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  • · Fachbeitrag · Ärztliche Kooperationen

    Zukunftskonzepte für die Zusammenarbeit von Ärzten im ambulanten Bereich

    von StB Dr. Rolf Michels, Köln, www.laufmich.de

    | Dass sich Vertragsärzte zusammenschließen, ist heute alltäglich, war aber nicht immer so. Lange galt ein Verbot der gemeinsamen ärztlichen Tätigkeit und erst 1968 wurde die generelle Möglichkeit geschaffen, den Arztberuf gemeinsam auszuüben. Mittlerweile gibt es eine Fülle an Kooperationsmöglichkeiten, die in diesem Beitrag jeweils kurz dargestellt werden soll. Zur Vertiefung wird zu jeder Kooperationsform auf geeignete weiterführende Literatur verwiesen. |

    1. Welche Vorteile winken durch Kooperation?

    Die Gründe dafür, warum Ärzte kooperieren, sind vielfältig. Diese hier sind nur ein Ausschnitt aus dem Spektrum:

     

    • Der Kostendruck der eigenen Praxis soll gemildert werden, indem z. B. wirtschaftliche Synergien durch gemeinsame Auslastung größerer, teurer Geräte realisiert werden.
    • Kooperationen ermöglichen es, das Leistungsspektrum zu erweitern, sich zu spezialisieren und qualitativen Anforderungen an eine moderne Praxisführung gerecht zu werden.
    • Auch können lokale und regionale Märkte sowie Wachstumspotenziale für die Praxis erschlossen werden.
    • Kooperationen helfen, die Praxisnachfolge vorzubereiten, verringern die eigene Arbeitsbelastung mit dem Ziel einer ausgeglichenen Work-Life-Balance und geben die Sicherheit, für schwierige Praxissituationen besser gerüstet zu sein.

     

    Dass es so viele gute Gründe gibt, sollte ein Anlass für Berater und Mandant sein, eigene Überlegungen anzustellen - und zwar in jeder Phase der Praxisentwicklung. Zumal es eine Vielzahl an Kooperationsmöglichkeiten gibt:

     

    • Anstellung von Ärzten
    • Errichtung einer Filiale/Zweigpraxis
    • Teil-Berufsausübungsgemeinschaft
    • Apparategemeinschaft
    • Kooperation mit Krankenhaus
    • Berufsausübungsgemeinschaft
    • Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft
    • Medizinisches Versorgungszentrum
    • Praxisnetz

     

    Weiterführender Hinweis

    • Praxiskooperationen - Kooperationsstrategien für unterschiedliche Phasen der Praxisentwicklung (Michels/Karch, PFB 14, 244)

    2. Anstellung von Ärzten

    Vertragsärzte können Kollegen derselben oder einer anderen Fachgruppe anstellen, benötigen aber für jede Stelle einen (Angestellten-)Vertragsarztsitz. Der Zulassungsausschuss muss die Anstellung genehmigen. Wer selber eine Zulassung hat, kann bis zu drei vollzeitbeschäftigte Ärzte anstellen. Geht es überwiegend um medizinisch-technische Leistungen in der Praxis, können sogar bis zu vier Ärzte angestellt werden. Angestellte Ärzte erhalten von der KV ein eigenes Honorarvolumen.

     

    Für junge Ärzte gibt es die besondere Anstellungsform des Weiterbildungsassistenten. Als Weiterbildungsassistenten können junge Ärzte die vertragsärztliche Tätigkeit kennen lernen. Wer einen Weiterbildungsassistenten beschäftigen möchte, benötigt für seine Praxis die Anerkennung als Weiterbildungsstätte und eine entsprechende Erlaubnis. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz zum 23.7.15 wurde die Rechtsgrundlage für die Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin - § 75a SGB V - im SGB V verankert.

     

    Auch ein freiberuflich tätiger Arzt kann sich nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte (Angestellte oder freie Mitarbeiter) bedienen und dennoch immer noch freiberufliche Einkünfte erzielen. Damit die Tätigkeit steuerlich weiterhin als selbstständig eingestuft wird, muss der anstellende Arzt kraft eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig bleiben (Stempeltheorie).

