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  • · Fachbeitrag · AbrechnungsManagement

    Vorsicht, Abrechnungsfalle! Wenn der Chefarzt für mehrere Krankenhäuser zuständig ist ...

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de 

    | Steigende Kosten - sinkende oder gleichbleibende Erlöse: Vor diesem Hintergrund suchen Krankenhäuser stetig nach Einsparmöglichkeiten. Inzwischen werden immer mehr Chefärzte von Klinikverbünden gebeten, an mehreren Standorten die Chefarztfunktion wahrzunehmen. Dagegen ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Schwierig wird allerdings die Abrechnung von wahlärztlichen Leistungen, bei denen der Chefarzt zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet ist. |

    Das Problem der persönlichen Leistungserbringung

    Problematisch wird, wenn sich der Chefarzt nicht ohne weiteres vertreten lassen kann - etwa bei Wahlleistungspatienten, bei denen er im Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet ist, wenn er die Leistungen selbst abrechnet (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 20. Dezember 2007, Az. III ZR 144/07, Abruf-Nr. 073966).

     

    Der Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen wird je nach ärztlicher Fachrichtung unterschiedlich definiert:

     

    • Bei allen operativen Fächern oder Fächern mit Interventionen (etwa Herzkatheter und Endoskopie) gehört hierzu der operative Eingriff.
    • Im Bereich der Anästhesie umfasst er die Aufklärung, die Voruntersuchung sowie die Ein- und Ausleitung der Narkose.
    • In allen konservativen Fächern ist der Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen schwer zu bestimmen. Die aktuelle Rechtsprechung (siehe zum Beispiel das Urteil des Oberlandesgericht Oldenburg, Az. 5 U 183/11, Abruf-Nr. 120197, Beitrag in CB 08/2012, Seite 10) dehnt den Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen immer weiter aus.

     

    Voraussetzungen der persönlichen Leistungserbringung

    Persönliche Leistungserbringung heißt: Der Chefarzt erbringt die Leistungen entweder selbst oder sie werden unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht. Leitet der Chefarzt mehrere Bereiche in unterschiedlichen Häusern, kann er also nicht überall selbst anwesend sein - daher kann er die ärztlichen Wahlleistungen auch nicht immer selbst erbringen.

     

    Voraussetzungen einer Leistungserbringung unter Aufsicht

    Eine Leistungserbringung unter Aufsicht nach fachlicher Weisung setzt voraus, dass der Chefarzt den Patienten gesehen hat und über seinen aktuellen Gesundheitszustand informiert ist. Die Beaufsichtigung erfordert eine gewisse räumliche Nähe zum Patienten. Sie besteht aber dann nicht, wenn der Chefarzt gerade in dem jeweils anderen Haus tätig ist.

     

    Umfang wahlärztlicher Leistungen wird reduziert

    Bei realistischer Betrachtungsweise kann der Klinikträger vom Chefarzt somit nicht erwarten, dass er nach Übernahme von Fachbereichen in mehreren Kliniken in gleichem Umfang wie bisher wahlärztliche Leistungen erbringt und abrechnet. Chefärzte, an die eine solche Erwartung von ihrer Klinikleitung herangetragen wird, sollten sich darauf nicht einlassen.

     

    Wenn Sie dieser Erwartung nachgeben und wahlärztliche Leistungen abrechnen, obwohl keine persönliche Leistungserbringung vorliegt, drohen die folgenden, zum Teil gravierenden Konsequenzen:

     

    • Der Chefarzt muss mit zivilrechtlichen Rückforderungsansprüchen der Privatpatienten oder ihrer Kostenträger rechnen, die - aus abgetretenem Recht - auf Rückzahlung klagen können.

     

    • Mit Urteil vom 17. April 2013 hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die fristlose Kündigung eines Chefarztes durch einen Krankenhausträger bestätigt - dem Chefarzt wurde vorgeworfen, bei der Abrechnung wahlärztlicher Leistungen gegen den Grundsatz persönlicher Leistungserbringung verstoßen zu haben (Az. 2 Sa 179/12, Abruf-Nr. 131737).

     

    • Der Chefarzt läuft Gefahr, dass gegen ihn wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug ermittelt wird. Er kann sich nicht damit verteidigen, dass die Patienten eine medizinisch notwendige Behandlung bekommen haben und ihnen geholfen wurde. Entscheidend ist allein, dass gegen Abrechnungsbestimmungen verstoßen wurde (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012, n
Az. 1 StR 45/11, Abruf-Nr. 120897).

    Welche Lösungen gibt es?

    Chefärzte, die in unterschiedlichen Kliniken die Chefarztfunktion wahrnehmen, sollten darauf drängen, dass der Träger weiteren Ärzten das Liquidationsrecht oder eine Beteiligungsvergütung einräumt, damit diese bei Abwesenheit des Chefarztes Leistungen erbringen und abrechnen können.

     

    Doch Vorsicht: Wahlärztliche Leistungen müssen andere Leistungen sein als die allgemeinen Krankenhausleistungen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz)! Der Patient zahlt einen Extra-Obulus hinzu für die Behandlung durch besonders qualifizierte Ärzte, deren persönliche Dienste er sich sichern möchte (so der BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007, III ZR 144/07, Abruf-Nr. 073966). Somit kommen hier - für eine rechtssichere Lösung - nur Fachärzte infrage, die eine besondere Qualifikation aufweisen. Diese muss es rechtfertigen, dem Facharzt für einen bestimmten Bereich das Liquidationsrecht oder eine Beteiligungsvergütung bei wahlärztlichen Leistungen einzuräumen und sie insoweit als Leitende Ärzte neben den Chefarzt zu stellen.

     

    Unabhängig davon kann über Vertreterregelungen nachgedacht werden, bei denen das Liquidationsrecht beim Chefarzt verbleibt, dieser sich aber in dem Krankenhaus, in dem er nicht anwesend ist, bei der Erbringung wahlärztlicher Leistungen in größerem Umfang vertreten lässt.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 1 | ID 40162130