Operation gerechtfertigt. Die insofern beweispflichtigen Beklagten haben nicht dargetan, dass die Klägerin über die Risiken der Operation hinreichend aufgeklärt worden ist.

    a) Der Senat ist, wie das Landgericht, entgegen dem neueren Vorbringen der Klägerin und den Angaben ihres Ehemannes, des Zeugen O xxx allerdings davon überzeugt, dass am 11.11.1990 ein ärztliches Aufklärungsgespräch stattgefunden hat. Diese Überzeugung gründet sich auf die Bekundungen des Zeugen Dr. xxx in Verbindung mit dem bei den Krankenakten befindlichen, von Dr. xxx, der Klägerin und ihrem Ehemann unterzeichneten Merkblatt sowie ? nicht zuletzt ? auf das eigene Vorbringen der Klägerin in der Klagschrift.

    Der Zeuge Dr. xxx hat bestätigt, dass er an dem der Operation vorangehenden Wochenende als Stationsarzt ein Aufklärungsgespräch mit der Klägerin geführt hat. Für die Richtigkeit dieser Aussage spricht nicht nur, dass das bei den Krankenakten befindliche Merkblatt zum Aufklärungsgespräch von dem Zeugen, der Klägerin und deren Ehemann am 11.11.1990 unterzeichnet worden ist, sondern auch der eigen ursprüngliche Vortrag der Klägerin auf Blatt 8 der Klagschrift, wo darauf abgehoben wurde, dass ?bei dem Gespräch am 11.11.1990? kein Dolmetscher zugezogen war und die Klägerin nicht verstehen konnte, ?was ihr in dem Gespräch am 11.11.1990 dargelegt wurde?. Das erst viel später, nach Vorliegen des für die Klägerin ungünstigen Sachverständigengutachtens erfolgte Vorbringen über das Fehlen jeglicher ärztlicher Aufklärung und die bloße Vorlage des Merkblattes durch den Zeugen Sxxx steht zu diesem Vortrag ? und zu den entsprechenden Angaben des Zeugen O xxx ? in einem Widerspruch, den die Klägerin nicht erklärt hat. Dieses Vorbringen ist auch deshalb nicht glaubwürdig.

    An einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung durch den Zeugen Kxxx müssen aber schon deshalb Zweifel bestehen, weil nicht feststeht, ob die Klägerin das, was ihr erklärt wurde, auch vollständig und richtig verstanden hat.

    Es mag zwar sein, dass die Deutschkenntnisse der Klägerin schon damals besser waren, als sie es jetzt darstellt. Sie mag in der Lage gewesen sein, bei ihrer Aufnahme die relativ einfachen Auskünfte zu geben, die bei der Annahme im Einlegeblatt zur Krankengeschichte wiedergegeben sind, und einfach gehaltene Gespräche mit ihrem Hausarzt geführt haben. Auch bei solchen Gesprächen waren aber, wie sich aus dem eigenen Vortrag der Beklagten ergibt, häufig Angehörige dabei, die gedolmetscht haben, und nach den Aussagen der Zeugen Sxxx und Kxxx kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Klägerin ohne die Hilfe eines Dolmetschers auch kompliziertere anatomische Begriffe und Zusammenhänge verstehen konnte. Nach den Angaben des zeugen Sxxx war die Klägerin seinerzeit der deutschen Sprache nicht mächtig; nur mit ihrem Ehemann konnte man sich unterhalten, wenn man es nicht zu kompliziert gemacht hat. Auch nach den Bekundungen des Zeugen Dr. Kxxx bestanden ?gewisse Sprachbarrieren?, die den Zeugen veranlasst haben, in einfachen Worten zu sprechen. Der Zeuge hatte zwar den Eindruck, dass ?der Inhalt des Aufklärungsbogens verstanden worden ist? (I 421 unten), und war sich sicher, dass die Klägerin verstanden hat, ?um was es geht? (I 243 oben). Letzteres bezog sich aber nicht auf die mit der Operation verbundenen Risiken, sondern nur auf Grund und Zweck des Eingriffs, nämlich darauf, ?dass sie (die Klägerin) Probleme beim Essen hatte und Zielsetzung der Operation war, diese Probleme zu beheben (I 423 oben)?. Die Aussage über das Verständnis des Aufklärungsbogens erfolgte im Zusammenhang mit der Erwähnung der besseren Deutschkenntnisse des Ehemannes, so dass zumindest nicht auszuschließen ist, dass der Zeuge seinen Eindruck (nur) aufgrund der Reaktionen des Ehemannes gewonnen hat. Adressat der Aufklärung ist aber grundsätzlich ? und musste auch hier sein ? der Patient selbst, und es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass etwa der Ehemann das Erklärte insoweit, als es die Verständnismöglichkeiten der Klägerin überstieg, in türkischer Sprache an diese weitergegeben hätte.