     

    • Beispiele

    (1) Eine radiologische Gemeinschaftspraxis stellt einen Strahlentherapeuten an.

     

    Die Gesellschafter der radiologischen Praxis sind kraft eigener Fachkenntnisse nicht in der Lage, die Arbeit des Strahlentherapeuten zu überwachen. Hier ist die Anstellung schädlich für die Freiberuflichkeit. Die Gemeinschaftspraxis erzielt insgesamt gewerbliche Einkünfte.

     

    (2) Eine große Augenarztpraxis gründet in der Nachbarstadt eine Filiale.

     

    Die Leitung der Filiale hat komplett ein angestellter Arzt - ohne laufende Überwachung durch den Praxisinhaber. Wenn die fachliche Überwachung des „Filialleiters“ nicht durch ein ausgeprägtes Kontrollsystem sichergestellt ist, besteht eine hohe Gefahr der Gewerblichkeit.

     

    (3) Eine große orthopädische Gemeinschaftspraxis begründet mit einer orthopädischen Zweier-Gemeinschaftspraxis in der Nachbarstadt eine überörtliche Gemeinschaftspraxis.

     

    Einer der bisherigen Inhaber scheidet aus und die Zulassung wird in eine Anstellung umgewandelt. Der neue Standort wird von einem angestellten Arzt geleitet, der bisherige Vertragsarzt ist dort nur noch in minimal zulässigem Umfang tätig. Sofern der Vertragsarzt seiner Leitungs- und Überwachungspflicht nicht nachkommen kann, liegt Gewerblichkeit vor.

     

    Allerdings sind gewerbliche Einkünfte noch nicht der Untergang. Denn wer Gewerbesteuer zahlt, erhält einen Nachlass bei der Einkommensteuer als Ausgleich. Der Nachlass ist allerdings meistens niedriger als die gezahlte Gewerbesteuer. Er kompensiert nur dann die gezahlte Gewerbesteuer, wenn der Hebesatz der Gemeinde nicht höher als 400 % ist. Die Hebesätze der meisten Gemeinden (NRW) liegen über 400 % (z.B. Köln 475 %), sodass es zu einer Mehrbelastung kommt. Auch muss auf den möglichen Übergang von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zur Bilanzierungspflicht hingewiesen werden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Allgemeine Informationen zum Thema Weiterbildungsassistent am Beispiel der KV Bayern (Stand 4.3.16)
    • Einkünftequalifizierung - Steuerliche Fallstricke bei der Anstellung von (Zahn-)Ärzten (Paschhoff, PFB 13, 304)
    • Gewinnermittlung - Eine Ärzte-GbR wird durch gewerbliche Infektion buchführungspflichtig nach § 141 AO (Kratzsch, PFB 15, 271)

    3. Errichtung einer Filiale/Zweigpraxis

    Vertragsärzte dürfen auch anderenorts ihres Vertragsarztsitzes vertragsärztlich tätig werden. Man unterscheidet genehmigungspflichtige Filialen und (nur) anzeigepflichtige „ausgelagerte Praxisräume“. Das sind weitere Orte in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz, wo nur spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen oder bestimmte Therapiemaßnahmen erbracht werden.

     

    Strategische Gründe für eine Filiale können z. B. sein, dass es mit einem weiteren Standort gelingt, den Anteil von Privatpatienten zu erhöhen oder z. B. OP-Patienten für den Hauptstandort zu gewinnen. Der Errichtung einer Filiale kann aber auch die Übernahme einer Praxis und Umwandlung der Zulassung dort in eine Anstellung vorangegangen sein.

     

    Das Sozialrecht nennt für die Genehmigung einer Filiale zwei Grundvoraussetzungen: Die Versorgung der Versicherten an weiteren Orten muss verbessert werden. Und die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes darf sich nicht verschlechtern. Geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes sind unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen werden. Die Bedarfsplanung ist hierbei unbeachtlich (BSG 16.12.15, B 6 KA 37/14 R).

