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  • 08.12.2010 | Strafrecht

    Sterbehilfe: Behandlungsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig

    von Rechtsanwalt Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann und Kollegen, Hannover, www.spkt.de

    In einem richtungsweisenden Urteil vom 25. Juni 2010 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die juristischen Grenzen der Sterbehilfe verrückt (Az: 2 StR 454/09, Abruf-Nr. 102593). Auch wenn hierzu noch etliche Fragen ungeklärt sind, hat der BGH insbesondere in Hinblick auf die Abgrenzung von aktiver und passiver Sterbehilfe für mehr Rechtsklarheit gesorgt.  

    Der Fall

    In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um ein Strafverfahren gegen einen Medizinrechtsanwalt. Dieser vertrat die beiden Kinder einer Patientin, die nach einer Hirnblutung seit fünf Jahren im Wachkoma lag und über einen Schlauch und eine Magensonde künstlich ernährt wurde. Nachweislich hatte die Patientin gegenüber ihrer Tochter in bewusstseinsklarem Zustand vor der Hirnblutung den Wunsch geäußert, dass im Falle ihrer anhaltenden Bewusstlosigkeit keine lebensverlängernden Maßnahmen in Form von künstlicher Ernährung und Beatmung vorgenommen werden sollten. Obwohl sich die Kinder mithilfe des angeklagten Medizinrechtsanwalts jahrelang für einen Behandlungsabbruch einsetzten, lehnte das Pflegeheim dies vehement ab.  

     

    Auf Rat des Anwalts durchtrennte letztlich die Tochter den Versorgungsschlauch ihrer Mutter. Nachdem das Pflegepersonal dies nach einigen Minuten entdeckt hatte, wurde die Patientin auf Anordnung eines Staatsanwalts gegen den Willen ihrer Kinder in ein Krankenhaus gebracht und eine neue PEG-Sonde gelegt. Die Patientin verstarb zwei Wochen später eines natürlichen Todes aufgrund ihrer Erkrankungen. Die Vorinstanz des Landgerichts Fulda hatte den Medizinrechtsanwalt wegen versuchten Totschlags zu einer Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Dieser legte hiergegen Revision ein.  

    Die BGH-Entscheidung

    Im Ergebnis wurde er vom BGH freigesprochen. In den Leitsätzen des Urteils führt der BGH aus, dass ein Behandlungsabbruch gerechtfertigt ist, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Behandlungsabbruch durch Unterlassen weiterer Behandlungsmaßnahmen oder durch aktives Tun - das heißt Unterbrechung von Behandlungsmaßnahmen - erfolgt. Gleichwohl hebt der BGH hervor, dass gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen, keinesfalls gerechtfertigt sind - auch nicht bei Einwilligung des Patienten.  

    Rechtlicher Hintergrund

    Juristisch lässt sich eine Grobeinteilung in die Kategorien der direkten und indirekten aktiven Sterbehilfe auf der einen Seite und der passiven Sterbehilfe auf der anderen Seite vornehmen.