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  • 17.09.2003 · IWW-Abrufnummer 032073

    Landgericht Karlsruhe: Urteil vom 28.03.2003 – 1 S 106/02

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Verkündet am 28.3.2003
    Geschäftsnummer: 1 S 106/02
    4 C 128/01 Amtsgericht Bruchsal

    Landgericht Karlsruhe
    1. Zivilkammer

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Rechtsstreit XXX

    wegen Forderung

    hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom

    19. Februar 2003 unter Mitwirkung von XXX

    für Recht erkannt:

    1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bruchsal vom
    23.04.2002 - 4 C 128/01 - abgeändert-.
    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 339,67 EUR (664,34 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit dem 09.08.2001 zu bezahlen.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ....... vom 28.02.2001 (AZ: 01-9023053-0-6) wird aufgehoben.

    2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

    3. Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz trägt die Beklagte 37% bis auf jene Kosten, die der Beklagten bis zum Zeitpunkt des Parteiwechsels entstanden sind und welche die ausgeschiedene Privatärztliche Verrechnungsstelle
    e.V. trägt, der Kläger 63%.
    Von den Kosten der Berufung trägt der Kläger 630/o, die Beklagte 37%.

    4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    G r ü n d e-

    Die - zulässige - Berufung ist teilweise begründet.

    1.
    Die Kammer nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen der angegriffenen Entscheidung, soweit nicht nachfolgend Änderungen oder Ergänzungen dargestellt sind. § 540 Abs. 1 ZPO).

    Die Kammer hat den Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens angehört. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2003 verwiesen.

    2.
    Das Amtsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte gemäß §§ 611, 612 BGB a. F. verpflichtet sei, dem Kläger das noch ausstehende Resthonorar für die im Rahmen der am 03.02.2000 durchgeführten Hüftgelenksoperation erbrachten Leistungen zu zahlen. Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die GOÄ-Nummern 2125 (Kopf-Halsresektion am Hüftgelenk), 2113 (Synovektomie in einem Hüftgelenk), 2405 (Entfernung eines Schleimbeutels), 2254 (Implantation von Knochen) und 2257 (Knochenaufmeißelung oder Nekrotomie an einem großen Röhrenknochen) selbständige Leistungen beträfen und damit neben der GOÄ-Nummer 2151 (endoprothetischer Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf (Alloarthroplastik))gesondert abrechenbar seien. Die GOÄ enthalte keine ausdrückliche Regelung, dass die streitigen Ziffern nicht gesondert neben der Ziffer 21 51 GOÄ abgerechnet werden könnten. Auch § 4 Abs. 2 a GOÄ schließe die gesonderte Abrechnung nicht aus. Rein faktisch sei es erforderlich, vor der Implantation einer Totalendoprothese eine Kopf- und Halsresektion am Hüftgelenk vorzunehmen. Der Sachverständige habe jedoch überzeugend ausgeführt, dass es möglich und üblich sei, eine Kopf-Halsresektion am Hüftgelenk vorzunehmen, ohne dass eine Alloarthroplastik zum Einsatz komme. Auch die Implantation von Knochen gemäß der GOÄ-Nummer 2254 stelle eine eigenständige Leistung im Rahmen des operativen Eingriffs dar. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt, dass die Unterfütterung des Knochens nicht zwangsläufig bei jeder Implantation einer Totalendoprothese durchzuführen sei. Die Unterfütterung des Knochens bzw. ein lokaler Knochenaufbau könne im Einzelfall erforderlich werden, wenn nur dadurch die Prothese fachgerecht angepasst und eingesetzt werden könne. Dabei komme es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles an, diese Leistung könne daher auch nicht in der GOÄ-Nummer 2151 enthalten sein. Gleiches gelte für die Entfernung des Schleimbeutels, die durch die GOÄ-Nummer 2405 erfasst werde. Nach Darstellung des Sachverständigen werde eine Resektion nicht routinemäßig oder zwangsläufig im Rahmen einer Totalendoprothese durchgeführt, sondern nur dann, wenn der Schleimbeutel Reizungen oder sonstige Auffälligkeiten aufweise, die eine Entfernung erforderlich machten. Auch die mit der GOÄ-Nummer 2113 erfasste Synovektomie sei keine Hilfs- oder Begleitleistung im Rahmen der Alloarthroplastik. Die Entfernung der Gelenkinnenhaut sei nur dann angebracht und medizinisch erforderlich, wenn eine entzündliche Vergrößerung vorliege. Dasselbe gelte für die Knochenaufmeißelung oder Nekrotomie, auch diese Leistung könne im Einzelfall aufgrund der lokalen Gegebenheiten erforderlich werden, gehöre jedoch nicht routinemäßig zu einer Totalendoprothesenimplantation.

