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  • · Fachbeitrag · Chefarztvergütung

    Zielvereinbarungen für Chefärzte gefährdendie medizinische Unabhängigkeit!

    von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | In einem Interview mit dem „Chefärzte Brief“ bewertet Dr. Axel Paeger, Vorstandsvorsitzender der Klinikkette Ameos, die Privatliquidation durch Chefärzte als „ethisch falsch und ökonomisch unsinnig“ (CB 01/2013, Seiten 13-15) und wirbt für Zielvereinbarungen. Die Bundesregierung hat auf die Diskussion um Chefärzte-Boni inzwischen reagiert und Vorschläge vorgelegt, mit denen die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen gesichert werden soll. Die neue Regelung wird in diesem Beitrag erörtert - zunächst wird jedoch die Ansicht Dr. Paegers vom Verfasser hinterfragt. |

    Privatliquidation versus Zielvereinbarung

    Zutreffend geht Dr. Paeger davon aus, dass es seit jeher variable Gehaltsbestandteile für Chefärzte gegeben hat. Klassischerweise handelt es sich hierbei um das Liquidationsrecht für stationäre Wahlleistungen sowie um Einkünfte aus einer „Privatambulanz“ als genehmigter Nebentätigkeit. Die Privatliquidation ist langjährig erprobt und hat sich als markttaugliches Instrument erwiesen. Offen bleibt, was hieran unethisch sein soll?

     

    Forderungen in Zielvereinbarungen wachsen stetig

    Die Beteiligung des Chefarztes an dem Erfolg des „Wirtschaftsbetriebs“ Krankenhaus, den Dr. Paeger stattdessen befürwortet, wirft jedoch nachhaltige Fragen auf. Rechtlich liegen zumeist Zielvereinbarungen oder -vorgaben zugrunde, die bei Erreichen bestimmter Ziele (Dr. Paeger: „finanzielle als auch qualitative Ziele“, „gewisse Leistungsmengen“) ausgekehrt werden. Die Ziele werden in der Regel für ein Jahr fixiert. Es ist nun einem „Wirtschaftsbetrieb“ immanent, dass die Ziele stetig höher gesteckt werden.

     

    Privatliquidation wird einmalig vereinbart

    Dies ist der zentrale Unterschied beider Modelle: Während die Privatliquidation mit bestimmten Konditionen, die fortan nur einvernehmlich angepasst werden können, einmalig vereinbart wird, wachsen die Ansprüche in Zielvereinbarungen auf Druck der Kliniken jährlich - die Mentalität „Höher, schneller, weiter!“ ist im Gesundheitswesen jedoch fehl am Platz. Dies gilt besonders dann, wenn sich die Ziele an den Vorschlägen der DKG orientieren und auf „Leistungen nach Art und Menge“ oder gar die „Inanspruchnahme nichtärztlicher Wahlleistungen“ - typischerweise Einbettzimmer - abstellen.

     

    Der Autor sieht darin - und nicht im vertraglich fixierten Privatliquidationsrecht - einen Wertungswiderspruch zum ärztlichen Berufsethos, wie er beispielhaft in den Berufsordnungen der Landesärztekammern niedergelegt ist.

    Nicht das vertragliche Recht zur Privatliquidation ist also unethisch, sondern die jährlich wachsenden Forderungen aus Zielvereinbarungen und -vorgaben. Die Äußerungen von Klinikketten-Chef Dr. Paeger werden möglicherweise verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass bei einem Wegfall des Privatliquidationsrechts für Chefärzte nur noch ein Marktteilnehmer verbleibt, der (vermeintlich) privatärztliche Leistungen abrechnen darf: der „Wirtschaftsbetrieb“ Krankenhaus. Offen bleibt bei Dr. Paeger, warum die Ausübung der Privatliquidation durch Krankenhäuser plötzlich ethisch sein soll.

    Regierung sieht Gefährdung ärztlicher Unabhängigkeit

    Auch die Bundesregierung hat die Risiken von Zielvereinbarungen in Chefarztverträgen erkannt und die eingangs benannten Anträge vorgelegt, die mit den Änderungen zum Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz beschlossen werden sollen (BT-Ds. 17/11267, Abruf-Nr. 130286). Ziel ist es, negative Auswirkungen von Zielvereinbarungen zu verhindern, damit Entscheidungen etwa im Hinblick auf OPs allein aus medizinischer Sicht getroffen werden.

     

    Antragskern ist die Einführung eines neuen § 136a SGB V, mit dem die DKG verpflichtet werden soll, im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer (BÄK) Empfehlungen zu Zielvereinbarungen abzugeben, bei denen sich finanzielle Anreize auf einzelne Leistungen beziehen. Hierfür wurde die Frist vom 31. Juli auf den 30. April 2013 verkürzt. Zur Begründung weist die Regierung darauf hin, dass die dienstvertraglichen Regelungen mit Chefärzten wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Versorgung haben. Zielvereinbarungen, die sich auf Art und Menge einzelner Leistungen beziehen, könnten die Unabhängigkeit der medizinischen Entscheidung über diese Leistung gefährden.

     

    Die BÄK soll im Rahmen der Verhandlungen mit der DKG nach den Vorstellungen der Regierung dafür Sorge tragen, speziell auf die Einhaltung ethischer und berufsrechtlicher Anforderungen zu achten. Das geforderte Einvernehmen zwischen BÄK und DKG bezieht sich dabei ausdrücklich nur auf Empfehlungen zu leistungsbezogenen Zielvereinbarungen. Regelungen zu sonstigen Zielvereinbarungen mit finanziellen Anreizen, etwa für die Etablierung eines „Zentrums“, sind fakultativ möglich.

     

    Zur Sicherung der Umsetzung und Transparenz sollen die Krankenhäuser im Qualitätsbericht zwingend erklären, ob sie bei Chefarztverträgen den Empfehlungen der DKG und BÄK zu leistungsbezogenen Zielvereinbarungen folgen. Liegen die Empfehlungen bis zum 30. April 2013 nicht vor oder erklärt ein Haus, sich nicht daran zu halten, muss es weitergehend angeben, für welche Leistungen solche Zielvereinbarungen getroffen wurden. Dadurch soll es Dritten - vor allem Patienten - ermöglicht werden, ihre anstehende (Therapie-)Entscheidung in Kenntnis etwaiger Zielvereinbarungen zu treffen. Faktisch wird mit den neuen Regeln der Druck auf die Kliniken erhöht, von derartigen Zielvereinbarungen Abstand zu nehmen.

     

    FAZIT | Nicht das vertragliche Recht des Chefarztes zur Privatliquidation, sondern die jährlich wachsenden Forderungen aus Zielvereinbarungen und -vorgaben stehen im Widerspruch zum ärztlichen Berufsethos. Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Antrag der Regierung zu begrüßen.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 1 | ID 37703550