     

    Auch hier ist wieder auf das ertragsteuerliche Risiko der steuerlichen Umqualifikation in gewerbliche Einkünfte hinzuweisen. Die Filiale muss eigenverantwortlich vom Praxisinhaber geleitet werden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Vertragsarztrecht - Zweigpraxen: Bedarfsplanung spielt keine Rolle! (Hesse, PFB online 5.2.16)
    • Arztpraxen - Neue Möglichkeit der steuerbegünstigten Veräußerung einer (Zweig-)Praxis als Teilbetrieb (Gasten, PFB 13, 152)

    4. Teil-Berufsausübungsgemeinschaft

    In Teilgemeinschaftspraxen (Teil-BAG) schließen sich Ärzte zur gemeinsamen Behandlung zusammen, wobei sich die Zusammenarbeit auf ein bestimmtes Leistungsspektrum beschränkt. Die beteiligten Ärzte arbeiten weiter in ihren eigenen Praxen. Eine Teilgemeinschaftspraxis muss also keine eigenen Räume haben. Als überörtliche Teil-BAG kann sie in einer oder mehreren der beteiligten Praxen oder in einem MVZ angesiedelt werden. Ein Arzt kann sich in mehreren Teilgemeinschaftspraxen engagieren. Meist werden Teilgemeinschaftspraxen als GbR gegründet. Aber auch eine Partnerschaftsgesellschaft ist möglich. Teilgemeinschaftspraxen sind Mitunternehmerschaften.

     

    Strategischer Hauptgrund für Teilgemeinschaftspraxen ist die Erbringung von Leistungen, die der Einzelne alleine nicht erbringen kann.

     

    Ausgeschlossen sind jedoch Teilgemeinschaftspraxen mit Ärzten, die nur medizinisch-technische Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder der Teilgemeinschaftspraxis erbringen. Hier droht die Gefahr, dass die Zusammenarbeit als verdeckte Zuweisung gegen Entgelt angesehen wird.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Ärztliche Kooperationen - Rechtliche Fragen zum korrekten Aufbau einer überörtlichen Teil-BAG (Christmann, PFB 16, 22)
    • Kooperation - Vorsicht bei der Gewinnverteilung in einer Teil-BAG mit Radiologen (PFB online 5.8.16)

    5. Organisationsgemeinschaften

    Hierunter fallen klassischerweise Praxis-, Apparate- und Laborgemeinschaften. Organisationsgemeinschaften sind Innengesellschaften. Sie werden definiert als Zusammenschluss zweier oder mehrere Ärzte (oder Berufsausübungsgemeinschaften) gleicher oder unterschiedlicher Fachrichtungen, die gemeinsam Räume und/oder Praxiseinrichtungen nutzen und/oder gemeinsam Praxispersonal beanspruchen. Die beteiligten Ärzte finden sich gerade nicht (!) zur gemeinsamen Berufsausübung zusammen. Keinesfalls darf die Praxisgemeinschaft für gegenseitige Patientenzuweisungen und Gewinnpooling missbraucht werden.

     

    Die Praxisgemeinschaft darf keine Einnahmen erzielen! Sie verteilt nur die in ihr entstehenden Kosten auf die beteiligten Ärzte. Ist das der Fall, dann sind die Leistungen der Praxisgemeinschaft gegenüber den beteiligten Ärzten vom Grundsatz her umsatzsteuerbefreit. Das gilt aber nur, wenn die Leistungen in den Einzelpraxen unmittelbar für ärztliche Leistungen verwendet werden und wenn dafür gesorgt wird, dass die Kosten genau erstattet werden. Wer auf der ganz sicheren Seite sein will, wird wohl oder übel eine Kostenstellenrechnung einrichten lassen müssen.

     

    • Beispiele

    (1) Praxisgemeinschaft von drei Zahnärzten (fünf Behandlungsstühle, Praxiseinrichtung sowie Personal).

     

    Die Verteilung und Abrechnung der Kosten erfolgt in einer Kostenstellenrechnung exakt nach dem Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme der einzelnen Ärzte! Folge: Die Voraussetzungen für Umsatzsteuerbefreiung dürften mit Sicherheit erfüllt sein.

     

    (2) Zwei Ärzte kaufen ein Gerät zur gemeinschaftlichen Nutzung (z. B. DVB-T) und gründen eine entsprechende Apparategemeinschaft.

