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  • 01.05.2006 | Schuldrechtsreform / Autokauf

    Verjährung von Sachmängelansprüchen beim Autokauf

    von VRiOLG Dr. Christoph Eggert, Düsseldorf

    In der neuesten Rechtsprechung zum Autokauf häufen sich Entscheidungen zu Verjährungsfragen. Schwerpunktmäßig geht es um die Sachmängelhaftung. Die nachfolgenden Checklisten geben einen Überblick über die wichtigsten Änderungen durch die Schuldrechtsreform und informieren über den aktuellen Stand der Rechtsprechung.  

     

    Checkliste I „Grundlagenwissen in zehn Punkten“
    1. Grundsatz: Für die Sachmängelansprüche von Neu- und Gebrauchtwagenkäufern gilt nicht mehr die Sechsmonatsfrist des § 477 BGB a.F., sondern eine zweijährige Verjährung, beginnend mit der Ablieferung des Autos (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB).

     

    2. Geltung: Die Neuregelung greift für alle Kaufverträge ein, die nach dem 31.12.01, also nach In-Kraft-Treten der Schuldrechtsreform, abgeschlossen worden sind.

     

    3. Übergangsregelung: Für Gewährleistungsansprüche aus Kaufverträgen vor dem 1.1.02 gilt weiterhin die kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB a.F. auch dann, wenn die Ansprüche erst nach dem 1.1.02 entstanden sind, vgl. BGH NJW 06, 44 (Kauf: 9/01, Lieferung: 5/02). Die Dreißigjahresfrist bei arglistiger Täuschung (§ 477 BGB a.F.) wird ersetzt durch die Dreijahresfrist nach § 438 Abs. 3 BGB. Diese läuft ab dem 1.1.02, sofern der Käufer vor diesem Stichtag Kenntnis von der Täuschung erlangt hat (Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB). Bei Kenntnis/grob fahrlässiger Unkenntnis nach dem 1.1.02 beginnt die Frist mit dem Ende des jeweiligen Jahres (§ 199 BGB), so OLG Braunschweig ZGS 06, 79. Beispiel: Kauf 11/01, Aufdeckung der Täuschung 10/04, Beginn der Dreijahresfrist: 31.12.04, 24 Uhr, und nicht 1.1.02.

     

    4. Sonderregelung für Rücktritt und Minderung: Anders als die Mängelansprüche nach § 437 Nr. 1 und Nr. 3 BGB sind Rücktritt und Minderung (§ 437 Nr. 2 BGB) jetzt – unverjährbare – Gestaltungsrechte. Deshalb hat der Gesetzgeber die Frist zur Ausübung dieser Rechte an die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs gekoppelt, d.h. Rücktritt und Minderung sind unwirksam, wenn der Anspruch auf Nacherfüllung verjährt ist und der Verkäufer sich hierauf beruft (§ 438 Abs. 4, 5i.V.m. § 218 BGB). Wenn der Nacherfüllungsanspruch aus Rechtsgründen entfällt, ein beim Gebrauchtwagenkauf häufiger Fall (Stichwort: unbehebbarer Mangel), kommt es auf den hypothetischen Nacherfüllungsanspruch an (§ 218 Abs. 1 S. 2 BGB).

     

    5. Ansprüche aus Rücktritt und Minderung: Nach wirksamer Rücktritts- bzw. Minderungserklärung entsteht ein neues Schuldverhältnis. Ob die daraus resultierenden Ansprüche – unabhängig von der Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs – der Regelverjährung oder der kaufrechtlichen Sonderverjährung unterliegen, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Das OLG Koblenz hat die Regelverjährung angenommen, aber die Revision zugelassen (Urt. v. 9.2.06, 5 U 1452/05, Abruf-Nr. 061054 = ZGS 06, 117; ebenso Reinking, ZGS 02, 140; Palandt/Heinrichs, 65. Aufl., § 218 Rn. 7; a.A. Mansel/Stürner, AnwK-AT, § 218 Rn. 16 m.w.N.). Beispiel: Übergabe 3.5.04; Rücktritt wirksam erklärt am 2.5.06; Koblenzer Lösung: Beginn der Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises: 31.12.06, 24 Uhr; Verjährungsende: 31.12.09. Lösung nach der Gegenmeinung: Rücktritt wirksam, aber mangels hemmender oder „unterbrechender“ Maßnahmen in unverjährter Zeit Eintritt der Gesamtverjährung am 3.5.06.