    Die Kammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung.

    3.
    Auf das Berufungsvorbringen war eine teilweise Abänderung der angegriffenen Entscheidung geboten.

    Der Kläger kann von der Beklagten lediglich weitere 664,34 DM für die Entfernung des Schleimbeutels (Nummer 2405 GOÄ) und für die Synovektomie (Nummer 2113 GOÄ) verlangen. Die übrigen streitgegenständlichen Leistungen sind dagegen neben Nummer 2151 nicht getrennt abrechenbar, da sie gemäß § 4 Abs. 2 a GOÄ Bestandteil dieser Leistung sind.

    Nach § 4 Abs. 2a GOÄ, der das sogenannte Zielleistungsprinzip formuliert, kann für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. Nach den Allgemeinen Bestimmungen zum Abschnitt ?L. Chirurgie, Orthopädie? des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen sind zur Erbringung der in Abschnitt L aufgeführten typischen operativen Leistungen in der Regel mehrere operative Einzelschritte erforderlich. Sind diese Einzelschritte methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung, so können sie nicht gesondert berechnet werden.

    Entscheidend für den selbständigen Charakter einer Leistung ist, ob sie das Leistungsziel oder nur einen Teilschritt auf dem Weg zur Erreichung des Leistungsziels darstellt. Von der Zielleistung sind Vorbereitungs-, Hilfs- und Begleitleistungen zu unterscheiden, die keinen selbständigen Leistungscharakter haben und daher nicht gesondert neben der Gebühr für die Zielleistung abgerechnet werden können. Als gebührenrechtlich unselbständiger Bestandteil einer anderen Leistung ist eine Leistung grundsätzlich dann anzusehen, wenn ohne deren Leistungsinhalt die andere Leistung nach ihrem technischen Ablauf oder anderen für die Leistungserbringung bestimmenden Faktoren nicht erbracht werden kann ( Lang, Der GOÄ-Kommentar, 1996, § 4 Rn 33). Das Zielleistungsprinzip als Grundregel der GOÄ bedeutet, dass jede Leistung, die keinen selbständigen Charakter hat, weil sie nur erbracht wird, um eine Maßnahme, die das Leistungsziel darstellt, zu erbringen, ohne die Zielleistung also nicht erbracht worden wäre, nicht gesondert neben dieser Zielleistung berechnet werden kann (vgl. Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 2. Auflage 2000, Seite 30, 33).