    Darüber hinaus ? und deshalb braucht der Frage, inwieweit die Klägerin damals schon die deutsche Sprache beherrschte, nicht weiter nachgegangen zu werden -, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Risikoaufklärung durch den Zeugen Dr. Kxxx an sich ausreichend war.

    Der Zeuge hat nach seinen Bekundungen ? wegen der Sprachsituation in einfachen Worten ? über die Art der Operation und deren Ziel aufgeklärt. Über Komplikationen der eingetretenen Art wurde nicht gesprochen; es wurde nur ?Allgemein darüber gesprochen, dass Komplikationen auftreten können?. Das einzige, was danach feststeht, ist, dass über das Risiko einer Durchtrennung des ductus choledochus und deren mögliche Folgen nicht gesprochen wurde. Im übrigen ist, nachdem auch der Aufklärungsbogen in der entsprechenden Rubrik keinerlei Vermerke enthält, der Inhalt des Gesprächs in Bezug auf Operationsrisiken völlig offen. Dafür, dass insoweit wesentlich mehr gesagt worden ist als eben allgemein, ?dass Komplikationen auftreten können?, besagt auch die bereits wiedergegebene Erklärung des Zeugen, er habe den Eindruck gehabt, dass der Inhalt des Aufklärungsbogens verstanden worden sei, nicht. Der Zeuge hat nicht erklärt, woraus ? aufgrund welcher Umstände ? dieser Eindruck entstanden ist. Der Aufklärungsbogen hat zwar, dafür sprechen die roten Einzeichnungen auf der Darstellung auf Blatt 2, bei dem Aufklärungsgespräch wahrscheinlich vorgelegen und der Zeuge hat, so seine Bekundung, ?in einfachen Worten alles erklärt?. Daran, dass er tatsächlich auch nur dasjenige mehr oder minder vollständig erklärt hat, was im Merkblatt stand, müssen aber Zweifel verbleiben, nachdem der Zeuge zu Anfang seiner Aussage eingeräumt hat, dass die Gespräche mit der Klägerin wegen der Sprachbarrieren ?vielleicht nicht von der üblichen Intensität? waren.

    Davon abgesehen könnte jedenfalls im vorliegenden Falle auch eine Aufklärung (nur) nach dem in Frage stehenden Merkblatt, mit dem Hinweis auf mögliche Verletzungen von nicht näher bezeichneten ?Organen, Nerven oder Blutgefäßen ..? nicht als ausreichend angesehen werden. Die versehentliche Durchtrennung des ductus choledochus bei der Magenresektion ist nach dem Sachverständigengutachten zwar eine seltene (Häufigkeit 0,2 bis 1,5 %), aber immer wieder auftretende und schwerwiegendste Komplikation, bei der die Sterblichkeit nach sofort erkannter und versorgter Verletzung 25 %, bei verspätetem Erkennen ? das häufig ist ? und zweiseitigen Eingriffen sogar bis zu 57 % beträgt. Bei der Klägerin bestand das Risiko einer solchen Komplikation ? schon nach den endoskopischen Voruntersuchungen zu erwarten ? wegen der durch das langjährige Ulcusleiden bedingten ausgeprägten narbigen Verwachsungen in besonderem Maße. Deshalb, vor allem aber wegen der sehr schwerwiegenden Folgen dieser Komplikation hätte trotz der normalerweise relativ geringen Schadenshäufigkeit im vorliegenden Fall auf die Möglichkeit einer solchen Komplikation hingewiesen werden müssen. Denn im Vordergrund der Risikoaufklärung stehen nicht in erster Linie Komplikations- und Schadenshäufigkeit; maßgeblich ist vielmehr die Schwere des Risikos für das Leben bzw. die weitere Lebensführung des Patienten im Verwirklichungsfall (vgl. Geiß, Arzthaftpflichtrecht, 2. Aufl., S. 186).

