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  • · Fachbeitrag · Minderung

    Verweigert der Mieter die Mängelbeseitigung, darf er nicht mehr mindern

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1. Verhindert der Mieter - etwa indem er Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig nicht duldet oder ihre Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht - unberechtigt die Mangelbeseitigung durch den Vermieter, folgt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, dass er sich ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die Minderung berufen kann, ab dem die Mangelbeseitigung ohne sein verhinderndes Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre und der Vermieter wieder die ungeminderte Miete hätte verlangen dürfen.
    • 2. Bei der infolge einer Erhaltungsmaßnahme erlittenen Umsatzeinbuße handelt es sich nicht um eine Aufwendung i.S. von § 555a Abs. 3 BGB.
    • 3. Der Vermieter haftet für Schäden des Mieters aufgrund einer Erhaltungsmaßnahme (hier: Umsatzausfall) nicht allein deshalb, weil er die Maßnahme veranlasst hat.
     

    Sachverhalt

    An dem gewerblichen Mietobjekt traten Mängel auf, derentwegen die beklagten Mieter die Miete minderten. Sie verweigerten dem Vermieter, die Mängel zu beseitigen. Sie wollten das Mietobjekt für die Sanierungsmaßnahmen nur zur Verfügung stellen, wenn vorab die für eine sechswöchige Schließung des Restaurants zu erwartenden Umsatzausfälle geprüft und finanziert seien. Die Mieter kürzten die Miete ab 3/13 jeweils um 40 Prozent. Die Klägerin kündigte am 4.7.13 fristlos wegen Zahlungsverzugs.

    Entscheidungsgründe

    Die Räumungsklage hat in den Instanzen Erfolg. Der BGH verweist den Rechtsstreit an das OLG zurück, um die notwendigen Feststellungen zum Zahlungsverzug nachzuholen.

     

    Treuwidrige Verhinderung der Mängelbeseitigung (Leitsatz 1)

    Aus dem Verbot des venire contra factum proprium wird abgeleitet, dass das Minderungsrecht aus § 536 Abs. 1 BGB entfällt und der Mieter wieder die ungeminderte Miete entrichten muss, wenn er die Mängelbeseitigung durch den Vermieter unberechtigt verhindert. Eine treuwidrige Verhinderung der Mängelbeseitigung durch den Mieter ist aus Sicht des BGH etwa anzunehmen,

    • wenn er entgegen seiner aus § 555a Abs. 1 BGB folgenden Pflicht, Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung (Erhaltungsmaßnahmen) zu dulden, Einwirkungen auf die Mietsache nicht zulässt
    • oder ihre Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht.

     

    Wichtig | Der Vermieter ist darlegungs- und beweisbelastet für den Einwand, der Mieter habe es treuwidrig verhindert, dass die Mängel beseitigt werden. Das entspricht den allgemeinen Grundsätzen zur Verteilung der Beweislast bei der Anwendung des § 242 BGB (jurisPK-BGB/Pfeiffer, § 242 Rn. 117).

     

    Der BGH urteilt dogmatisch zutreffend, dass das Recht zur Mietminderung nicht zeitgleich in dem Moment wegfällt, in dem der Mieter treuwidrig die Mangelbeseitigung verhindert. Grund: Wird § 242 BGB angewandt, kann dies nur dazu führen, dass sich der Mieter ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die Minderung berufen kann, ab dem die Mängelbeseitigung ohne sein verhinderndes Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre. Erst dann hätte der Vermieter wieder die ungeminderte Miete verlangen dürfen. Das heißt: Solange die Arbeiten bei normalem Verlauf angedauert hätten, schuldet auch der treuwidrig handelnde Mieter nur eine geminderte Miete. Das muss beachtet werden, wenn der kündigungsrelevante Mietrückstands i.S. des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB berechnet wird.