    Nach Auffassung von Uleer/ Miebach (a. a. 0. Seite 33) kann es dabei keine Rolle spielen, ob es sich um einen standardmäßigen Teilschritt auf dem Weg zum Leistungsziel handelt, oder ob die Teilleistung fakultativ ist, d. h. nur in bestimmten (auch Ausnahme-) Fällen erbracht wird. Solchen Unterschieden werde nach der Systematik der GOÄ mit dem Steigerungsfaktor Rechnung getragen. Nach Auffassung der Beklagten sind demnach die streitigen Leistungen nicht getrennt abrechenbar. Der Auslegung von Uleer/Miebach steht jedoch der Wortlauf von § 4 Abs. 2 a GOÄ sowie der Allgemeinen Bestimmungen des Abschnittes L des Gebührenverzeichnisses gegenüber. Dort spricht die GOÄ nämlich gerade von "methodisch notwendigen" operativen Einzelschritten, gerade nicht von allen "medizinisch notwendigen" Schritten zur Herbeiführung des Operationserfolges. Der Begriff der methodisch notwendigen Einzelschritte ist enger. Zu den methodisch notwendigen operativen Einzelschritten gehören in jedem Fall die technisch und logisch zwingend vorausgehenden einzelnen Maßnahmen, wie beispielsweise der Schnitt zur Freilegung des Gelenks oder - bei einer Prothese - , die vorher erfolgende Entfernung des durch die Prothese zu ersetzenden Körperteiles. Dabei ist, weil die GOÄ mit ihren Formulierungen auf die Methode, nicht das medizinisch Notwendige abstellt, das Leistungsziel eng im gebührenrechtlichen Sinne zu betrachten. Das Leistungsziel heißt vorliegend "endoprothetischer Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf", nicht jedoch "Behandlung einer Coxarthrose" und häufig mit dieser auftretender Krankheitsbilder wie einer Entzündung der Synovia oder einer Schleimbeutelentzündung.

    Allerdings kann damit, dass die jeweiligen Maßnahmen auch einzeln und unabhängig voneinander durchgeführt und dann auch abgerechnet werden können, also potentiell nach dem Gebührenverzeichnis der GOÄ eigene Leistungsziele sein können, nicht grundsätzlich ihre gesonderte Abrechenbarkeit begründet werden. Vielmehr beschreibt § 4 Abs. 2a GOÄ i. V. mit den Allgemeinen Bestimmungen zu Absatz L - zugegeben auch unzulänglich - wann selbständige Einzelleistungen nicht getrennt abgerechnet werden dürfen, dann nämlich wenn sie als operative Einzelschritte erbracht werden.

    Durch das Abstellen auf die Methode gehören zu diesen operativen Einzelschritten nur die standardmäßigen, routinemäßigen Teilschritte, wobei festzuhalten ist, dass die Diagnose (beispielsweise Zertrümmerung des Hüftgelenks durch einen Unfall oder Coxarthrose) das Leistungsziel nicht bestimmt, denn sonst würde auf den statistisch zu bestimmenden Regelfall oder auf den typischen Fall (wohl der Patient mit Coxarthrose) abgestellt, dies ist dem Wortlaut der GOÄ jedoch gerade nicht zu entnehmen. Da die GOÄ darüber hinaus mit § 5 Abs. 2 GOÄ einen Steigerungsfaktor zur Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwands der einzelnen Leistung bereit hält, sind den methodisch notwendigen Schritten auch diejenigen zuzurechnen, die sich aufgrund anatomischer Besonderheiten zur Erreichung des eng auszulegenden Leistungszieles ergeben.

    Diese eng am Wortlaut orientierte Auslegung der GOÄ führt hinsichtlich der streitgegenständlichen Leistungsnummern zu folgendem Ergebnis:

