Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Führungskultur

    „Das Chefarztmodell, rund um die Uhr in der Klinik zu sein, ist nicht mehr zeitgemäß!“

    | „Teamarzt statt Chefarzt“ nannte sich ein Ärzteforum beim Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit in Berlin. Dort stellten Prof. Dr. Mandy Mangler, seit 2016 Chefärztin am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin-Schöneberg, und PD Dr. Malgorzata Lanowska, seit 2018 Chefärztin der Klinik für Gynäkologie am Vivantes Klinikum am Urban in Kreuzberg, ihre Teamarbeit vor. Denn am Vivantes Klinikum Neukölln bilden beide Chefärztinnen eine Doppelspitze (vgl. auch das Interview im CB 02/2019, Seite 14 ). Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) fragte sie nach Ergebnissen und Herausforderungen. |

     

    Redaktion: Jede von Ihnen ist Chefärztin an einer Klinik, an einer dritten Klinik bilden Sie eine Doppelspitze. Wie kam es dazu?

     

    Dr. Lanowska: Es passte für uns sehr gut ins Konzept, alle drei gynäkologischen Vivantes-Kliniken im Südwesten Berlins als gemeinsame Struktur zu etablieren. Da wir beide uns schon sehr lange kennen, bot es sich an, die dritte Klinik gemeinsam zu leiten.

     

    Prof. Dr. Mangler: Auf die Ausschreibung der Chefarztposition bewarben wir uns mit einem 40-seitigen Konzept. Darin schilderten wir unsere Vision für eine Gynäkologie aus der weiblichen Perspektive ‒ eine Gynäkologie von Frauen für Frauen. Dieses Konzept leuchtete jedem ein.

     

    Redaktion: Greift die bisherige Gynäkologie denn die Bedürfnisse von Frauen nicht ausreichend auf?

     

    Prof. Dr. Mangler: Sie ist männlich dominiert. Als ich Chefärztin wurde, arbeiteten in meiner Abteilung sechs Oberärzte und eine Oberärztin. Ich habe niemanden entlassen, aber durch Veränderungen ist das Verhältnis heute genau umgekehrt. Wir möchten, dass neben uns Frauen wachsen, die unsere Philosophie weitertragen.

     

    Redaktion: Wo gibt es Stolpersteine für eine Doppelspitze?

     

    Dr. Lanowska: Zwei Personen müssen sich eng absprechen. Andererseits ist der Input aus zwei Perspektiven sinnvoll. Manche Dinge müssen wir gar nicht ausdiskutieren, weil wir in die gleiche Richtung denken. Schon bevor wir die Chefarztposition in Neukölln gemeinsam hatten, haben wir morgens auf dem Weg zur Arbeit miteinander telefoniert. Das tun wir bis heute.

     

    Prof. Dr. Mangler: Wenn wir etwas ganz ähnlich sehen, unterschreibe ich für uns beide. Gestern musste ich die Teams daran erinnern, ihre Pausen einzuhalten. Dazu habe ich eine frische SOP aufgesetzt, sie im Namen von uns beiden unterschrieben und versandt ohne Rückfrage, denn es war klar, dass die Notwendigkeit dafür besteht.

     

    Redaktion: Wie tragen Sie die Teamarzt-Idee in Ihre Kliniken?

     

    Prof. Dr. Mangler: Schon automatisch bewerben sich nur Wenige, die konservativ über Gynäkologie denken. Manche übernehmen wir sehr gut qualifiziert und sie freuen sich, dass sie bei uns einen Zugang zur Frauenheilkunde finden, der ihren Vorstellungen entspricht. Innerhalb unserer Abteilungen und Standorte entwickeln wir Oberärztinnen, aber auch Assistenzärztinnen weiter.

     

    Dr. Lanowska: Wir legen viel Wert auf ein starkes Team, in dem Vereinbarkeit gelebt werden kann. Auch für uns und unsere Familien.

     

    Redaktion: Das Kollegialsystem statt einer einzigen Chefarzt-Person wird immer wieder ausprobiert, setzt sich aber nicht richtig durch. Warum nicht?

     

    Dr. Lanowska: Es braucht Zeit, die Konstellation muss stimmen. Doppelspitzen sollten nicht künstlich zusammengesetzt werden, sondern sich als Team bewerben. Wir haben in unserem Konzern bereits gute Beispiele, z. B. im Brustzentrum. In der Urologie gibt es ein gemischtes Team.

     

    Prof. Dr. Mangler: Manche Krankenhausmanager sehen die Vorteile des Konzeptes nicht. Als Chefärztinnen von zwei verschiedenen Kliniken würden wir miteinander konkurrieren. Stattdessen nutzen wir unsere Stärken im gleichen Markt und schaffen Synergien. Unsere Vorgänger waren hingegen Alleinentscheider und sehr hierarchisch. Mein Vorgänger wollte die Digitalisierung nicht. Er entschied, dass es in seiner Abteilung nur zwei Computer gibt, einen auf der Station und einen im Sekretariat. Wenn mehrere Personen entscheiden, regulieren sich derartige Auswüchse. Frau Lanowska würde mir das nicht durchgehen lassen.

     

    Redaktion: Wie wirkt sich der Teamgedanke auf das Pflegepersonal aus?

     

    Dr. Lanowska: Er wird sehr gut angenommen. Wir haben das Gefühl, dass die Stationsleitung und ihre Vertretung als Team ebenfalls sehr gut funktionieren. Die Pflege und wir leben die gleiche Kultur, das schätzen wir sehr.

     

    Redaktion: Wie sehen Sie die Zukunft des Modells „Teamarzt statt Chefarzt“?

     

    Dr. Lanowska: Der Markt wird uns in Zukunft dazu zwingen, andere Führungsmodelle zu implementieren. Viele junge Menschen haben keine Lust mehr auf Führung, wie sie 1980 gelebt wurde. Das Chefarztmodell, rund um die Uhr in der Klinik zu sein und ein Faxgerät mit in den Urlaub zu nehmen, ist nicht mehr zeitgemäß. Das sollten Kliniken, die offene Positionen ausschreiben, berücksichtigen.

     

    Prof. Dr. Mangler: Wenn geeignete Bewerbende für Chefärztinpositionen fehlen, muss das Krankenhausmanagement sich mit zeitgemäßen Konzepten auseinandersetzen. Wer Frauen keine attraktiven Angebote macht, bekommt auch keine Frauen.

     

    Frau Prof. Mangler, Frau Dr. Lanowska, vielen Dank für das Gespräch!

    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 14 | ID 49683815