     

    6. Vertragliche Fristverkürzung: Zu unterscheiden ist zwischen Verbrauchsgüterkaufverträgen und sonstigen Kaufverträgen, ferner zwischen individualvertraglicher und formularmäßiger Vereinbarung. Beim Verbrauchsgüterkauf eines Neufahrzeugs ist jegliche Verkürzung der gesetzlichen Zweijahresfrist (auch individualvertraglich) im Voraus unzulässig (§ 475 Abs. 2 BGB). Ausgenommen sind Schadensersatzansprüche (§ 475 Abs. 3 BGB). Bei gebrauchten Kfz ist eine Verkürzung bis auf ein Jahr erlaubt (§ 475 Abs. 2 BGB). Außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs sind für den Verkauf von Neufahrzeugen die Regelung für neu hergestellte Sachen (§ 309 Nr. 8b ff. BGB) und die Einschränkungen nach §§ 309 Nr. 7aund b, 307 BGB zu beachten. Letztere kommen auch bei „b2b-Geschäften“ über Gebrauchtfahrzeuge zum Zuge. Klar ist: Auf eine an sich wirksame Verjährungserleichterung kann sich der Verkäufer nicht berufen, wenn er den Käufer arglistig getäuscht oder ihm eine unzutreffende Beschaffenheitsgarantie gegeben hat (§ 444 BGB).

     

    7. Dreijährige Verjährung: Mängelansprüche des arglistig getäuschten Käufers verjähren in drei Jahren (§ 438 Abs. 3 S. 1 BGB). Fristbeginn: nicht die Ablieferung, sondern Kenntnis/grob fahrlässige Unkenntnis von der Täuschung (mit Ultimoregel). Der Regelverjährung unterliegt außerdem der deliktische Anspruch des Käufers bei einem sog. Weiterfressermangel823 Abs. 1 BGB). Nach der Devise „jede Schlechtleistung ist eine verzögerte Gutleistung“ kann die Regelverjährung auch für Verzugsschäden (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) aktiviert werden, desgleichen mit der Begründung, die Nacherfüllung sei verweigert oder verzögert worden (str.).

     

    8. Hemmung: Solange Verhandlungen über den Sachmängelanspruch bzw. den Mangel als solchen schweben, ist die Verjährung gehemmt (§ 203 S. 1 BGB). Näheres dazu in Checkliste II, 4. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach Ende der Hemmung ein, sog. Ablaufhemmung203 S. 2 BGB). Gehemmt wird die Verjährung ferner durch die in § 204 BGB aufgezählten Rechtsverfolgungsakte, u.a. Klage und selbstständiges Beweisverfahren.

     

    9. Neubeginn (früher „Unterbrechung“): Die Verjährung beginnt erneut u.a. dann, wenn der Verkäufer den Sachmängelanspruch anerkennt212 Abs. 1 BGB). Näheres dazu in Checkliste II, 5.

     

    10. Mängeleinrede: Trotz Unwirksamkeit des Rücktritts bzw. der Minderung nach § 218 Abs. 1 BGB (oben 4.) kann der Käufer die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts oder der Minderung hierzu berechtigt sein würde. Im Gegensatz zu § 478 BGB a.F. ist eine Mängelanzeige vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht erforderlich.
     

    Checkliste II „Spezialfragen und Sonderfälle“
    1. Mangelfolgeschäden und Verjährung: Nach dem Wortlaut des § 438 BGB gilt die neue Zweijahresfrist für den Ersatz aller Schäden auf Grund Lieferung einer mangelhaften Sache, damit auch für sog. Mangelfolgeschäden (= Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB). Ob die kürzere kaufrechtliche Verjährung (so die h.M.) oder die Regelverjährung maßgeblich ist, hat die Rechtsprechung noch nicht entschieden. Tipp für den Käuferanwalt: Um in den Genuss der längeren Regelverjährung zu kommen, zusätzlich zur Schlechtlieferung die Verletzung einer leistungsbegleitenden Schutzpflicht geltend machen (z.B. Verstoß gegen eine Informations- oder Untersuchungspflicht). Konkurrierende Deliktsansprüche verjähren jedenfalls nach den §§ 195, 199 BGB.