    Die Kopf- Halsresektion am Hüftgelenk (Nr. 2125) kann neben dem endoprothetischen Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf (Nr. 2151) nicht getrennt abgerechnet werden, da sie wie der Schnitt durch Haut und Gewebe zur Freilegung des Gelenkes ein zwingend notwendiger Schritt vor der Implantation des Ersatzgelenkes ist. Etwas anderes kann auch nicht aus dem Verhältnis der Punktezahlen für beide Leistungen abgeleitet werden. Selbst wenn ein Missverhältnis der Gebührentatbestände für beide Leistungen bestehen sollte, zwingt dies nicht zu einer Auslegung der Gebührentatbestände gegen den Wortlaut und die klar erkennbare Intention des Zielleistungsprinzips. Auch die GOÄ ist wie andere Honorarordnungen auch auf eine Mischkalkulation ausgelegt, die lediglich hinsichtlich des Gesamtergebnisses - einer auskömmlichen Honorierung der ärztlichen Leistungen insgesamt, nicht hinsichtlich einzelner Teilschritte - einer dann durch Artikel 12 Abs. 1 GG gebotenen Korrektur zu unterziehen wäre. Wenn der Gesetzgeber eine grundsätzliche gebührenrechtliche Regelung trifft, kann deren Anwendung nicht entgegenstehen, dass sie im Einzelfall zu einer möglicherweise tatsächlich unangemessenen Honorierung einer einzelnen ärztlichen Leistung führt. Unbillige Ergebnisse im Einzelfall heben geltendes Recht nicht auf und können auch nicht als Beleg dafür dienen, dass eine Regelung nicht ihrem Wortlaut gemäß verstanden werden kann (vgl. Uleer/Miebach/Patt a. a. O., Seite 35 m. w. N.). Dagegen können die GOÄ-Nummern 2405 (Entfernung eines Schleimbeutels) und 2113 (Synovektomie in einem Hüftgelenk) neben der Totalendoprothese getrennt abgerechnet werden. Zuzugeben ist der Beklagten, dass die Entfernung beider entzündeter Gewebe- und Körperteile für eine lege artis durchgeführte Operation erforderlich ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Sachverständigengutachten des Sachverständigen. Diese Argumentation verkennt jedoch die gebührenrechtliche Sicht auf das Leistungsziel, das, wie bereits ausgeführt, nicht die Behandlung der gesamten Erkrankung im Hüftgelenk, sondern lediglich die Alloarthroplastik im Hüftgelenk ist. Für den standardisierten und routinemäßigen Weg hin zur Einsetzung einer Hüftgelenksprothese sind diese beiden Einzelleistungen nicht geboten und auch nicht erforderlich, sodass es sich im Hinblick auf das von der GOÄ geforderte Abstellen auf die Methode nicht um unselbständige Bestandteile dieser Zielleistung handelt.

    Die Implantation von Knochen gemäß Nr. 2254 GOÄ sowie die Knochenaufmeißelung oder Nekrotomie gemäß Nr. 2257 GOÄ betreffen nach den Ausführungen des Sachverständigen Leistungen, die keineswegs immer und zwangsläufig bei der Implantation eines Kunstgelenkes vorgenommen werden müssen. Andererseits waren beide Maßnahmen erforderlich, um den sicheren Sitz und festen Halt der Prothese zu gewährleisten. Diese Notwendigkeit rückt diese beiden Leistungen so sehr in die Nähe der für die Implantation der Prothese zwingend notwendigen Vorschritte, das auch sie den methodisch notwendigen operativen Einzelschritten zugeordnet werden müssen. Da es sich - vom Sachverständigen plastisch aufgezeigt - im Vergleich zu den notwendigen Maßnahmen bei einem jungen Menschen um häufig auftretende zusätzliche Schwierigkeiten bei der Operation älterer Erkrankter handelt, ist diesen erhöhten Schwierigkeiten durch eine Erhöhung des Steigerungsfaktors Rechnung zu tragen. Nachdem hier die Abrechnung jedoch bereits nach dem 3,5fachen Ersatz erfolgte, konnte eine weitere Erhöhung nach § 5 Abs. 2 GOÄ nicht erfolgen.

    Unter Berücksichtigung des Abschlages für Gebühren bei stationärer Behandlung gemäß § 6a GOÄ waren dem Kläger daher lediglich die Gebühren für die Synovektomie und die Entfernung des Schleimbeutels zuzusprechen.

    3.
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

    4.
    Es lagen keine Gründe vor, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

    RechtsgebietLiquidationsrecht für ChefärzteVorschriften§ 4 Abs. 2a GOÄ (Zielleistungsprinzip)