     

    Die Verteilung und Abrechnung der Kosten erfolgt je zur Hälfte gemäß Beteiligung unabhängig von der individuellen Inanspruchnahme. Erst wenn ein Arzt das Gerät zu mehr als 50 % nutzt, erhöht sich sein Anteil an den Kosten auf die erhöhte Nutzung. Folge: Entspricht dies aber noch einer genauen Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten? Meines Erachtens ja, weil hier Leerkosten nach der Verursachung zugerechnet werden. Die Voraussetzungen für Umsatzsteuerbefreiung wären damit erfüllt.

     

    (3) Apparategemeinschaft von drei Orthopäden und einem Radiologen (Röntgenanlage und Bedienpersonal).

    Der Radiologe nutzt das Gerät zu ca. 10 % bis 15 %. Dies war auch schon im Zeitpunkt der Gründung der Apparategemeinschaft voraussehbar. Der Radiologe trägt gemäß Gesellschaftsvertrag pauschal 70 % und jeder Orthopäde 10 % anfallenden Kosten. Folge: Der Grundgedanke einer genauen Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten ist nicht erkennbar. Es ist von einer Umsatzsteuerpflicht auszugehen (neben möglichen arztrechtlichen Problemen!).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kooperationen - Besonderheiten der Praxisgemeinschaften (Peine, PFB 16, 195)
    • Kooperationen - Vorsicht vor dem Gewinnpooling in der Praxisgemeinschaft (Scholl-Eickmann, PFB 11, 294)
    • Umsatzsteuer - Neues zu Praxis- und Apparategemeinschaften (Michels/Ketteler-Eising, PFB 09, 61)

    6. Krankenhaus-Kooperationen

    Kooperationen mit einem Krankenhaus sind auf ganz unterschiedliche Weise möglich und es würden den Überblickscharakter dieses Beitrags sprengen, die einzelnen Möglichkeiten im Detail auszuloten. Daher seien die grundlegenden Formen nur jeweils kurz angerissen:

     

    • Ein Honorararzt arbeitet im stationären und/oder ambulanten Bereich des Krankenhauses für den Krankenhausträger, ohne im Krankenhaus angestellt oder als Belegarzt bzw. Konsiliararzt tätig zu sein.

     

    • Ein Belegarzt ist ein niedergelassener Arzt, der im Krankenhaus Betten mit seinen Patienten belegen darf. Belegärzte finden sich vor allem in den Bereichen HNO, Urologie, Augenheilkunde, Gynäkologie etc.

     

    • Ein Konsiliararzt wird üblicherweise in einem konkreten Behandlungsfall hinzugezogen, weil dessen Facharztkompetenz im Krankenhaus nicht vorhanden ist. Allerdings ist der Übergang zum Honorararzt heute fließend, etwa wenn der Arzt Patienten mitbehandelt oder die Operation durchführt.

     

    • Ambulante Operationen sind chirurgische Leistungen, die in der Praxis, in der Praxisklinik oder im Krankenhaus erbracht werden. Der Patient kehrt anschließend nach Hause zurück. Rechtsgrundlage ist § 115b SGB V.

     

    • § 115a SGB V macht es möglich, Krankenhausleistungen auf Vertragsärzte und die Leistungserbringung in der Arztpraxis auszulagern. Es handelt sich dabei um vor- und nachstationäre Behandlungen des Krankenhauses. Der Vertragsarzt wird hierzu ausdrücklich beauftragt.

     

    • Weitere Möglichkeiten sind die Errichtung eines Ärztehauses am Krankenhaus, das Outsourcing einer Krankenhausabteilung, eine Gemeinschaftspraxis (BAG) mit Krankenhausärzten, ein MVZ mit einem Krankenhaus.

     

    Die Tätigkeit als Honorararzt ist nicht unproblematisch. Da ist zunächst die Frage der Scheinselbstständigkeit. Hier kommt es entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung an. In der Sozialrechtsprechung wird darüber hinaus die Meinung vertreten, dass ein Arzt ohne eigene Zulassung gar nicht als Honorararzt tätig werden könne.

