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  • 01.09.2003 | Recht

    Patientenverfügungen: Zehn Antworten auf die wichtigsten Fragen der Chefärzte

    von Rechtsanwalt Alexander Denzer, Kanzlei Klostermann/Dr. Schmidt/Monstadt/
    Dr. Eisbrecher, Bochum

    Immer häufiger sehen sich Chefärzte in ihrer Arbeit bei der Behandlung von schwerkranken Patienten mit so genannten "Patientenverfügungen" konfrontiert, in denen Anordnungen über die Durchführung bzw. Unterlassung bestimmter medizinischer Maßnahmen getroffen sind. Daher greifen wir dieses Thema auf und geben Antworten auf die zehn wichtigsten Fragen, die Chefärzten gestellt werden.

    Ein Fall aus der Praxis

    Ein 72-jähriger Patient erleidet infolge eines Myocardinfarktes einen hypoxischen Gehirnschaden im Sinne eines apallischen Syndroms. Seither wird er über eine PEG-Sonde ernährt; eine Kontaktaufnahme ist nicht möglich. Der Sohn des Patienten, der vormundschaftsgerichtlich zum Betreuer unter anderem für den Aufgabenkreis "Sorge über die Gesundheit des Betroffenen, ... Vertretung gegenüber ... Einrichtungen (zum Beispiel Heimen)..." bestellt wurde, verlangt, die künstliche Ernährung seines Vaters einzustellen, da eine Besserung seines Zustandes nicht zu erwarten sei. Die Ehefrau und die Tochter des Patienten unterstützen die Forderung. Der Sohn als gerichtlich bestellter Betreuer des Vaters verweist auf eine maschinenschriftliche, von seinem Vater vor etwa zwei Jahren handschriftlich unterzeichnete Verfügung, in der es unter anderem heißt:

    " Für den Fall, dass ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich: Im Fall meiner irreversiblen Bewusstlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit, wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, will ich: keine Intensivbehandlung, Einstellung der Ernährung, ..."

    Bei dem hier geschilderten Fall handelt es sich nicht um eine fiktive Situation, sondern um einen realen Sachverhalt, der Gegenstand eines in Fachkreisen wie auch in der breiten Öffentlichkeit viel beachteten Beschlusses des Bundesgerichtshofs (BGH) in Zivilsachen vom 17. März 2003 war (Az: XII ZB 2/03 - Abruf-Nr.  031815). Vor Gericht ist dieser Fall deshalb gelangt, da der zum Betreuer bestellte Sohn des Patienten - offensichtlich um in dieser Frage von Leben und Tod juristisch "auf der sicheren Seite" zu sein - das Vormundschaftsgericht angerufen hatte. Sein Ziel war es, eine gerichtliche Genehmigung seiner auf die schriftliche Verfügung des Vaters gestützten Entscheidung zum Abbruch der lebenserhaltenden Maßnahmen zu erlangen.

    Nachdem sowohl das Amts- und das Landgericht Lübeck als auch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Antrag des Sohnes mit dem Argument abgelehnt hatten, dass eine gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung derartiger Fragen nach geltendem Recht nicht gegeben sei, musste der BGH als höchste Instanz in Zivilsachen eine verbindliche Antwort zu den sich daraus ergebenden Fragen geben.

    Die wesentlichen Fragen, die sich insbesondere für die juristisch letztverantwortlichen Chefärzte stellen, werden nachfolgend unter Berücksichtigung des aktuellen BGH-Beschlusses beantwortet, ohne dass ein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden soll.

    1. Was ist eine Patientenverfügung?