    Dass die Magenresektion hier zweifelsfrei indiziert war, ändert an dieser Beurteilung nichts. Auch die vitale oder absolute Indikation entbindet nicht schlechthin von den Aufklärungspflichten, sondern verringert nur den Genauigkeitsgrad und die Intensität der Aufklärung (Geis, a.a.O. S. 172). Hier hätte einer vollständigen Risikoaufklärung in dem angeführten Sinne nicht nur nichts entgegengestanden, sondern sie wäre als Hilfe zur eigenverantwortlichen Entscheidung der Klägerin, insbesondere auch über Zeitpunkt und Ort (Klinik) der Durchführung der Operation erforderlich gewesen.

    Dass der zweitbeklagte/Operateur selbst ein Aufklärungsgespräch mit der Klägerin geführt hätte, wie es nach der Aussage des Zeugen Dr. Kxxx, nach der vor großen Operationen jeder Operateur mit dem Patienten spricht, an sich zu erwarten gewesen wäre, behaupten die Beklagten nicht, jedenfalls nicht substantiiert. Der Erstbeklagte hat nach dem Vortrag der Beklagten die Klägerin lediglich am Samstag vor der Operation (10.11.1990) untersucht und mit ihr ?über die Operation gesprochen?; für eine Risikoaufklärung ergibt sich daraus nichts.

    Auch der Vortrag der Beklagten über die mit dem Hausarzt Dr. Bxxx und mit Dr. Mxxx geführten Gespräche ist zu allgemein gehalten, um davon auszugehen, dass die Klägerin schon durch diese Ärzte im erforderlichen Umfang über die Risiken des geplanten Eingriffs aufgeklärt worden war, so dass eine Aufklärung bzw. weitere Aufklärung durch Ärzte der Städtischen Kliniken Vxxx ? Sxxx nicht mehr erforderlich gewesen wäre. In welchem Umfang und in welcher Weise Dr. Bxxx der Klägerin den bevorstehenden Eingriff ?sachgerecht vermittelt? haben soll, ist nicht im einzelnen dargelegt.

    b) Das Fehlen bzw. der fehlende Nachweis ordnungsgemäßer Aufklärung hat zur Folge, dass die Zustimmung der Klägerin zur Operation nicht wirksam war und der Eingriff als rechtswidrige Körperverletzung zu werten ist. Diese Folge und dementsprechend die Haftung nach §§ 823 I, 847 I BGB wegen schuldhafter Verletzung der Aufklärungspflicht ergibt sich hier, obwohl der Beklagte lediglich als Operationsassistent eingeteilt war, für beide Beklagte gleichermaßen.

    Der Beklagte Ziff. 1 war im November 1990 Assistenzarzt im 6. Ausbildungsjahr (vgl. das Schreiben des Klinikums der Stadt Vxxx ? Sxxx vom 29.11.1991, I 173). Er hatte vor der Operation der Klägerin zwar schon bei Magenresektionen assistiert und eine größere Anzahl Magenoperationen selbständig durchgeführt (vgl. den Vortrag der Beklagten I 153), nicht aber, soweit ersichtlich, selbständig eine Magenresektion. Der Beklagte Ziff. 2 dagegen war schon seit 1980 Oberarzt und verfügte über außerordentlich große Erfahrung auf dem Gebiet der Bauchchirurgie. Bei dieser Konstellation liegt es auf der Hand, dass die Verantwortlichkeit für die Operation nicht nur den eigentlichen Operateur, sondern auch und in erster Linie den erfahreneren Oberarzt trifft, auch wenn dieser im Einzelfall nur als Assistent eingeteilt ist. Die übergeordnete, leitende Funktion des zweitbeklagten im Rahmen des Eingriffs wird auch aus der Art und Weise, wie dieser ablief, deutlich. Der Zweitbeklagte hat ausweislich der von beiden Beklagten gefertigten Operationsbericht die Operation zeitweilig übernommen und die Freipräparation des stenotischen Anfangssteils des duodenums im wesentlichen selbst durchgeführt, nachdem sich in diesem Bereich aufgrund der bestehenden ausgedehnten Vernarbungen die Präparation schwierig gestaltete.

