Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.04.2007 | Berufsrecht

    Die Schweigepflicht gegenüber Verwandten des Patienten in der Notfallambulanz

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, Hannover

    Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Ein Patient wird nach einem Verkehrsunfall mit schweren Verletzungen in die Notfallambulanz des nächstgelegenen Krankenhauses eingeliefert. Der Patient ist nicht ansprechbar. Nach einigen Stunden meldet sich die Ehefrau des Patienten, verlangt den diensthabenden Arzt zu sprechen und bittet um Auskunft, ob ihr Ehemann in das Krankenhaus eingeliefert worden ist.  

     

    Ein Fall aus der Praxis. Und dennoch gibt es immer wieder Zweifelsfragen dazu, welche Auskünfte von der ärztlichen Schweigepflicht erfasst werden. Nach ständiger Rechtsprechung trifft den Arzt auch im Verhältnis zu den Familienangehörigen seines Patienten die Geheimhaltungspflicht. Nur in Ausnahmefällen und bei Vorliegen besonderer Rechtfertigungsgründe darf der Arzt die Verschwiegenheit dem Ehegatten seines Patienten gegenüber oder – beispielsweise bei älteren Patienten – gegenüber den Kindern lockern. Ein Bruch der Schweigepflicht ist auch möglich, wenn dies im vermuteten Einverständnis des Patienten geschieht. Dabei muss sich der Arzt allerdings zuvor davon überzeugt haben, dass der Patient vor diesen Angehörigen insoweit keine Geheimnisse haben will.  

    Wann kann von der Schweigepflicht abgewichen werden?

    Die Offenbarungspflicht wird in der Rechtsprechung nur in sehr engen Grenzen und meist in Fällen offenkundiger Gefährdung Dritter bejaht.  

     

    So hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main einen besonders heiklen Fall der ärztlichen Schweigepflicht zu verhandeln. Eine HIV-infizierte Frau verklagte den behandelnden Arzt ihres verstorbenen Lebensgefährten auf Zahlung von Schmerzensgeld. Der Arzt hatte sie nicht darüber informiert, dass ihr Partner HIV-infiziert war (Az: 8 U 67/99 – Abruf-Nr. 071171). Das OLG stellt fest, dass die Schweigepflicht entfällt, sobald Menschenleben akut gefährdet sind. Der Patient wollte ausdrücklich, dass seine Infektion geheimgehalten wird. Dennoch war der Arzt nach Ansicht der Richter verpflichtet, die Lebensgefährtin über die Infektion aufzuklären.