     

    Für eine Zeit lang mussten Konsiliar- und Belegärzte mit dem Risiko leben, dass ihre Leistungen aus der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG mangels Vertrauensverhältnis zum Patienten herausfallen. Ausgehend von einer Entscheidung des BFH (18.8.11, V R 27/10) dürfte sich dieses Risiko erledigt haben. Der BFH hatte entschieden, dass ein persönliches Vertrauensverhältnis nicht in jedem Fall erforderlich ist. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Tätigkeit des Arztes ein notwendiger Bestandteil einer planvollen und den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechenden Heilbehandlung ist.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Scheinselbstständigkeit im Gesundheitswesen - Praktische Probleme bei Honorarärzten und bei freiberuflichen Mitarbeitern in Physiotherapie- und Ergotherapie-Praxen (Sedlaczek, PFB 16, 272)
    • Honorararzt - Arzt ohne Zulassung darf nicht als Honorararzt in Klinik tätig sein (Christmann, PFB online 7.6.16)
    • Umsatzsteuer - Der BFH entschärft das Umsatzsteuerrisiko für Konsiliar- und Belegärzte (Sedlaczek, PFB 12, 9)

    7. Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft

    Bis dato ist die Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) der Klassiker der gemeinschaftlichen Berufsausübung bei Ärzten und Zahnärzten. Es wird spannend sein zu sehen, ob das fachgruppengleiche MVZ, dass jetzt erlaubt ist und den Weg in die Rechtsform der GmbH ermöglicht, hieran mittelfristig etwas ändert.

     

    Mögliche Gründe, die für eine BAG sprechen, sind:

     

    • Erweiterung der Praxis
    • Übernahme und Integration weiterer Praxen
    • Erweiterung des Leistungsspektrums
    • Spezialisierungsmöglichkeiten innerhalb der Praxis
    • Vertretung bei Urlaub/Krankheit
    • Wirtschaftlichere Nutzung der Ressourcen
    • Nachfolgeplanung/-regelung (Übergangsgemeinschaftspraxis)
    • Systemvorteile (z. B. Mitwirkungsrecht bei der Auswahl des Nachfolgers nach § 103 SGB V)

     

    Besonders problematisch ist die Aufnahme eines neuen Partners durch eine (vorübergehende) Nullbeteiligung.

     

    • Beispiel

    Die Gesellschafter einer BAG möchten einen Juniorpartner nicht sofort an den materiellen und immateriellen Werten der Praxis beteiligen. Ein späterer anteiliger Erwerb ist jedoch vorgesehen. Sie beteiligen den Juniorpartner auch nicht sofort am Gewinn. Er erhält stattdessen einen prozentualen Anteil vom Umsatz (alternativ: einen monatlichen Festbetrag).

     

    Eine solche schrittweise Einbindung ist nach der Entscheidung des FG Düsseldorf (19.9.13, 11 K 3969/11 G, bestätigt durch BFH 3.11.15, VIII R 62/13) gefährlich. Der Juniorpartner wird nicht Mitunternehmer, denn ihm fehlt es in dieser Gestaltung an Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko. Die steuerlichen (Mindest-)Vorgaben lauten:

     

    • Gewinnabhängige Vergütung des Partners
    • Anteil am Zuwachs der stillen Reserven seit Eintritt
    • Beteiligung an der Geschäftsführung
    • Kein vollständiger Haftungsausschluss

     

    Werden diese Vorgaben nicht erfüllt, ist der neue Partner kein Mitunternehmer, sondern Scheingesellschafter. Die Vorgaben des BSG sind übrigens ähnlich! Die Folgen sind unangenehm. Steuerlich gibt es zwei „Steuersubjekte“- die Praxisinhaber und den Scheingesellschafter. Der Scheingesellschafter ist steuerlich wie ein freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer der Praxis zu beurteilen. Für die Praxisinhaber können sich gewerbesteuerliche, lohnsteuerliche und sozialversicherungsrechtliche Risiken wegen der „Anstellung“ eines Arztes ergeben. Im Fall einer BAG wird diese komplett gewerblich. Zudem besteht das Risiko des Abrechnungsregresses für die BAG. Ist der Juniorpartner eigentlich ein Angestellter, so ist dieses Anstellungsverhältnis nicht genehmigt. Eine Nullbeteiligung riskiert immer nach § 138 BGB bzw. wegen Verstoß gegen vertrags(zahn)arztrechtliche Vorschriften nichtig zu sein.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Nullbeteiligungsgesellschaft - Ein Nullbeteiligungsgesellschafter kann die Einkünfte der Gemeinschaftspraxis infizieren (Kratzsch, PFB 14, 201)
    • Honorarrückforderung - Gestaltungsmissbrauch und Verordnungsregress (Lindenau, PFB 09, 260)

