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  • · Fachbeitrag · Schlüsselverlust

    Mieter haftet nur bei Austausch der Schließanlage auf Schadenersatz

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Der Schadenersatzanspruch des Vermieters gegen den Mieter wegen eines verlorenen Wohnungsschlüssels - hier: Austausch der Schließanlage einer Wohnungseigentumsanlage - setzt voraus, dass die Schließanlage auch tatsächlich ausgetauscht wurde (BGH 5.3.14, VIII ZR 205/13, Abruf-Nr. 140857).

     

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte war Mieter einer Eigentumswohnung des Klägers. Im gemeinsam unterzeichneten Wohnungsübergabeprotokoll ist vermerkt, dass dem Mieter zwei Wohnungsschlüssel übergeben wurden. Der Beklagte gab einen Wohnungsschlüssel zurück. Er bestritt, einen zweiten erhalten zu haben. Nachdem die WEG-Verwaltung darüber in Kenntnis gesetzt worden war, verlangte sie vom Kläger auf Voranschlagsbasis die Zahlung von 1.468 EUR für den aus Sicherheitsgründen für notwendig erachteten Austausch der Schließanlage. Gleichzeitig kündigte sie an, diesen nach Zahlungseingang in Auftrag zu geben. Weder hat der Kläger bislang gezahlt, noch wurde die Schließanlage ausgetauscht. Die Klage auf Zahlung von Schadenersatz an die Eigentümergemeinschaft hat erstinstanzlich überwiegend Erfolg. Das LG (ZMR 14, 41) weist die Berufung des Beklagten zurück. Seine Revision hat Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Mieter, der ihm bei Mietbeginn überlassene Schlüssel nicht oder nicht vollständig zurückgibt, verletzt seine mietvertragliche Nebenpflicht zur Obhut über den nicht mehr auffindbaren Schlüssel, § 241 Abs. 2 BGB (Nachweise Urteilsgründe Tz. 10). Folge: Er ist dem Vermieter gegenüber - grundsätzlich - zum Schadenersatz gemäß § 280 Abs. 1, § 535 Abs. 1, § 546 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet. Vom Verschuldensvorwurf hat sich der Beklagte nicht entlastet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Er hat zum Verbleib des Schlüssels nichts vorgetragen.

     

    Der Kläger kann als Schadenersatz vom Beklagten Freistellung (Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft) verlangen, soweit er wegen des abhanden gekommenen Schlüssels seinerseits Schadenersatzansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ausgesetzt ist. Das ist hier nicht der Fall. Grund: Der WEG steht der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht zu, weil die Schließanlage nicht ausgetauscht worden ist.

     

    Zwar kann ein Geschädigter den für die Beseitigung eines Sachschadens erforderlichen Aufwand im Hinblick auf § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich auch fiktiv abrechnen (BGHZ 66, 239). Dies setzt aber voraus, dass ein erstattungsfähiger Vermögensschaden entstanden ist. Hieran fehlt es im Streitfall. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob der Verlust eines einzelnen, zu einer Schließanlage gehörenden Schlüssels zu einem Sachschaden an der Schließanlage als Sachgesamtheit führt (Nachweise Urteilsgründe Tz. 16 f.). Der BGH folgt der Meinung, die bei Verlust eines Schlüssels eine Beschädigung der Schließanlage als Sachgesamtheit verneint. Grund: Eine Sache oder Sachgesamtheit ist nur beschädigt, wenn ihre Sachsubstanz verletzt ist. Der Verlust eines Schlüssels führt aber bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht zu einer - über die hier nicht streitgegenständliche Einbuße des verlorenen Schlüssels hinausgehenden - Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage. Dass die Schließanlage in ihrer Sicherungsfunktion beeinträchtigt ist, wenn sich Unbefugte mit dem verloren gegangenen Schlüssel Zutritt verschaffen könnten, ist keine unmittelbare Folge eines Substanzeingriffs. Dies zeigt sich schon daran, dass diese Funktionsbeeinträchtigung durch einen neu angefertigten Schlüssel und die damit verbundene Kompensation der eingebüßten Sachsubstanz nicht beseitigt werden könnte. Das rein abstrakte Gefährdungspotenzial stellt regelmäßig keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar.

     

    Beachten Sie | Ein erstattungsfähiger Schaden entsteht erst, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt. In einem solchen Fall hat sich das Gefährdungspotenzial in einer Vermögenseinbuße realisiert.

     

    Praxishinweis

    Zwischen den Mitgliedern einer WEG besteht eine schuldrechtliche Sonderverbindung. Haben die Eigentümer eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WEG getroffen, sind sie rechtsgeschäftlich und im Übrigen durch das unter allen Eigentümern bestehende gesetzliche Schuldverhältnis verbunden (NZM 07, 292). Dass auch aus Letzterem Treue- und Rücksichtnahmepflichten i.S. von § 241 Abs. 2 BGB folgen können, ist anerkannt. Folge: Ein Wohnungseigentümer hat im Rahmen dieser Sonderverbindung für das Verschulden von Hilfspersonen nach § 278 BGB einzustehen (BGHZ 141, 224). Dies gilt auch für einen Mieter, dem er die Wohnung überlassen hat (BayObLG NJW 70, 1551; KG NZM 02, 869; LG Dortmund NZM 00, 1016). Diese Schutz- und Obhutspflicht erfasst auch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Schließanlagen einschließlich der zugehörigen Schlüssel. Den Miteigentümer treffen daher in Bezug auf die Schließanlage gegenüber der WEG die gleichen Obhutspflichten wie den Mieter im Rahmen des Mietverhältnisses gegenüber seinem Vermieter.

     

    Ein danach zu ersetzender Schaden kann auch in dem Verlust des Schlüssels für eine Schließanlage liegen, wenn eine missbräuchliche Verwendung des nicht auffindbaren Schlüssels durch Unbefugte unter den konkreten Umständen objektiv zu befürchten ist. Nach Flatow (NZM 11, 660, 661) ist das regelmäßig der Fall, wenn der Verbleib des Schlüssels unklar ist, weil er verloren gegangen oder sogar gestohlen worden ist. Dann führt aus Sicherheitsgründen kein Weg an dem Austausch der Schließanlage vorbei. Hier hatte die Verwalterin seit 21.7.10 Kenntnis vom Verlust des Schlüssels. Gleichwohl hat sie einen Austausch der Schließanlage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 31.5.13 nicht veranlasst. Das lässt den Schluss zu, dass sich das abstrakte Gefährdungspotenzial des Schlüsselverlusts nicht realisiert hat.

     

    Ist aber kein Schaden entstanden, ist der Kläger nicht verpflichtet, der WEG fiktive Kosten eines noch nicht vorgenommenen Austauschs der Schließanlage zu erstatten. Eine abstrakte Schadensberechnung ist nach Auffassung des BGH nicht zulässig. Seine Klage auf Freistellung von diesem Anspruch ist daher unbegründet. In gleicher Weise entsteht dem Vermieter einer Wohnung kein Schaden, wenn er einen Schlossaustausch unterlässt. Er kann als Schadenersatz lediglich die Kosten für die Ersatzbeschaffung eines neuen Schlüssels verlangen. Diese waren hier nicht streitbefangen.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 114 | ID 42731690