    Die so mitbegründete Mitverantwortlichkeit des Zweitbeklagten bezog sich auf die Operation insgesamt, auch auf die Rechtmäßigkeit des Eingriffs und die damit zusammenhängende Frage einer ordnungsgemäßen Patientenaufklärung, zumal mit den im Verlauf der Operation aufgetretenen Schwierigkeiten aufgrund der endoskopischen Voruntersuchungen von vornherein gerechnet werden musste.

    c) Der Umstand, dass nach der in der Chirurgischen Klinik Vxxx ständig praktizierten Aufgabenverteilung die maßgebliche präoperative Aufklärung dem jeweiligen Stationsarzt übertragen ist, vermag die Beklagten hier nicht zu entlasten.

    Aufklärungspflichtig ist der Arzt, und zwar grundsätzlich jeder Arzt für diejenigen Eingriffe und Behandlungsmaßnahmen, die er selbst durchführt (Geiß, a.a.O., S. 215). Die Pflicht zur Selbstbestimmungsaufklärung kann aus Gründen der klinischen Operation zwar auch einem anderen Arzt obliegen, der dann aufgrund Garantenstellung aus der übernommenen Behandlungsaufgabe für Aufklärungsversäumnisse haftet (vgl. Laufs, Arztrecht, 5. Aufl., Rdnr. 216; BGH VersR 1981, 456,457; OLG Nürnberg, VersR 1992, 754/756). Der behandelnde Arzt, der nicht selbst aufklärt, hat aber die Information des Patienten durch einen Kollegen so zu organisieren, dass sie voll gewährleistet bleibt, oder er hat sich zu vergewissern, dass hinreichend aufgeklärt worden und weiterer Aufschluss nicht nötig ist. Eine Delegation wirkt nur befreiend, wenn klare, stichprobenweise kontrollierte Organisationsanweisungen bestehen und auch kein Anlass zu Zweifeln an der Qualifikation des bestellten Arztes auftrat (Laufs/Uhlenbruk, Handbuch des Arzthaftungsrechts, § 66, Rdnr. 2; Steffen; neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., S. 124) oder aber einer ordnungsgemäßen Aufklärung gerade im konkreten Fall.

    Qualifikation und Zuverlässigkeit des Stationsarztes Dr. Kxxx, der das Aufklärungsgespräch mit der Klägerin geführt hat, stehen zwar außer Streit; unstreitig ist auch, dass die von den Stationsärzten gegebene Aufklärung durch die Operateure stichprobenweise kontrolliert wurde, und dass es von daher allgemein keinen Anlass zu Beanstandungen bzw. Zweifeln gegeben hatte. Die Aussagen der Zeugen Dr. Kxxx und Sxxx zeigen jedoch, dass bei türkischen Patienten, die nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügten, eine ordnungsgemäße Aufklärung durch den Arzt tatsächlich nicht gewährleistet war. Nach den Bekundungen dieser Zeugen wird in der Chirurgischen Klinik Vxxx die Selbstbestimmungsaufklärung solcher Patienten nicht stets vollständig durch den Arzt unter Hinzuziehung eines Dolmetschers, sondern zum Teil auch durch den Pfleger Sxxx durchgeführt. Dieser führt, so der Zeuge Dr. Kxxx bei türkischen Patienten nach dem ärztlichen Aufklärungsgespräch ?durchaus noch Gespräche mit den Patienten?, worum die Ärzte ihn auch bitten. Nach den Angaben des Zeugen Sxxx geht diese ergänzende Aufklärung durch den Pfleger (allein) offensichtlich recht weit. Der Zeuge hat bekundet, dass er viele türkische Patienten aufklärt, wenn sie Sprachprobleme haben, und oft wegen der Sprache zur Aufklärung eingeschaltet bzw. gebeten werde, sich speziell um Patienten zu kümmern. Er hält sich zwar grundsätzlich mit Aufklärungen z.B. über Operationsrisiken zurück, wenn kein Arzt dabei ist; er erklärt aber ?normalerweise zumindest in groben Zügen den Aufklärungsbogen? sowie, ?was es bedeutet, wenn noch Nebenoperationen gemacht werden?.