    8. Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft

    Eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) ist berufs- und zulassungsrechtlich eine echte Gemeinschaftspraxis. Die Besonderheit dieser Kooperationsform besteht darin, dass die beteiligten Ärzte nicht zusammen an einem Ort praktizieren. An jedem Praxissitz muss mindestens ein Mitglied der Berufsausübungsgemeinschaft hauptberuflich tätig wird. Zudem muss eine einheitliche Patientenkartei geführt werden. Meist genutzte Rechtsform ist auch hier die GbR.

     

    Folgende Motive werden für die Gründung einer üBAG häufig genannt:

     

    • Marktpositionierung/Kooperationspartner (Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Einzel- und Gemeinschaftspraxis im Verbund)
    • Langfristige Existenzsicherung (Nachfolgeplanung im Verbund)
    • Gebietsarrondierung (flächendeckende Versorgung unter einem Dach; Bildung einer „Filialstruktur“)
    • Synergieeffekte/Kostenminderungseffekte (nur eingeschränkt infolge Beibehaltung der Standorte/Praxisstrukturen vor Ort)
    • Patientenversorgung „aus einer Hand“ (breiteres Leistungsspektrum; aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken verschiedener Fachgruppen; Schaffung von Versorgungspfaden; Erhöhung der Bindung des Patienten)

     

    Weiterführende Hinweise

    • Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften - Die Honorarverteilung in der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (Frielingsdorf, PFB 14, 109)

    9. Medizinische Versorgungszentren

    § 95 Abs. 1 SGB V beschreibt Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach § 95 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Das Merkmal fachübergreifend ist mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) aus 2015 entfallen. Gründer eines MVZ können (Vertrags-)Ärzte, Krankenhäuser, zugelassene/ermächtigte gemeinnützige Träger und Kommunen sein. Als Rechtsformen stehen Personengesellschaften, die GmbH und sogar die eingetragene Genossenschaft zur Verfügung.

     

    Die Gründung eines MVZ war bislang schon sinnvoll, wenn

     

    • sich der Arzt rein kapitalistisch an einer weiteren Einheit beteiligen will, ohne selbst dort medizinisch tätig zu werden;
    • sich der Arzt an weiteren Einheiten beteiligen will, die aber rechtlich mit der „Kernpraxis“ nicht verbunden sein sollen;
    • eine gesellschaftsrechtliche Kooperation mit einem Krankenhaus eingegangen werden soll;
    • mehr angestellte Ärzte als in der BAG zulässig angestellt werden sollen;
    • die KV-Zulassung vor der Einziehung durch die KV geschützt werden soll.

     

    Die Gestaltungsberatung ist im Moment dabei auszuloten, welche Chancen (aber auch Risiken) sich den (Zahn-)Ärzten dadurch bieten, dass das Merkmal fachgruppenübergreifend entfallen ist. Eine erste spürbare Konsequenz ist die Zunahme der Zahnarzt-MVZ.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Rechtsformenvergleich - Zahnärztliches MVZ versus zahnärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (Nies/Nies, PFB 16, 244)
    • GKV-VSG - MVZ Neuregelungen erweitern Gestaltungsmöglichkeiten (Sedlaczek/Pütz, PFB 16, 100)
    • GKV-VSG - Welche Impulse gehen für MVZ aus (Rehborn/Lindenau - Interview, PFB online 4.2.16)

    10. Gründung eines Praxisnetzes

    Ein Praxisnetz ist der Zusammenschluss von selbstständig tätigen Vertragsärzten, BAG, MVZ und ggf. anderer Gesundheitsfachberufe verschiedener Fachrichtungen. In Deutschland gibt es ca. 400 Praxisnetze. Jeder dritte Vertragsarzt arbeitet in einem Praxisnetz (Ärztemonitor 2014). Die Intensität der Zusammenarbeit ist heterogen. Sie reicht vom Kaffeekränzchen bis zum Gesundheitsunternehmen.