     

    2. Sachmängelansprüche und Ansprüche aus Garantien: Zusätzlich oder an Stelle der Sachmängelgewährleistung gegebene Garantien begründen eigene Ansprüche (§ 443 BGB). Sie sind grundsätzlich unabhängig von den gesetzlichen Sachmängelrechten. Aktuell zum Trennungsprinzip OLG Düsseldorf 8.3.06, I-1 U 218/05, Abruf-Nr. 061055 (Neuwagen-Anschlussgarantie von BMW). Garantiefrist und Verjährung ergeben sich typischerweise aus den Garantiebedingungen. Ohne vertragliche Verjährungsregelung greift für den (selbstständigen) Garantieanspruch die Dreijahresfrist nach §§ 195, 199 BGB mit Ultimoklausel ein. Bei einer unselbstständigen (Haltbarkeits-)Garantie von mehr als zwei Jahren beginnt die kaufrechtliche Verjährung nicht mit der Ablieferung, sondern mit der Entdeckung des Mangels (neurechtlich noch nicht entschieden).

     

    3. Verkürzung der Verjährung beim Verbrauchsgüterkaufvertrag über ein Gebrauchtfahrzeug: Von der in § 475 Abs. 2 BGB eingeräumten Option hat der Kfz-Handel flächendeckend in seinen AGB Gebrauch gemacht. Dabei stellen sich mehrere Fragen:

     

    • Begriff „gebrauchte Sache“: Kurzzulassungen („Tageszulassungen“) sind keine gebrauchten Fahrzeuge, so lange sie im öffentlichen Verkehr nicht benutzt worden sind (s. auch BGH NJW 05, 1422). Ein Vorführwagen ist „gebraucht“.

     

    • Reichweite der Verkürzung: „Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ...“, heißt es im Abschn. VI, Nr. 1 der verbandsempfohlenen AGB. Wörtlich genommen, werden die Gestaltungsrechte Rücktritt und Minderung von dieser Klausel nicht erfasst, eher schon die Folgeansprüche. Nach der Rechtsprechung ist es so: Die Gestaltungsrechte Rücktritt und Minderung werden wie Ansprüche behandelt, d.h. für den „Basisanspruch“ auf Nacherfüllung (§ 218 BGB) ist die Einjahresfrist maßgebend. Von der Kürzung unberührt sind dagegen die Ansprüche aus wirksam erklärtem Rücktritt bzw. Minderung (so OLG Koblenz 9.2.06, 5 U 1452/05, Abruf-Nr. 061054, ZGS 06, 117, nrkr.). Für diese Ansprüche, z.B. den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, soll es bei der (vollen) Regelverjährung bleiben (s.o. 5.). Von der Kürzung auf ein Jahr erfasst sei dagegen der Anspruch des Käufers auf Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten, vom OLG Koblenz (a.a.O.) als Verzugsschaden eingestuft (was fragwürdig ist und, falls man dem OLG folgt, zur ungekürzten Regelverjährung führen müsste).

     

    • Inhaltskontrolle: Grenzen der Verjährungsregeln, die sich aus den AGB-Vorschriften der §§ 305 ff. BGB ergeben, bleiben unberührt. Da jede Verkürzung der Verjährungsfrist zugleich eine Haftungsbeschränkung darstellt, ist § 309 Nr. 7aund b BGB anwendbar. Die dort geregelten Fälle – Körperverletzung und Schäden bei grober Fahrlässigkeit – sind in den meisten „Einjahresklauseln“ nicht angesprochen. Ein Thema sind sie i.d.R. erst im Folgeabschnitt („Haftung“). Ob das zur Rettung der Klausel genügt, ist zweifelhaft. Das OLG Koblenz (a.a.O.) hat keine Wirksamkeitsbedenken. Dagegen hat das OLG Hamm (VA 05, 168, Abruf-Nr. 052636 = DAR 06, 25) mit dem Fehlen der Einschränkungen i.S.d. § 309 Nr. 7aund b BGB in einer „normalen“ Freizeichnungsklausel (für ein privates Direktgeschäft) deren Totalunwirksamkeit begründet. Tipp für den Käuferanwalt: Mit OLG Hamm VA 05, 168, Abruf-Nr. 052636 = DAR 06, 25 die „Einjahresklausel“ bekämpfen.

     

    • Neutralisierung nach § 444 BGB: Eine an sich wirksame Verkürzung der Verjährungsfrist hilft dem Verkäufer nichts, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Sacheigenschaft vorgetäuscht hat. Gleiches gilt im Fall einer unrichtigen Beschaffenheitsgarantie. Da bei Verkäuferarglist ohnehin die (käufergünstigere) Regelverjährung zum Tragen kommt (§ 438 Abs. 3 BGB), bleibt zur Rückgewinnung der Zweijahresfrist praktisch nur der Fall der Beschaffenheitsgarantie (= Zusicherung nach altem Recht), s. dazu VA 06, 24.