     

    Umsatzausfall ist kein Aufwendungsersatz (Leitsatz 2)

    Nach § 555a Abs. 3 BGB muss der Vermieter Aufwendungen des Mieters ersetzen, die dieser infolge einer Erhaltungsmaßnahme hat. Hierauf hatten sich die Gaststättenmieter berufen und von der Vermieterin verlangt, vorab anzuerkennen, ihren Umsatzausfall zu erstatten. Zu Unrecht, wie der BGH feststellt. Grund: Die infolge einer Erhaltungsmaßnahme erlittene Umsatzeinbuße ist keine Aufwendung i.S. von § 555a Abs. 3 BGB (Nachweise Urteil Rn. 24). Unter dem gesetzlich nicht definierten Begriff „Aufwendung“ wird nach allgemeiner Meinung nur die freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten für die Interessen eines anderen verstanden. Das impliziert, dass die Aufwendung auf einer Leistung beruht. Daran fehlt es bei einer Umsatzeinbuße.

     

    Der BGH entnimmt der amtlichen Begründung und der Gesetzeshistorie, dass der Gesetzgeber von diesem allgemeinen Verständnis des Aufwendungsbegriffs nicht abweichen wollte. Er wollte nicht einen auf einer Leistung beruhenden Vermögensschaden in die Aufwendungsersatzpflicht des Vermieters nach § 555a Abs. 3 BGB einbeziehen.

     

    Veranlasserhaftung nach § 536a Abs. 1 Alt. 2 BGB (Leitsatz 3)

    Der BGH verneint erstmals die umstrittene Frage, ob der Vermieter allein deshalb, weil er sie veranlasst hat, für Schäden infolge der Erhaltungsmaßnahme einstehen muss. Grund: Der Vermieter handelt nur, um seine Pflicht zu erfüllen, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Hiermit korrespondiert die Pflicht des Mieters, diese Erhaltungsmaßnahme dulden (§ 555a Abs. 1 BGB). Das heißt: Er haftet nicht, wenn ihn - wie hier - weder am Entstehen oder Umfang des Mietmangels noch am konkreten Schadenseintritt beim Mieter ein zurechenbares Verschulden trifft.

     

    Zwar kann die Erfüllung der Erhaltungspflicht dazu führen, dass der Mieter vorübergehend gehindert ist, die Mietsache zu nutzen. Dadurch erfüllt der Vermieter in dieser Zeit nicht seine vertragliche Pflicht zur Gewährung des Mietgebrauchs. Dies begründet aber keinen Schuldvorwurf, wenn es - wie hier - gerade notwendige Folge der Erfüllung dieser Pflicht ist. Das heißt: Da es keinen Rechtsverstoß gibt, fehlt es an dem von § 536a Abs. 1 Alt. 2 BGB vorausgesetzten „Vertretenmüssen“ des Vermieters.

     

    Aus Sicht des BGH wird den Interessen des Mieters durch die in § 555a Abs. 2 BGB geregelte Pflicht des Vermieters Rechnung getragen, die Erhaltungsmaßnahme rechtzeitig anzukündigen (die Pflicht ergab sich früher aus § 242 BGB). Damit kann sich der Mieter auf die Maßnahme einstellen. Der BGH hält daran fest, dass sich die Frage, wie frühzeitig die Maßnahme angekündigt werden muss, nach den Umständen des Einzelfalls, dem Umfang und der Dringlichkeit der Maßnahme richtet (BGH MK 09, 186, Abruf-Nr. 091423).

     

    Beachten Sie | Gerade bei der Gewerberaummiete kann - so der BGH - eine besondere Rücksichtnahmepflicht des Vermieters bei nicht dringlichen Maßnahmen bestehen. Diese gebietet zudem eine zeitliche Abstimmung mit dem Mieter, die etwa auf saisonale Besonderheiten Rücksicht nimmt. So wird dem Mieter ermöglicht, seinen Gewinnausfall möglichst gering zu halten, z.B. indem er für die Zeit der Erhaltungsmaßnahme Betriebsurlaub anordnet.

    Praxishinweis

    Dem Ausgangsfall liegt ein gewerbliches Mietverhältnis zugrunde. Die Kernaussagen der in den drei Leitsätzen zusammengefassten Quintessenz der hier aus Platzgründen nicht im Einzelnen darstellbaren Entscheidung gelten jedoch gleichermaßen für Wohn- und Gewerberaummietverhältnisse.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2015 | Seite 204 | ID 43705522