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  • · Fachbeitrag · Sanierungsrecht

    Die Verkürzung der Restschuldbefreiung -Eine sinnvolle Neuregelung?

    von RA Prof. Dr. Römermann und RA Tim Günther, Hamburg/Hannover

    | Am 18.7.13 wurde das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (BGBl I 13, Teil I Nr. 38) verkündet. Nach dem ESUG (dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.11) folgte nun als zweite Stufe der umfassenden Reform des deutschen Insolvenzrechts das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte. Während das ESUG im Wesentlichen am 01.03.12 in Kraft trat (hierzu: Römermann NJW 2012, 645 ff.), soll die zweite Stufe am 1.7.14 in Kraft treten. |

    1. Verkürzung der Restschuldbefreiung

    Die Diskussionen über die Reform des Insolvenzrechts und damit auch die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens ist damit - vorerst - abgeschlossen. Diese Diskussion ist so alt wie die Restschuldbefreiung selbst. Waren es ursprünglich sieben Jahre, später auf sechs verkürzt, so erschien dies - je nach politischem Blickwinkel - manchem viel zu kurz, da es den Schuldnern zu einfach gemacht werde, manchem unzumutbar lang (hierzu: Römermann GWR 2012, 56, 57).

     

    Vor dem Hintergrund, dass die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens seit dessen Einführung im Jahre 1999 umstritten und - isoliert betrachtet - im europäischen Vergleich verhältnismäßig lang ist, sieht das Gesetz nunmehr die Möglichkeit vor, Restschuldbefreiungsverfahren vorzeitig bereits nach drei oder fünf Jahren zu beenden, wenn die betroffenen Schuldner innerhalb der genannten Zeiträume eine Mindestbefriedigungsquote erfüllen oder zumindest die Kosten des Verfahrens tragen. Damit sollen auch bislang im Restschuldbefreiungsverfahren fehlende Anreize für Schuldner geschaffen werden, sich in besonderem Maße um eine Befriedigung der bestehenden Forderungen zu bemühen (BT-Drs. 17/11268 sowie Beschlussempfehlung BT-Drs. 17/13535).

    2. Kern des Gesetzes

    Kern des neuen Gesetzes ist demnach der § 300 InsO n.F.: Hiernach entscheidet das Insolvenzgericht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners durch Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn die Abtretungsfrist ohne vorzeitige Beendigung verstrichen ist. Eine vorzeitige Restschuldbefreiung ist demnach nunmehr auch im Verbraucherinsolvenzverfahren möglich, wenn gar keine Forderungen angemeldet werden oder sämtliche Gläubiger in Höhe ihrer nicht erlassenen Forderungen befriedigt sind und wenn die Masseverbindlichkeit, namentlich die Verfahrenskosten, berichtigt werden (Ehlers DStR 2013, 1338, 1339).

     

    Für natürliche Personen folgt daher aus § 300 Abs. 1 InsO n.F. eine Verkürzung des Restschuldbefreiungszeitraums von sechs Jahre für den Fall, dass der Schuldner bestimmte Bedingungen erfüllt:

     

    • 1. Kommt der Schuldner selbst für die Kosten des Verfahrens auf, kann er auf fünf Jahre verkürzen.
    •  
    • 2. Gleicht er zusätzlich zu den Verfahrenskosten (mindestens) 35 % seiner Schulden aus, so kann die RSB bereits nach drei Jahren erfolgen.

    3. Quote von 35 %

    Die Quote von 35 % kam wie folgt zustande: Ursprünglich waren „nur“ 25 % vorgesehen (Römermann GWR 2012, 56, 57). Im Rahmen der Diskussion der Fachöffentlichkeit über den Gesetzentwurf der Bundesregierung und in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde insbesondere von den Interessenvertretern des deutschen Mittelstandes und der Kreditwirtschaft die Befürchtung geäußert, eine Verkürzung der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens um die Hälfte gegenüber einer Mindestbefriedigungsquote, die nur eine Schuldentilgung von 25 % vorschreibe, schmälere erheblich die Eigentumsrechte der Gläubiger, die mit 75 % ihrer Forderungen leer ausgingen. Daher soll eine Abkürzung der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO n.F. um die Hälfte nur dann eintreten, wenn eine hinreichende Befriedigung der Gläubiger gesichert ist. Vor diesem Hintergrund wurde die Mindestbefriedigungsquote auf 35 % angehoben (BT-Drs. 17/13535 S. 28).

     

    Zugleich wird das Restschuldbefreiungsverfahren umgestaltet. Hierdurch werden Schwachstellen im geltenden Recht behoben und der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens Rechnung getragen. Insbesondere werden verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der Gläubigerrechte vorgeschlagen (BT-Drs. 17/11268).

    4. Nachweis der Mittel

    Nach § 300 Abs. 2 InsO n.F. ist in den Fällen von Abs. 1 S. 2 Nr. 2 der Antrag nur zulässig, wenn Angaben gemacht werden über die Herkunft der Mittel, die an den Treuhänder geflossen sind und die über die Beträge hinausgehen, die von der Abtretungserklärung erfasst sind.