    Dass bei einer derartigen Verfahrensweise, bei der der Arzt einen Teil des Aufklärungsgesprächs, d.h. eine erkanntermaßen notwendige weiter Aufklärung einem Pfleger allein überlässt, die Information des Patienten nicht voll gewährleistet ist, liegt auf der Hand. Die Beklagten behaupten nicht, dass ihnen diese Verfahrensweise nicht bekannt oder ohne Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sei. Sie behaupten auch nicht, dass sie sich im konkreten Fall vergewissert hätten, dass hinreichend aufgeklärt war. Hierzu hätte aber gerade im vorliegenden Fall nicht nur aufgrund der dargestellten allgemeinen Übung bei der Aufklärung türkischer Patienten Anlass bestanden, sondern überdies speziell auch aufgrund des Inhalts des von der Klägerin unterzeichneten Aufklärungsbogens (Einwilligungserklärung). Dort fehlen nämlich nicht nur handschriftliche Eintragungen in der Rubrik ?Vermerk des Arztes zum Aufklärungsgespräch?, wie sie üblicherweise angebracht werden, sondern es sind alle Fragen bei der Bitte um zusätzliche Aufklärung angekreuzt, nicht aber die Alternative dazu: ?Ich habe keine weiteren Fragen?.

    d) Gegenüber dem Einwand der Behandlungsseite, er hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Einwilligung gleichfalls erteilt, braucht der Patient nur dazulegen und plausibel zu machen, dass er bei zutreffender Aufklärung vor einem ernsthaften Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Davon ist immer dann auszugehen, wenn er einen Dachverhalt plausibel substantiiert, der einsichtig macht, dass ihn die vollständige und zutreffende Aufklärung über das Für und Wider des Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er aus seiner Sicht zum damaligen Zeitpunkt zustimmen solle oder nicht. Die Erklärungen, die die Klägerin persönlich in der Berufungsverhandlung gegeben hat, sind in diesem Sinne plausibel. Es ist in Anbetracht der Schwere und speziell bei der Klägerin Schwierigkeit des Eingriffs sowie der aufgezeigten Risiken durchaus einsichtig, dass die Klägerin sich bei vollständiger und richtiger Aufklärung jedenfalls ernsthaft vor die Frage gestellt gesehen hätte, ob sie die Operation zum damaligen Zeitpunkt in der Chirurgischen Klinik Vxxx hätte durchführen lassen, oder aber in einer anderen, größeren Klinik, etwa einer Universitätsklinik.

    3. Die ? gem. § 256 ZPO zulässige ? Feststellungsklage zu Ziff. 4 der Klaganträge ist demnach begründet. Ihr war unter Abänderung des angefochtenen Urteils insoweit stattzugeben.

    Im übrigen, bezüglich der Leistungsklage zu Ziff. 1 bis 3, ist der Rechtsstreit dem Grunde nach entscheidungsreif und ebenfalls begründet, nicht aber der Höhe nach, so dass Grundurteil nach § 304 ZPO ergehen konnte. Wegen des Betrages war die Sache gem. § 538 I Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen. Von der Zurückverweisung abzusehen und selbst zu entscheiden (§ 540 ZPO) hält der Senat nicht für sachdienlich, da es für die Entscheidung über die Höhe der Ansprüche noch weitgehend an Entscheidungsgrundlagen fehlt und eine umfangreiche Beweisaufnahme, auch durch Sachverständigengutachten, erforderlich sein wird.

    II. Die Kostenentscheidung, auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens, war dem Schlussurteil des Landgerichts im Betragsverfahren vorzubehalten.

    Eines Ausspruchs über die Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Nach § 546 I ZPO war aber die Beschwer festzusetzen.

    Der nachgereichte Schriftsatz der Beklagten vom 05.02.1996 gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

    RechtsgebieteArzthaftungsrecht, AufklärungspflichtVorschriften§ 823 BGB