     

    Die Zusammenarbeit in einem Praxisnetz hat ganz unterschiedliche Ziele:

     

    • Medizinische und organisatorische Ziele: Sicherung/Verbesserung regionaler Versorgung (Beispiele: einheitliche EDV-Ausstattung, Vernetzung von Haus- und Fachärzten zum Austausch von (Behandlungs-)Daten, Qualitätszirkel/-steigerung, fachlicher Austausch mit Kollegen)

     

    • Strategische Ziele: Ausbau der Stellung im regionalen Markt (Beispiel: sektorübergreifende Zusammenarbeit z. B. mit Krankenhäusern)

     

    • Monetäre Ziele: Verbesserung der (ärztlichen) Vergütung (Beispiele: Einkaufsgemeinschaften, Selektivverträge mit Krankenkassen, finanzielle Förderung)

     

    Seit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz 2012 sind Praxisnetze in § 87b SGB V aufgenommen. Die KBV entwickelte bundesweite Rahmenvorgaben zur finanziellen Förderung. Allerdings hat nicht jede regionale KV von den finanziellen Förderangeboten Gebrauch gemacht. Die Politik arbeitete inzwischen an einer weiteren Stärkung der Praxisnetze, deren Umsetzung im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 erfolgte (§ 87b SGB V). Die KVen wurden verpflichtet spezielle Honorarregelungen für anerkannte Praxisnetze einzuführen. Ferner gibt es die Option, eigene Honorarvolumen für die Netze als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Abs. 3 SGB V zu bilden.

     

    • Fördervoraussetzungen laut Richtlinie der KVNO

    Ab 1.1.16 gilt in der KV Nordrhein (KVNO) erstmalig eine Anerkennungs- bzw. Förderrichtlinie.

     

    • Antrag bei KVNO (nebst Nachweisen)
    • Minimum 20 bis Maximum 100 vertragsärztlichen Praxen (Ausnahmen möglich)
    • Mindestens drei verschiedene Fachgruppen (Hausärzte müssen vertreten sein.)
    • Praxen in zusammenhängenden Gebiet ansässig
    • Praxisnetz besteht seit drei Jahren
    • Gesellschaftsform:
      • Personengesellschaft (GbR, PartG)
      • eingetragene Genossenschaft (eG)
      • eingetragener Verein (e. V.)
      • Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
    • Kooperationsvereinbarung mit anderen Gesundheitsfachberufen (z. B. Physiotherapeuten) oder stationären Leistungserbringern (z. B. Krankenhäuser)
    • Vereinbarte Qualitätsstandards
    • Eigene Managementstrukturen (eigene Geschäftsstelle + Geschäftsführer + ärztlicher Leiter)
     

    Aufgrund niedriger/einmaliger Förderbeträge ist die Gründung eines Praxisnetzwerks „des Förderbetrags wegen“ nicht zu empfehlen. Gegebenenfalls liegt sogar ein Fall der EU-rechtswidrigen Beihilfe i. S. Art. 107 AEUV vor und es droht die Rückzahlung (kein Vertrauensschutz).

     

    Ertragssteuerlich ist der Zuschuss bei dem vereinnahmenden Praxisnetzwerk als Betriebseinnahme zu versteuern. Umsatzsteuerlich sind die von den KVen gezahlten Förderungen ein „echter“ (nicht steuerbarer) Zuschuss (Abschn. 10.2 Abs. 7 UStAE).

     

    Je größer das Netzwerk, desto eher empfiehlt sich eine haftungsbeschränkte Körperschaft als Rechtsform (GmbH). Da die Tätigkeit eines Netzwerks auch gewerblichen Charakter haben kann (EDV-Support, Einkaufsgemeinschaft, Marketing), ist auch aus steuerlicher Sicht von einer Personengesellschaft abzuraten. Eine gewerbliche Betätigung der Personengesellschaft kann auf die beteiligten Ärzte abfärben (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kooperationen - Praxisnetze als Versorgungsalternative (PFB 08, 236)
    Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 277 | ID 44184284

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