     

    Dieser Herkunftsnachweis für Mittel, die über das abgetretene Einkommen hinaus aufgebracht werden, soll der Gefahr entgegenwirken, dass der Schuldner eine „geplante“ Insolvenz verfolgt und die Quote aus Vermögen aufbringt, das während des Insolvenzverfahrens verheimlicht oder das vor der Insolvenz auf Dritte übertragen wurde. Während des Insolvenzverfahrens ist es die Aufgabe des Insolvenzverwalters, die Herkunft von Mitteln zu erfragen, die zur Insolvenzmasse gelangen, soweit die Herkunft unklar ist. Leistet der Schuldner in der Wohlverhaltensphase Zahlungen, um die Quote für eine vorzeitige Restschuldbefreiung zu erreichen, ist zu hinterfragen, woher diese Mittel stammen (BT-Drs. 17/13535 S. 28).

    Zudem versagt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1, des § 296 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen. Insgesamt werden damit auch die Gläubigerrechte weiter gestärkt. Mehrere Maßnahmen sollen zudem die Bedingungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung verschärfen.

    5. Geltendmachung von Versagungsgründen

    Insbesondere sollen Schlupflöcher des gegenwärtigen Systems für unredliche Schuldner geschlossen werden. So können Gläubiger derzeit Versagungsgründe nur im Schlusstermin geltend machen; künftig geht dies jederzeit schriftlich und sogar noch nach dem Schlusstermin, wenn der Gläubiger binnen sechs Monaten ab Kenntnis die nachträglich bekannt gewordenen Gründe anführt (§ 297a InsO n.F.).

    6. Ergänzung der Versagungs- und Widerrufsgründe

    Auch die Versagungsgründe werden ergänzt: Straftaten nach den §§ 283 ff. StGB (u.a. Bankrott) sind dann ebenso relevant wie sonstige, bei denen der Straftatbestand dem Schutz des Eigentums oder des Vermögens zu dienen bestimmt ist, bspw. Betrug (§ 263 StGB) oder Untreue (§ 266 StGB). Die rechtskräftige Verurteilung muss in den letzten fünf Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder danach erfolgt sein und eine Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten nach sich gezogen haben (§ 297 Abs. 1 InsO n.F.).

     

    Auch eine bereits erteilte Restschuldbefreiung kann zukünftig leichter widerrufen werden (§ 303 Abs. 1 InsO n.F.). Neue Widerrufsgründe sind:

     

    • Nachträgliches Bekanntwerden einer vorsätzlichen Verletzung der Obliegenheiten,

     

    • Verurteilung nach Erteilung der Restschuldbefreiung wegen vor der Restschuldbefreiung begangener Straftaten,

     

    • das nachträgliche Bekanntwerden einer Verurteilung, wenn die Straftat innerhalb der letzten fünf Jahre begangen wurde und

     

    • die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach Erteilung der Restschuldbefreiung, aber während des laufenden Insolvenzverfahrens.

    7. Reduzierter Anwendungsbereich der Restschuldbefreiung

    Die Anwendung der Restschuldbefreiung wird reduziert. Bisher sind nur Deliktforderungen hiervon ausgenommen. Zukünftig werden es auch pflichtwidrig versäumte Unterhaltszahlungen sein. Eine gewisse Stärkung ungesicherter Gläubiger liegt in der ersatzlosen Streichung von § 114 Abs. 1 InsO (Lohnabtretungsprivileg). Die Vorausabtretung von Lohn bleibt derzeit noch während der ersten zwei Jahre des Verfahrens wirksam. Die Transparenz wird durch eine Ergänzung des Schuldnerverzeichnisses um die Erteilung der Restschuldbefreiung, deren Versagung und Widerruf erhöht (Römermann GWR 2012, 56 ff.).

     

    FAZIT |  

    Das Gesetz könnte vor allem eine erhebliche Kostenentlastung für die Länder bedeuten:

     

    • Häufig werden Schuldner aufgrund der neu geschaffenen Anreize für die Verfahrenskosten selbst aufkommen,
    • Verfahrenserleichterungen (bspw. Schriftlichkeit des Verfahrens) werden die Belastung reduzieren,
    • die Übertragung auf Rechtspfleger verringert die Personalkosten.

     

    Die Änderungen sind grundsätzlich zu begrüßen. In vielen Bereichen vollzieht das Gesetz im Grunde nur das nach, was sich auf Grundlage der Insolvenzordnung seit 1999 „eingebürgert“ hatte, bspw. die Schriftlichkeit des Verfahrens oder die Entbehrlichkeit eines gerichtlichen Einigungsversuchs. Politisch umstritten wird daher allenfalls die Halbierung der Wohlverhaltensperiode sein, wobei angesichts der dafür erforderlichen „Gegenleistung“ eine insgesamt ausgewogene Gestaltung versucht wurde. Pragmatisch gesehen: Motive dafür, ihr vorhandenes Vermögen zu verstecken, hatten die Schuldner schon immer; jetzt geben sie jedenfalls einen Teil davon wieder für die Gläubiger aus (hierzu näher: Römermann GWR 2012, 56 ff.).

     

     

    Zu den Autoren | Rechtsanwälte Prof. Dr. Volker Römermann und Tim Günther, Römermann Rechtsanwälte Aktiengesellschaft (www.roemermann.com)

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 123 | ID 42671161

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