     

    4. Hemmung der Verjährung durch Nacherfüllungsmaßnahmen: Mängelbeseitigungsarbeiten oder -versuche führen zumindest zur Hemmung der Verjährung (§ 203 BGB), eventuell sogar zum Neubeginn (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB), s.u. 5. Der Begriff „schwebende Verhandlungen“ (§ 203 BGB) ist weit auszulegen (OLG Düsseldorf ZGS 04, 118). Eine bloße Mängelanzeige ohne jegliche Verkäuferresonanz genügt indes nicht (OLG Düsseldorf a.a.O.). Anerkannte Hemmungssachverhalte: Prüfung des gerügten Mangels; Versuch der Beseitigung (beim Neuwagenkauf auch durch autorisierten Dritthändler); Verweisung des Käufers an eine (andere) Werkstatt (OLG Koblenz ZGS 06, 117); Verhandlung über Ersatzlieferung. Im Fall einer kaufbegleitenden Garantie ist es Sache des Verkäufers, die „Verhandlungen“ ausschließlich und unmissverständlich auf die Garantiefrage zu fixieren, will er die Hemmung der Verjährung der parallelen Sachmängelrechte verhindern.

     

    5. Neubeginn der Verjährung durch Nacherfüllungsmaßnahmen: Nur ausnahmsweise haben Mängelbeseitigungsarbeiten zur Folge, dass die Verjährung neu beginnt (sonstiges Anerkenntnis i.S.d. § 212 BGB). Voraussetzung ist, dass der Verkäufer aus der Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, kraft der Sachmängelhaftung (nicht etwa aus paralleler Garantie) zur Mängelbeseitigung verpflichtet zu sein (BGH NJW 06, 47). Erheblich sind hierbei vor allem der Umfang, die Dauer und die Kosten der Arbeiten (BGH a.a.O.; Ball, NZV 04, 226). Sofern eine Nachbesserung zum Neubeginn der Verjährung führt (Darlegungs- und Beweislast beim Käufer), gilt dies nur für den gerügten und „bearbeiteten“ Mangel, nicht für später angezeigte Mängel. Anders als eine Nachbesserung hat eine Ersatzlieferung dagegen regelmäßig, keineswegs automatisch (keine „Ablieferung II“), den Neubeginn der Verjährung zur Folge (BGH a.a.O.). Wird ein Ersatzfahrzeug nur aus Kulanz („ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht“) geliefert, kann statt eines Neubeginns nur eine Hemmung anzunehmen sein (s. aber Ball, NZV 04, 226; auch Auktor/Mönch, NJW 05, 1686). Beim Einbau eines neuen Ersatzteils beginnt für dieses keine eigenständige Verjährung (so auch die AGB).

     

    6. Reichweite von Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn: Nach § 477 Abs. 3 BGB a.F. hat die Hemmung/Unterbrechung der Verjährung eines der drei Gewährleistungsansprüche in gleicher Weise auf die Verjährung der beiden anderen eingewirkt. Jetzt ist§ 213 BGB einschlägig.

     

    Fallbeispiel: In der Annahme, eine vorgeschaltete Nacherfüllung sei entbehrlich, erklärt der Käufer den Rücktritt. Nach mehrjährigem Prozess wird die Rückzahlungsklage mit der Begründung abgewiesen, der Rücktritt sei mangels notwendiger Fristsetzung zur Nacherfüllung unwirksam. Jetzt verlangt der Käufer Nacherfüllung und fordert nach Weigerung des Verkäufers Schadensersatz. Der Verjährunsgseinrede setzt er die §§ 204, 213 BGB entgegen. Zu Unrecht. Die Hemmungswirkung nach § 204 Nr. 1 BGB erfasst grundsätzlich nur den eingeklagten Anspruch, hier den Anspruch aus § 346 Abs. 1 BGB nach (voreiligem) Rücktritt. Zweifelhaft ist schon das Merkmal „aus demselben Grund“ i.S.d. § 213 BGB. Jedenfalls stand der im zweiten Anlauf geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht von vornherein wahlweise neben oder an Stelle des eingeklagten Anspruchs.
     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2006 | Seite 80 | ID 90865